DIE POSAUNENSTELLE tief im glühenden Leertext, in Fackelhöhe, im Zeitloch:
hör dich ein mit dem Mund.
Dies ist ein Gedicht Paul Celans aus der postum veröffentlichten Sammlung „Ilana“.
Unter Posaunenstelle ist hier und heute, am Totensonntag des Jahres 2024, wohl die üblicherweise mit Posaunen unterlegte Textstelle
Tuba mirum spargens sonum per sepulcra regionum
zu verstehen.
Hör dich ein mit Mund – Hier meinen wir ein besonderes, ein hörendes Sprechen zu vernehmen. Hören mit dem Mund, das geschieht beim innehaltenden Singen, in dem der gesamte Trakt aus Mund, Rachen und Hals ein Schlot wird, in dem alles versinkt und zugleich hervorquillt. Inalare la voce – die Stimme einatmen, so formulierten das die alten Meister des Belcanto.
Zitat:
Paul Celan: DIE POSAUNENSTELLE, in: ders., Sammlung „Ilana“, in: ders., Die Gedichte. Neue kommentierte Gesamtausgabe in einem Band. Mit den zugehörigen Radierungen von Gisèle Celan-Lestrange. Herausgegeben und kommentiert von Barbara Wiedemann. Suhrkamp Verlag, Berlin 2020, S. 570, sowie dazugehörender Kommentar S. 1235-1236
Bild (von oben nach unten): Drüsiger Götterbaum (Ailanthus altissima), Hopfen (Humulus lupulus), Eschen-Ahorn (Acer negunda), gesichtet heute im Cheruskerpark an der Turnanlage vor dem EUREF-Campus. Bestimmt durch die App Flora incognita
Was machte ihr erstes eigenes Buch in deutscher Übersetzung, „Die Vegeratierin“ [sic!], zu einem Wagnis? Gab es Zweifel im Verlag, in der berüchtigten Vertreterkonferenz zum Beispiel?
„Klar, der Pitch – eine Frau, die sich in eine Pflanze verwandelt aus Protest gegen die herrschenden Verhältnisse, das klingt erst mal sehr speziell und wäre heute vielleicht noch schwerer durchzukriegen. Seinerzeit war es aber mehr Abenteuer als ein Wagnis.“
So beschrieb der Verleger Tom Müller gestern kurz vor Mitternacht in der FAZ den Weg, über den das Buch „Die Vegetarierin“, verfasst von Han Kang, endlich den Weg zu hoffentlich möglichst vielen deutschen Lesern gefunden hat.
Glückwunsch an Tom Müller, Glückwunsch an Han Kang zur Verleihung des Nobelpreises!
Ein weiterer Kandidat für den Nobelpreis fällt mir da ein! Denn genau dieses Wagnis, nämlich die Verwandlung einer Frau in eine Pflanze, die sich der drohenden Vergewaltigung durch einen Herrschenden vermöge einer Metamorphose in einen Lorbeerbaum entzieht, diesen Kunstgriff hat vielfach auch ein anderer, heute im Zuge der Me-too-Debatte hochaktueller Schriftsteller angewandt, nämlich Publius Ovidius Naso. Hier – als ein mögliches Beispiel von vielen – die Verwandlungsgeschichte von Daphne, einer am Wasser lebenden jungen Frau (Mädchen sollte man heute eigentlich nicht mehr sagen), die sich der Vergewaltigung durch Apollo, einen übermächtigen, sportlich durchtrainierten Vertreter der herrschenden Klasse (Götter sollte man heute nicht mehr sagen), dadurch entzieht, dass sie sich in ein Gewächs verwandelt.
Perde figuram mutando – „verlier die Gestalt, indem du dich verwandelst“, dieser geradezu klassische Pitch ist allen heutigen Frauen (und Männern) anzuraten, die mir ihrer Figur unzufrieden sind.
Ob wohl dieser – hoffentlich noch lebende – ominöse Publius Naso auch noch einmal einen Nobelpreis erhält? Zu wünschen wäre es ihm!
Aber lest selbst:
„Fer, pater“, inquit, „opem, si flumina numen habetis! Qua nimium placui, mutando perde figuram!“ Vix prece finita torpor gravis occupat artus: Mollia cinguntur tenui praecordia libro, in frondem crines, in ramos bracchia crescunt; pes modo tam velox pigris radicibus haeret, ora cacumen habet: remanet nitor unus in illa.
6. August 2024. Zurückgekehrt bin ich aus Dresden, wo wir gestern die so plötzlich verstorbene Natalia Petrowski zur Ruhe der Waldeinsamkeit im Loschwitzer Friedhof betteten. Unser Abschied von einem geliebten Menschen endet nicht vor einem verschlossenen Tor, sondern öffnet neue Zugänge zu Menschen und Welten, die uns ohne ihren Tod wohl nicht offen gestanden hätten. In diesem Sinne bin ich der Abgeschiedenen, der Verstorbenen auch in der Trauer unendlich dankbar.
Hier oben ein Bild von einem meiner letzten Bühnentode, in der Kirche Sanct Jacobi in Perleberg bei einem Konzert der Lotte Lehmann Woche: Menschen kommen aus der Tiefe des Raumes, wo Sand und Wasser sich trennen, Menschen gehen zurück in das scheinbar Vertraute, das sich seither verändert hat und weiter verändern wird. Und so verändern wir uns mit ihnen.
„Und keiner kennt mich mehr hier.“ Ich singe hier gerade „In der Fremde“ von Robert Schumann, den Blick nach oben gerichtet, ins Lichte, ins Weite.
Und in dem all dem steckt Versöhnung. „Keiner kennt mich mehr hier“, so wie auch ich mich nicht mehr kennen muss. „Lass gehen, lass fahren dahin…“
Aufnahme vom 27. Juli 2024. Bühnenregie: Florian Hackspiel. Am Flügel: András Vermesy. Foto: Nico Dalchow
Credits:
Joseph von Eichendorff/Robert Schumann: „In der Fremde“, taken from: Eichendorff Totenopfer/Schumann Liederkreis, op. 39 Recorded live on stage at St. Jacobi Kirche in Perleberg, Prignitz district, Germany, during scenic concert for Lotte Lehmann Woche 2024, 27 July 2024 Johannes R. Hampel, tenor András Vermesy, piano Scene director: Florian Hackspiel Director of photography: Nico Dalchow
Script: Joseph von Eichendorff: Totenopfer. In der Fremde
Aus der Heimat hinter den Blitzen rot Da kommen die Wolken her, Aber Vater und Mutter sind lange tot, Es kennt mich dort keiner mehr. Wie bald, wie bald kommt die stille Zeit, Da ruhe ich auch, und über mir Rauschet die schöne Waldeinsamkeit Und keiner mehr kennt mich auch hier.
Quelle: Joseph von Eichendorff: „In der Fremde“. Aus: „Totenopfer“. In: Joseph von Eichendorff: Werke in einem Band. Hg. von Wolfdietrich Rasch. 6. Aufl., Carl Hanser Verlag, München 2007, S. 221-235, hier S. 233
Europawahl 2024, PolenKommentare deaktiviert für Noch ist die bürgerliche Mitte nicht verloren
Jun122024
In unserem Nachbarland hat die Koalicja Obywatelska, das „Bürgerliche Bündnis“ mit Donald Tusk die meisten Stimmen errungen. Donald Tusk hebt völlig zu recht hervor, dass hinter diesem Erfolg lange, geduldige Arbeit, ein 10-jähriges Warten, harte, sachliche, niemals verleumderische Auseinandersetzung mit der politischen Rechten steht. (Jedenfalls wäre mir nicht bekannt, dass die Parteien der Mitte jemals den Gegner auf der politischen Rechten mit unflätigen Ausdrücken belegt hätten, wie das hier in Deutschland unsittliche Sitte ist – die berühmte Nazikarte hatten hier in Deutschland die Gegner der Rechten jederzeit im Ärmel). Zu recht also hat sich Tusk, der geschworene Anhänger der Sozialen Marktwirtschaft, in Polen durchgesetzt.
Wir zitieren ihn im Wortlaut:
Mamy prawo do radości i do wzruszenia, ja nie będę ukrywał, że jakoś tam w środku przełykam łzy. Jestem bardzo wzruszony, wzrusza mnie to, że mimo niełatwych czasów, mimo tego, że nasi Polki, Polacy, chcieliby szybciej, ale dzisiaj, w tym momencie, mam poczucie wielkiej, i osobistej, i naszej wspólnej satysfakcji, że nie zmarnowaliśmy tych pięknych miesięcy po 15 października. Brakuje mi słów wdzięczności dla tych wszystkich, którzy poszli dzisiaj do wyborów. Nasi wyborcy zmobilizowali się, poszli, to przecież oni wygrali.
Was lernen wir in Deutschland daraus? Die politische bürgerliche Mitte ist noch nicht verloren. Geduld, Anstand, Höflichkeit werden sich auf längere Sicht auszahlen.
(Abgesehen von der nicht unerheblichen Tatsache, dass selbstverständlich auch Donald Tusk einige Positionen vertrat, die in Deutschland als „rechts“ in Schutt und Asche denunziert worden wären).
Ein möglicher Schlüssel zur Deutung der gestrigen Wahlen zum Parlament der Europäischen Union wurde bereits mehrfach in diesem Blog angeboten. Er lautet:
„Im Zweifel für die Freiheit!“
„Wenn ich sagen soll, was mir neben dem Frieden wichtiger sei als alles andere, dann lautet meine Antwort ohne Wenn und Aber: Freiheit. Die Freiheit für viele, nicht nur für die wenigen. Freiheit des Gewissens und der Meinung.„
Dieses Bekenntnis legte Willy Brandt, der große Sozialdemokrat am 14. Juni 1987 in der Bonner Beethovenhalle ab. Wir wissen heute: Willy Brandt war nicht nur ein unerschrockener Antinationalsozialist, der 1936 bei einem Aufenthalt in Berlin für diese Überzeugung Leib und Leben aufs Spiel setzte, er wurde auch nach der Befreiung Europas vom Nationalsozialismus zu einem unerschütterlichen Antikommunisten, der aus seiner tiefen Abneigung gegen das Unrecht des SED-Regimes nie den geringsten Hehl machte.
Einen starken, mutigen Freiheitsbegriff vertritt wie Willy Brandt auch unser Berliner Mitbürger, der Grünen-Politiker Cem Özdemir – etwa wenn es um die so brennende Frage geht, wie die künftige Europäische Union beschaffen sein soll. In seinem Türkei-Buch geht er einige – ihn nicht überzeugende – Antworten durch, um zu folgender Kernaussage zu gelangen: „Entscheidend ist, was wir Europäer wollen.“
Nachweis: Cem Özdemir: „Wer oder was ist Europa?“, in: ders., Die Türkei. Beltz, Weinheim 2008, hier S. 95-96
Nun, und was wollen wir Europäer? Darauf haben wir, die etwa 370 Millionen Wahlberechtigten der Europäischen Union gestern eine Antwort gegeben. Und wie steht es um den Freiheitsgedanken heute? Unter den vielen Kandidaten, die sich zur Wahl stellten, blieb mir unter anderen der Italiener Nicola Procaccini von den Europäischen Konservativen und Reformern im Gedächtnis. Er äußerte sich vor wenigen Tagen ganz im Sinne des Sozialdemokraten Willy Brandt, des Grünen Cem Özdemir mit folgenden Worten:
„Quando nasce nel 1957 con il Trattato di Roma, la Comunità Europea viene concepita così, viene concepita come una comunità di Stati che non deve occuparsi di tutto, ma di poche cose. Invece, purtroppo, nel corso del tempo si è cercato di spogliare le nazioni di competenze, portandole sotto il cappello dell’Unione Europea. In questo modo, secondo noi, si è cercato di omologare situazioni che non andavano omologate. […] Paradossalmente poi ci si è dimenticati di fare l’Europa dove invece serviva. L’Unione Europea non si deve occupare di tutto, ma si può occupare di poche cose importanti.“
Die Europäische Union, ein Bund freier Staaten, soll sich also laut Procaccini vor allem mit den wirklich wesentlichen, unabdingbaren, wichtigen Dingen befassen, jedoch nicht bis ins Einzelne durch Regeln und Vorschriften hinabregieren. Und genau in den wichtigen, grundlegenden Fragen sei die EU bisher nicht gut genug. Um stärker zu werden, besser zu werden, müsse sich die EU auf das Wesentliche besinnen. Das Prinzip der Subsidiarität sollte also stärker zur Geltung gebracht werden.
Und das Wesentliche, so meine ich, das ist nun einmal die Sicherung des Raumes der Freiheit, in dem sich das europäische Freiheitsethos, wie es etwa ein Willy Brandt, ein Cem Özdemir oder eben ein Nicola Procaccini vertreten, am besten entfalten kann.
Die europäischen Wähler wollen offenkundig mehr Freiheit, sie wollen weniger Bevormundung. Sie wollen selber entscheiden können, jetzt und auch noch in der Zukunft. Sozialdemokraten, Grüne, Europäische Konservative und Reformer, Volt, aber auch alle anderen Parteien und Fraktionen – sie alle werden sich in den kommenden 5 Jahren um die rechte Auslegung dieser Einsicht streiten. Möge der Streit gelingen!
So weit mein Wunsch und meine vorläufige Bilanz der gestern zu Ende gegangenen Wahlen.
Einigkeit und Recht und Freiheit Für das deutsche Vaterland
so dichtete am 26. August 1841 auf der damals britischen Insel Helgoland Hoffmann von Fallersleben in der dritten Strophe seines „Liedes der Deutschen“ und drückte damit die Sehnsucht vieler Deutscher nach einem freiheitlichen Staat aus, in dem man unter dem Schutz des Rechts, nicht unter der Herrschaft der Fürsten und Könige leben könnte. Dies war die Sehnsucht der damaligen deutschen Demokraten und Republikaner, die 1848 so bitter enttäuscht werden sollte! Sie wollten einen Nationalstaat der Deutschen, sie wollten die Herrschaft des Rechts, sie wollten die Selbstbestimmung, sie wollten die Demokratie, sie wollten die bürgerlichen Freiheiten.
Ganz anders heute!
Einigkeit gegen Rechts für Freiheit
also die Beseitigung all dessen, was irgendwie rechts verortet werden könnte, – diesen Reflex bedienen im laufenden Europa-Wahlkampf die herrschenden Parteien mit Wonne, ein Großteil der meinungsbildenden Presse folgt ihnen darin willig und malt beständig das Gespenst vom „drohenden“ Rechtsruck an die Wand. Zwischen rechts, konservativ, bürgerlich, reaktionär, rechtspopulistisch, rechtsradikal, nationalliberal, reformerisch, rechtsextremistisch wird in Deutschland von unseren Geschwätzwissenschaftlern meist gar nicht mehr unterschieden.
Rechts ist immer böse, links ist immer gut! Rechts ist immer schlecht, links ist immer Sicherheit, Solidarität, Frieden! Diese unterschwellige Botschaft wird dem dummen – oder besser dem für dumm gehaltenen – deutschen Publikum Tag um Tag einmassiert.
„Ach gäbe es doch nur noch Linke, wie wäre das Leben so schön!“ So möchte man meinen.
Auch die Nazikarte zieht immer und wird fleißig bei jeder Gelegenheit gezückt. Zu diesem unschlagbaren Trick mit der Nazikarte schreibt hellsichtig Latife Arab: „Meine Mutter hatte stets ihre Nazikarte parat, sollte auch nur eine ihrer Forderungen nicht sofort erfüllt werden. Ich glaube nicht, dass sie eine Ahnung hatte, was Nazis sind. Sie bekam alles, was sie verlangte.“
Als eines von vielen hundert möglichen Beispielen sei hier der riesige Aufsteller der Grünen an der Schöneberger Hauptstraße nachdrücklichst empfohlen. Man sollte ihn bei der anstehenden Europawahl in Erwägung ziehen.
„Einigkeit gegen Rechts für Freiheit.“
Betracht es recht, du wirst den Schluss ziehen:
Die Einigkeit gegen Rechts steht bei den Grünen über der Vielfalt, über dem Ideal der Diversität, sie steht über dem Schutz des Rechts, auch einmal einen Gedanken zu äußern, der als rechts verortet werden könnte.
Zitat: Latife Arab: Ein Leben zählt nichts. Heyne Verlag, München 2024, S. 58
Busoni, Freude, Islam, Musik, SingenKommentare deaktiviert für Berlin leuchtete. Wir waren eine klingende Felsenwand, eine singende Straße, eine strahlende Heimstatt der Musik und des Menschen!
Jun052024
Freue mich über die wirklich heitere festliche, fröhliche Stunde mit viel Musik und Gesang und lauter netten Leuten, die wir gestern zusammen in der Augsburger Straße erleben durften! Scott Curry fand bewegende Worte zur Enthüllung der Gedenktafel an Busonis ehemaligem Wohnhaus: „Wir feiern hier nicht nur Busonis Musik, wir feiern auch dieses Haus, unsere Straßen und Plätze, die unsere Stadt Berlin zu einer so großartigen Heimstatt der Musik machen!“ Danke Busoni, danke Adam Oehlenschläger, danke Scott, danke Igor, danke an alle Beteiligten dieser heiteren Stunde!
Ich selbst fühlte mich übrigens gemäß der Regieanweisung Busonis als Teil der klingenden Felsenwände, da wir gemeinsam das muslimische Gebet an Allah des dänischen Romantikers Adam Gottlob Oehlenschläger sangen, das Busoni in Töne gesetzt hat.
Der einsame Höhepunkt der morgen anstehenden Enthüllung der Gedenktafel in der Augsburger Straße dürfte wohl die Vertonung eines muslimischen Gebetes an Allah sein, die Ferruccio Busoni in sein monumentales Klavierkonzert C-dur eingebaut hat. Entnommen ist das majestätische Gedicht dem Drama Aladdin und die Wunderlampe, das der dänische Dichter Adam Oehlenschläger auf den uns Heutigen wohlbekannten Stoff unter dem Titel Aladdin eller den forunderlige lampe 1805 auf Dänisch und dann 1820 in seiner eigenen Übersetzung auch auf Deutsch veröffentlichte.
Busoni hatte begonnen, das Drama Oehlenschlägers zu einer Oper auszugestalten, gab das Vorhaben aber auf und verknüpfte stattdessen den orientalischen Märchenstoff mit seinem durchweg faustisch angelegten, monumentalen Klavierkonzert, in dem ein großer Geist danach strebt, „Musik über alles“ zu erschaffen – freilich in witzig-ironischer Brechung durch den in 1001 Farben irisierenden Märchenstoff!
Und gegen Ende des kolossalen Werkes finden wir uns in der gewaltigen Höhle wieder, aus der Aladdin ursprünglich die Lampe der Erkenntnis zuteil ward. Hört, lest selbst, wie da scheu tastend Aladdin und die zauberhafte Gulnare in das mystische Halbdunkel der Höhle eindringen:
Aladdin: Wie ehrenfest und bieder.
Gulnare: Hier wird es dunkler! Breite, schwarze Schatten werfen die Pfeiler. Wie geheimnisvoll!
Aladdin: Die braunen Blöcke seh‘n uns an wie Krieger=Gesichter, von der Sonne schwarz gebrannt, wie tiefen Narben alter Heldentaten.
Gulnare: Als Sterne blinket das Gestein im Dunkeln.
(Die Felsensäulen fangen an tief und leise zu ertönen.)
Ein ferner Chor singt:
Hebt zu der ewigen Kraft eure Herzen; Fühlet euch Allah nah , Schaut seine That!
Wechseln im Erdenlicht Freuden und Schmerzen; Ruhig hier stehen die Pfeiler der Welt.
Tausend und tausend, und Abermals tausende Jahre, so ruhig wie Jetzt in der Kraft,
Blitzen gediegen mit Glanz und mit Festigkeit , Die Unverwüstlichkeit Stellen sie dar.
Aus: Adam Oehlenschläger: Aladdin und die Wunderlampe, Amsterdam 1820, S. 254
Bild: C.D. Friedrich: Gebirgslandschaft mit Regenbogen. Öl auf Leinwand 1809/1810
EINLADUNG: Enthüllung der Gedenktafel für Ferruccio Busoni an seinem Wohnhaus
Augsburger Str. 33 (ehemals 55), 10789 Berlin
am Di. den 4. Juni 2024 um 11:00
in Anwesenheit des Pianisten Igor Levit.
Catering von Salut, ein Kammerchor singt Busoni-bezogene Chorwerke.
„Den Großteil meiner Tage verbrachte ich damit, meiner Mutter im Haushalt zu helfen. In dieser Zeit überbot sie sich selbst in psychischen und körperlichen Grausamkeiten. Man sah mich als Hure und als Schande, als Satan und Verräterin. Meine Taten waren einer muslimischen Frau nicht würdig und das ließ man mich spüren. Es verging keine Woche ohne körperliche Gewalt. Irgendwann nahm ich es hin, so wie meine Mutter es wahrscheinlich auch hinnahm, so wie Tausende Frauen in einer ähnlichen Lage es wohl täglich hinnehmen. Manchmal schlug mein Mann mich so schlimm, dass die Verletzungen nicht von allein heilten. Dann brachten mein Vater oder mein Mann mich zu Ärzten, die sie kannten, und nahmen mich nach der Behandlung gleich wieder mit nach Hause. Die Kontrolle über mich zu haben, war meinem Vater so wichtig, dass er sich tatsächlich dazu herabließ, sich mit mir in ein Auto zu setzen. Landete ich doch einmal im Krankenhaus, ließ ich mich, so schnell es ging, entlassen, um wieder bei meinen Kindern zu sein.“
Zitat: Latife Arab: Ein Leben zählt nichts. Wilhelm Heyne Verlag, 3. Auflage, München 2024, S. 126
„Es verging keine Woche ohne körperliche Gewalt. Irgendwann nahm ich es hin, so wie meine Mutter es wahrscheinlich auch hinnahm, so wie Tausende Frauen in einer ähnlichen Lage es wohl täglich hinnehmen.“
In einer Art Sklaverei, einer häuslichen Gefangenschaft werden wohl tausende Frauen in Deutschland gehalten. Körperliche und seelische Gewalt, verübt durch Frauen und Männer, Unmündigkeit, Freiheitsberaubung durch die eigene Familie prägen ihren Alltag. Diese Frauen, von denen es offenbar viele in Deutschland gibt, dürfen die Wohnung nicht ohne Begleitung ihres Ehemannes oder eines sonstigen Mitgliedes ihrer Familie verlassen.
Es sind keineswegs Einzelfälle. Sollte man weiterhin die Augen davor verschließen? Ich meine, Staaten, die – wie etwa die Bundesrepublik Deutschland – die Würde des Menschen in ihr Grundgesetz bzw. ihre Verfassung geschrieben haben, sollten zuerst einmal auf dem eigenen Territorium die Menschenrechte für alle Frauen, alle Kinder und alle Männer sichern und wahren, ehe sie weltweit andere Staaten über Grundrechte und gendertransformierende Maßnahmen belehren.
Es ist das große Verdienst Latife Arabs, diese weitverbreitete, durch den deutschen Sozialstaat felsenfest abgesicherte, von der Öffentlichkeit stillschweigend geduldete Sklavinnenexistenz in einem durch und durch abgeschotteten Umfeld mitten in Deutschland, mitten auch in der deutschen Hauptstadt in aller Härte zu schildern.
Busoni, EinladungenKommentare deaktiviert für Tausend und tausend und abermals tausende
Jun022024
Tausend und tausend, und Abermals tausende Jahre, so ruhig wie Jetzt in der Kraft,
Blitzen gediegen mit Glanz und mit Festigkeit , Die Unverwüstlichkeit Stellen sie dar.
Diese Verse aus dem Drama „Aladdin eller den forunderlige lampe“ von Adam Gottlob Oehlenschläger kommen mir unwillkürlich, ungerufen in den Sinn beim Betrachten und Genießen dieses blitzend gediegen daliegenden Sees. Tausende Jahre haben diesen Rinnensee in die Märkische Landschaft hineingeformt. Träumerische Hingabe an alles, was uns umgibt, an das, was uns widerfährt, was uns trägt, wie den Schwimmer die Fluten des Wassers tragen!
Nach einem erfrischenden Bad in der Krummen Lanke (siehe Foto) erreicht mich heute folgende rätselvolle EINLADUNG. Ich werde ihr mit Gewissheit folgen!
Enthüllung der Gedenktafel für Ferruccio Busoni an seinem Wohnhaus
Augsburger Str. 33 (ehemals 55), 10789 Berlin
am Dienstag, 4. Juni 2024 um 11:00 Uhr
in Anwesenheit des Pianisten Igor Levit.
Catering von Salut, ein Kammerchor singt unter Leitung von Scott Curry Busoni-bezogene Chorwerke.
NaturKommentare deaktiviert für Berückende Schönheit im Unteren Odertal
Mai192024
Vor wenigen Tagen führten dienstliche Belange mich in den Nationalpark Unteres Odertal. Denn wieder einmal galt es einige Brücken zwischen den Ländern herzustellen und gangbar zu machen. Voll unbändiger Freude sattelte ich mein stählernes Ross, packte die wenige Habe, die ich benötigen würde, in zwei Taschen – und fort ging es von Schwedt Richtung Süden. Bald schon hatte ich den Damm längs der Hohensaaten-Friedrichsthaler Wasserstraße erreicht, die sich wie ein glitzerndes Band am Rande der vielfach gegliederten Auenlandschaft windet. Leichtgängig rollte mein Rad auf der Krone des Deiches dahin, dem Ziel Criewen entgegen.
An einem geschlossenen Gatter bog ich vom Damm nach links unten ab, und nun öffnete sich vor meinen Augen eine wilde Auenlandschaft, mit immer neuen glitzernden Wasserflächen, hoch in der Luft riefen die Lerchen, links und rechts quakten Frösche unermüdlich um die Wette, kleine Moore, mosaikartige lehmige Flächen, Sedimentablagerungen, glitzernde Wasserflächen, trübe Pfützen säumten den nun doch recht holprigen Fahrweg.
In war also in den Poldern angekommen, jenen Überflutungsflächen, in denen sich nach starkem Regen das Wasser der Oder ergießen und ausbreiten darf! Drüben im Osten, schon auf polnischem Gebiet erhob sich der Hügelzug des Odertals, eine Hinterlassenschaft der letzten Eiszeit, die vor etwa 12.000 Jahren endete.
Hey super, die SPD macht Döner wieder 3 €! Das will ich wissen, da muss ich hin. Was die alles können! Gleich bei uns umme Ecke. Die SPD baut massiv die erneuerbaren Energien aus! Und sorgt für mehr Geld in der Tasche! Supi. Ick freu mir ja so auf det Geheimnis!
Betrachte dieses Bild hier! Was, glaubst du wohl, geschah hier in Eisenach am 8. August 1869? Richtig, du hast gut im Geschichtsunterricht aufgemerkt, du hast recht: Hier wurde durch Zusammenschluss des Vereinstags Deutscher Arbeitervereine (VDAV), der Sächsischen Volkspartei sowie ehemaliger Mitglieder des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins (ADAV) die SDAP, die Sozialdemokratische Arbeiterpartei gegründet. Diese SDAP gilt heute als unmittelbare Gründungspartei der ältesten noch heute bestehenden deutschen Partei, der SPD!
Über diesen Zusammenschluss an historischer Stätte schrieb – zutreffend – am 28. April 2024 die deutsche Schriftstellerin Cora Stephan:
„Die sozialdemokratische Arbeiterbewegung entstand im 19. Jahrhundert aus dem Zusammenschluss überwiegend von Handwerkern. August Bebel etwa, Galionsfigur der SPD, als die Partei ihre Geschichte noch wichtig nahm, war gelernter Drechsler und engagiert in der Bildungsbewegung, wie viele seiner Genossen, darunter Zigarrenmacher, Schuhmacher, Zimmerleute, Büchsenmacher. Bildung war das Zauberwort damals.“
Wir dürfen folglich fragen: Würde August Bebel heute die SPD wählen? Auszuschließen ist es sicher nicht!
Würden Schuhmacher, Schlosser, ungelernte Arbeiter, angelernte Arbeiter und Handwerker, Zimmerleute, Drechsler, Dachdecker, Büchsenmacher oder andere Metallarbeiter heute die SPD wählen? Mehr noch: Wie viele Arbeiter, Handwerker, Dachdecker und Zimmerleute sitzen heute für die SPD im Deutschen Bundestag? Noch tiefer gebohrt: Wie viele Handwerker sitzen überhaupt im Bundestag? Welche im Bundestag vertretene Partei hat den höchsten Anteil an Arbeitern und Handwerkern in ihrer Wählerschaft? Fragen, die zu beantworten sich lohnt!
Die holzschnittartigen, leicht ungehobelten Überlegungen Cora Stephans werfen ein launiges Streiflicht auf den so wichtigen Berufsstand des Handwerks mit immerhin fast 6 Millionen Beschäftigten – und auf den langen erfolgreichen Weg der deutschen Sozialdemokratie bis hin zu Bundeskanzler Scholz.
Bild: Eisenach, Marienstraße 57, historische Aufnahme dieses schreibenden Verfassers vom 01.05.2014: Hier im Goldenen Löwen wurde 1869 der Gründungskongress der Sozialdemokratischen Deutschen Arbeiterpartei (SDAP) unter Führung von August Bebel und Wilhelm Liebknecht eröffnet.