Jan 022008
 

winteraugustinum.jpg Allen Leserinnen und Lesern wünsche ich ein frohes, vom Ja zum Leben geprägtes Jahr 2008!

Das neue Jahr beginne ich mit Bachs E-Dur-Partita. Eine frohe, kraftvolle, glänzende Musik voller Bejahung des Lebens! Ich spiele sie auf der mich stets begleitenden Geige in aller Frühe vor dem Frühstück im Keller des Hauses, um die verschiedenen Langschläfer nicht zu behelligen.

Ringsum sind Bücher aufgestapelt. Ich entdecke das Exemplar eines Buches wieder, das ich lange vermisste: Uns eint vergossenes Blut. Juden und Polen in der Zeit der ‚Endlösung‘. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1987. Ich erinnere mich, dass der Autor etwa 1987 einen Abend bei Gesprächen in unserem Hause verbrachte. Ich wurde ihm damals vorgestellt, schüttelte ihm die Hand – aber ich wusste nicht, was ich ihn fragen sollte! Ich wusste: Dieser Mann hatte das Lager Auschwitz überlebt, er hat nach dem Krieg unter verschiedenen Beschuldigungen in verschiedenen polnischen Gefängnissen gesessen. Ich empfand Scham, aber auch eine gewisse moralische Unterlegenheit. Ich war überrascht, einen so freundlichen, zugänglichen und gut Deutsch sprechenden Mann kennenzulernen. Ich schlage das Buch auf: es enthält eine persönliche handschriftliche Widmung des Wladyslaw Bartoszewski an meinen Vater: „in der weltanschaulichen Verbundenheit“. Es ist gut, anhand solcher Zufallsfunde die fast schon verschwundenen Kindheitserinnerungen wiederzubeleben. Daneben bin ich dadurch auf Lebenszeit gefeit gegen die Jammerarien, welche insbesondere Teile der heutigen deutschen Gesellschaft ach so gerne über ihr hartes Los anstimmen! Als ob etwa Arbeitslosigkeit eine Entwürdigung, einen Verlust der Menschlichkeit darstellte!

Über den Tag fahren wir nach Dießen am Ammersee, wo meine Mutter wohnt. Hinter Kissing umfängt uns bereits eine zauberhafte winterliche Landschaft.

Von meiner Mutter erbitte ich mir folgendes Buch zur Ausleihe: Borwin Bandelow, Das Angstbuch. Woher Ängste kommen und wie man sie bekämpfen kann. Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg 2006. Ein außerordentlich gescheiter Autor, von dem ich vieles hinzulernen kann!

Auf dem Bahnhof lernen wir beim Warten auf den Zug zurück einen Geistlichen kennen. Wir sprechen über seelische Not. Wir kommen überein, dass alles Geld der Welt nicht gegen Hartherzigkeit, gegen das Leiden an der Einsamkeit, gegen seelische Wohlstands-Verwahrlosung und Schwermut hilft. Jeder Besuch in wohlhabenden Gegenden – wie etwa hier am Ammersee – bestätigt diese Einsicht aufs Neue.

Der Tag klingt aus in kleiner Runde mit russischem Essen und allerlei Walzermusik, die ich erneut auf der Geige zu produzieren versuche.

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