Die folgende Behauptung des großartigen Historikers Norman Davies verblüffte mich heute kurz nach dem Frühstück:
In his Persae, Aeschylus creates a lasting sterotype whereby the civilized Persians are reduced to cringing, ostentatious, arrogant, cruel, effeminate, and lawless aliens. Henceforth, all outsiders stood to be denigrated as barbarous. No one could compare to the wise, courageous, judicious, and freedom-loving Greeks.
Davies benennt vor allem die attische Tragödie als Quell jener abendländischen Überheblichkeit gegenüber den Barbaren, die dann im Laufe der Jahrtausende zu so viel Unheil geführt habe. Ich frage: Ja, sind denn die Griechen in der Orestie des Aischylos etwa auch nur einen Deut besser? Sind sie nicht verschlagen, verblendet, angsterfüllt, hinterlistig, feige, grausam, verbrecherisch? Ich glaube, in seinem Verdikt über Aischylos irrt Davis, wie sonst eigentlich ganz selten. Sein meisterhaftes Buch über europäische Geschichte kann ich trotzdem nur mit allergrößtem Nachdruck empfehlen. Das Zitat findet sich auf S. 103.
Norman Davies: Europe. A History. 1365 Seiten, Pimlico, London 1997
Ebenso meisterhaft widerlegt im heutigen Tagesspiegel die Berliner Gräzistin Gyburg Radke die in diesem Blog bereits am 22.12.2007 angezeigten Thesen des Raoul Schrott zum „endlich gelüfteten Geheimnis“ Homers. Sowohl Davies‘ als auch Radkes Ausführungen treten mit einer zentralen These zum europäischen Geistesleben hervor: Aischylus habe seine Tragödien in schroffer Abgrenzung von der barbarischen Außenwelt geschaffen, so Davies. Demgegenüber kann Radke darauf verweisen, dass die hohe Kunst Homers gerade in der sorgfältigen Sichtung und Komposition ganz unterschiedlicher Traditionsstränge aus verschiedenen Kulturen bestanden habe. Zitat:
Schrotts Eingebung, die These der oral poetry sei falsch, weil das große Kunstwerk Ilias nicht Produkt der mündlichen Überlieferung, sondern nur der Fleißarbeit eines Schriftgelehrten sein könne, verfehlt gerade das, was Homer zum größten aller Dichter macht. Nicht das Sammeln macht ihn besonders, sondern im Gegenteil seine strenge Auswahl. Dass er neu ordnet und eine neue, vollständige und individuelle Geschichte erzählt, darin liegt die Faszination Homers. Deshalb sprechen wir noch heute von ihm, nach 2800 Jahren.
So verlockend es ist, ein anschauliches Bild von seiner Lebenswirklichkeit zu gewinnen und mehr über den Kulturaustausch zwischen Griechen und dem Alten Orient zu erfahren, so bleibt dies doch lediglich der Rahmen für das, was uns Homer wirklich näherbringt. Die assyrischen Einflüsse auf die Entwicklung der griechischen Dichtung zu kennen, ist ein großer Erkenntnisfortschritt, den nicht Raoul Schrott, sondern die Forschung erbracht hat. Doch sollte uns Homer dadurch nicht exotisch und fremd werden, sondern vertrauter: als Höhepunkt der Dichtkunst, die Europa im Dialog mit anderen Kulturen hervorgebracht hat.
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