Jan 242008
 

fahrrad-juli-2006-014.jpg Eine lehrreiche Erfahrung machte ich gestern vor dem Kammergericht in der Elßholzstraße. Und das kam so: Neuerdings begleite ich meinen fünfjährigen Sohn fast jeden Tag mit dem Rad zur Kita am Kleistpark in der Elßholzstraße. Er fährt voller Stolz auf seinem, ich auf meinem Rad. Da Kinder laut StVo § 2 Abs. 5 bis zum vollendeten achten Lebensjahr den Bürgersteig benutzen müssen, fährt er nicht auf der Straße und auch nicht auf dem Radweg. Meist fuhr ich – bis gestern – auf dem Bürgersteig knapp hinter ihm drein, mit Argusaugen wachend. Oft schon sind wir so an Streife gehenden Polizisten vorbeigefahren, die nie etwas beanstandeten. Gestern kamen uns vor dem Kammergericht zwei Außendienstmitarbeiter des Ordnungsamtes entgegen – sie erwarteten mich und sprachen mich an: „Es tut uns leid, aber Sie müssen absteigen. Auch als begleitender Erwachsener dürfen Sie nicht den Bürgersteig befahren.“ Ich gab mich dankbar für die Rechtskunde, zumal mir die Rechtslage nicht eindeutig bekannt war. Ich war aber erstaunt und grummelte ein bisschen herum: „Wir passen schon auf, es ist nie etwas passiert. Ich bin schon an vielen Polizisten vorbeigefahren.“ Sie erwiderten: „Egal, was die Polizei sagt, die erzählen viel Unsinn, wenn der Tag lang ist. Was glauben Sie denn, wenn Sie einen Unfall verursachen – dann kommt niemand für den Schaden auf. Zwar drücken wir und auch die Polizei öfter mal ein Auge zu, aber erlaubt ist es trotzdem nicht, dass Erwachsene zusammen mit Kleinkindern auf dem Bürgersteig fahren. Es hilft nichts: Sie müssen auf der Fahrbahn fahren und versuchen, Ihr Kind im Auge zu behalten. Und denken Sie an die Migrantenkinder, die schauen weder nach links noch nach rechts.“

Tja, das sah ich ein, zumal die Mitarbeiter sich wirklich sehr höflich verhielten. Ob aber die Ordnungshüter gemerkt haben, dass auch mein Sohn laut amtlicher Definition ein Kind mit Migrationshintergund ist? Ich schob das Rad die letzten Meter bis zum Kindergarten. Ab heute habe ich die neue Ordnung tatsächlich so eingeführt: Sohnemann fährt auf dem Trottoir, ich auf der Straße oder auf dem Radweg nebenher. Wanja sieht es ein und fährt zunehmend geschickter und rücksichtsvoller. Übrigens: Wenn ich ihn frage: „Wie möchtest du am liebsten zur Kita, mit dem Auto, der U-Bahn oder dem Fahrrad?“, dann sagt er stets: „Mit dem Fahrrad – aber mit dem eigenen.“

Was ich mir von Fahrrad- und Autofahrern wünsche: Einhaltung der Verkehrsregeln. Die Autos fahren in Deutschland grundsätzlich schneller als erlaubt ist – ich erfahre dies regelmäßig, wenn ich selbst PKW fahre. Oft sehe ich in Berlin PKWs, die bei Rot noch über die Ampel fahren. Die Fahrradfahrer halten sich – das muss ich leider so hart sagen – in der Mehrzahl auch nicht an die Regeln: Rotlicht kennen die meisten überhaupt nicht, viele fahren in der Dunkelheit ohne Licht, viele Erwachsene befahren den Bürgersteig, auch wenn sie ohne Kinder unterwegs sind. Das alles finde ich nicht gut für unsere Sache.

Ich meine, wir Fahrradfahrer sollten uns von den Autofahrern nicht ständig zu solchen vielen kleinen Verstößen verleiten lassen, sondern beweisen, dass wir uns an die Regeln halten und deshalb auch in unseren Rechten geachtet werden möchten. Nur so werden wir uns neue Freunde gewinnen und letztlich auch den Anteil des Fahrradverkehrs in Berlin steigern können.

Bild: mein derzeitiges Fahrrad, mit dem ich sehr zufrieden bin

 Posted by at 16:37

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