Leider lassen mir dienstliche Pflichten keine Zeit, die schulärztliche Pflichtuntersuchung meines Wanja zusammen mit meiner Frau zu besuchen. Aber sie berichtet mir am Abend davon. Die Reifeuntersuchung beginnt pünktlich um 8.30 Uhr morgens. Erste Frage der Schulärztin: „Na, hast du beute schon ferngesehen?“ Wanja enttäuscht sie, denn – er hat nicht!
Nein, Frau Doktor – so früh steht er nicht auf!
Alle anderen Aufgaben löst er mit Bravour und ohne Zögern, außer dem Hörtest. Da hat er Mühe, die Richtung zu benennen, aus der ein Geräusch kommt. Jetzt bekommt die Ärztin Oberwasser: „Das ist ja alles falsch, alles falsch!“
Erstaunlich bleibt für mich, dass die Amtsärztin annimmt, er habe schon vor 8 Uhr morgens ferngesehen. Weil er Migrationshintergrund hat? Welche Erfahrungen haben sie im Amt mit migrantischen Familien wie der unsrigen? Dass wir Tag und Nacht vor der Glotze hängen?
6 Responses to “Na du kleines Migrantenkind – heute früh schon ferngesehen?”
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Tassilo, ich glaube, Deine Mutter hat das sehr gut gemacht. In dem Alter damals (also etwa 12 Jahre alt) war ich meinerseits echt in Gefahr, stundenlang vor der Glotze zu hocken. Ein gewisses Suchtpotenzial steckt im Fernsehen, das spüre ich sogar heute noch! Obwohl derzeit das Internet natürlich eine viel stärkere Sogwirkung ausübt – das weiß ich ebenfalls aus leidvoller eigener Anschauung. Was meinst Du: Bis zu welchem Alter soll man Kinder grundsätzlich nicht allein vor dem Fernseher sitzen lassen?
Ich bin meiner Mutter dankbar, dass sie mich bis zu einem gewissen Alter nur sehr zögerlich an den Apparat gelassen hat. Zwar konnte ich manchmal in der Schule nicht mitreden (das damals aufkommende Privatfernsehen war mir mangels Satellitenschüssel oder Kabelanschluss ohnehin nahezu fremd), doch als ich dann endlich „durfte“ wie ich wollte – mit etwa 14, 15 Jahren – , merkte ich nach kurzer Zeit, dass grob geschätzte 85 % des Programms unerträglich dröge sind.
Allerdings, und das stützt was Reni sagte, legte meine Mutter ebenso viel Wert darauf, dass ich in der Schule mitkam, ab und zu ein Buch las und gelegentlich einen Programmkino-Film sah. Und es ist auch nicht mal so, dass es keine Eltern gäbe, die ihre (Klein)kinder vor die Glotze lassen und dennoch Wert auf Bücher und Hausaufgabenbetreuung legen.
Das Verhalten der Amtsärztin wäre für mich allerdings nur dann nachvollziehbar, wenn sie Wania eben diese Frage nach einer hypothetisch schlecht ausgefallenen Untersuchung gestellt hätte.
Sie ist wohl einfach auch ein wenig frustriert.
Zu diesem Thema gibt es ein sehr gutes Buch von Manfred Spitzer „Vorsicht Bildschirm“. Die Neurologie kann wirklich belegen, weshalb Fernsehen nicht gut für die Entwicklung des Gehirns sind und somit nicht gut für Kinder. Natürlich ist das keine Entschuldigung für diese Amtsärztin, aber leider ist es auch in der Schweiz so, dass wir in der Schule gut feststellen können, dass viele verhaltensauffällige und leistungsschwache Kinder einen extremen Bildschirmkonsum haben. Meine Kinder haben bis 12 bzw. 14 nur unter meiner Aufsicht vor dem Fernseher gesessen und bis sie 5 waren überhaupt nicht. Und da waren dann eben das „Sandmännli“ oder die Sendung mit der Maus altersgerecht und zeitlich völlig ausreichend. Schlussendlich läuft es für mich darauf hinaus, dass der Fernsehkonsum vom Bildungsniveau der Eltern und deren Einstellung ihrem Nachwuchs gegenüber abhängt. Eltern, die sich wirklich kümmern und ihren Kindern Gutes tun wollen, werden ihre Kinder niemals einfach ohne Zeitbegrenzung und Zensur vor dem Fernseher deponieren, um sie ruhig zu stellen.
Danke, das leuchtet mir ein. Übrigens halte auch ich das lange Fernsehen bei Kindern für ein Übel. Wir schauen den Sandmann und die Sendung mit das Maus. Mehr nicht.
p.s. Ich mußte wieder zum IE7 greifen, weil der CAPTCHA mit nicht dem Firefox zusammenarbeiten will.
Das Fernsehen ist für viele Amtsärztinnen die Wurzel allen Übels. Bei der Schuluntersuchung des Sohnes fragte ihn die Ärztin nicht ob sondern was er morgens im Fernsehen gesehen habe. Und auf seine Antwort „gar nichts“ sagte sie dreist, „das glaube ich dir nicht, wann bist du denn aufgestanden?“ Das hatte erst ein Ende, nachdem ich mir derartige Verhöre nachdrücklich verbeten hatte. Mit Migrationshintergrund, denke ich, hat das auch in Eurem Fall nichts zu tun. Die sind einfach „schräg drauf“ die Damen vom Amt.