Nov 032010
 

Bei einem netten Plauderstündchen irgendwo in einer der angesagtesten Party-Locations Berlins zitierte ich vor wenigen Tagen mehr oder minder wortgetreu erst den polnischen Historiker Kazimierz Wóycicki und dann den deutschen Dichter Andreas Greif.

Der Pole Wóycicki äußerte sich kürzlich auf einer Tagung zu den Verbrechen der Diktaturen Osteuropas im Literaturhaus Berlin, hier zitiert nach FAZ vom 01.11.2010, Seite 30:

„Über Zufriedenheit kann man hier nicht reden, nur über zerstörte Seelen.“

Er meinte damit wohl: Die juristische und historische Aufarbeitung der zahlreichen Verbrechen und Menschenrechtsverletzungen der kommunistischen Diktaturen ab 1918 –  beginnend von den gehäuften Massenmorden in der Sowjetunion ab 1918 – wird den Opfern niemals mehr nachholende Gerechtigkeit verschaffen können – ebensowenig wie die jetzt in vollem Umfang zutage tretende verbrecherische Tätigkeit des Auswärtigen Amtes unter der nationalsozialistischen Diktatur dadurch ungeschehen gemacht wird, dass alle jetzt (60 Jahre danach!) übereinkommen: „Das Auswärtige Amt war eine verbrecherische Organisation.“

Mir kamen dazu Verse des bekannten zeitgenössischen deutschen Dichters Andreas Greif aus dem schlesischen Städtchen Glogau in den Sinn. Sie lauten – hier unverändert wiedergegeben in der etwas altertümlich anmutenden Schreibweise, welche Andreas Greif gerne pflegt:

Dreymall sindt schon sechs jahr als vnser ströme flutt
Von so viel leichen schwer / sich langsam fortgedrungen.

Doch schweig ich noch von dem / was aerger als der todt.
Was grimmer den die pest / vnd glutt vndt hungers noth
Das nun der Selen schatz / so vielen abgezwungen.

Der deutsche Dichter Andreas Greif und ebenso der polnische Historiker Kazimierz Wóycicki beugen sich nachträglich über das Leid, über die Leichenberge der vergangenen Jahrzehnte – und sie kommen in der Trauer überein: „Es ist nicht wiedergutzumachen. Die Seelen sind unheilbar beschädigt.“

Andreas Greifs Gedicht „Threnen des Vatterlandes“  zitiert nach:
Das deutsche Gedicht. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Herausgegeben von Wulf Segebrecht unter Mitarbeit von Christian Rößner. S. Fischer Verlag, 2005, hier S. 75

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