Nov 112010
 

Die Türkei verbot 1928 die arabische Schrift und schaffte den Pflichtunterricht für Arabisch und Persisch 1929 ab. Das war die Abschaffung der multikulturellen Gesellschaft zugunsten des Nationalstaates!

„Wir 40 Millionen Kurden sind das einzige große Volk, das keinen eigenen Staat besitzt!“, seufzte einmal ein kurdischer Bekannter.

Bei all den mehr oder minder bedeutsamen Reden und Artikeln über Europa wird meist komplett übersehen, dass 1990 neben der Sprengung der kommunistischen Diktaturen vor allem auch den fast uneingeschränkten Triumph des Nationalstaates bedeutete!

Zum ersten Mal in der europäischen Geschichte überhaupt haben wir seit 1990 fast ausschließlich als Nationalstaaten konziperte Republiken. Es gibt nur ganz wenige Ausnahmen europäischer Länder, die im Kern keine Nationalstaaten sind: a) Belgien, das stark gefährdet ist, b) Schweiz, die durch starke Subsidiarität der Kantone zusammenhält, c) Bosnien-Herzegowina, ein multinationaler Staat, der vor dem Zerfall stehen könnte, d) Zypern, ein binationales Gebilde unklaren Status‘, das erhebliche Risiken in sich birgt.

Alle anderen europäischen Staaten sind Nationalstaaten! Erst in den Nationalstaaten ist Europa zur Freiheit gelangt. Lettland ist der Staat der Letten, Polen ist der Staat der Polen, die Tschechische Republik ist das Land der Tschechen, Litauen ist der Staat der Litauer, Russland ist der Staat der Russen, Ukraine ist der Staat der Ukrainer, Portugal ist der Staat der Portugiesen, Italien ist der Staat der Italiener.

Und Deutschland? Die Lage ist offen! Hier in Kreuzberg wird sicher kaum jemand diesen Satz unterschreiben, wonach Deutschland der Staat der Deutschen sei. Die wachsende türkische Gemeinde, die wachsende russische Gemeinde, die sehen sich sicherlich nicht als Deutsche, sondern als Russen in Deutschland, als Türken in Deutschland. Das türkische Sonderbewusstsein ist stark, wird stärker, Deutsche wollen die meisten nicht werden. Wieso sollten sie?

Ich persönlich sehe Deutschland ebenfalls als den Staat der Deutschen. Alle Bürger, die dauerhaft hier leben wollen oder dauerhaft hier leben, sollten sich als deutsche Staatsbürger sehen können.

Wer sich als Türke und nicht als Deutscher sieht, der wird sich früher oder später zurück in den Staat der Türken sehnen.  Und in der Tat: Sobald sich eine wirtschaftliche Perspektive jenseits der Sozialhilfe eröffnet, verlassen viel gut ausgebildete, erfolgreiche Türken Deutschland, um im Nationalstaat der Türken etwas aufzubauen. Ich halte dies für bedauerlich, dass gerade die gut Ausgebildeten uns verlassen. Aber nicht notwendigerweise sind wir Deutschen selbst daran schuld.

Die Türkei ist doch ein herrliches, großartiges Land, das jetzt einen Boom erlebt! Es gibt keine Blockadehaltung der Bürger bei allen Großprojekten, die Türken sind ehrgeizig, stolz, sie haben Gemeinschaftsgefühl und Arbeitsethos. Das Problem war eben über Jahrzehnte der vernachlässigte Osten, aber nach und nach wird er auf die Beine kommen – ohne Sozialhilfe, die es in der Türkei ohnehin nicht gibt.

Wie bilden sich Nationalstaaten? Verbote und Zwang, Gewalt und Vertreibung, wie dies die europäischen Staaten ab 1919 und die Türkei ab 1921 praktiziert haben, sind der falsche Weg, um Nationalstaaten zu gründen.

Der richtige Weg ist es, sich anzustrengen, die Fesseln der nationalen Herkunft zu lösen und einen eigenen Beitrag zur Gesellschaft der Freien und Gleichen zu leisten.

Und die Kurden? Die Kurdenfrage ist offen. Wenn sie begrenzte Autonomie oder gar einen eigenen Nationalstaat fordern, wird man ihnen das nicht auf Dauer verweigern können.

 Posted by at 13:34

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