Nov 272010
 

Immer wieder erkundige ich mich bei aus Libanon zugewanderten Berlinerinnen und Berlinern nach der neuesten Lage in Libanon. Gesamteindruck: Die etwa 10 wichtigen ethnischen und religiösen Gruppen leben recht und schlecht nebeneinander her, man geht sich weitgehend aus dem Weg, ebenso wie auch in Kreuzberg etwa.

Der autoritär-paternalistisch geführte Staat ist in der Hand der wenigen regierenden Dynastien, die Lage der Palästinenser und der Kurden bleibt zutiefst prekär und unwürdig, die Bedeutung der Christen nimmt ab, jedoch ist ihre soziale Stellung noch weitgehend gesichert, auch wenn viele Christen in europäische Länder oder in die USA auswandern – oder auswandern möchten.

Dass der Libanon jemals wieder wie bis in die 70er Jahre zur „Schweiz des Nahen Ostens“ werden möchte, ist ein frommer Wunsch, der wohl unerhört bleiben wird.

Mit besonderem Gewinn las ich kürzlich das Buch von Joumana Haddad: „Wie ich Scheherazade tötete. Bekenntnisse einer zornigen arabischen Frau.“ Ich empfehle dieses Buch allen, die sich für Libanon und Libanon-Flüchtlinge interessieren.

Vor allem wird man lernen, dass „die Araber“ in sich eine enorme ethnische, kulturelle und religiöse Vielfalt bieten. Es gibt auch christliche Araber. Aus einer katholischen Familie stammt etwa Joumana Haddad. Die reichhaltig bestückte Bibliothek ihres Vaters bot ihr von früher Kindheit an Gelegenheit, ihre Selbständigkeit als eigenwilliges Mädchen zu entfalten, ihr Recht auf selbstbestimmte Sexualität durchzusetzen.

Damit einhergehend, fordert sie die Freiheitsrechte, die sich selbst genommen hat, auch  für alle anderen arabischen Frauen ein. Zitat:

„Ja, ich bin ein Frau, bin es in aller Selbstverständlichkeit, mit Stolz, ohne Einschränkungen und in höchstem Maße. Aber in Gottes Namen, schafft mir endlich dieses Rosa samt allen zugehörigen Klischees aus den Augen! Ich weiß noch, wie ich einmal mit einem Onkel aneinandergeriet, der es gewagt hatte, mir zum Geburtstag eine Miniaturküche, komplett mit Waschmaschine und Bügeleisen zu schenken.“

Nun, betroffen schweige ich. — Ich habe leider keine Töchter.

Meinen Söhnen habe ich (wie ich gestehen muss) niemals eine Miniaturküche oder Puppen geschenkt. Sie haben stets nach Autos, LKWs und Zügen verlangt. Wir besitzen foglich eine satte Sammlung an Spielzeug-Autos, -LKWs und -Zügen.  Und zwar auf ausdrücklichen Wunsch der beteiligten Männer. Was ist ein typischer Mann?

Heute radelte ich zum Brandenburger Tor, um dem Formel-1-Weltmeister Sebastian Vettel meine Aufwartung zu entbieten. Ein so sympathischer junger Mann! Vorbildlich! Aber er spielt halt nur mit Autos! Ist er unfrei, weil er nicht mit Puppenküchen spielt? Nein! Ich sah das Sebastian-Vettel-Video auf der Großbild-Leinwand und muss sagen: Er kocht auch! In echt! Er kann auch Italienisch! Der perfekte Mann – kann autofahren, kann kochen – und kann sogar Fremdsprachen! Befreite Frauen, was wollt ihr mehr vom Manne?

Eifert ihm nach!

Quelle: Joumana Haddad: Wie ich Scheherazade tötete. Bekenntnisse einer zornigen arabischen Frau. Aus dem Englischen übersetzt von Michael Hörmann. Verlag Hans Schiler, Berlin 2010, hier: S. 84

Joumana Haddad Official Web Site

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