Jan 302011
 

Wie so viele anderen sozialen Probleme, so deute ich auch die Gewalttaten, die Sachbeschädigungen und Körperverletzungen der Autonomen als Ausfluss einer verhängnisvollen Bündelung von materieller Überversorgung und ideellem Peilungsverlust in unserer ökonomisch übersättigten, moralisch ausgehungerten bürgerlichen Jugend.

Schaut euch das Video an:

YouTube – Liebig14 verteidigen

Ihr seht und hört einen sympathischen jungen Mann, der ein recht beachtliches Bratschensolo hinlegt, dazu mannhaft-markige Sprüche von sich gibt, die in dem Schlusswort gipfeln: „Stürzen wir Berlin ins Chaos!“

Wer so gut und mit sehr guter Bogentechnik – bei gewissen Schwankungen in der Intonation – Viola spielt, muss aus reichem Hause stammen! Das Erlernen eines Streichinstruments bis zu dem hier gezeigten Grad der Spielfertigkeit setzt einen finanziellen Hintergrund voraus, der nur in gut abgesicherten Elternhäusern vorstellbar ist. Das Instrument klingt gut – es ist keine Billigbratsche!

Auch die gepflegte Sprache und der leicht rebellische Gestus des jungen Chaoten verweisen eindeutig auf die Herkunft aus der bürgerlichen Mittelschicht – der nette junge Mann könnte etwa Sohn eines Gymnasiallehrers oder Arztes in Süddeutschland sein.

Die meisten Autonomen scheinen vor allem an ihrer eigenen Herkunft aus dem wohlsituierten Bürgertum zu leiden – wie Rosa Luxemburg, Che Guevara oder Friedrich Engels auch. Sie scheinen verstecken zu wollen, dass sie nie materielle Not gelitten haben, dass sie nie für ihren Lebensunterhalt zu arbeiten brauchten.

Wie können sie diese Herkunft aus den reichen, übersättigten Wohlstandsfamilien am besten vergessen lassen? Einfach: Indem sie sich mit den hypothetischen Opfern einer hypothetisch unterstellten Verarmung solidarisieren. Da es keine echten Armen mehr gibt, bildet man sich den Popanz einer neuen, prospektiv gefühlten Armut heran: der Popanz der Gentrifizierung ist geboren!

Dadurch, dass die verlorenen Söhne des Bürgertums sich bewusst als arme Proletarier ausgeben – was sie objektiv nicht sind und niemals waren – überwinden sie den Makel ihrer privilegierten Abkunft. Mit den wirklich Armen dieser Erde haben sie nichts, gar nichts gemeinsam. An den wirklich Benachteiligten unserer Gesellschaft – etwa den migrantischen Kindern, den Beamten im unteren Polizeidienst, deren Gesundheit die Autonomen bedenkenlos gefährden – zeigen sie keinerlei Interesse.

Es sind letztlich verlorene Söhne wie die Kiffer, die halbwüchsigen Drogenkuriere, wie die Intensivtäter mit ihren tiefergelegten BMWs, wie die RAF auch. „Wir waren alle verrückt, wir waren nicht zurechnungsfähig“, diesen Satz des Autors Peter Schneider über sich und die 68er-Bewegung habe ich mir gemerkt. Peter Schneider hat recht.

Es geht ihnen, den verrückten Autonomen, letztlich darum, die Aufmerksamkeit der Gesellschaft zu erringen, sich abzusetzen von  ihren bürgerlichen Elternhäusern, ihren Erlebnishunger zu stillen und durch den bewusst herbeigeführten Gesetzesbruch die Auseinandersetzung mit der nie erlebten und schmerzlich vermissten elterlichen Autorität zu beginnen. Der in Kauf genommene Schädelbruch eines Polizisten, die verletzte Kniescheibe eines Journalisten sind ihnen dabei egal.

Wie sollte der Staat reagieren? Das Falscheste, was überhaupt möglich ist, hat sicherlich jahrelang die Bezirksregierung Friedrichshain-Kreuzberg unter grüner Führung getan: Sie meinte, ein politisches Anliegen fördern zu müssen, das die Autonomen mit großem Geschick und unter Täuschung der Öffentlichkeit auf ihre Fahnen schrieben. Unsere Bezirksgrünen haben immer wieder die Hand hingereicht, haben das Bethanien geöffnet, nur damit die nimmersatten Hausbesetzer eine Bleibe finden konnten.

Die gütige, quasi-elterliche Autorität des Bezirksamtes ließ sich auf die eskalierenden Wünsche der verlorenen Söhne ein, statt ihnen eine Grenze zu setzen. Die feste Grenzsetzung wäre das einzig Richtige gewesen: „Bis hierher – und keinen Zentimeter weiter!“ „Räumung? Ja, aber sofort!“ Stattdessen lässt der Staat, hier mehr schlecht als recht gespielt durch das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg, mit sich Schlitten fahren. Ein Schaupiel, wie es gerade aus vaterlosen Familien mit tyrannischen Kindern bestens bekannt ist.

Genau so reagierte der Staat zunächst auch auf die Pöbeleien eines Andreas Baader mit beschwichtigenden Therapieversuchen.

Das mütterlich-fürsorgliche Entgegenkommen gegenüber den aufsässigen, verwöhnten Jungmännern ist der Kardinalfehler. Ein verheerender Fehler! Der weiche, der entgegenkommende Staat wird verachtet, wird – wie stets voraussagbar – selbst zum Gegenstand der Angriffe – etwa in Gestalt der Polizisten, etwa in Gestalt des Friedrichshain-Kreuzberger Bezirksbürgermeisters. Mit beiden, sowohl mit den Polizisten wie auch mit dem Bezirksbürgermeister erklärt sich dieser Blogger hiermit solidarisch!

Die Geister, die sie – die Entgegenkommer und Kümmerer – riefen und heranpäppelten, werden sie nun nicht los!

 Posted by at 23:23

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