Mrz 212011
 

Eine sehr bedenkenswerte Stimme im aufgeregten Durcheinanderreden: Volker Kauder. Der CDU-Fraktionschef bezeichnete heute die Ereignisse in  Libyen als „typischen Bürgerkrieg“, der auch zur Spaltung des Landes führen könne. Wenn dem so wäre, würde ich daraus folgern: Durch die Militärintervention sind die westlichen Mächte USA, Frankreich, Italien und Großbritannien zu Parteien im Bürgerkrieg geworden.

Ich meine: Ob man das Ganze Bürgerkrieg oder Verteilungskampf oder Aufstand, Binnenfehde um Ressourcen oder sonstwie nennt, ist zweitrangig. Entscheidend ist: Hier kämpfen verschiedene Gruppierungen des Volkes mit Waffengewalt um die Macht im Lande. Libyen ist immerhin ein vergleichsweise reiches Land, es gibt sehr viel zu verteilen. Beide Seiten – sowohl die Gefolgsleute des Herrschers als auch die Aufständischen – beanspruchen für sich, die Freiheit des libyschen Volkes zu verteidigen. Dafür – so behaupten sie – nehmen sie die Waffen in die Hand.

Erstaunlich kurz ist das Gedächtnis der westlichen Kommentatoren, die der Bundesrepublik Deutschland Feigheit oder Prinzipienlosigkeit vorwerfen. Wenn diese Kommentatoren sich nur kurz darauf besännen, dass alle heute bestehenden arabischen Diktaturen ausdrücklich als „Freiheitskämpfe“ begannen?

Dies gilt auch für Libyen: Gegen die alten Herren, die jahrhundertelang regierenden Osmanen, erhob sich die Senussi-Bruderschaft im 19. Jahrhundert. Gegen die neuen Kolonialherren, die Italiener, erhoben sich die Libyer unter Führung der Bruderschaft ab 1912. Gegen König Idiris erhoben sich Freiheitskämpfer unter Oberst Muammar Al-Gaddafi im Jahr 1969:  Stets wurde „Freiheit von Sklaverei, Fremdherrschaft und Unterdrückung!“ als Ruf verwendet. Und stets wurde daraufhin eine neue despotische Herrschaft errichtet, die manchmal noch willkürlicher, noch grausamer herrschte als die vorige Regierung.

Kauder kritisiert militärisches Vorgehen gegen Libyen | STERN.DE

Die westlichen Mächte USA, Frankreich, Italien und Großbritannien haben sich – angelockt durch den Hilferuf der arabischen Brudervölker Libyens – in ein unbedachtes Wagnis mit nicht absehbarem Ausgang gestürzt. Unbedacht aus mancherlei Gründen: Das Bündnis hat kein echtes strategisches Ziel vorzuweisen. Unverzeihlich finde ich: Die Interventionsmächte haben sich des konkreten Beistandes der arabischen Nachbarstaaten für konkrete Maßnahmen nicht versichert, sie haben ohne echte Ortskenntnis und offensichtlich ohne Kenntnisse der internen Machtverhältnisse losgeschlagen.

Sie haben die Rolle der NATO offensichtlich nicht geklärt, sie haben keine Führungsstrukturen installiert. Wie soll man das nennen? Naiv? Idealistisch? Egoistisch?

Die Äußerungen etwa einer Catherine Ashton, der Außenbeauftragten der Europäischen Union, zeugen von bemerkenswerter Unbekanntheit mit dem gigantischen Reichtum, den die Herrscher der arabischen Staaten, darunter die Libyens, angehäuft haben. Ashton verlangt allen Ernstes mehr finanzielle Leistungen Europas für die Unterstützung der arabischen Volkswirtschaften. Wir zitieren: „I want Europe to contribute billions of Euros to develop the economies of Libya, Egypt and Tunisia“.  So schrieb Ashton gestern im International Herald Tribune, S. 7. Eigentlich kaum fassbar, dass die höchste Vertreterin der europäischen Außenpolitik nicht weiß, dass wir  Tag um Tag Millionen von harten Euro in die ohnehin gutgefüllten Kassen Libyens einzahlen!

Die nüchtern abwägende Stellungnahme Volker Kauders hebt sich wohltuend von den allzu gut gemeinten, in Wahrheit nur naiv zu nennenden, eher erratisch handelnden Interventionen der westlichen Mächte ab. Kauder und seine Fraktion verdienen Unterstützung.

 Posted by at 14:35

  2 Responses to “Ist es ein typischer Bürgerkrieg oder ein Volksaufstand in Libyen? Oder beides?”

  1. Und wenn Gaddafi das Ganze politisch überlebt und gestärkt aus der Krise hervorgeht?

  2. Die Durchsetzung der Flugverbotszone über Libyen hat nach Angaben der US-Streitkräfte nicht zum Ziel, die Truppen der libyschen Regierung „komplett zu vernichten“ oder den Rebellen bei ihren Gefechten zu helfen. Es würden nur militärische Anlagen ins Visier genommen und jene, die das internationale Mandat aktiv bekämpfen würden. Auch Gaddafi selbst sei nicht Ziel der Angriffe. Ja was denn dann bitte, ein paar Bomben ohne Ziel. Herje, das wird ja immer schlimmer. Die Politiker werden immer unglaubwürdiger. Bomben ohne Ziel. Selten sowas dämliches gesehen.

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