Sep 302011
 

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Sehr schöner Tag an unserer deutsch-russischen Grundschule! Kinder, Lehrer, Mitarbeiter und Eltern singen ein paar Lieder, die Kinder tanzen. Ich selbst fiedle und singe ebenfalls. Anschließend spreche ich mit der russischen Lieder- und Opernsängerin Irina Potapenko über das Liedersingen und Nicht-Liedersingen. Sie erzählt von Rolf Reuter, dem bekannten Dirigenten von der Komischen Oper, er habe gerade in den Jahren vor seinem Tod immer wieder tieftraurig geklagt:

„Die Deutschen singen nicht mehr!“

Ich nehme an, Reuter war wie ich auch der Meinung, dass das Singen in der Kindheit der entscheidende Baustein für die Weitergabe der Musikkultur ist. Ich würde sogar weitergehen: Das Singen der bekannten deutschen Volkslieder stiftet gerade für Migranten einen goldenen Eingang in die deutsche Sprache, den sie jetzt zu Zehntausenden und Hunderttausenden Jahr um Jahr verfehlen.

Das größte Problem scheint mir zu sein, dass alle, sogar die Wissenschaft, sogar die Bildungsforschung den unverzichtbaren Rang des Singens in Kindergarten und Schule zugeben würden, wenn man sie denn befragte. Aber gerade weil der Wert des Singens so offen auf der Hand liegt, kann man damit keine Karrieren basteln. Am Singen ist nichts zu verdienen.  Ich habe selbst versucht, die Forderung nach regelmäßigem, verbindlich vorgeschriebenem  Kita- und Schulsingen in die bildungspolitischen Forderungen meiner Partei zur Abgeordnetenhauswahl 2011 einzubringen. Es gelang mir zwar – jedoch nicht als Forderung, sondern nur als „flächendeckendes Angebot“. Das fand ich bezeichnend, dass statt einer klaren, (wahl-)kämpferischen Forderung ein weiteres staatliches Angebot erscheint.

Die Berliner Landespolitik ist weiterhin Angebotspolitik, leider noch nicht Ermutigungspolitik, wie sie mir vorschwebt. Man macht es lieber alles etwas teurer als nötig, alles etwas größer als nötig. Statt zu sagen: „Montiert eure Satellitenschüsseln ab und geht wandernd&singend ins Gebirge!“ spendiert der Senat lieber kostbare Verzierungen im Wert von 60 Euro je Stück – die berühmten bunten Überzieher aus Plastik für die Satellitenschüsseln.

Statt ein einfaches, kostenloses Hilfsmittel wie „Singt in der Schule“ vorzuschreiben,  pumpt die Politik lieber Geld in die Bildungsforschung, in die ADHS-Syndrom-Forschung, in Strukturreformen, in zweite und dritte Lehrkräfte, in kleinere Klassen und mehr Klassenräume. Leitfrage ist dabei: „Warum können Kinder sich nicht mehr konzentrieren? Warum lernen unsere armen benachteiligten Migrantenkinder über Generationen hinweg kein Deutsch?“

Damit kann man sehr sehr viel Geld und sehr viele Projektmittel gewinnen! Es lebe die Bildungsforschung! Hip hip hurra!

Bild: die üppig wuchernde Wildnis im neuen Park am Gleisdreick, Kreuzberg. Erwandert gestern.

 Posted by at 14:05

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