Feb 152013
 

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„Ich entsage aus hinreichenden Gründen“ – so Coelestin, der povero cristiano, der „schlechte Christenmensch“ und Einsiedel des Jahres 1295.

 Goethe sagt 1790 in seinen Venezianischen Epigrammen zu Recht:

Warum treibt sich das Volk so und schreit? Es will sich ernähren,
Kinder zeugen und die nähren, so gut es vermag.
Merke dir, Reisender, das und tue zu Hause desgleichen!
Weiter bringt es kein Mensch, stell er sich, wie er auch will.

Jeder mag sich zu den beiden Distichen verhalten, wie er will. Für mich enthalten sie eine schmerzhafte Einsicht, eine neuartige Demut, eine schmerzhafte Beschränkung der Wirkungsmöglichkeiten, die wir schlechterdings annehmen müssen.

Dennoch fragen wir zurück: „Warum tatest du es nicht dem venezianischen Volke nach, mein lieber Goethe? Warum heiratetest du nicht, sobald du nach Weimar zurückgekehrt, zeugtest eine reiche Kinderschar und gingst völlig im Kinder-Zeugen und Kinder-Nähren auf?“

Seine Antwort hätte lauten können:

„Das Sorgen für eine vielköpfige Familie mit all ihren Mündern und Häuptern und Herzen sowie die übernommene berufliche Tätigkeit hätten kaum Raum für eine weitere beständige Arbeit am Faust, am West-Östlichen Divan, an all den vielbändigen Werken gelassen.  Außerdem hätte meine Familie die gesamte künstlerische und aus innerem Beruf geübte gesellschaftliche Tätigkeit mittragen müssen, hätte des Vaters oft entbehren müssen. Dies wären sie nicht bereit gewesen zu leisten, was unabweisbar zur Quelle dauernden Verdrießlichkeit bei Weib und Kinderschar und nicht zuletzt beim Verfasser selbst geworden wäre. Und so beschied ich mich denn, sobald ich nach Weimar zurückgekehrt war, entgegen jenen mit tiefsinnigem Leichtsinn hingeworfenen Zeilen mit einem nicht völlig zum Ehe- und Familienstand hingewendeten Leben und räumte dem Weib und dem Kind gerade so viel Raum ein, als eben noch den wechselseitigen Neigungen und Antrieben eines jeden zuträglich war.“

Bild: ein Blick auf die Insel San Giorgio Maggiore, Venedig, 30. Januar 2012

Bild:

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