„Das sind keine Menschen, die sowas tun, das sind Verbrecher!“ So wird der deutsch-sächsisch-sorbische Stanislaw Tillich vielfach in den Leitmedien zitiert (zitiert wie gedruckt, z.B. FAZ, 24.02.2016, S. 3). Durch ihre Verbrechen (in diesem Fall also Brandstiftung, Behinderung des Straßenverkehrs, häßliche Sätze, Fremdenfeindlichkeit, asylpolitikfeindliche Parolen) verlören die Verbrecher von Sachsen also ihr Mensch-Sein – mindestens spricht der sächsische Spitzenpolitiker den Verbrechern von Sachsen das Menschsein ab.
Muß man wirklich so denken und reden wie der sächsisch-sorbische Christdemokrat, der sich selbst offenkundig auf die Seite der Guten, auf die Seite der Menschen stellt – während er die anderen, die Verbrecher auf Seiten der Nichtmenschen stellt?
„Siamo tutti peccatori, lasciamoci trasformare … “ diese Äußerung wird auf Twitter glaubhaft berichtet vom amtierenden Bischof der Stadt Rom, Franziskus. Aus dem Italienischen ins Deutsche übersetzt: „Wir sind alle Sünder, lassen wir uns verwandeln.“ Dieses Wort wirft ein gänzlich anderes Licht auf die Verbrecher. Die Verbrecher sind im Grunde Menschen wie wir. Der Verbrecher, ob nun Brandstifter oder Fremdenfeind, ist also genauso ein Mensch mit seiner Würde wie wir alle auch. Unsere Aufgabe wäre es, den Verbrecher vom Verbrechen wegzuleiten, indem wir ihm zu verstehen geben: Du bist für mich kein Fremder, Verbrecher! Du bist ein Mensch wie ich auch, du Verbrecher! Auch ich erlebe derartige Versuchungen, denen du Verbrecher erlegen bist. Lass mich versuchen, dich und mich durch die verwandelnde Kraft des Wortes von der Versuchung zum Verbrechen wegzuführen. Ich bitte dich darum.
Auf gut Niedersorbisch könnte man auch sagen:
A njewjedź nas do spytowanja,
ale wumóž nas wot złeho.
Wörtlich aus dem Sorbischen ins Deutsche übersetzt:
„Und nicht führe uns zu Versuchung,
sondern rausleite uns aus Bösem.“
„UNS“ heißt es im Vaterunser – nicht „die da“, die Nichtmenschen.
Wer hat nun recht, der mächtige Ministerpräsident Sachsens oder der Bischof Roms? Beide vertreten einen entgegengesetzten Blick auf das, was den Menschen ausmacht. Für den Bischof Roms tritt das Menschliche gerade in seiner Fehlbarkeit zutage. Der mächtige Spitzenpolitiker, der Ministerpräsident Sachsens hingegen spricht den Verbrechern (wie er sie nennt) ihr Menschsein ab.
Auf wessen Seite schlägst du dich, Leserin und Leser?
Nachweise:
Siamo tutti peccatori. Lasciamoci trasformare dalla misericordia di Dio.
— Papa Francesco (@Pontifex_it) August 8, 2015
Stefan Locke: Büroklammer im Würgegriff. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.02.2016, S. 3
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