Wie ich dich nenn, ist einerlei?
Dann brech ich dich, o Akelei!
Ich wollt sie brechen die Akelei,
Doch sprach sie fein:
Soll ich zum Welken gebrochen sein?
Stop! Was gibt’s du mir, wenn ich dich nicht breche? fragte ich zurück.
Ich löse dir die Rätsel des Alltags, versprach sie.
Das lässt sich hören, erwiderte ich, und legte ihr meine Frage vor: Warum heißt dieser Donnerstag im Mai eigentlich „Herrentag“? Das ist doch ein merkwürdiger Name.
Und die Akelei, Aquilegia, wie sie sich auf Lateinisch nannte, erzählte eine Geschichte, die sie von einem apulischen Gräzisten erfahren haben wollte:
Eines Morgens war der apulische Gräzist sehr früh aufgewacht und fing gleich seine griechischen Texte zu lesen an:
Ὁ μὲν οὖν κύριος Ἰησοῦς μετὰ τὸ λαλῆσαι αὐτοῖς ἀνελήμφθη εἰς τὸν οὐρανὸν καὶ ἐκάθισεν ἐκ δεξιῶν τοῦ θεοῦ. Wir übersetzen das griechische Bruchstück – wir fanden es zufällig durch das Aufschlagen eines auf dem Nachttischchen aufgelegten Buches – ins Französische: Or le seigneur Jésus, après leur avoir parlé, fut enlevé au ciel et il s’assit à la droite de Dieu.
Ganz nüchtern beginnen wir also diesen Herrentag mit unseren gewohnten griechisch-europäischen Dolmetschübungen! Wie mag es heute weitergehen? Wie? Wir dürfen es vermuten, wir dürfen es vorhersagen als Propheten des Alltags, denn das zufällig aufgeschlagene griechische Fragment geht so weiter: ἐκεῖνοι δὲ ἐξελθόντες ἐκήρυξαν πανταχοῦ, das ist auf gut europäisch: Pour eux, ils s’en allèrent prêcher [bruyamment] en tout lieu, also recht deutsch und deutlich gesagt: Sie aber zogen aus und trompeteten es überall [cum clamore, mit Tröten, mit Geschepper, Getöse, beschickert und mit Fahrradklingeln]. Wir haben zur Verdeutschung des mit dem lautmalerischen ἐκήρυξαν Gemeinten in eckigen Klammern Zusätze hinzugeschrieben, sit venia verbo!
Und so entstand aus dem heutigen Tag des Herrn – der Herrentag, schloss die Akelei ihr Märchen ab.
Danke, rief ich, nimmermehr brech ich dich ab, o du schöne Akelei!
Bild: der Kamtschatka-Riesenaronstab (Lysichiton camtschatcensis). Man findet ihn bei Wanderungen auf der Kamtschatka – oder auch im Botanischen Garten zu Berlin.
Text: Markus 16,19-20
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