Jun 182017
 

Die lange Kohl-Nacht„, eine sechsstündige, sehenswerte Dokumentation aus Anlass des Todes von Helmut Kohl.

http://programm.ard.de/TV/Programm/Jetzt-im-TV/?sendung=28111137269121

Wir verneigen uns respektvoll vor dieser großen Persönlichkeit Helmut Kohl.

Das hindert uns aber nicht daran, dieses authentische, in alle Ausführlichkeit ausgebreitete Material mit wachem Sinn anzusehen. Und dies fällt auf, dies sind ersten Eindrücke, die täuschen mögen, die aber doch haften bleiben:

  1. Es wurde damals noch herzhaft vor laufenden Kameras geraucht, teils Pfeife wie von den Herren um Helmut Kohl, teils Zigarette wie von Günter Gaus und Helmut Schmidt.

2. Es wurden noch vor laufender Kamera ausführliche Fragen gestellt, so insbesondere durch den unvergessenen Günter Gaus. Die Menschen hatten mehr Zeit für langes, beharrliches Fragen und Antworten, Werken und Schaffen, langes beharrliches Arbeiten und Feiern, Singen und Tanzen, Spielen und Lernen. Es gab weniger Ablenkungen.

3. Es gab bei den Deutschen noch ein lebendiges Gefühl, ein Volk zu sein. Man litt öffentlich und privat an der Teilung Deutschlands durch Stacheldraht und Mauer, man betrauerte in Deutschland öffentlich auch die eigenen Opfer, die eigenen Toten, nicht nur die Opfer und die Toten der früheren Kriegsgegner. Man, oder besser gesagt Politiker wie Adenauer, Schumacher, Brandt, Genscher, Kohl und viele andere arbeiteten tatkräftig vor allem am Aufbau der Demokratie in Freiheit und Würde, an der Aussöhnung und der Freundschaft mit den früheren Feinden zweier Weltkriege.

4. Weniger Wert als heute wurde auf die unermüdliche Pflege, systematische Vertiefung, wissenschaftliche Untermauerung, Bekanntmachung und symbolische Weitergabe der Gefühle von deutscher Schuld, deutscher Schande und deutschen Verbrechen gelegt, mit denen unsere Schulkinder heute in Deutschland heranwachsen. Man lebte damals noch im Gefühl, es sei nicht alles schlecht in der deutschen Geschichte vor 1933 gewesen; man versuchte damals, die Jahre 1933 bis 1945 als zwölf verbrecherische Jahre, als großen Sündenfall und große Ausnahme und absoluten Tiefpunkt darzustellen und zu überwinden und setzte sie noch nicht wie heute als überzeitlich bannende, mythische, absolute Größe, in deren nächtlichem Schatten die Deutschen als Kainsvolk und als Tätervolk ewige Zeiten leben müssten.

5. In den 50er, 60er und 70er Jahren wurde noch vor laufenden Kameras die korrekte indirekte Rede verwendet! Diese sehe, so erklärten es uns damals unsere Deutschlehrer, grundsätzlich den früher Konjunktiv Präsens genannten, heute meist als Konjunktiv I der indirekten Rede bezeichneten Konjunktiv vor; dieser Konjunktiv Präsens, so erklärten sie uns damals, sei nur im Falle der Gleichheit von Konjunktiv I und Indikativ Präsens durch den Konjunktiv II, der früher meist als Konjunktiv Imperfekt bezeichnet worden sei, zu ersetzen.

6. Auch früher, in den ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik Deutschland, wurde geschimpft, auch früher wurde hart an der Grenze zur Beleidigung gestritten, aber alles geschah noch mit einer gewissen Mäßigung. Kritiker der herrschenden politischen Mehrheitsmeinung wurden nur ausnahmsweise als Feinde oder Verräter beschimpft und als Nazis verunglimpft.

7. Die gesprochenen Sätze waren damals, in den 50er und 60er Jahren länger, die damalige deutsche Sprache wirkt von heute aus gehört gepflegter. Der Historiker Dr. Helmut Kohl, der offenkundig noch richtig gutes Latein gelernt hatte, bildete in seinen frühen Interviews in den 60er Jahren aus dem Stegreif heraus lange, an den klassischen Vorbildern Demosthenes, Isokrates, Caesar und Cicero geschulte Perioden. Sie sind heute noch hörenswert!

Bild: Auch Kohls Leistung und Kohls Verdienst: Die Flagge des Europarates, d.h. die Flagge aller 47 europäischen Staaten flattert froh auf dem Deutschen Bundestag in Berlin, gleichberechtigt, auf derselben Höhe wie die Flaggen der Bundesrepublik Deutschland. Aufnahme vom 16. Juni 2017, nachmittags, am Todestag Helmut Kohls

 

 

 

 

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