Mai 122023
 

Ella infame si rese, è l’orror d’ogni etade...“ – „Sie hat sich entehrt, sie ist der Schrecken jedes Zeitalters“ diese von uns Männern zu singenden Verse aus dem Libretto zur Dalinda kamen mir kürzlich in den Sinn, als ich die feine Ausstellung „Muse oder Macherin? Frauen in der italienischen Kunstwelt 1400-1800“ betrachtete. Gezeigt wird hier in diesem Kupferstich von Diana Montavana die Szene aus dem Johannesevangelium (Joh 8,1-11), in der einige Männer eine beim Ehebruch ertappte Frau vorführen und sagen: „Mose hat uns vorgeschrieben, solche Frauen zu steinigen.“ Aus diesen hämischen grinsenden, selbstgerecht verkniffenen Gesichtern spricht der ganze Männerabscheu gegenüber dieser einen Frau, die da an den Pranger gestellt wird. Warum eigentlich nur die FRAU? Warum wird nicht auch der Mann mit beigezogen?

Gericht der vielen Männer über die einzelne ohnmächtige Frau! Und was hier in dieser Szene geschieht, das geschieht auch in der Dalinda des Donizetti. Eine einzelne Frau wird aus dem Nichts heraus, aufgrund von Gerüchten und Berichten für alles Übel dieser Welt gewissermaßen in Haft genommen. Und wir machen das mit, wir – der Männerchor! Da mitzuhalten fällt mir mitunter schwer, ich gestehe es.

Ich selbst ergreife in den Probenpausen immer wieder Partei für Dalinda, versuche für sie werben, doch stehe ich auf weitgehend verlorenem Posten. Ich meine zu hören: „Wir wissen, was wir von dieser Frau zu halten haben! Denn wir kennen Lucrezia Borgia!“ Ja was ist denn das für eine Logik? Donizettis Dalinda für die angeblichen, vermuteten, nicht hinreichend belegten Missetaten der Lucrezia Borgia Donizettis verantwortlich zu machen? Das schlägt dem Fass den Boden aus!

Ich kann da nur den Kopf schütteln und fragen: Wer wirft den ersten Stein? Das Fehlen jeder verzeihenden, jeder um Verständnis ringenden Nachfrage bei uns Männern, die diese unglückliche Dalinda bedrängen, umringen, umketten, beschatten und belauern, missfällt mir. Mir missfällt die Abwesenheit jedes christlichen Erbarmens bei diesen christlichen (christlichen? -Fragezeichen!) Kreuzrittern im Heiligen (?) Land zur Zeit des dritten Kreuzzuges (Kreuz-Zuges???).

Hier noch eine mögliche andersartige Reaktion auf die Anprangerung der Sünderin:

Dies ist der ganze Kupferstich der Diana Mantovana (nach Giulio Romano), zu sehen noch bis 4. Juni 2023 im Kupferstichkabinett am Kulturforum Berlin in der Ausstellung „Muse oder Macherin? Frauen in der italienischen Kunstwelt 1400-1800″

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