Brauchen wir mehr Meister Eckart oder mehr Hirnforschung in der Pädagogik?

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Okt 142011
 

Recht treffend fand ich die Einwände, die Bildungsministerin Schavan vor wenigen Tagen im Konrad-Adenauer-Haus gegenüber den bildungspolitischen Grundsatzdebatten in die Runde warf. Sie sagte nämlich,

– es gebe viel zu wenig Debatten über Sinn und Inhalt von Bildung

– dabei hätten wir in Deutschland seit Meister Eckart eine reiche Tradition des Bildungsdenkens

– wir müssten und sollten also auch über den Kanon und Kanonbildung nachdenken.

Alle drei Einwände treffen meines Erachtens noch weit stärker zu, als eine aktive Politikerin dies aussprechen darf. In dem ganzen Gerede und Gestreite über Strukturen, Curricula, Quantensprünge der Didaktik, „gehirngerechtes Lernen“ ist in der Tat fast völlig aus dem Blick geraten, wohin wir die Kinder „ziehen“ oder erziehen wollen.

Es fehlt ein Leitbild der Erziehung. Es ist durch normgerechte „Kompetenzen“ ersetzt.

Es fehlt in Deutschland ein Kanon. Deshalb wachsen viele Kinder in der kulturellen Steppe auf. Gerade bei uns in Kreuzberg ist dieses kulturelle Niemandsland mit Händen greifbar.

Die reiche, prägende, vorbildhaft weisende Tradition des europäischen Bildungsdenkens seit den Tagen eines homerischen Achilles, eines Odysseus, eines platonischen Sokrates, eines Jesus Christus, eines Cicero droht verlorenzugehen. Diese kulturellen Tragwerke Europas drohen vergessen zu werden. Die Wüste wächst!

Armes Kreuzberger Blog » Blog Archive » Stop the war!

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Printed in China: Deutsche Volkslieder, Publishing house: 7Hill

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Okt 012011
 

Das deutsche Volkslied behauptet sich prachtvoll in den Wogen der Globalisierung.

In China lernen derzeit etwa 5 Millionen Kinder Klavier, sie lernen auf diese Weise Namen wie W.A. Mozart, J.S. Bach oder J. Brahms kennen.

Das Buch, das ich gestern auf der Notenstütze der russischen Pianistin sah, trägt ebenfalls den Vermerk „Printed in China“. Umfang 351 Seiten. Titel: „Deutsche Volkslieder“. Die Chinesen wissen natürlich längst, dass neben dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch, dem berühmten BGB, das in der Tat als Muster des Zivilrechts in China gilt, noch einiges andere Nachahmenswerte aus Deutschland kommt, eben eine hochentwickelte Kultur des Singens, des Komponierens und Musizierens.

Ich habe das Buch vor wenigen Wochen in Berlin zum Neupreis von 9,95 Euro gekauft. Die Klavierbegleitung ist leicht spielbar. Ich empfehle das Buch allen Miteltern – anstelle von Ritalin.

Deutsche Volkslieder, 9783833157028, 383315702X
Publishing house:
7Hill Publishing
Other primary creator:
Tamás Zászkaliczky
Adapted by:
István Máriássy
Number of pages:
351

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Ist alles Müll, was vor 1980 entstanden ist?

 Entkernung, Frau und Mann, Kanon, Rassismus  Kommentare deaktiviert für Ist alles Müll, was vor 1980 entstanden ist?
Mai 132011
 

Etwa 1980 scheint mir eine Grenzlinie zu sein, die in der heutigen Pädagogik die Genze zwischen gut und böse darstellt. Ein Blick in Schulbücher bestätigt mir das immer wieder. Das gesamte kulturelle Erbe, das vor 1980 entstanden ist, steht unter Verdacht. Warum? Nun, ganz einfach: Die Menschen wussten ganz offenbar vor 1980 noch nicht, was böse und gut ist! Etwa ab 1980 zogen Wahrheit und Weisheit in die Welt ein, und zwar über die deutschen Universitäten und Proseminare.

Früher hingegen war es schlimm! Da kam ein strickendes, mit Puppen spielendes Mädchen vor – raus damit, es könnte den Gender gap verstärken! Da wurde das Wort Neger erwähnt – raus damit, es ist ein rassistisches Wort! Da erschien ein folgsames Kind – raus damit, es entmündigt die benachteiligten Kinder aus patriarchalischen Familienstrukturen! Da wurde von fleißigen Handwerkern gesungen – raus damit, es hindert die Kinder am Bildungsaufstieg zur Universität! Da erschien eine Familie mit Papa, Mama und mehreren Kindern – hau weg den Müll, es ist ein traditionelles Rollenverständnis! Da kam das Wort Gott in einem Lied vor – weg damit, es ist eine unzumutbare nervliche Belastung für Kinder aus atheistischen Elternhäusern! Da erschien ein spindeldürrer Schneider in einem Märchen – weg damit, es ist diskriminierend!

Meine ganz bescheidene Anmerkung dazu: Ich halte es für maßlos überheblich und töricht, wenn so getan wird, als wäre alles, was außerhalb Deutschlands oder was vor 1980 geschrieben, gesagt und gedacht worden ist, Schrott und Gerümpel, nur weil es die höheren Weihe des Gender Mainstreaming und der political correctness nicht erhalten hat.

Bild: Landschaft am S-Bahnhof Warschauer Straße

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„Bitte alle 7 Strophen noch einmal!“

 Deutschstunde, Kanon, Kinder, Was ist deutsch?  Kommentare deaktiviert für „Bitte alle 7 Strophen noch einmal!“
Mrz 212011
 

u1_978-3-596-90327-6343324.jpg„Guter Mond, du gehst so stille“ – dieses Lied sang ich gestern in allen 7 Strophen für meinen kleinen Sohn, wie es einst unser eigener Vater auch sang. Nach einem anstrengenden Tag entfaltete das Singen des Liedes eine unglaublich befreiende, lindernde Wirkung. Der Sohn sagte dann: „Jetzt singe das ganze Lied noch einmal!“ Ich traute meinen Ohren nicht.

Ich schüttelte alle Sorgen ab und schlief den erquickenden Schlaf.

Das Buch „Die schönsten Volks- und Wanderlieder“ hatte ich nahezu druckfrisch von meinem Besuch der Buchmesse Leipzig mit nachhause genommen und schon im ICE leise zu singen angefangen.

Die Kinder von heute lernen diese Lieder, die teilweise über mehrere Jahrhunderte weitergegeben worden sind, nicht mehr in der Schule. Ich wiederum kenne keine Lieder, die meine Söhne in der Schule gelernt hätten. Die Lieder im Musikbuch sind mir alle unbekannt. Keines bleibt haften. Rilke stellte im Malte Laurids Brigge fest: „Dass man erzählte, das muss vor meiner Zeit gewesen sein.“ Mir scheint: „Dass man die Kinder singen lehrte, das war vor unserer Zeit.“

Ich denke: Es wäre doch schön, wenn die Kinder in Kita und Schule Lieder sängen –  nebenbei würden sie auch eine gute deutsche Aussprache erlernen. Mir fällt auf, dass die Aussprache des Deutschen sich bei Kindern und Jugendlichen in Berlin schon sehr zu wandeln beginnt. Die Kinder verschlucken immer mehr Laute, die Vokale werden immer farbloser, Quantitäten verschwimmen, oft habe ich das Gefühl, die Berliner Kinder „kriegen die Kiefer nicht mehr auseinander“. Es wird vieles verhuscht und vernuschelt, die Satzmelodie ändert sich. Tausende und abertausende Berliner Kinder verlassen die Schulen jedes Jahr mit rudimentären Deutschkenntnissen. Vielleicht eine Folge dessen, dass fast nicht mehr gesungen wird?

Die schönsten Volks- und Wanderlieder. Texte und Melodien. Herausgegeben von Günter Beck. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main, März 2011, 304 Seiten, € 8.-

Fischer Klassik

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Aug 302010
 

Du sollst den Fremden lieben wie dich selbst.“ Wo steht denn das? Hebräische Bibel, Koran, Adenauer, Neues Testament?

Einen Heidenspaß bereitet es mir, immer wieder in Gespräche und in Texte dieses Blogs wörtliche Zitate aus Talmud und Hadithen, aus hebräischer Bibel und Faust, aus Aristoteles, Konrad Adenauer, Neuem Testament  oder Platon einzuweben.

Der Mediengestalter Oliver Wurm meint: In der Bibel steht eigentlich gutes Zeug drin. Deshalb druckt er die ihn anrührenden Stellen groß in einer Zeitschrift ab. Was ihn kalt lässt, druckt er klein. So berichtet es der aktuelle SPIEGEL auf S. 53. Genau so geschieht Kanonbildung. Genau so haben es die Kirchen zu allen Zeiten gemacht. Das Wichtige wird tausendfach wiederholt, ausgewählt, ausgemalt. Das weniger Wichtige wird nicht verkündet oder murmelnd überhuscht.

Selbst der Koran muss wohl so entstanden sein.  Kennt man hebräische Bibel und Neues Testament nicht, wird man den Koran und die Hadithe nicht verstehen können. Der Koran ist für uns nur verständlich als eine Fortschreibung älterer Traditionen, in die er hineingeschrieben ist.

Kennt man aber hebräische Bibel und Neues Testament nicht, wird man auch Karl Marx oder die Partei Die Grünen nicht verstehen können. Denn in der hebräischen Bibel (dem Alten Testament) wird erstmals klar und eindeutig der Gedanke der Nachhaltigkeit, der Gedanke der Schonung natürlicher Ressourcen, der Gedanken des Klima-, Boden- und Naturschutzes dargelegt.

Wem dieser Gedanke neu ist, dem empfehle ich Lamya Kaddors Kinderkoran. Da kann man dies alles leicht fassbar nachlernen.

Und das eingangs zitierte Gebot der Fremdenliebe? Steht in der hebräischen Bibel, dem Alten Testament der Christen. Moses.

 Posted by at 10:02
Jul 202010
 

Ein harter Brocken, was hier in der Überschrift steht! Dennoch gefällt mir dieser philosophisch-theologische Brocken. Immer wenn ich, der sehr schwach praktizierende, der sehr schlechte Knecht des Christentums mit Muslimen spreche oder mit ihnen bildhaft gesprochen zusammenrumple, wird mir das sofort klar, ebenso auch beim Studium der Hadithe, des Talmud oder der paulinischen Briefe.

Mehr oder minder zufällig finde ich daneben immer wieder Bundesgenossen in dieser Sicht, so etwa seit Jahren in Jacques Attali, oder neuerdings (?) auch in Angelika Neuwirth.

Angelika Neuwirth (FU Berlin) hat sich nämlich aufsehenerregend bei der Tagung „Beyond tradition“ in Münster hervorgetan.  Thema „Aufgeklärte islamische Theologie möglich in Deutschland?“ (FAZ, 16.07.2010, S. 34). Sie sagt,

der Koran sei sowohl in seiner überlieferten Textform als auch in seiner mündlichen Vorform vor allem als „europäisches Vermächtnis, als Auslegung und Neuformulierung bereits bekannter biblischer und nachbiblischer Traditionen zu betrachten. Inhaltlich handle es sich um eine ergebnisoffene Mitschrift von Diskussionen zwischen dem Propheten Mohammed und seinen Hörern. Es gelte demnach, den Koran als europäischen Grundtext in die (westliche) Spätantike-Vorstellung aufzunehmen.

Wow! Das entspricht genau meinem Empfinden, das entspricht genau meinem bildungspolitischen Programm für Berlins Grundschüler. Koran ist also Bestandteil der europäischen Überlieferung ebenso wie frühchristliche Literatur, da sowohl Christentum wie später Islam aus der
Verschmelzung von „Jerusalem“ und „Athen“ hervorgehen.

Welch ungeheure Chance böte sich den Berliner Grundschulen, wenn sie altgriechische, jüdische, islamische und christliche Geschichten in ihren Lesestoff aufnähmen! Ulysses meets Mohammed. THAT is IT. Sie, die Berliner Stadtgesellschaft, erwürbe sich nahezu ewigen Ruhm, wenn sie die unselige Spaltung zwischen muslimischen und nichtmuslimischen („christlichen“) Kindern überwände.

Aber sie tut es nicht. Sie scheut die Grundtexte der europäischen Überlieferung wie der Teufel das Weihwasser.

Koran kann gelesen werden wie die Vorlesungsmitschriften etwa des Aristoteles. Und in der Tat gab es im 11. bis 12. Jahrhundert eine Hochblüte arabischer Gelehrsamkeit, die genau das versuchte – die Synthese koranischen und aristotelischen Wissens.

Spannend, spannend … aber noch nicht Allgemeingut.

Bild: Sowjetisches Ehrenmal für den „Ewigen Ruhm“ in russischer Sprache, Ort: Erkner, Neu-Zittauer Straße.

 Posted by at 11:35

Leipzig lockt. Eine Stadt aus dem alten Europa

 Antike, Fibel, Kanon, Kinder, Leitkulturen  Kommentare deaktiviert für Leipzig lockt. Eine Stadt aus dem alten Europa
Jul 182009
 

15072009.jpg Das Wochenende werde ich privat in Leipzig verbringen. Gestern überraschte mich beim Blättern im Reiseführer von Susann Buhl und Tobias Gohlis der Name des Verlags Teubner. Teubner ist ein Leipziger Verlag. Obwohl ich selbst meist die Oxford Classical Texts bevorzuge, – etwa wenn ich Plato lese -, liegt doch immer wieder ein Band der Teubnerschen Ausgaben in meiner Hand. Blau für Latein, Rot für Griechisch. Aber welche gewaltige Entfernung liegt vor einem Kind der ersten Klasse, ehe es irgendwann diese grundlegenden Texte von Vergil und Plato, von Ovid oder Homer lesen kann! Wird es in 50 Jahren noch Menschen geben, die wissen, was eine gute Teubner-Ausgabe bedeutet? Wirklich? Ich denke mir das manchmal, wenn ich in die Fanny-Hensel-Schule gehe. Nicht nur Mendelssohn Bartholdy oder Mozart, nicht nur Goethe und Shakespeare, sondern eben auch Homer, Aischylos, Aristoteles und wie sie alle heißen – diesen Bestand von etwa 200 bis 300 Autoren, der grundlegend geworden  ist für unser Selbstverständnis, den müssen wir pflegen und weitergeben.

Ich meine: von Grundschulklasse 1 an.  Jedes Grundschulkind sollte auf altersgemäße Weise an die großen, alles überstrahlenden Werke und Namen Europas herangeführt werden. In Übersetzungen. Sie sollen imstande sein, sich zu definieren auch über das, was sie wissen. Wenn sie erst mal 15 sind, werden sie neue Herausforderungen zu bewältigen haben: das massive Angebot der Medien, Sex und nochmals Sex, eine milliardenschwere Unterhaltungsindustrie, die gerne den Jugendlichen das Geld aus der Tasche zieht. Und: Kinder von 11 bis 13 Jahren sitzen heute im Durchschnitt 100 Minuten vor dem Fernseher. Täglich! Was lernen sie da? Was sehen sie da? Womit werden ihre Köpfe angefüllt? Irgendwann definieren sich die Jugendlichen dann vorwiegend über das, was sie besitzen: das iPhone, einen iPod, die schicken Klamotten. Ich meine: bereits vorher müssen wir sie bekanntmachen mit dem, was wirklich zählt. The right stuff: Aristotle, Plato and Company.

Gespannt bin ich auf das Konzept der autoarmen Innenstadt. Mit dem ICE dauert es nur 1 Stunde von Berlin nach Leipzig!  Und das erwartet uns:

Autoarme Innenstadt in Leipzig: Informationsaktion mit Hinweisen für Rad- und Autofahrer startet
# Die City soll zum Flanieren einladen, aber auch von Radfahrern durchquert werden können – einige Hauptfußgängerbereiche sowie das Barfußgäßchen, die Klostergasse und die östliche Kleine Fleischergasse ausgenommen.
# Autos dürfen nur fahren, wo dies nicht durch Beschilderung untersagt ist. Parken können sie ausschließlich auf eigens gekennzeichneten Flächen.
# Andererseits muss die Innenstadt auch für Anlieferfahrzeuge erreichbar sein, Feuerwehr- und Rettungsfahrzeuge müssen sich ungehindert bewegen können.
# In der gesamten Innenstadt gelten Tempo 20 und eingeschränktes Halteverbot – für den Kfz- ebenso wie für den Radverkehr.
# In den Fußgängerzonen, in denen das Anliefern und Radfahren erlaubt ist, gilt Schrittgeschwindigkeit.
# Für Fahrräder stehen in der Leipziger Innenstadt derzeit rund 730 Anlehnbügel zur Verfügung. Die Stadt plant, weitere solcher Bügel aufzustellen. Insgesamt soll es davon künftig mehr als tausend in der City geben. Zur Gewährleistung der Verkehrssicherheit sollten Räder nur an Anlehnbügeln abgestellt werden.
# Rettungswege und Blindenleitstreifen müssen unbedingt freigehalten werden.

 Posted by at 08:04