Was ist euch lieber: Staatssozialismus oder Staatskapitalismus?

 Opel, Soziale Marktwirtschaft, Sozialismus, Staatssozialismus, Systemfrage  Kommentare deaktiviert für Was ist euch lieber: Staatssozialismus oder Staatskapitalismus?
Feb. 232009
 

Auf unsere Deutschen ist Verlass! Man hängt an Hergebrachtem, wie schön! Der Bismarcksche Staatssozialismus, der feste Glaube an den Obrigkeitsstaat wird in Krisenzeiten als einigendes Band gerne wieder aus dem Regal geholt: Der eine weiß, dass ihm laut Sozialgesetzbuch ein Auto von 7500.- ohne jede Gegenleistung als „angemessen“ zugesichert wird – das ist besser als in der DDR!  Die andere stimmt für den „VEB Opel“, denn jetzt müssen alle zusammenhalten! So jedenfalls der Befund gestern bei Anne Will, wo kein einziger der Teilnehmer sich dafür aussprach, den Autoriesen in Freiheit und Würde ohne staatliche Bevormundung so handeln zu lassen, wie das für ihn das beste ist. Das ist entwürdigend.

Man tut so, als wäre Insolvenz schlimmer als Pest, Krieg und Cholera zusammen. „Und was ist mit den 25.000 Arbeitsplätzen? Wollen Sie Hunderttausende Menschen ins Unglück stürzen, Herr Hampel?“ Das ist erneut – ein entwürdigendes Argument. Der Staat kann diese Arbeitsplätze ohnehin nicht sichern – und durch eine Insolvenz, klug begleitet, werden nicht notwendig alle Arbeitsplätze gefährdet. Ein paar Tausend Arbeitsplätze werden in jedem Fall bei Opel wegfallen müssen, denn es gibt Überkapazitäten in der Autoproduktion. Und darüber hinaus sage ich: Arbeitslosigkeit ist der Übel größtes nicht! Schlimm ist Hunger, Krieg, schwere Krankheit, Obdachlosigkeit, Terror und Herrschaft des Unrechts. Hartz-IV ist nichts Böses.

Arbeitslosigkeit ist ein wichtiger Hinweis darauf, dass eine bestimmte Art Arbeit an einem bestimmten Ort zur Zeit nicht nachgefragt wird – ein normaler Vorgang. So ist der Markt. Arbeitslosigkeit ist weder das Böse an sich, noch ist sie entwürdigend.

Dieser Wunsch nach noch stärkerer Beteiligung des Staates ist ein Schritt noch tiefer in den Staatskapitalismus. Der Staat – so wünschen viele – soll in Krisenzeiten als spendabler Onkel einspringen und die gefährdeten Firmen übernehmen. Das kann nicht gutgehen.

Was sagt Ludwig Erhard, nachdem er sich erneut im Grabe umgedreht hat, dazu? Lesen wir seinen Spruch des Tages:

„Mit der Abhängigkeit vom Kollektiv und vom Staat gewinnt der einzelne Mensch nicht Sicherheit, sondern er geht umgekehrt ihrer verlustig. Der zur Vermassung hindrängende Wohlfahrtsstaat bringt den Menschen nicht Wohlfahrt, sondern zuletzt immer nur Armut, Unordnung und sklavische Abhängigkeit. Staatskapitalismus und Staatssozialismus sind gleich fluchwürdige Formen des menschlichen Zusammenlebens und müssen in ihren Wurzeln ausgerottet werden. Freiheit und Sicherheit werden wir nur dann zurückerlangen, wenn auch der letzte Ruf nach materieller Hilfe des Staates einmal verhallt sein wird, denn solche Hilfe kann immer nur auf Kosten zusätzlicher Belastung des Staatsbürgers erfolgen.“

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Feb. 212009
 

Mehr zufällig war ich gestern im Zusammenhang mit der Bismarckschen Sozialversicherung auf sein Wort „Staatssozialismus“ gestoßen. Das gestern angeführte Zitat fand ich in der vortrefflichen Gesamtdarstellung „Der lange Weg nach Westen. Deutsche Geschichte 1806-1933“, S. 250. Verfasser Heinrich August Winkler gelingt es in diesem meisterhaft komponierten Werk, alle gängigen Vorurteile und fromme Wahnvorstellungen, von denen unser gemeinhistorisches Bewusstsein lebt, sachte zu entstauben und eben auch die eine oder andere Tretmine sorgsam verpackt einzubauen.

Bismarck eignet sich hervorragend dazu, unsere Vorurteilsverhaftung anschaulich zu machen. Mein grob geschnitztes Bild von Bismarck war eigentlich: Eiserner Kanzler, genialer Diplomat, Machtpolitiker, schuf durch Kriege den deutschen Nationalstaat, Vertreter des Obrigkeitsstaates, alles andere als ein Demokrat, schuf sein bleibendes Verdienst mit dem System der Sozialversicherung, Unterdrücker der Sozialisten und der katholischen Zentrumspartei, wurde leider von dem törichten Kaiser Wilhelm II. ausgebootet.

Heute las ich in der Bismarck-Biographie von Lothar Gall und in Bismarcks eigenen „Gedanken und Erinnerungen“. Ergebnis: Die oben angeführten Urteile sind nicht völlig falsch, aber sie greifen zu kurz.

Gall vertritt die Ansicht, dass Bismarck aus machtpolitischem Kalkül heraus in Beratungen mit Vertretern der Industrie die Idee einer allgemeinen Versicherung unter staatlicher Obhut und staatlicher Beteiligung ersann. Ziel war, in Bismarcks Worten: „in der großen Masse der Besitzlosen die konservative Gesinnung zu erzeugen, welche das Gefühl der Pensionsberechtigung mit sich bringt.“ Denn: „Wer eine Pension hat für sein Alter, der ist viel zufriedener und viel leichter zu behandeln, als wer darauf keine Aussicht hat“ (Gall, a.a.O. S. 605).

Bismarcks Konzept stieß auf heftigsten Widerstand bei den Linskliberalen, dem Zentrum und der Sozialdemokratie. Sie fürchteten „einen auf staatssozialistische und pseudeoplebiszitäre Elemente gestützten Neoabsolutismus“ (Gall, a.a.O. S. 606).

Und was erwiderte Bismarck auf solche Anfeindungen? Er zeigte sich erneut als der geniale Politiker, der er war – er verbat sich solche Unterstellungen nicht, sondern unterlief sie durch Zustimmung. Bismarck führte aus: „Die sozial-politische Bedeutung einer allgemeinen Versicherung der Besitzlosen wäre unermeßlich.“ Erneut verwendet er den Begriff Staatssozialismus, der ihn in der Tat zu einem Ideengeber der heutigen Linken (etwa in den Personen eines Björn Böhning oder einer Halina Wawzyniak) werden lässt.

Bismarck sagt über seine Sozialversicherung:

„Ein staatssozialistischer Gedanke! Die Gesamtheit muß die Unterstützung der Besitzlosen unternehmen und sich Deckung durch Besteuerung des Auslandes und des Luxus zu verschaffen suchen.“

Das ist die Reichensteuer, das ist der Protektionismus durch Handelshemmnisse, wie sie gerade jetzt wieder als Gedanken im Schwange sind!

Wie bewertet Gall Bismarcks Leistung beim Aufbau des Sozialstaates? Niederschmetternd! Er deutet sie nicht als bleibendes Verdienst oder systematisches Aufbauwerk, sondern als einen politischen Verzweiflungskampf, der das Wesen der Politik dauerhaft entstellt habe. Letztlich habe Bismarcks Kampf um die eigene Machtposition dazu geführt, dass man sich nur noch am Machbaren orientiere und Perspektivlosigkeit zum Prinzip erhoben habe (Gall, a.a.O. S. 607). Das herrliche Wort Perspektivlosigkeit – ich glaube, etwa ab den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts hat es eine steile Karriere hingelegt, die bis zum heutigen Tage anhält! Es gibt heute kaum ein schlimmeres Urteil als eben dies: Perspektivlosigkeit.

In solchen Kommentaren schlägt das Politikverständnis des Historikers Gall deutlich durch. Politik hätte demnach sich nicht am Machbaren zu orientieren, sondern den großen Wurf durchzuführen. Es ginge laut Gall dann bei guter Politik darum, Verhältnisse, Strukturen und Verhaltensweisen bewusst zu gestalten.

Und hier gewinnen seine Ausführung beklemmende Aktualität. Denn das sind heute noch die Pole, zwischen denen sich Politik bewegt: Politik entweder als Kunst des Machbaren – oder als kühner Ausgriff, als bewusst angelegte Reform.

Wenn man Bismarck studiert, wird man erkennen: Die bewusst angelegten, raumgreifenden  Reformen sind sehr, sehr selten, die meisten gut gemeinten Reformen versanden oder bleiben auf halbem Wege stecken. Oder sie werden irgendwann zu einer Erblast.

Vergleicht man aber Bismarck mit dem durchaus geistesverwandten russischen Ministerpräsidenten Stolypin, so wird man sagen müssen: Der erste deutsche Kanzler hat – im Gegensatz zu vielen anderen Reformern – einen Teil seiner Neuerungen durchaus zu einem bleibenden Reformwerk gestaltet. Dass seine Motive eigennützig waren, letzlich auch der eigenen Machtsicherung dienten, verschlägt nichts daran, dass die Sozialversicheurng Elend und Leiden minderte, Bindekräfte zwischen Staat und Bürgern entfaltete und gewaltsame Revolutionen wie etwa in Russland verhinderte.

Dass wir heute noch quer durch alle Parteien am Erbe des Bismarckschen Obrigkeitsstaates leiden, ist nicht Bismarck anzulasten – sondern uns! Man muss dies durchschauen. Wenn es etwa heißt: „Wir dürfen keine systemische Bank in den Konkurs treiben“, „Wir dürfen Opel nicht pleite gehen lassen“, dann zeigt sich genau jenes paternalistisch-obrigkeitliche Denken eines Bismarck wieder, das ich für schwer vereinbar mit einer freiheitlichen Demokratie im Sinne unseres Grundgesetzes halte.

In den Reformdebatten unserer Zeit – etwa seit den Leipziger Reformbeschlüssen der CDU von 2005 – wird dieser Zusammenhang zwischen Machterhaltung und Reform meist gegeneinander ausgespielt. Es heißt grob vereinfacht: „Wir müssen unsere Reformvorstellungen dem Machterhalt opfern. Das große Ding können wir nicht drehen. Der Zeitpunkt ist vorüber.“

Ich halte dies für einen Irrtum. Machterhalt und Reform sollten einander gegenseitig bekräftigen. Dass dies möglich ist, hat Bismarck meines Erachtens glänzend vorgeführt. Ich teile deshalb die ernüchternd-entzaubernde Ansicht Lothar Galls, wonach Bismarck lauter verzweifelte Rückzugsgefechte gekämpft habe, nicht. Solche Tretminen, die das Denkmal Bismarck beschädigen, sind keine.

Schade, dass die großen Politiker wie etwa Bismarck oder Stolypin so vernachlässigt werden und statt dessen sehr viel mehr Fleiß auf politische Propheten wie Rosa Luxemburg, Dichter wie Karl Marx, Diktatoren oder politische Verbrecher wie Stalin und Hitler verwendet wird! Schade, dass unsere Politiker quer durch die Parteien offenkundig meinen, sie stünden vor komplett neuen Herausforderungen und Problemen! Rückbesinnung tut not!

Folgende Bücher empfehle ich heute nachdrücklich als Gegengift gegen diese Extremismus-Besessenheit und diese Geschichts-Vergessenheit:

Lothar Gall: Bismarck. Der weiße Revolutionär. Ullstein Verlag,  Frankfurt am Main, 1980

Bismarck: Gedanken und Erinnerungen. Ungekürzte Ausgabe. Herbig Verlag, München, o.J.

Heinrich August Winkler: Der lange Weg nach Westen. Deutsche Geschichte 1806-1933.  Sonderausgabe der Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2002

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„Der Staatssozialismus paukt sich durch“, oder: Würde Bismarck DIE LINKE wählen?

 Bismarck, Die Linke, Etatismus, Solidarität, Sozialismus, Sozialstaat, Staatssozialismus, Weihnachtsgans  Kommentare deaktiviert für „Der Staatssozialismus paukt sich durch“, oder: Würde Bismarck DIE LINKE wählen?
Feb. 202009
 

Das Bundessozialgericht hat gestern erkannt, dass ein Hartz-IV-Empfänger keinen Anspruch auf Kabel-TV hat, wenn sonst eine Grundversorgung mit Fernsehprogrammen gesichert ist (Az.: B 4 AS 48/08 R).  Ferner: Ein Hartz-IV-Empfänger hat Anspruch auf einen Privat-PKW bis zum Wert von 7500 Euro, so die Rechtslage.-

Heute kaufte ich zum ersten Mal selbst auf dem Türkenmarkt am Maybachufer ein – siehe obiges Foto – und sparte dabei gegenüber ALDI sicherlich mehr als monatliche Kabelgebühren ein.- Der Präsident der Deutschen Kinderhilfe e.V. Ehrmann beklagte heute, dass ein großer Teil der Hartz-IV-empfangenden Eltern nikotin- oder alkoholabhängig sei und dass deshalb eine Hartz-IV-Erhöhung nicht bei den Kindern ankommen würde.

Grund genug für ein paar allgemeinere Überlegungen! Jeder Bürger – sowohl deutsche Staatsbürger wie auch dauerhaft hier lebende ausländische Bürger – hat in der Bundesrepublik nach der Sozialgesetzgebung Anspruch auf eine Grundversorgung durch den Staat – bis hin zu einem Auto, zu Fernsehen u. dgl. mehr. Er muss nicht betteln und flehen – dies ist der große Unterschied zur Armenfürsorge.

Woher kommt dieser Anspruch? Letztlich aus der Sozialversicherung. Diese wurde unter Reichskanzler Bismarck eingeführt: Arbeitnehmer-Krankenversicherung 1883 – Unfallversicherung 1884 – Alters- und Invalidenversicherung 1889. Sie sind letztlich bis heute die Säulen des Sozialstaates geblieben und entfalten weiter eine ungeheure Binde- und Anziehungskraft, weit in andere Staaten wie Russland oder die Türkei hinein. Ist das gerecht? Ist es gerecht, dass eine Familie in Kreuzberg ohne erkennbare Anstrengung drei- oder viermal soviel Geld erhält wie eine ebenso große Familie in Incekum, in der Vater und Mutter arbeiten?

Der deutsche Staat garantiert jedenfalls seit 1889 umfassende Versorgungsverpflichtungen und sichert so eine Zustimmung der breiten Massen zur eigenen Herrschaft. Bismarck selbst hat dies am 26. Juni 1881 gegenüber dem Schriftsteller Moritz Busch so formuliert:

„Es ist möglich, dass unsere Politik einmal zugrunde geht, wenn ich tot bin. Aber der Staatssozialismus paukt sich durch. Jeder, der diesen Gedanken wieder aufnimmt, wird ans Ruder kommen.“

War Bismarck Sozialist? In gewissem Sinne – ja! Denn er kalkulierte, dass der Staat nur durch eine weitreichende Absicherung aller wesentlichen Daseinsrisiken dauerhaft die Zustimmung seiner Bürger behalten könne. In diesem Sinne setzte er sein Vertrauen in die verpflichtende Einbeziehung aller in ein System der Versicherung auf Wechselseitigkeit. Damit grub er den erklärten Sozialisten das Wasser ab.

Wenn heute DIE LINKE erneut keine Gelegenheit auslässt, um die staatlichen Versorgungs- und Absicherungspflichten hervorzuheben, und mit großem Nachdruck eine Erhöhung der „entwürdigend niedrigen“ Regelsätze fordert, kann sie sich auf einen selbsterklärten Staatssozialisten und Wegbereiter berufen, der ihr viel näher steht, als ihr bewusst ist: den Reichskanzler Otto von Bismarck.

Wird sie ans Ruder kommen, wie Bismarck es voraussah? Es wäre sein letzter Triumph!

Nachweis des Bismarck-Zitates vom 26.06.1881: Heinrich August Winkler, Der lange Weg nach Westen, Band 1, Deutsche Geschichte vom Ende des Alten Reiches bis zum Untergang der Weimarer Republik, 4. Auflage, München 2002, S. 250

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Feb. 182009
 

In der BBV ging es gestern um die Marchlewskistraße – benannt nach Julian Marchlewski, zusammen mit Rosa Luxemburg ein Herausgeber der ersten polnischen sozialdemokratischen Zeitschrift.

So musste ich danach unbedingt zur Diskussionsveranstaltung mit Vera Lengsfeld, Halina Wawzyniak, Manfred Scharrer, Manfred Wilke hechten! Ich kam etwas zu spät, kriegte aber doch noch das meiste mit. Beachtlich fand ich das Podium: alle sprachen zur Sache, niemand bemühte sich, einen billigen Punktgewinn auf Kosten anderer einzufahren, und sogar im Publikum regte sich die eine oder andere Stimme, die die Bereitschaft zu erkennen gab, eigene Positionen und Vorurteile zu überdenken.

Allerdings waren im Publikum diese nicht so festgelegten Stimmen in der Minderheit. Egal, auch Rosa Luxemburg vertrat eine winzige oppositionelle Splittergruppe innerhalb der damaligen Arbeiterbewegung, sie gewann bei den Wahlen sogar noch weniger Stimmen als selbst die CDU in Friedrichshain-Kreuzberg – trotzdem sprechen wir heute noch über sie.

Halina Wawzyniak sagte auf die Gretchenfrage nach Revolution und Sozialismus sinngemäß: „Einen Sozialismus, wie ich ihn wünsche, hat es bisher noch kein einziges Mal gegeben.“ Das hat Dubcek fast wortgleich 1968 damals in Prag verlauten lassen. „Einen  Sozialismus, wie wir ihn wollen, hat es bisher noch nicht gegeben.“ Ganz oft habe ich das schon gehört: „Das war alles kein Sozialismus, wie wir ihn wollen, was wir bisher erlebt haben! Wir müssen es endlich einmal richtig probieren!“

Man könnte auch sagen: Das war alles kein realer Sozialismus, sondern … ja was?  –  ein irrealer Sozialismus, das alles, was in 60 Ländern weltweit schon ausprobiert worden ist. Aber fast alle Sozialisten sind bisher mit genau diesem Versprechen aufgetreten: WIR machen jetzt aber alles ganz anders – besser!

Was würde Karl Marx zu so einer Aussage sagen? Vermutlich würde er entgegendonnern: „Abstrakt-idealistisches Denken, undialektisch, man kann einen Begriff nicht von seiner Wirklichkeit trennen.“ Was würde Rosa Luxemburg dazu sagen? Mir fällt ihr Ausspruch ein. Er steht in ihrer Artikelserie Sozialreform oder Revolution? aus der Leipziger Volkszeitung von 1898. Sinngemäß lautet er: „Man kann im Geschichtsbüffet nicht heiße Würstchen und kalte Würstchen auswählen.“ So glaube ich im Gefolge Rosa Luxemburgs: Entweder man ist für den Sozialismus, das schließt ein, das man ihn in seinen bisherigen Erscheinungsformen grundsätzlich bejaht, so unvollkommen diese auch gewesen sein mögen.

Oder man lehnt den bisherigen Sozialismus ab – und dann wird man es sehr schwer haben zu begründen, weshalb die Wähler einem Zutrauen entgegenbringen sollten, dass es diesmal besser klappt.

Meine Vermutung: Die Linke macht noch einmal den Prozess durch, den die SPD vor ihrem Godesberger Programm durchlief – das Sich-Lossagen vom Klassenkampf, von der Diktatur des Proletariats. Sie könnte zu einer sozialdemokratischen Partei vor Godesberg werden, etwa im Sinne der Sozialreformer wie Eduard Bernstein, gegen die Rosa Luxemburg so erbittert kämpfte.

Solange sie aber an Karl Marx, an Rosa Luxemburg festhält, wird man auch annehmen dürfen, dass sie zum gegebenen Zeitpunkt die „Umwälzung aller Verhältnisse“ herbeiführen will. Man kann das Systemwechsel nennen oder auch Revolution.

Aber sind Karl Marx und Rosa Luxemburg für Die Linke noch maßgebliche Vorkämpfer? Die Frage blieb gestern in meinen Augen unbeantwortet.

Manfred Scharrer hob in aller Deutlichkeit hervor: Luxemburg bekämpfte auf Biegen und Brechen die neu entstandene Weimarer Republik. Sie wollte den Bürgerkrieg.

Vera Lengsfeld: „Für mich ist Freiheit der übergeordnete Wert, Gerechtigkeit ist mir zu unklar.“

Es war spannend, ein Abend, der geprägt war durch große Fairness auf dem Podium und eine hochinteressante Zusammenstellung an klugen Menschen. Bitte mehr davon!

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Feb. 162009
 

Immer wieder konnten wir in diesem Blog von der religiösen Weihestimmung berichten, mit der die kommunistische Glaubensgemeinschaft ihre Gründerväter und Heiligen-Mütter umgibt. Ich habe dies selbst mehrfach erlebt, besonders eindrücklich beim Besuch des Lenin-Mausoleums in Moskau, wo ich die Sünde beging, eine Frage zu flüstern statt andachtsvoll zu schweigen. Ich spreche nicht von „quasi-religiös“, sondern von „religiös“ im Sinne einer echten Ersatzreligion. An ihrer Sprache, an ihren Bildern kann man die Religion erkennen! Wollt ihr Beispiele?

Vera Lengsfeld berichtet in ihrem Buch „Mein Weg zur Freiheit“, mit welchen Worten Heinz Kamnitzer, der Präsident des PEN-Zentrums der DDR, ihre Absicht verurteilte, bei einer Gedenkveranstaltung ein Spruchband mit einem Zitat Rosa Luxemburgs zu entrollen. Kamnitzer schrieb im Neuen Deutschland über die geplante Teilnahme der Friedensgruppen an der Luxemburg-Demo 1988:

„Was da geschah, ist verwerflich wie eine Gotteslästerung. Keine Kirche könnte hinnehmen, wenn man eine Prozession zur Erinnerung an einen katholischen Kardinal oder protestantischen Bischof entwürdigt. Ebensowenig kann man uns zumuten, sich damit abzufinden, wenn jemand das Gedenken an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht absichtlich stört und schändet.“

Beachtlich ist hier: Kamnitzer setzt die kommunistische Glaubensgemeinschaft der DDR mit einer Kirche gleich, die ihre Würdenträger und kultisch verehrte Toten hat. Ferner: Wie in der katholischen Kirche, so gab es auch im Kommunismus der DDR eine Sünde in Gedanken. Denn verwerflich und strafbar war bereits die geplante Sünde der „versuchten Zusammenrottung“ – zur Ausführung kam es ja nicht, da die Obrigkeit bereits vor der Störung des Gedenkmarsches eingriff.

Zweites Beispiel: Den Titel ihres Buches über Rosa Luxemburg schmückt Frigga Haug, Gründungsmitglied der deutschen Partei DIE LINKE, mit dem Bild La crucifixion (Die Kreuzigung) von Pablo Picasso. Das Bild zeigt eine Golgatha-Szene, ein Kruzifix. Angesichts der Schrecken unseres Jahrhunderts wird Jesus erneut gekreuzigt in einer Umgebung, die stark an Guernica von Picasso erinnert.

Während Kamnitzer Rosa Luxemburg mit einem Kardinal oder Bischof gleichsetzte, wird  die ermordete Rosa Luxemburg durch Frigga Haug gleichsam in einen Rang mit dem ermordeten Jesus Christus gerückt.

Rosa Luxemburg selbst sah sich ebenfalls in der Nachfolge Jesu Christi. In ihren Schriften zieht sich eine Art unterirdischer Verweisungszusammenhang auf das jüdisch-christliche Erbe wie Zettel und Faden durch. An vielen Stellen verwendet sie Bilder der christlichen Mystik, des christlichen Ritus. Über die ihr bekannten Massenmorde Lenins schreibt sie beispielsweise:

„Die Binsenweisheit, daß Revolutionen nicht mit Rosenwasser getauft werden, ist an sich ziemlich dürftig.“

Was für eine Sprache! Die Revolution wird als eine Art Taufe gesehen, eine Taufe, die allerdings nicht mit Wasser, sondern mit Blut erfolgt. Blut, das fließen muss, daran lässt Luxemburg keinen Zweifel. Blut zur Erlösung der Welt von den Sünden des Bösen. Und das Böse – das ist der imperialistische Kapitalismus.

In der moralischen Verdammung des imperialistischen Kapitalismus, in der Anprangerung seiner sittlichen Verderbtheit, des jämmerlichen Sündenfalls des deutschen Proletariats, nämlich der Bewilligung der Kriegskredite durch die Sozialdemokratie, scheut Luxemburg sich nicht vor einer Häufung stärkster Anklagen: „Schmach“, „Ruin“, „Gespinst von Lügen“, „ein teuflischer Witz“, „Sittenverfall“ … man könnte Seiten füllen mit den kraftvollen, geradezu mit alttestamentarischer Wucht geschleuderten Wehe-Rufen der Prophetin Rosa Luxemburg über die tiefe Not der sündigen Welt.

Sich selbst sah Luxemburg weder als Bischöfin noch als Kardinälin – sondern als leidende Gottesmagd, als eine Art politischer Christus – wobei der Gott hier nicht der Gott des Judentums, sondern die Weltgeschichte ist.

Sie nennt ihre Verfolgung ausdrücklich den „Golgathaweg eigener bitterer Erfahrungen“  – und fast in einer Vorwegnahme ihrer Hinrichtung schreibt sie, wie sich das vierfache „Kreuziget ihn“ gegen sie selbst richtet – als Forderung der Kapitalisten, dann der Kleinbürger, und dann – wir zitieren wörtlich aus Rosa Luxemburgs Werken:

dann der „Scheidemänner, die wie Judas Ischariot die Arbeiter an die Bourgeoisie verkauft haben und um die Silberlinge ihrer politischen Herrschaft zittern“; und schließlich:

„Kreuziget ihn! wiederholen noch wie ein Echo getäuschte, betrogene, missbrauchte Schichten der Arbeiterschaft und Soldaten, die nicht wissen, dass sie gegen ihr eigenes Fleisch und Blut wüten, wenn sie gegen den Spartakusbund wüten .“

Immer wieder wird hervorgehoben, dass Rosa Luxemburg Jüdin war – um so verblüffender ist es zu sehen, wie stark ihr gesamtes Denken und Fühlen von im engeren Sinne christlichen Motiven durchdrungen ist, bis hin zu einer ausdrücklichen Selbststilisierung als weiblicher Messias in der Nachfolge Jesu Christi.

Wer diese messianischen Antriebe bei Rosa Luxemburg und im Kommunismus nicht sieht, wird Luxemburg und den Kommunismus nicht begreifen. Wer die Bibel nicht kennt, wird auch Rosa Luxemburg oder Karl Marx nicht verstehen können.

Wir beschließen diese kleine abendliche Betrachtung mit einem Blick auf ein Andachtsbild, das ich gestern am Potsdamer Platz aufnahm:

15022009.jpg

Wir sehen Rosa Luxemburg auf einem Reststück der Berliner Mauer – es ist jene Stelle, die, wie die Legende will, am 9. November 1989 erstmals durchbrochen ward. Umgeben ist Rosa (lateinsch: die Rose, Symbol der Unschuld) von einem Herzen – dem Symbol der Liebe. Ein rotes Kreuz ist über das Gesicht gezogen – so entsteht die Gekreuzigte, der weibliche Messias.  Unten dann – das Friedenssymbol, welches eine Weiterentwicklung altchristlicher Grabsymbolik darstellt, wie man sie etwa in den Katakomben Roms findet: Der Kreis mit den drei Armen stellt das Wasser des ewigen Lebens dar, wie es das verlorene Paradies umfloss. Zugleich bilden die drei Flüsse eine Vorwegnahme der göttlichen Dreifaltigkeit.

Die namenlosen Schöpfer dieses hochverdichteten Mahnmals haben etwas geschaffen, wozu sich der öffentliche Wettbewerb für ein Rosa-Luxemburg-Denkmal nicht die Freiheit nehmen konnte: Sie haben eine starke Aussage zu Leben und Botschaft Rosa Luxemburgs getroffen, indem sie sie in drei Jahrtausende europäischer Religionsgeschichte, in die neueste deutsche Geschichte buchstäblich einritzten.

Hingehen lohnt. Religiöses Schweigen ist nicht mehr vorgeschrieben. Wir sind frei.

Literaturnachweis:

Frigga Haug: Rosa Luxemburg und die Kunst der Politik, Argument Verlag, Hamburg 2007, hier: Umschlagbild

Auch zu folgender öffentlicher Veranstaltung lohnt sich das Hingehen:

Dienstag, 17. Februar 2009, 18.30 Uhr, Café Sybille, Karl-Marx-Allee 72, Berlin-Friedrichshain.  Start der Gesprächsreihe “Politik ohne Phrasen – Vera Lengsfeld lädt ein” mit dem Titel:  ”Taugt Rosa Luxemburg als Ikone der Demokratie?” Diskussion mit Halina Wawzyniak (Linke), Prof. Manfred Wilke, Manfred Scharrer

 Posted by at 23:05
Feb. 162009
 

15022009.jpg Unter dem Namen RosadeLuxe plante einer der 2005 ausgewählten Entwürfe zum Rosa-Luxemburg-Denkmal ein Modelabel zu entwickeln, das in Lizenz an Modefirmen verkauft werden sollte. Daraus wurde nichts, heute zieren stattdessen 60 Zitate Rosa Luxemburgs den Luxemburg-Platz in Berlin-Mitte.Viele kennen somit weiterhin nur herausgerissene Zitate dieser wichtigen Galionsfigur der kommunistischen Bewegung. Der größere Zusammenhang wird von den Passanten leider buchstäblich mit Füßen getreten.

Das Buch von Frigga Haug „Rosa Luxemburg und die Kunst der Politik“, erschienen 2007 im Argument Verlag, räumt mit zahlreichen Vorurteilen auf, die diese Frau heiligenscheinartig umwabern. Wer keine Zeit hat, die Werke und Briefe Luxemburgs zu lesen, sollte mindestens die umfangreiche Zitatsammlung in Haugs höchst verdienstvollem Bändchen studieren.

Rosa Luxemburg war zeit ihres Lebens überzeugte Marxistin. Dass die Menschheitsgeschichte notwendig auf den Kommunismus zulaufe, daran glaubte sie unerschütterlich. An keiner Stelle wich sie davon ab, dass sie die gewaltsame Umwälzung der kapitalistischen Ordnung und die darauf folgende Diktatur des Proletariats für notwendig und unausweichlich hielt. Die Liquidierung der Verfassungsgebenden Versammlung, ausgeführt am 19.01.1918 durch Lenin, begrüßte sie ausdrücklich ebenso wie den massiven Terror gegen das „Lumpenproletariat“, gegen „Abweichler“ und „bourgeoise Elemente“, die sich der Oktoberrevolution entgegensetzten.

Haug weist schlüssig nach, dass alle Versuche, die innere Einheit der revolutionären kommunistischen Parteien zu spalten oder Rosa Luxemburg gar zu unterstellen, sie wende sich gegen die Oktoberrevolution, ja sie habe sich innerlich vom Marxismus verabschiedet, wie dies etwa Hannah Arendt annimmt, zum Scheitern verurteilt sind (Haug, a.a.O. S. 164).

Warum sind aber viele so sehr von Luxemburg fasziniert? Luxemburg arbeitete wie Liebknecht, Lenin und Stalin auf die gewaltsame Errichtung einer Räterepublik hin, deren Entstehung selbstverständlich nicht „mit Rosenwasser getauft sein würde“, wie sie selbst in ihrer blumigen, mit religiösen Wendungen durchtränkten Bildersprache sagt. Wodurch unterscheidet sich Rosa Luxemburg von anderen kommunistischen Führern, die sie kannte, auf die sich bezog, die sie wiederum schätzten, wie etwa Lenin und Stalin?

Mit einem weiteren Bild gibt sie selbst Auskunft. Sie weist nämlich die Alternative „entweder Maschinengewehre oder Parlamentarismus“ als „Vereinfachung“ zurück (Haug, a.a.O. S. 142).  Für sie heißt es foglich:  Sowohl Maschinengewehr als auch Parlamentarismus. Zwar wird sie nicht müde, den deutschen Reichstag als „parlamentarischen Kretinismus“, als „Haus der tödlichsten Geistesöde“, als „verfallende Ruine“ zu bezeichnen, dennoch fordert sie zur Teilnahme an den Wahlen und zur aktiven Mitarbeit in den Parlamenten auf. Sie schreibt:

„Wir wollen innerhalb der Nationalversammlung ein siegreiches Zeichen aufpflanzen, gestützt auf die Aktion von außen. Wir wollen dieses Bollwerk von innen heraus sprengen“ (Haug, a.a.O. S. 60).

Was die russischen Kommunisten handstreichartig, gestützt allein auf Maschinengewehre, Erschießungskommandos, Tscheka  und Straflager bewirkten, das wollte sie durch Unterwanderung des bestehenden Systems erreichen.

Durch beharrliche Erziehung und Belehrung der Massen, nicht nur durch Terror und physische Vernichtung der Gegner, wollte sie den Weg zur Diktatur des Proletariats ebnen: Weltrevolution auf die etwas sanftere Art.

Innerhalb der kommunistischen Bewegung verlangte sie Meinungsfreiheit. Sie kritisierte den absoluten Vorrang, den die russischen Kommunisten gegenüber den KPs aller anderen Länder für sich beanspruchten. Deshalb sagte sie in ihrem Aufsatz über die russische Revolution: „Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenken.“ Damit ist gemeint:  Für die Revolution sind verschiedene Lösungsansätze denkbar und zulässig. Solange man die Diktatur des Proletariats anerkennt, darf es laut Luxemburg keine Denkverbote geben. Kein Marxist hat das Recht, einem anderen Marxisten die eigenständige Denkbewegung zu verbieten. So kritisierte sie scharf, dass Lenin alle anderen sozialistischen Parteien, etwa die Sozialrevolutionäre, liquidierte. Luxemburg verlangte nach der Beseitigung der bürgerlichen Ordnung eine ungehinderte Meinungsfreiheit für alle Revolutionäre, nicht nur für die Bolschewiki, sondern auch für die Sozialdemokraten, die ja damals noch marxistisch eingestellt waren.

Wie Karl Marx selbst sah sie voraus, dass bei der Errichtung der Diktatur Fehler und Irrtümer unterlaufen. Sie forderte: Wir müssen beständig korrigieren, nachbessern, lernen, die Revolution gelingt nicht über Nacht. Agitation, Belehrung der unreifen Massen, gemeinsam voneinander und miteinander lernen ist ebenso wichtig wie der bewaffnete Kampf.

Zeit lassen ist wichtig! Dass die Revolution in Russland so schnell und leicht gelang, sah sie nicht voraus. Für Deutschland rechnete sie mit längeren Zeiträumen – da das deutsche Proletariat schmachvoll versagt hatte, indem es die Kriegskredite bewilligt hatte.

Wie stünde Rosa Luxemburg zu Hartz IV, zu 1-Euro-Jobs und ähnlichen Entwürdigungen? Hierüber hat sie sich eindeutig geäußert. Sie fordert nämlich eine allgemeine Arbeitspflicht für alle. Arbeit, Arbeit, Arbeit! Sie schreibt in der Sozialisierung der Gesellschaft:

„Damit alle in der Gesellschaft den Wohlstand genießen können, müssen alle arbeiten. Nur wer irgendeine nützliche Arbeit für die Allgemeinheit verrichtet, sei es Handarbeit oder Kopfarbeit, darf beanspruchen, dass er auch Mittel zur Befriedigung seiner Bedürfnisse von der Gesellschaft bekommt. Ein müßiges Leben, wie es jetzt die reichen Ausbeuter führen, hört auf“ (Haug, a.a.O. S. 92).

Mit diesen und anderen Gedanken stand Luxemburg nicht allein: Ab Januar 1918 begann Lenin, ein weitgespanntes System an Arbeits- und Umerziehungslagern einzurichten, die teilweise die Politik der Massenhinrichtungen ersetzten. Es waren die Anfänge des GULAG.

Aber auch mit ihrer Lehre von der Unterwanderung der bestehenden Institutionen, mit ihrem nachdrücklichen Beharren auf Höherbildung und Umerziehung der unreifen Massen konnte sich Luxemburg letztlich doch durchsetzen. Nach 1945 gelangten viele europäische kommunistische Parteien nicht durch plötzliche Machtergreifung, sondern durch die Eliminierung konkurrierender Parteien aus Koalitionsregierungen heraus an die Macht. Wie Luxemburg vorgeschlagen hatte, leisteten sie die vollkommene Mimikry an ein parlamentarisches System, um dann ihr eigenes  System an die Stelle der von innen heraus gesprengten Ordnung zu rücken.

Rosa Luxemburg ist viel stärker in den Hauptstrom der kommunistischen Bewegung eingebunden, als dies manche Romantiker wahrhaben wollen.

Dies wäre auch die Kritik, die man an Haugs Buch anbringen könnte: Die Verfasserin unterschätzt die Wirkmacht Rosa Luxemburgs, sie deutet ihre Gedanken weithin so, als sei es reine Theorie der Revolution und nicht „revolutionäre Realpolitik“, wie Luxemburg ihren Ansatz selbst nannte.

Zu recht hat die Partei „Die Linke“ Rosa Luxemburg als Ikone geehrt, indem sie die ihr nahestehende Stiftung so benannte. Alle, die am Ziel eines Umsturzes der bestehenden Ordnung festhalten, werden aus den Schriften Rosa Luxemburgs reichlich Belehrung ziehen können. Man braucht nur Geduld, Zeit, Arbeit und Bildung der Massen.

Wer heute entspannt über den Rosa-Luxemburg-Platz mit seinem Denkzeichen schlendert, sollte aufmerksam die Sätze dieser herausragenden Revolutionärin lesen und in einen Zusammenhang einbetten. Ihre Zeit ist noch nicht abgelaufen. Für ein Franchising als RosadeLuxe – viel zu schade!

Zu diesem Thema findet statt:

Dienstag, 17. Februar 2009, 18.30 Uhr, Café Sybille, Karl-Marx-Allee 72, Friedrichshain.  Start der Gesprächsreihe “Politik ohne Phrasen – Vera Lengsfeld lädt ein” mit dem Titel:  ”Taugt Rosa Luxemburg als Ikone der Demokratie?” Diskussion mit Halina Wawzyniak (Linke), Prof. Manfred Wilke, Manfred Scharrer

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Jan. 292009
 

02012009018.jpg „Das ist ja mal etwas Neues, was Putin da sagt … das ist wie NEP, – Neue Ökonomische Politik„, sagt erfreut die Russin, der ich beim gemeinsamen Frühstück die Titelseite der heutigen Süddeutschen vorlese.

Was hatte sie erstaunt? Lesen wir doch gemeinsam die Losung des Tages, wie sie Wladimir Putin in Davos verkündet hat, und zitieren druckfrisch aus der Frühstückszeitung:

„In der alten Sowjetunion hat der Staat alles kontrolliert und am Ende waren wir bankrott. Das wollen wir nicht noch einmal erleben.“

(Quelle: Süddeutsche Zeitung, 29.01.2009, Seite1)

„Nicht noch einmal“! Das ist ja genau der Einwand, den ich immer wieder gegen all jene erhebe, die mir treuherzig nahezulegen versuchen, man müsse die Idee des Sozialismus von der Wirklichkeit des Sozialismus trennen. So etwa die erfrischend sympathische Halina Wawzyniak oder auch der nette belesene junge Mann Dietmar Dath.

Man mag mir einwenden: „Wie kannst du Putin Glauben schenken – der Mann kommt doch aus dem KGB, der war doch voll integriert im Sozialismus!“ Darauf erwidere ich: Gerade die Männer und Frauen im Zentrum der Macht wussten am besten bescheid, sie kannten doch die Zahlen, sie konnten reisen, sie waren mitunter im westlichen Ausland entsandt. Ich vermute, dass keiner der Führungskader in den letzten Jahrzehnten der Sowjetunion noch an den Sozialismus glaubte, der als gespenstisch ausgehöhltes Pflichtfach Marxismus-Leninismus an den Schulen und Universitäten gelehrt wurde. Es war eine reine Pflichtübung, wie in der DDR auch. Der Systemwechsel in der Sowjetunion konnte in den 80-er Jahren nur von oben und von innen her vorbereitet werden, also von den Spitzen der Partei und der Regierung her. Eine kraftvolle Opposition von der Basis her, wie sie die Kommunistische Partei in den Monaten nach der Oktoberrevolution 1917 blutig zerschmettert hatte, hätte keine Chance gehabt.

Ich bezeichnete oben Putin als Überlebenden des Sozialismus. Wie ist das zu verstehen? Damit meine ich, dass dieses Bewusstsein, noch einmal davongekommen zu sein, das Gefühl, zwei lebensgefährliche Diktaturen überlebt zu haben, bei den Russen weit verbreitet ist.  Ein Blick auf die Zahlen mag dies begreiflich machen. Durch systematische Verfolgung, durch Mord, durch planmäßige Hungersnöte, durch ein weitverzweigtes Lagersystem töteten die sowjetischen Kommunisten in den ersten vier Jahrzehnten der Sowjetunion und darüber hinaus einen bedeutenden Anteil des eigenen Staatsvolkes. Waren es 10 Millionen oder 17 Millionen oder 20 Millionen sowjetischer Menschen, die in den Tod getrieben wurden? Genaue Zahlen gibt es nicht. In jedem Fall hinterließ der Terror seine erwünschte Wirkung: Es gab nach 1930 keinerlei breit organisierten Widerstand mehr.

In den Jahren  1941 bis 1945 wüteten darüber hinaus die deutschen Soldaten und die Einsatzgruppen der SS und der deutschen Polizei noch verheerender und töteten durch Kampfhandlungen und Massaker an der Zivilbevölkerung im Gebiet der Sowjetunion – wieviele? 15 Millionen, 20 Millionen, 25 Millionen Menschen? Auch hier wird man nie zu einer verlässlichen Zahl kommen.

Entscheidend ist: Ein riesiger Anteil der Bevölkerung der Sowjetunion ist durch direkte staaliche Verfolgung von seiten der beiden Diktaturen, also des sowjetischen Kommunismus und des deutschen Nationalsozialismus, ums Leben gekommen. In keinem anderen Staat Europas – wohl mit Ausnahme des von Deutschen und Sowjets besetzten Polen – wurde ein so großer Anteil des Staatsvolkes durch direkte staatliche Gewalt ausgetilgt wie in der Sowjetunion.

Diese Toten mahnen nicht.

Wer mahnt, das sind die Überlebenden. Und als Überlebende muss man all jene betrachten, die es geschafft haben, all jene, mit denen man heute noch sprechen kann. Sie haben überlebt, durch Anpassung, durch symbolische Unterwerfung, durch Unterwanderung des Staatsapparates. Was blieb ihnen auch übrig? Nur ganz wenige konnten den sowjetischen Staat verlassen. Mannigfaltige Kompromisse waren an der Tagesordnung für die, die bleiben mussten.

Einer dieser Überlebenden – ist Putin. Der Mann weiß, wovon er spricht, wenn er sagt: „Bitte nicht noch einmal!“

Und jetzt zum guten Abschluss – ein Witz. Er wurde mir vor einigen Jahren bereits von einem Russen erzählt.

Ein Medizinstudent kommt zum Abschluss des Studiums vor die Prüfungskommission. An einem Ständer hängen zwei Skelette. „Erklären Sie uns dies da! Was sehen Sie? Wo ist das Jochbein?“, fragt streng der Professor. „Ich weiß nicht … ich kenne mich nicht aus, “ stottert der Medizinstudent. „Wo ist das Jochbein?“, fragt der Prüfer unerbittlich. „Ich weiß es nicht“, erwidert der Student. „Ja sagen Sie mal, womit haben Sie sich denn während Ihres ganzen Studiums befasst?“, donnert der Professor. „Huch!“, entfährt es dem Studenten. „Sind das etwa … Marx und Engels?“

Unser heutiges Foto zeigt einen Blick auf das unzerstörte und das zerstörte Kloster Neu-Jerusalem nahe Moskau. Die deutschen Soldaten zerstörten vor ihrem Abzug 1944 die gesamte Klosteranlage. Bis heute ist sie nicht vollständig wieder aufgebaut. Das Foto zeigt die Schautafel, wie sie heute da steht. Die Aufnahme habe ich vor drei Wochen selbst gemacht.

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Jan. 282009
 

dictators013612341.jpg Dietmar Dath sagt dies in seinem jüngsten Interview im aktuellen Spiegel Nr. 5/26.1.09 auf S. 132: „Ein politisches Genie wie Lenin zu erfinden, hätte Marx sich nicht getraut“.

Merkwürdig: Ich stimme dieser Einschätzung Daths aus vollem Herzen zu. Lenin ist ein politisches Genie. Dazu braucht man nur einige Fotos anzuschauen, die ihn beim Agitieren zeigen. Man muss Lenin im Original zu lesen versuchen, man muss diese erstaunliche Wandlungsfähigkeit und Gewitztheit in allen Schattierungen kennenlernen, um zu würdigen, welch überragendes politisches Genie er war. Lenin kann eigentlich alles: analysieren, agitieren, hetzen, schmeicheln, preisen, verdammen, er kann sich verstellen und er kann sich offenbaren  … und daneben war er imstande, Menschengruppen planvoll zu organisieren, sie mit einem gemeinsamen Vorhaben zu beflügeln. Mit einem Wort: ein Großer Führer, wie es vielleicht im ganzen 20. Jahrhundert nur zwei oder drei gab. Welcher von den Großen Führern mehr Morde zu verantworten hat? Über Generationen hin war man geneigt, Stalin oder Hitler hier die Krone zuzuerkennen.

Aber die neuesten Forschungsergebnisse, die Öffnung der sowjetischen Archive rücken Lenin – trotz einer gewissen statistischen Unterlegenheit in der Zahl der Opfer – nun doch zunehmend in die Champions League der großen Führer ein: Lenin, Stalin, Hitler – diese drei waren die genialen Meister des Wortes und der Waffe, beide erkannten aus einer zunächst hoffungslos scheinenden Minderheitenposition die Chancen, mit denen sie sich innerhalb ihrer Bewegung nach vorne kämpfen konnten. Nachdem sie gewaltsam die Macht innerhalb der Bewegung gesichert hatten, vermochten sie es, durch planvollen Mord und Terror, durch Lagersysteme und durch systematische Propaganda einen Großteil der von ihnen beherrschten Gesellschaften zu ihren Verbündeten zu machen.

Hierzu sei Herrn Dath – sofern er es nicht schon kennt – nachdrücklich das neue Buch des kanadischen Historikers Robert Gellately empfohlen:

Lenin, Stalin, and Hitler: The Age of Social Catastrophe (Alfred A. Knopf, 2007).

Genial bei Lenin ist auch: Bis heute scheinen viele nicht zur Kenntnis nehmen zu wollen, dass Lenin von Anfang seiner Karriere an auf Raub und Mord, auf skrupellose Ausschaltung seiner Gegner setzte.  Neben der Schreibfeder, neben dem gesprochenen Wort handhabte er über seine gesamte Laufbahn hin mit großem Geschick Gewehre, Bomben, Hinrichtungsbefehle, ab 1917 auch Straflager für Abweichler, Bürgerliche und missliebige Sozialisten.

Genial auch: Nach seinem Tode wurde er im Umfang des Mordens und Henkens noch durch Stalin übertroffen, so dass er im Rückblick geradezu als Unschuldslamm erscheinen mochte. Genial!

Genial auch: Er richtete es so ein, dass bis zum heutigen Tag eine pseudoreligiöse Atmosphäre um seinen Leichnam inszeniert wird. Der Verfasser dieses Blogs konnte sich selbst davon überzeugen.

Genial auch: Bis heute, weit über seinen Tod hinaus, umnebelt dieser große Führer, dieser für alle Zeiten maßstabsetzende marxistische Revolutionär die an den Marxismus Glaubenden mit Gedanken wie etwa „eine Revolution wird nicht mit Rosenwasser gemacht“ (Rosa Luxemburg), oder: „Die Umgestaltung der Welt verläuft nie in kindersicheren Bahnen“ (Dietmar Dath) .

Der Marxist Dietmar Dath plädiert im aktuellen Spiegel dafür: Wir müssen den Sozialismus gemäß den Lehren des Karl Marx noch einmal probieren. Es bedarf mehrerer Anläufe.  Bisher hat es nicht funktioniert. Aber irgendwann wird es schon klappen.

Als Beleg führt Dath die Französische Revolution an. Auch dort seien Ströme von Blut geflossen. Aber heute lebten wir „eher so, wie die bürgerlichen Revolutionäre es wollten“.

Darauf erwidere ich: Es stimmt, ein gewisser Abschnitt nach der Französischen Revolution war ebenfalls durch größte Brutalität, durch Massenhinrichtungen und ähnliches gekennzeichnet. Aber diese Zeit der systematischen Verbrechen, La Grande Terreur,  dauerte nur etwa  2 Jahre, danach kehrten wieder etwas stabilere Verhältnisse ein.

Ganz anders nach den sozialistischen Revolutionen! Bei allen sozialistischen Umstürzen  bedurfte es eines weitaus brutaleren, über Jahrzehnte fortgesetzten Terror-Regimes, um die Macht zu sichern und Stabilität in die Verhaltnisse zu bringen.

Und wisst ihr was? Ich hab was dagegen. Ich hab was dagegen, dass manche – wie der gute, hochgebildete Herr Dath – uns jetzt erneut predigen wollen, der Sozialismus sei eine gute Idee, die bisher nur an der fehlerhaften Umsetzung gescheitert sei. Oder daran gescheitert, dass die Zeit noch nicht reif war. Man müsse DDR und Sozialismus trennen, es könne einen Sozialismus ohne Tscheka, KGB und Stasi geben. Ich erinnere daran: Es hat einige Dutzend Versuche gegeben. Wir brauchen keine weiteren Versuche mehr.

Von diesem entscheidenden Unterschied abgesehen, vertrete ich erneut den Standpunkt, dass die Amerikanische Revolution von 1776, also die Abschaffung der Monarchie und die konsensuell herbeigeführte Einsetzung einer parlamentarisch-repräsentativen Demokratie für uns in Europa das entscheidende Modell abgeben sollte – nicht die Französische Revolution, die im Jahr 1789 kein klar republikanisches Programm hatte. Wenn doch nur ein paar Leute auch in Europa das großartige Buch Barack Obamas über die amerikanische Verfassung, „The Audacity of Hope“ läsen!

Leider herrscht bei den Gläubigen des Marxismus immer noch ein ziemlich beschränkter West-Europa-Zentrismus vor. Was in den vergangenen 200 Jahren in Russland, was in den USA, was in Polen, der Tschechoslowakei und Ungarn geschah, entzieht sich der Kenntnis der meisten Gläubigen. Vielleicht ist dies der Grund: Sie wollen es offenbar nicht wissen, sie reden nicht mit den Überlebenden, sie reisen nicht dorthin, sie kennen die Sprachen nicht.

Ich empfehle die Werke des genialen Führers Wladimir Iljitsch Lenin und des unverwüstlichen Dichters Karl Marx, die Forschungen der Historiker Robert Gellately und Stéphane Courtois und das neueste Spiegel-Interview mit Dietmar Dath der Aufmerksamkeit aller Gläubigen und Ungläubigen.

Danach sollte man sich noch einmal die Frage vorlegen: Was kann Marx heute noch bedeuten? Was heißt linke Politik heute?

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Deutsche! Schaut auf diesen Wahlkreis 084 und erkennt …

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Jan. 252009
 

…  dass hier die Musik spielt, dass es keinen anderen Wahlkreis gibt als bei uns daheim in Friedrichshain-Kreuzberg-Prenzlauer Berg Ost, in dem so offen Brüche und Umbrüche zutage treten! Die Rose der 5 Direktkandidaten vervollständigt nämlich seit gestern für Die Linke – wie in diesem Blog vermutet – Halina Wawzyniak:

Halina Wawzyniak Direktkandidatin in Friedrichshain-Kreuzberg
DIE LINKE in Friedrichshain-Kreuzberg nominierte heute auf einer Vertreter/innenversammlung die stellvertretende Bundesvorsitzende der Partei DIE LINKE, Halina Wawzyniak als Kandidatin für die Wahl zum Deutschen Bundestag im Wahlkreis 084 Friedrichshain-Kreuzberg-Prenzlauer-Berg-Ost. Sie erhielt 66 von 77 abgegebenen Stimmen. Das sind 85,7%. 5 Vertreter/innen stimmten gegen sie, 6 enthielten sich.

Halina Wawzyniak ist seit 2007 auch die Vorsitzende des Bezirksverbands Friedrichshain-Kreuzberg der Partei DIE LINKE. Sie tritt zum ersten mal direkt im Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg an.

Zunächst wie immer bei neuen Gästen, die auf dieser Blog-Bühne vorgestellt werden: Ein herzliches Willkommen!  Und vorweg gleich ein paar gute Dinge über die Kandidatin: Sie führt ein persönliches, recht buntes Blog, in dem sie nicht irgendwelche halboffizielle Verlautbarungen von sich gibt, sondern wirklich munter plaudert und auch einmal ein paar schräge Sachen loslässt. So soll es sein – ein angenehmer, erfrischender Sonderfall unter bundesdeutschen Politikern, die sich mehrheitlich noch mit den Besonderheiten des Netzes der Netze schwer tun! – Wawzyniak hat die Möglichkeiten des Mediums Internet erkannt. Mir gefällt auch, dass sie ausgerechnet Malta als Lieblingsziel ihrer Reisen erkoren hat, dass sie begeistert Fahrrad fährt und dass sie Englisch lernt. Russisch kann sie ja wohl schon, denn sie verbrachte Kindheit und Jugend in der DDR und ich vermute nach ihren Aussagen in ihrem Blog, dass sie überwiegend angenehme Erinnerungen daran hegt.

Gut auch, dass Halina Wawzyniak ihre gestrige Bewerbungsrede in ihr Blog gestellt hat – ein Zeichen dafür, dass sie die offene, die öffentliche  Auseinandersetzung sucht. Auch mit dem Kandidaten, der weithin bei uns daheim als „gesetzt“ gilt.  Über ihn sagte sie gestern:

Ich möchte durch Angriff und nicht durch Verteidigung am Mythos Hans-Christian Ströbele kratzen. Mit einem „Ströbele-Sündenregister“ will ich im Wahlkampf deutlich machen, dass Ströbele nicht das aufrechte linke Gewissen der Grünen ist, sondern eben ein ganz normaler Grüner.  Es war Hans-Christian Ströbele, um nur ein Beispiel zu nennen, der im Jahr 2004 für die Grünen das sog. Luftsicherheitsgesetz begründet hat. Dieses Gesetz, mittlerweile vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig eingestuft, erlaubte unter bestimmten Umständen den Abschuss von Passagierflugzeugen.  Im Jahr 2004 erklärt Hans-Christian Ströbele noch, dass das Gesetz keine Regelung enthalte zum Abschuss von Flugzeugen, die mit Passagieren besetzt sind. Die Regelung im Gesetz war aber eindeutig. Nachdem das Bundesverfassungsgericht das Gesetz für Verfassungswidrig erklärte, begrüßte Hans-Christian Ströbele das Urteil. Ich finde, unser Bezirk hat es nicht verdient durch einen Abgeordneten im Bundestag vertreten zu sein, der seine Meinungen wechselt wie andere die Unterhosen und der sich dafür hergibt solche Gesetze wie das Luftsicherheitsgesetz zu begründen. Und da Hans-Christian Ströbele in einem Interview schon über das Rentnerdasein nachgedacht hat, sollten wir ihn in seinen Plänen für „ein einfaches Leben auf dem Lande mit Hund und Esel, dafür ohne Strom und fließendes Wasser“ unterstützen.


Was sagt Halina Wawzyniak zum Sozialismus in der DDR? Wie wird  sie die Auseinandersetzung mit Vera Lengsfeld führen? Lesen wir doch einfach in dem von ihr veröffentlichten Redemanuskript:

Ich will im Wahlkampf den Splitterpositionen von Vera Lengsfeld, die für die Splitterpartei CDU antritt, ein selbstbewusstes LINKES Geschichtsbild entgegensetzen. Das liebe Genossinnen und Genossen bedeutet aber auch, deutlich zu machen, dass unsere Idee eines Sozialismus nicht identisch ist mit dem, was in der DDR Sozialismus genannt wurde. Das bedeutet zu akzeptieren, dass Vera Lengsfeld in der DDR bitterböse mitgespielt wurde, dass aber ihre Art der einseitigen Verteufelung der DDR gerade nicht dazu beiträgt, diese Geschichte verantwortungsvoll aufzuarbeiten. Wir setzen auf ein differenziertes Bild ohne die Fehler, Verbrechen und Irrtümer zu leugnen.

In diesen Ausführungen meine ich ein Grundmuster wiederzuerkennen, dem ich seit zwanzig Jahren auf Schritt und Tritt begegne. Man kann dieses Grundmuster sogar schon bei Rosa Luxemburg finden. Ich habe es in diesem Blog bereits am 10.01.2009 unter dem Motto „Lenin gut – Stalin böse“ aufgegriffen. Vereinfacht ausgedrückt lautet es: „Der Sozialismus als Idee ist etwas Gutes, nur leider führten die Versuche, ihn zu verwirklichen, gelegentlich zu Fehlern, Abirrungen und Verbrechen. Zum Beispiel der Stalinismus. Das bedeutet also, dass wir Linken jetzt aus diesen Fehlern lernen müssen und dass wir den Sozialismus jetzt erst recht noch einmal probieren.“

Eine herrliche Karl-Marx-Karikatur – ich glaube: von Roland Beier –  legte dem Begründer des wissenschaftlichen Sozialismus denn auch die Worte in den Mund: „Tut mir leid, Jungs, war ja nur eine IDEE von mir.“

Was ist dran an diesen Argumenten?  Nun, zunächst einmal meine ich: Englischkenntnisse sind gut, aber Russisch-Kenntnisse sind ebenso unerlässlich! Man sollte wirklich die Geschichte des Marxismus-Leninismus, vor allem natürlich die Geschichte der Sowjetunion und der DDR studieren, und zwar in der ganzen Breite, ohne die übliche Zensur, und man wird erkennen: In all diesen Fällen, in denen der Sozialismus in die Praxis umgesetzt wurde, gehörten Verbrechen, also der Terror gegen Abweichler, gegen Andersdenkende, gegen „Volksfeinde“ von Anfang an und bis zum bitteren Ende dazu. Diese Einschüchterung der eigenen Bevölkerung, diese Verfolgungsmaßnahmen schlossen neben der allgegenwärtigen Bespitzelung und Einschüchterung durch Tscheka, KGB und Stasi mindestens für einige Jahre und Jahrzehnte auch systematischen, massenhaften Mord ein. Das gilt für Lenin von allem Anfang an, es gilt aber auch für nur scheinbar weit entfernte Ableger der sozialistischen Bewegung wie etwa die westdeutsche RAF, deren Flugblätter ich selbst damals an den westdeutschen Universitäten las. In keinem Fall war der reale Sozialismus vereinbar mit der Achtung der Menschen- und Bürgerrechte, mit der Achtung der in freien Wahlen erzielten Mehrheiten.

Brauchen wir noch einen weiteren Feldversuch? Wieso sollte ein erneuter Versuch anders ausgehen als in all den Jahrzehnten zuvor?

Karl Marx war überzeugt: Ideen sind wirklich. Ich bin überzeugt: Wer die Idee des Sozialismus von der Realität des Sozialismus trennt, denkt idealistisch und hat weder Hegel noch Marx ernst genommen.

Für Russland und Deutschland sage ich hier nach Hunderten von Gesprächen mit jenen, die diese beiden jahrzehntelangen Experimente am eigenen Leibe erfahren haben: Bitte, bitte nicht noch einmal!

Doch hat Halina Wawzyniak vollkommen recht, wenn sie eine differenzierte Betrachtung fordert: Niemand sollte leugnen, dass viele Menschen im Sozialismus der Sowjetunion und der DDR glücklich waren, dass viele davon profitiert haben, dass sie vor allem schöne Kindheits- und Jugenderinnerungen an diese untergegangenen sozialistischen Systeme haben. Es hat zwar alles nicht funktioniert, das System Sozialismus ist gescheitert. In der Sowjetunion erkannte man dies innerhalb der KPdSU 10 Jahre früher als in der DDR und führte den Systemwechsel konsequent herbei. Aber auch in der Marktwirtschaft funktioniert nicht alles immer perfekt, wie wir gerade in diesen Monaten wieder einmal erkennen.

Und im Nachhinein war es für viele, für manche der gut integrierten Bürger in der DDR und in der Sowjetunion eigentlich gar nicht so schlimm. Diese Erinnerungen sollte ihnen auch niemand nehmen:  Das gemeinsame Wirken und Schaffen, die körperliche Ertüchtigung, der Sport in der freien Natur, die zahlreichen kulturellen Ereignisse mit den Klassikern aus Dichtkunst und Musik, die vorbildhafte Pflege des Erbes, die vorbildliche Disziplin in Schule, Ausbildung und Betrieb – all dies und vieles mehr schweißte viele zusammen, sicherte vielen ein friedliches Auskommen und Einkommen. Der Staat, die Partei kümmerten sich um alles. Es gab kein Gezänk und Hader verschiedener Parteien, keine bürgerlichen Schwatzbuden. Die Straßenkriminalität war gering. Alles war so schön geregelt. Aber eben nur für einen Teil der Bevölkerung. Und immer nur auf Widerruf.

Ich werde mir weiterhin sehr genau anschauen, was die fünf  Direktkandidaten meines Wahlkreises zu diesem und zu anderen Themen sagen und welche praktischen Vorschläge sie zur Behebung der unleugbaren aktuellen Schwierigkeiten machen. Oder, wie es Karl Marx so getreulich von seinem Lehrmeister Georg Wilhelm Friedrich Hegel und dessen Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte abgeschrieben hat:

Hic Rhodus, hic salta!

Eines ist sicher: Es wird spannend!

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Jan. 212009
 

Die Amtseinführung des neuen amerikanischen Präsidenten war für mich ein Anlass großer Freude. Umso mehr, als ich mich gerade in den letzten Wochen geradezu Tag und Nacht mit der Geschichte Russlands befasst hatte, eines Landes, das mühsam seinen Weg zu den Idealen der Freiheit, des Rechtsstaates und der Demokratie geht. Zu Idealen also, die in den USA seit 1776 anerkannt werden, für die in allen Generationen Männer und Frauen gekämpft haben. Es sind Ideale, auf die man sich immer wieder zurückbesinnen muss.

Ich las über die vergangenen Wochen Lenin, Rosa Luxemburg, Stalin, Marx im russischen und deutschen Original. Eine bedrückende Lektüre – nicht zuletzt auch deswegen, weil diese Autoren – neben aller berechtigten Kritik an unhaltbaren Zuständen – für den Terror, für Mord an politischen Gegnern eintreten. Noch bedrückender war es für mich zu erfahren, dass gerade in diesen Tagen wieder zwei politische Morde in Moskau geschehen sind. Die Opfer heißen Stanislaw Markelow und Anastasija Baburowa – beide politisch engagiert, beide auf offener Straße erschossen. Das ist verheerend für die politische Kultur des Landes – so wie es auch verheerend in der Weimarer Republik war, wo ebenfalls tausende politische Morde verübt wurden.

Als um so erhebender und begeisternder empfinde ich das, was in diesen Tagen in den USA geschieht.

Übrigens: In den USA ist Religionsunterricht an staatlichen Schulen gesetzlich verboten. Der Staat soll sich nicht in die freie Religionsausübung einmischen und darf deshalb den Unterricht in Religion nicht überwachen. Dennoch – oder gerade deswegen – spielt Religion im öffentlichen Leben der USA ein weitaus größere Rolle als bei uns in Deutschland. Dies wurde gestern bei der Amtseinführung wieder überdeutlich. Der neue Präsident hat sich wiederholt und ausdrücklich als Christ bekannt. Ob die eifrigen Verfechter von „Pro Reli“ dies wissen? Sollten sie noch einmal über ihren Spruch „Es geht um die Freiheit“ nachdenken?

Heute las ich die ersten Seiten von Obamas Buch „Dreams from my father“. Wie schon bei seinen Reden zeigt sich: Er ist ein Meister des Wortes – sowohl geschrieben wie gesprochen. Einer seiner Berater hat im Fernsehen gesagt: „Er ist ein Worteschmied – bosselt tagelang an seinen Reden herum, etwa wenn er sagt: Da ist noch eine Silbe zuviel, das klingt noch nicht …“

Um so neugieriger wurde ich, als ich das Motto seines ersten Buches las: „For we are strangers before them, and sojourners, as were all our fathers.“ Es ist ein Zitat aus der Jüdischen Bibel (dem „Alten Testament“ der Christen), Erstes Buch Chronik, Kapitel 29, Vers 15: „Denn wir sind Fremde vor dir, Menschen ohne Bürgerrechte wie alle unsere Väter.“ So lässt sich der Vers aus der Septuaginta, der griechischen Fassung der Jüdischen Bibel, übersetzen. In Obamas Buch steht „Fremde vor ihnen„, nicht „Fremde vor dir“ … Ich schlage in meiner englischen Bibel nach: „For we are strangers before thee, and sojourners, as all our fathers were.“

Ob nun „vor dir“ oder „vor ihnen“ – Obama hat den ungeheuren Reichtum der Bibel erkannt, beruft sich mehr oder minder deutlich immer wieder auf Grundsätze seiner Religion. Vor allem scheint ihn zu faszinieren, dass die christliche Bibel die lange Geschichte der Schwachen, der Fremden, der Verlierer aufbewahrt. So waren denn seine Bezugnahmen auf Gott in seiner Antrittsrede vollkommen glaubwürdig, glaubwürdig wie die Bezugnahme auf die vielen amerikanischen „Gründerväter“, die ebenfalls aus der Erfahrung von Unterdrückung und Bevormundung kamen. Die Bibel ermöglicht es auf unvergleichliche Weise, sich in die lange Reihe der Ausgestoßenen, der Verlierer, der Bürger zweiter Klasse hineinzuversetzen.

Obama hat es in seinen Worten gestern noch einmal ausgedrückt: Die USA sind die Heimstätte für all jene geworden, die glauben, dass jede und jeder ein Recht hat dazuzugehören – unter der Voraussetzung, dass die Ideale der Freiheit und der Gleichberechtigung allen zugute kommen. Für diese Voraussetzung gilt es Tag um Tag zu kämpfen.

 Posted by at 13:03

„… verwerflich wie eine Gotteslästerung“: Rosa Luxemburg und Vera Lengsfeld

 1917, Krieg und Frieden, Rosa Luxemburg, Sozialismus  Kommentare deaktiviert für „… verwerflich wie eine Gotteslästerung“: Rosa Luxemburg und Vera Lengsfeld
Jan. 112009
 

11012009002.jpg Heute fand wieder der Gedenkmarsch zu Ehren Rosa Luxemburgs und Karl Liebknechts statt. Zwar ging ich nicht hin, sondern ergötzte mich lieber durch Schlittenfahren auf dem Teufelsberg. Aber ich beging den Gedenktag doch im stillen für mich, indem ich in den Schriften Rosa Luxemburgs und Vera Lengsfelds las. Ist das verwerflich wie eine Gotteslästerung, zwei so unterschiedliche Autorinnen hintereinander zu lesen?

Suchen wir doch das Gemeinsame, statt immer nur das Trennende zu sehen! An diesen Frauen bewundere ich gleichermaßen ihre Unbeugsamkeit, ihren Mut. Rosa Luxemburg trat im Taumel der nationalen Begeisterung gegen die Kriegskredite für das Deutsche Reich ein. Sie widersetzte sich der wilhelminischen Obrigkeit. Sie war eine der wenigen Stimmen, die sich gegen den verheerenden, selbstzerfleischenden Krieg der alten Mächte erhoben, den wir heute als Ersten Weltkrieg bezeichnen. Sie beschuldigte den Kaiser Wilhelm öffentlich der Unwissenheit:  „Der Mann, der von der guten und gesicherten Existenz der deutschen Arbeiter spricht, hat keine Ahnung von den Tatsachen.“ Sie wurde allein schon wegen dieser Äußerung ins Gefängnis gesteckt. Und in dieser antimilitaristischen und antimonarchistischen Haltung findet Rosa Luxemburg meine volle Bewunderung und Sympathie. Solchen Mut bringen nur wenige auf.

Nach dem Rodeln las ich noch einmal Luxemburgs postum veröffentlichten Aufsatz über die Russische Revolution – und dann Vera Lengsfelds Bericht über ihre Verhaftung bei der Luxemburg-Demo im Jahr 1988. Vera Lengsfeld wurde ins Gefängnis gesteckt, weil sie sich nicht scheute, gegen die Obrigkeit Position zu beziehen. Sie plante, auf der Luxemburg-Gedenkversammlung ein Transparent mit dem Luxemburg-Zitat „Freiheit ist immer Freiheit des Andersdenkenden“ zu entrollen. Doch dazu kam es nicht. Sie wurde verhaftet. „Versuchte Zusammenrottung und Rowdytum“ – so lautet die Anklage in dem gegen sie geführten Prozess. Wir können das heute bequem im Wohnzimmer nachlesen. Die drei Kapitel „Luxemburg-Demo“, „Verhaftung“ und „Verhandlungen“ halte ich für das eigentliche Kernstück in Lengsfelds autobiographischen Erinnerungen „Von nun an ging’s bergauf …“ Diese Zeit im Stasi-Knast scheint für sie die entscheidende Wende gewesen zu sein, denn vorher ist immer noch ihr Bemühen erkennbar, gemeinsam mit anderen Oppositionellen die DDR „von innen her zu verbessern“. Die Abschiebung in die Bundesrepublik lehnte sie selbst im Gefängnis noch ab: sie wollte ihre Staatsbürgerschaft behalten, fühlte sich gegenüber dem Staat in der Verantwortung, in dem sie lebte. Erst in der Isolation der Haft wurde ihr mit Lug und Trug, mit den eingespielten Machenschaften des Staatsapparates heimgeleuchtet, dass es in der DDR für sie keinen gangbaren Weg  mehr gab.

Gestern fragten wir uns in diesem Blog, ob Rosa Luxemburg in den Terror der Bolschewiki in Russland eingeweiht war. Die erneute Lektüre ihres Aufsatzes „Zur russischen Revolution“ ergibt einen eindeutigen Befund: Sie, die in einer wohlhabenden bürgerlichen Familie im russisch besetzten Teil Polens aufgewachsen war, nahm lebhaftesten Anteil an allen Phasen der Revolutionen im Februar und Oktober und war offenkundig bestens informiert darüber, dass die Bolschewiki zur Durchsetzung ihrer Ziele ein hohes Maß an Terror gegen andere revolutionäre Strömungen und gegen die „Bourgeoisie“ einsetzten. Den gesamten Aufsatz durchziehen sogar Überlegungen über Sinn und Zweck des Terrors in Revolutionen. Ich gehe sogar so weit zu behaupten: Die Rechtfertigung des Terrors ist ein Hauptanliegen der Schrift. Luxemburg erklärt ihn als den besonderen Umständen in Russland geschuldet – eine Bilderbuchdemokratie sei den Genossen in Russland nicht abzuverlangen, denn die deutsche Okkupation und das Versagen des deutschen Proletariats hätten die Bolschewiki in eine Lage versetzt, in der man die bloß äußerlichen Errungenschaften der bürgerlichen Scheindemokratie – etwa gleiches allgemeines Wahlrecht, und ich füge hinzu: Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit – hintanstellen müsse. Die Diktatur des Proletariats – so Luxemburg – ist nötig und unvermeidlich als Übergang:

Jawohl: Diktatur! Aber diese Diktatur besteht in der Art der Verwendung der Demokratie, nicht in ihrer Abschaffung, in energischen, entschlossenen Eingriffen in die wohlerworbenen Rechte und wirtschaftlichen Verhältnisse der bürgerlichen Gesellschaft, ohne welche sich die sozialistische Umwälzung nicht verwirklichen läßt. Aber diese Diktatur muß das Werk der KLASSE, und nicht einer kleinen, führenden Minderheit im Namen der Klasse sein, d.h. sie muß auf Schritt und Tritt aus der aktiven Teilnahme der Massen hervorgehen, unter ihrer unmittelbaren Beeinflussung stehen, der Kontrolle der gesamten Öffentlichkeit unterstehen, aus der wachsenden politischen Schulung der Volksmassen hervorgehen.

Genauso würden auch bisher die Bolschewiki vorgehen, wenn sie nicht unter dem furchtbaren Zwang des Weltkriegs, der deutschen Okkupation und aller damit verbundenen abnormen Schwierigkeiten litten, die jede von den besten Absichten und den schönsten Grundsätzen erfüllte sozialistische Politik verzerren müssen.

Ein krasses Argument dazu bildet die so reichliche Anwendung des Terrors durch die Räteregierung, und zwar namentlich in der letzten Periode vor dem Zusammenbruch des deutschen Imperialismus, seit dem Attentat auf den deutschen Gesandten. Die Binsenweisheit, daß Revolutionen nicht mit Rosenwasser getauft werden, ist an sich ziemlich dürftig.

Alles, was in Rußland vorgeht, ist begreiflich und eine unvermeidliche Kette von Ursachen und Wirkungen, deren Ausgangspunkte und Schlußsteine: das Versagen des deutschen Proletariats und die Okkupation Rußlands durch den deutschen Imperialismus. Es hieße, von Lenin und Genossen übermenschliches verlangen, wollte man ihnen auch noch zumuten, unter solchen Umständen die schönste Demokratie, die vorbildlichste Diktatur des Proletariats und eine blühende sozialistische Wirtschaft hervorzuzaubern.

Salopp verkürzt, scheint Luxemburg sagen zu wollen: „Das wird sich schon einrenken. Jetzt werden Ströme von Blut vergossen, aber sobald die Massen erkannt haben, dass sie nach der Revolution endlich eigenständig erkennen können, was für sie das Beste ist, wird der Terror überflüssig sein.“ Dann wird auch das Reich der Freiheit anbrechen – und für diese Zeit – geraume Zeit nach der Revolution – fordert Luxemburg dann auch jene Freiheit des Andersdenkenden ein, deretwegen sie so vielfach zitiert und missverstanden worden ist:

„Dank dem offenen und unmittelbaren Kampf um die Regierungsgewalt häufen die arbeitenden Massen in kürzester Zeit eine Menge politischer Erfahrung an und steigen in ihrer Entwicklung schnell von Stufe zu Stufe.“ Hier widerlegt Trotzki sich selbst und seine eigenen Parteifreunde. Eben weil dies zutrifft, haben sie durch Erdrückung des öffenlichen Lebens die Quelle der politischen Erfahrung und das Steigen der Entwicklung verstopft. Oder aber müßte man annehmen, daß die Erfahrung und Entwicklung bis zur Machtergreifung der Bolschewiki nötig war, den höchsten Grad erreicht hatte und von nun an überflüssig wurde. (Rede Lenins: Rußland ist überzeugt für den Sozialismus!!!)

In Wirklichkeit umgekehrt! Gerade die riesigen Aufgaben, an die die Bolschewiki mit Mut und Entschlossenheit herantraten, erforderten die intensivste politische Schulung der Massen und Sammlung der Erfahrung.

Freiheit nur für die Anhänger der Regierung, nur für Mitglieder einer Partei – mögen sie noch so zahlreich sein – ist keine Freiheit. Freiheit ist immer nur Freiheit des anders Denkenden. Nicht wegen des Fanatismus der „Gerechtigkeit“, sondern weil all das Belehrende, Heilsame und Reinigende der politischen Freiheit an diesem Wesen hängt und seine Wirkung versagt, wenn die „Freiheit“ zum Privilegium wird.

Ich muss den Aufsatz Rosa Luxemburgs zur vollständigen Lektüre empfehlen! Atemlos geschrieben, gleichsam rednerisch aufzählend, voller Wucht, voll offener Aggressionen gegenüber allen, die innerhalb der sozialistischen Bewegung anders als Luxemburg denken, ein belehrend-hochgelehrtes Werk, ersichtlich nur für eingeweihte Theoretiker geschrieben, gespickt mit Anspielungen, mit Zitaten,  und doch aus dem Gefängnis der kommunistischen Glaubensgemeinschaft heraus geschrieben: ein verzweifelter Versuch, zu retten, was zu retten ist! Ein Begriffsnebel, hinter dem doch eines hervortritt: das Bemühen, Freiheit und Diktatur zusammenzudenken. Ich bin überzeugt: Rosa Luxemburg wusste bestens bescheid, sie wusste vieles, was wir – die breite Masse – erst ab 1990 erfahren konnten.

Ich würde gerne einmal Vera Lengsfeld fragen, was sie von diesem Aufsatz hält. Aber vielleicht genügt es, als knappen Kommentar zu Luxemburgs Anstrengungen einen Abschnitt aus Lengsfelds Lebensbeschreibung zu setzen. Zum „Erfurter Programm der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands“ schreibt sie:

Dass sich die menschliche Gesellschaft um Regeln bemühte, die ein gleichberechtigtes, freies Zusammenleben ermöglichten, war in Ordnung. Dass sie ein gemeinsames Ziel haben müsse, das über allem stand und für das Opfer verlangt und als gerechtfertigt bezeichnet wurden, war mir suspekt. Ich hatte schon als Kind nicht verstanden, warum es >>heldenhaft<< gewesen sein sollte, dass sich eine junge Sowjetarbeiterin mit der sicheren Ausssicht zu ertrinken in einen reißenden Fluss warf, um einen Balken zu retten.

Dieses gemeinsame Ziel – wenn es denn eines geben soll, wer legt es fest? Die Partei? Eine Partei, viele Parteien? Das heutige Lumpenproletariat, von dem die hochgebildete Tochter der Bourgeoisie Rosa Luxemburg nur mit Verachtung spricht und für dessen Bändigung ihrer Meinung nach nicht einmal der Terror ausreicht? Die später einmal gebildeten Massen, die dank der Revolution endlich erkennen können, was sie wollen? Fragen über Fragen … auf die ich bei Luxemburg keinerlei Antworten finden kann. Bei aller Hochachtung vor der Lebensleistung und dem Mut Rosa Luxemburgs, bei allem Abscheu vor dem hinterhältigen feigen Mord an ihr: Ich selbst versage ihr jede Zustimmung, wenn sie anderen vorschreiben will, was sie zu wollen haben … da ist keine Freiheit  möglich, sondern das ist die Rechtfertigung des Terrors – als Dauerlösung.

Ich schlage mich da eindeutig auf die Seite Vera Lengsfelds. Auf die Seite der Zweifler, der Nicht-Überzeugten, der Sucher und der Vorsichtigen, derjenigen, die den Mut haben zuzugeben, dass sie keine letzten Gewissheiten haben.

Unser Foto zeigt einen Gleitschirmflieger beim beständig wiederholten Versuch, die Freiheit des Fliegens zu finden. Aufgenommen heute auf dem Teufelsberg in Berlin

Nachweise:

Rosa Luxemburg: Zur russischen Revolution. In: Rosa Luxemburg: Politische Schriften, Band 3, Europäische Verlagsanstalt, Frankfurt a. Main, 1968, Seite 106-141. Zuerst veröffentlicht 1922 von Paul Levi nach dem handschriftlichen Manuskript aus dem Nachlaß. Hier zitiert nach: http://www.glasnost.de/klassiker/luxem3.html

Vera Lengsfeld: Von nun an ging’s bergauf. Mein Weg zur Freiheit.  Mit 17 Abbildungen. 2. durchgesehene Auflage, LangenMüller Verlag, München 2007, hier speziell: S. 87; S. 240 (Zitat Kramnitzer)

Das Zitat „Verwerflich wie eine Gotteslästerung“ stammt von Heinz Kramnitzer und stand im Neuen Deutschland. Es bezog sich auf die geplante Aktion Vera Lengsfelds bei der Luxemburg-Demo 1988

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Wir wollen werden wie Lenin – Liebknecht – Luxemburg

 1917, Kinder, Lenin, Rosa Luxemburg, Russisches, Sozialismus, Vorbildlichkeit  Kommentare deaktiviert für Wir wollen werden wie Lenin – Liebknecht – Luxemburg
Jan. 102009
 

Diese Überschrift lese ich heute in einer Ausgabe des Kämpfers. Das Organ der Kommunistischen Partei Deutschlands, Bezirk Ruhrgebiet, liegt druckfrisch vor mir. Ein Foto zeigt „unseren toten Führer Lenin als Kind“: ein heller, aufgeweckter Bub von etwa 6 Jahren blickt uns da an. Fröhlich schaut er nicht drein, sondern eher gesammelt, aber doch mit einem unleugbaren Charme ausgestattet! Wir merken gerührt: Auch die großen Männer der Weltgeschichte waren einmal Kinder wie du und ich.

Der Artikel im Jungen Pionier, der Jugendbeilage des Kämpfers, rühmt Lenin, Liebknecht und Luxemburg mit folgenden Worten:

„Wladimir Iljitsch Lenin, Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg waren drei große Führer der Arbeiterklasse. Sie setzten ihr Leben ein im Kampf um den Sozialismus. Sie kämpften für die Befreiung der Arbeiter und Bauern aller Länder.  Ihre Namen und ihre Taten sind unvergeßlich und werden nie verlöschen, solange Menschen auf Erden leben. Genosse Iljitsch schuf mit den russischen Arbeitern und Bauern die Partei der Bolschewiki, die unter seiner Führung im Kampf um den Roten Oktober, die Fahne mit Hammer und Sichel für immer auf dem Kreml zu Moskau setzte.“ 

So weit zitieren wir aus dem Kämpfer, der Zeitung der KPD vom 30. Januar 1933. Höchst verdienstvoll ist das verlegerische Unternehmen, eine ganze Reihe von Zeitungen aus dem Jahren 1933-1945 nachzudrucken. Die Reihe heißt ZEITUNGSZEUGEN. Heute fand ich die erste Sammelausgabe am Kiosk. Sie enthält je eine unveränderte Ausgabe des kommunistischen Kämpfers, der gemäßigt-konservativen Deutschen Allgemeinen Zeitung und des nationalsozialistischen Angriffs.

Ihr habt vielleicht bemerkt, dass ich mich kürzlich vor dem Lenin-Mausoleum und dem Kreml fotografieren ließ und dieses Foto am 31.12.2008 in dieses Blog setzte. Schaut genau hin! Die Fahne mit Hammer und Sichel weht entgegen der Vorhersage des Kämpfers nicht mehr auf dem Kreml, sondern sie wurde mittlerweile durch die neue Staatsflagge der Russischen Föderation ersetzt. Das Mausoleum mit dem einbalsamierten Leichnam Lenins wird aber weiterhin mit der gleichsam sakralen Würde für Besucher offengehalten, wie dies in den Jahren der Sowjetunion geschah.

Bei meinen Diskussionen mit deutschen Kommunisten hörte ich des öfteren ungefähr folgende Auffassung: „Der Stalinismus beging grobe Fehler. Gewisse Verbrechen in den dreißiger Jahren kann man nicht leugnen. Aber der Ansatz Lenins war gut. Leider nahm die UDSSR nach seinem Tod einen anderen Gang, als er gewollt hatte.“ Im Klartext: Lenin gut – Stalin böse. Der Stalinismus wird als Fehlentwicklung und Verirrung gesehen. Lest bitte beispielhaft hierzu den Artikel im Neuen Deutschland vom heutigen Tage. Besprochen wird darin eine neue vierbändige Gesamtdarstellung:

Der deutsche Kommunismus. Selbstverständnis und Realität 1918/19 bis 1946. 4 Bände. Hg. v. Klaus Kinner (mit Elke Reuter, Ruth Stoljarowa, Günter Benser, Hans Coppi, Gerald Diesener, Wladislaw Hedeler u. a.). Karl Dietz Verlag, Berlin

Wir zitieren aus der Rezension im Neuen Deutschland:

Diese Geschichtsdarstellung bricht radikal mit dem Stalinismus in der Parteigeschichtsschreibung. Damit wird endlich eine alte Aufgabe erfüllt. Es geht nicht ohne Schmerzen ab, wenn der Leser präsentiert bekommt, welche furchtbaren Wirkungen der Stalinismus auf die deutsche Arbeiterbewegung hatte, wie er diese strategisch völlig fehlorientierte, wie er viele ihre Kader verfolgte, moralisch verlumpte und ermordete. Der Abschnitt über den Hitler-Stalin-Pakt 1939 lässt die Haare sträuben.

Stalin, so erfährt heute jeder Moskau-Tourist, wurde aus dem Mausoleum entfernt und an einen weniger ehrenvollen Platz in die Kremlmauer umgebettet. Wie sieht nun die heutige russische Sicht auf Lenin aus?

Ich ziehe hierzu das mir vorliegende, vom russischen Bildungsministerium empfohlene  Lehrbuch Istoria Rossii, 5., überarbeitete und ergänzte Ausgabe, Moskwa 2008, heran. Autoren: A.A. Danilow, L.G. Kosulina, M.Ju. Brandt.

Mein Gesamteindruck: Dieses Schulbuch wendet sich entschieden von einer personalisierenden Geschichtsschreibung ab. Zwar wird die Rolle einzelner Politiker durchaus gewürdigt, doch herrscht insgesamt eine funktionale Sicht auf historische Abläufe vor. Eine der Grundfragen scheint zu sein: Welchen Weg nahm Russland, um von einem rückständigen, agrarisch geprägten Reich mit unzureichenden Entwicklungschancen für die Industrie zu einem modernen Nationalstaat zu werden? Wie verlief die Modernisierung Russlands? Zahlreiche Einzelphänomene, die aus sowjetischer Sicht bis 1990 geleugnet oder ausgespart wurden, werden von den Autoren ausdrücklich erwähnt, so etwa der Rote Terror ab 1918 auf ausdrückliche Anordnung Lenins, die massive Repression unter Stalin – und der GULAG. Vor einer einseitig moralisierenden Darstellung hüten sich die Autoren jedoch bei diesen Darstellungen ebensosehr wie vor einer dämonisierenden oder heroisierenden Schilderung des Kampfes gegen das nationalsozialistische Deutschland.  Abkehr von Personalisierung, von Heroisierung und Dämonisierung – Hinwendung zu einer funktionalen Analyse mit besonderer Berücksichtigung des Problems der gewaltsamen Modernisierung – mit diesen Formeln fasse ich meinen Gesamteindruck von diesem und anderen Büchern zusammen.

Als Beispiel sei herausgegriffen das Kapitel über den Roten Terror ab 1918, auf S. 113. Am 30. August 1918 wurde Lenin bekanntlich bei einem Attentat schwer verletzt. Die Sowjetmacht griff daraufhin verstärkt zum Mittel der systematischen Einschüchterung der Bevölkerung – zum Roten Terror. Wir zitieren wörtlich aus dem Schulbuch: „Der Terror war massiv. Allein als Reaktion auf den Anschlag auf Lenin erschoss die Petrograder Tscheka nach offiziellen Feststellungen 500 Geiseln.“

Der bereits unter Lenin einsetzende Rote Terror wird an anderer Stelle, nämlich durch die russische Wikipedia so definiert und durch entsprechende Fotos dokumentiert:

Кра́сный терро́р — массовые репрессии как против ряда деятелей аристократии, офицерства, буржуазии, интеллигенции, священников[1], деятелей оппозиционных партий, лиц сочувствовавших и причастных Белому делу, так и против мирного населения проводившиеся большевиками в ходе Гражданской войны в России. Согласно Постановлению СНК РСФСР от 5 сентября 1918 «О красном терроре», красный террор ставил перед собой задачу освобождения республики от «классовых врагов» и, согласно документу, физического уничтожения, «расстрела всех лиц, прикосновенных к белогвардейским организациям, заговорам и мятежам»

Wir fassen unsere Einzelbeobachtungen zusammen:

1. Die in Deutschland mitunter noch vertretene Meinung, erst unter Stalin sei der systematische Terror mit Massenhinrichtungen, willkürlichen Verfolgungsmaßnahmen und Straflagern zum offiziellen Mittel der kommunistischen Politik geworden, wird unter Historikern in Russland selbst nicht mehr aufrechterhalten. Richtig ist vielmehr: Bereits unter Lenin wurde Terror in der Sowjetunion systematisch eingesetzt und auch schriftlich als Parteidoktrin verkündet. Damit wird auch die Meinung, der Stalinismus sei eine Verirrung, eine tragische Fehlentwicklung gewesen, die erst nach dem Tode Lenins eingesetzt habe, kaum mehr zu rechtfertigen sein. Soweit die großen Führer der Arbeiterklasse ab 1918 in Deutschland der russischen Sprache mächtig waren und Kontakt nach Moskau hielten, werden sie diese Tatsachen schwerlich übersehen haben.

2. Von einer übertriebenen Personalisierung historischer Abläufe scheint die heutige russische Geschichtsschreibung zugunsten einer eher funktionsorientierten Interpretation geschichtlicher Abläufe abzurücken.

3. Die in der heutigen deutschen Presse mitunter erhobenen Vorwürfe, in Russland sei derzeit eine Verharmlosung oder Leugnung der Verbrechen des Stalinismus im Gange, halte ich für irreführend. Sie lassen sich mit Verweis auf die tatsächlich in Russland geführten Diskussionen widerlegen.

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Historiker-Scharmützel: die Farbe Rot

 Krieg und Frieden, Russisches, Sozialismus  Kommentare deaktiviert für Historiker-Scharmützel: die Farbe Rot
Apr. 012008
 

Nach einem Besuch in einem deutschen Konzentrationslager in der Nähe Berlins gerate ich ungeplant in Begriffs-Scharmützel zwischen zwei Historikern: Wie lange hieß die Rote Armee eigentlich Rote Armee? Hieß die Armee der Sowjetunion bis zum Ende der Sowjetunion Rote Armee? Einer der Historiker vertritt die Auffassung, bereits 1943 habe Stalin den Befehl erteilt, die Rote Armee nur noch Sowjetarmee zu nennen, da die von Trotzkij geprägte Bezeichnung „Rote Arbeiter- und Bauern-Armee“ – im Gegensatz zur konterrevolutionären „Weißen Armee“ – nicht mehr zeitgemäß sei. Ab sofort, so Stalin, gehe es nicht mehr um die Ausbreitung des Kommunismus mithilfe der Bajonette, sondern um die Verteidigung des Vaterlands im Großen Vaterländischen Krieg. Deshalb müsse die Armee ab sofort Sowjetarmee genannt werden.

Am Abend ergibt eine Rücksprache bei einer Russin und eine Konsultation des Internet folgendes Bild: Ab Februar 1946 verlor die sowjetische Armee tatsächlich offiziell den Namen Rote Armee und wurde fortan Sowjetische Armee genannt. Die Bezeichnung Rote Armee ist im Bewusstsein der Russen unlösbar mit dem besonders verheerenden Russischen Bürgerkrieg 1918-1920 verbunden, der ja etwa 8 Millionen Tote forderte. Um den Anspruch der Armee, für das ganze Land aufzutreten, zu unterstützen, wurde die Bezeichnung Rote Armee aus dem amtlichen Verkehr gezogen, zumal ja viele Zehntausende Offiziere der Weißen Armee in die Rote Armee übernommen worden waren und dort ihren Dienst taten.

Gleichwohl wird weiterhin landläufig in Deutschland außerhalb der Fachkreise die Bezeichnung Rote Armee bis zum Ende der Sowjetunion verwendet, owohl dies fachlich gesehen nicht astrein ist.

Mit diesem Ergebnis können, so meine ich, beide Historiker zufrieden sein und sich die Hand zum Friedensschluss reichen.

Und das schreibt übrigens die Wikipedia:

РККА, Рабоче-Крестьянская Красная Армия (Красная Армия) — официальное наименование Сухопутных войск и ВВС, которые вместе с ВМФ, Пограничными войсками, Войсками внутренней охраны и Государственной конвойной стражей составляли Вооружённые Силы СССР с 15 января 1918 года по февраль 1946 года. Днём рождения РККА считается 23 февраля 1918 года — день, когда было прекращено немецкое наступление на Петроград и подписано перемирие (см. День защитника Отечества). Первым руководителем Красной Армии был Лев Троцкий.

С февраля 1946 года — Советская Армия, под термином «Советская Армия» подразумевались все виды Вооружённых Сил СССР, кроме Военно-морского флота.

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