Ira, meine belesene, bildungsbeflissene Frau, wirft mir zwar oft vor, ich läse zu viele Zeitungen und Zeitschriften und zu wenige Bücher, dennoch kann ich es nicht lassen und tue es immer wieder – teils auch, um das zu lesen, was ich sowieso zu wissen meinte … oder lesen Sie die Zeitungen Ihres Gegners? (Das sollte man eigentlich!)
Den aktuellen, prall mit Lesenswertem gefüllten Spiegel Nr. 47 vom 19.11.2007 hatte ich zunächst wegen des lustigen Titelbildes erstanden. Auf S. 176 erfahre ich endlich, warum es immer so lange dauerte, wenn wir die Rubljowka entlang fuhren: 2 Stunden für 30 Kilometer waren keine Seltenheit! Filmemacherin Irene Langemann hat einen Film hinter den Kulissen dieser Sünd- und Prachtmeile gedreht – den muss ich gucken, so er denn in die Kinos kommt! Und: Obwohl dies eine Gegend der Reichen und Mächtigen ist – ich habe dort in der Nähe sommers schon mehrfach in der herrlichen Moskwa geschwommen: ein wunderbares Gefühl, das mir niemand nehmen kann!
Unter dem Titel Selbstmitleid macht passiv entwirft Peter Düweke in Psychologie heute compact, Heft 18, 2007, eine herrliche Bestandsaufnahme dieses in Deutschland verbreiteten Lebensgefühls. „Jammern ist an der Tagesordnung. In allen Schichten.“ Es ist ja so bequem, anderen die Schuld für das eigene Unglück zu geben – oder eher die Schuld für das Gefühl unglücklich zu sein! Sehr lesenswert! – Das fiel mir gleich nach meiner Rückkehr aus Moskau auf: Nirgendwo habe ich im letzten Monat mit so vielen zuversichtlichen, aufgeschlossenen, lebensfrohen Menschen gesprochen wie in Russland, nirgendwo fand ich so viele verzagte, missmutige, verdrießliche oder auch laut wehklagende Menschen und Menschengruppen wie in Deutschland. In allen Kasten und Klassen. Oft war mir danach auszurufen: Ihr wisst in Deutschland nicht, wie gut es euch geht! Seid doch endlich die Schmiede eures Glücks! Gut, dass ich diesen Ausruf wenigstens dem Blog anvertrauen darf.
Die FAZ vom 22.11.2007 widmet dem „zweiten Vaterland“ meines Ivan Ivanovitsch, meiner Familie, gleich zwei Artikel: Was vom Zaren übrigbleibt (S. 42) leuchtet die Widersprüche aus, die die ungelösten Nachfolgeprobleme des ersten Mannes im Staate mit sich bringen. Plötzlich ist Putin das Parlament wichtig (S. 6) bespricht mögliche Alternativen für die Zeit, nachdem die zweite Amtszeit abgelaufen ist. Zahlreiche Gruppen scheinen eine neue nationale Führungs- und Einigungsfigur zu fordern. Der Mann dafür ist schon gefunden! Insgesamt teile ich die durch und durch pessimistische Auffassung des Journalisten Michael Ludwig nicht ganz; ich meine, es ist schon ein Fortschritt, dass man heute in Russland so viele verschiedene Stimmen hören kann, nicht nur auf der Straße, sondern auch im Fernsehen und in der Presse.
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