Der aktuelle Spiegel (Nr. 2 vom 7.1.2008) bringt auf S. 143 unter dem Titel Willkommen, oh Schattenreich eine gute Besprechung der Tagebücher Peter Handkes. Handke schreibt demnach in seinem Tagebuch:
„A. hat Angst vor meiner Unbeherrschtheit, noch bevor ich die Beherrschung verliere (auch so ein kleiner Teufeskreis).“
Ein vortrefflicher Satz! Er spiegelt genau das wider, was die Angst oft so schrecklich macht: Die Erwartung eines Unheils, das man schon von irgendwoher zu kennen meint, das aber noch bevorsteht. Angst scheint stets in die Zukunft gerichtet zu sein. Vor etwa vollständig Vergangenem, einem Unheil, das endgültig abgeschlossen ist, empfindet man keine Angst, sondern Trauer, Wehmut oder ähnliches. Bereits in der Behandlung der Angst (phobos) bei Aristoteles, in der Rhetorik (1382b-1383a), wird das Wägend-Ungewisse, das in die Zukunft Vorgreifende der Angst sehr schön herausgearbeitet, und zwar so, dass auch wir modernen Menschen jeden Satz daraus verstehen und nachvollziehen können.
Tritt das Wovor der Angst dann endlich ein, dann erscheint die Angst sofort gemindert – oder sie verschwindet gänzlich. Dies haben viele Verbrechensopfer, aber auch Soldaten berichtet.
Wahrscheinlich heißt es deswegen: Angst vor etwas haben, nicht nach etwas.
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