„Wie machst du das?“, fragte heute vormittag ein Vereinskamerad beim Pilates-Training im Fitnessstudio die Trainerin Julia, als diese ihren wohlgeformten Oberkörper wie in einem Scharnier bewegt auf den gestreckten Knien ablegte. „Das ist meine absolute Hassübung. Ich schaffe das einfach nicht.“ Ich schalte mich ein: „Mein Tipp: Werde als Frau geboren … die sind einfach gelenkiger!“ Julia stimmt zu, verweist auf ihr tägliches, jahrelanges Training als Turnerin und Tänzerin. Mir gehen noch ein paar Gedanken im Kopf herum, über die ich nachher auch mit dem Klagenden spreche. Warum „Hass-Übung“? Warum hassen wir das, was wir nicht schaffen, was sich uns entzieht? „Warum soll ich mein Spielzeug aufräumen – ich HASSE das!“ So reden schon die Kinder in der Kita heute. Das habe ich selbst öfters gehört. Sehr oft, sehr schnell sind gerade junge Menschen heute mit diesem Wort Hass zur Stelle. Ein weiteres Beispiel – diesmal von einem anderen Kaliber! Ich entnehme es der Tagesspiegel-Rezension des aktuellen Dokumentarfilms „Deutschstunde“, der den Deutschunterricht in einem Kreuzberger Gymnasium beschreibt:
Aber das Sprachproblem allein ist es ja nicht. Fatima etwa spricht ausgezeichnet Deutsch und hat inzwischen ihr Abitur in der Tasche. Sie ist eine Hauptprotagonistin im Film. Sie lebt für ihren Glauben und besucht Hamas-Solidaritätskundgebungen. An ihrer radikalen Einstellung lässt Fatima zumindest keinen Zweifel. Ich habe einen Hass entwickelt“, sagt sie in dem Film und meint damit vor allem den Hass auf die USA.
Wie kann man mit solchen Arten des Hasses umgehen? Im leichter zu lösenden Falle der Pilates-Hass-Übung erreichten wir heute in der Nachbesprechung der Trainingsstunde folgende Antwort: „Betrachte doch deinen Körper mit seinen Schwächen nicht als deinen Feind, den es zu besiegen oder zu hassen gilt. Hass ist keine Antwort. Fordere nicht alles auf einmal, nimm dir weniger vor, gehe an die Grenzen deiner Beweglichkeit, aber quäle dich nicht.“
Ich würde ergänzen: Hass ist zwar manchmal eine verständliche Reaktion, aber keine weiterführende Antwort. Er dient niemandem. Hass darf zwischen Personen – aber auch in der Person selbst – nicht das letzte Wort sein. Beim politisch oder ideologisch motivierten Hass wird die Bewältigung schwieriger. Wahrscheinlich um so schwieriger, je weiter entfernt oder unbekannter der Gegenstand des Hasses ist. Da es dann keine Möglichkeiten der direkten Erfahrung mit dem Gehassten gibt, fehlt die Korrekturmöglichkeit.
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