Jan 272009
 

Der Ausdruck Holocaust gefällt mir nicht. Ich kenne ihn aus der Septuaginta, der griechischen Übersetzung der Tora,  als Bezeichnung für das Opfer, bei dem das Tier ganz verbrannt wird – das „Ganzopfer“. Nein, ich ziehe den Ausdruck Schoah bei weitem vor – wie in Israel üblich.

Mein erstes KZ besuchte ich im Alter von 16 Jahren – es war Majdanek bei Lublin. Ich reiste zusammen mit einer Gruppe des BDKJ – des Bundes Deutscher Katholischer Jugend.  Wir wurden durch das Lager geführt – durch einen polnischen Überlebenden. Er zeigte uns die Baracken, die Reste der Öfen, er deutete in bestem Deutsch einiges an von den Schrecken, die er erlebt hatte. Anschließend lud er uns zu sich nachhause ein, wir wurden bewirtet, wir sangen gemeinsam einige Lieder und spielten auch auf dem Klavier, das da stand.

Warum ich das erzähle? Ich meine: Es ist ein Privileg, mit Überlebenden sprechen zu dürfen. Es ist noch ein größeres Glück, von ihnen bewirtet zu werden. Und am schönsten ist es, mit ihnen zu singen. Und ich meine: An jeden KZ-Besuch, an jede Gedenkveranstaltung sollte sich eine „Rückführung ins Jetzt“ anschließen. Irgendetwas, eine Geste, eine gemeinsame, fast rituelle Handlung, die zeigt: Wir erkennen die Vergangenheit an – aber das Jetzt ist stärker. Das kann ein Lied sein – oder sogar ein Witz.

Immer wieder bin ich danach in meinem Leben Überlebenden begegnet – verschiedenen KZ-Überlebenden, aber ich begegnete auch im Kreis meiner russischen Verwandten Menschen, die die Belagerung Leningrads überlebt hatten. Und ich habe Menschen kennengelernt, deren Angehörige durch den sowjetischen Terror in Russland vernichtet worden sind.

Bei all diesen Begegnungen war es für mich entscheidend zu erfahren: Wir sind im Jetzt, – die Schrecken der Vergangenheit sind hinter uns und diese Überlebenden sind Menschen aus Fleisch und Blut wie ich auch. Was mir immer wieder auffiel: Sie wirkten in der Erinnerung viel befreiter und … sogar humorvoller als wir Nachgeborene. Nur ganz wenige habe ich kennengelernt, deren ganzes nachfolgendes Leben zerstört war.

Zurück zur Frage: Wer mahnt besser? Ich meine: Die Toten mahnen uns nicht wirklich – nur die Lebenden können uns etwas sagen. Wir, die Lebenden, die Nachher-Lebenden müssen uns selbst mahnen.

Eklat um Holocaust-Gedenken – “Überlebende wie Zaungäste“ – Politik – sueddeutsche.de
Bundespräsident Horst Köhler hat dazu aufgerufen, die Erinnerung an das Verbrechen des Holocaust zu bewahren. „Wer sich der eigenen Vergangenheit nicht stellt, dem fehlt das Fundament für die Zukunft. Wer die eigene Geschichte nicht wahrhaben will, nimmt Schaden an seiner Seele“, sagte Köhler zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus.

Die Verantwortung aus dem Völkermord an den Juden sei Teil der deutschen Identität. „Die Trauer über die Opfer, die Scham über die furchtbaren Taten und der Wille zur Aussöhnung mit dem jüdischen Volk und den Kriegsgegnern von einst sie führen uns zu den Wurzeln unserer Republik“, sagte Köhler in der Gedenkstunde des Bundestages.

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