Digital, TheaterKommentare deaktiviert für Wellen in München
März092010
Man schlägt Wellen. Die DLD-Konferenz war wirklich spannend!
Photo from Getty Images – DLD Conference 2010 News, photos, topics, and quotes
MUNICH, GERMANY – JANUARY 26: Chris Dercon, Christoph Schlingensief and Johannes Hampel of Opera House attend the Digital Life Design (DLD) conference at HVB Forum on January 26, 2010 in Munich, Germany. DLD brings together global leaders and creators from the digital world.
Gestern wagten wir uns mit „Werten“ nach vorne, die es den jungen Leuten zu vermitteln gelte. „Bisogna ridare valori ai giovani“, so zitierten wir eine italienische Politikerin heute, die früher als Kommunistin bei der KPI kämpfte.
Lernwille, Verantwortung, Toleranz, Höflichkeit. Diese vier Erwartungen hegt die August-Sander-Schule in bezug auf ihre Schüler/innen. Interessante Anzeige in der neuen amtlichen Bezirksbroschüre Friedrichshain-Kreuzberg! Die Schule erwartet also diese vier Eigenschaften, ohne die offenkundig ein sinnvolles Lernen nicht möglich ist. Wir zitieren in der Langfassung:
Erwartungen an unsere Schüler/innen
Willen zum Lernen
Verantwortung für das eigene Handeln übernehmen
Toleranz im Umgang miteinander
Höflichkeit
Diese vier Tugenden sind in uns Menschen offenbar alles andere als selbstverständlich. So sind wir eben nun. Deshalb werden sie so ausdrücklich formuliert.
Quelle:
Friedrichshain-Kreuzberg. Ein Bezirk mit vielen Gesichtern. 2009/2010. Herausgegeben vom Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg, hier: S. 97
TugendKommentare deaktiviert für Bisogna ridare valori ai giovani
März082010
„Und vor allem müssen wir den jungen Menschen, die nicht mehr wissen, woran sie glauben sollen, wieder Werte vermitteln.“
Mit diesen Worten endet das im vorigen Eintrag erwähnte hübsche Interview mit Anna Maria Carloni. Sie war Politikerin der Kommunistischen Partei Italiens (PCI) und gehört nunmehr – nach der Fusion der ehemaligen Linskparteien – der Demokratischen Partei an (PD).
Ich stimme zu. D’accordissimo! Welche sind diese Werte, die wir erneut vermitteln müssen?
Ich nenne fünf in absteigender Reihenfolge:
Verantwortung als unerlässliches Gegenstück zu Freiheit.
Redlichkeit.
Fleiß.
Gerechtigkeit.
Donna modernaKommentare deaktiviert für Brauchen wir die Frauenpartei?
März082010
Diese Frage muss am heutigen Tag der Frau erlaubt sein! Wir stellten in diesem Blog erste Überlegungen dazu am 23.11.2008 an. Mit einem klaren „Eigentlich – ja“ beantwortete eine italienische Politikerin, Anna Maria Carloni, Senatsabgeordnete vom Partito democratico, der Mitte-Links-Demokratischen Union Italiens,diese Frage in der aktuellen Ausgabe der italienischen Zeitschrift Panorama vom 4. März 2010, S. 82. Lest selbst:
„Io stimo le donne, in generale. Bisognerebbe azzerare tutto e ricominciare da loro, da noi. Per costruire una nuova classe politica.“
Also: „Ich schätze die Frauen, ganz allgemein. (Io stimo le donne, in generale.) Man müsste alles auf Null stellen und noch einmal von vorn bei ihnen anfangen, bei uns Frauen. Um eine neue politische Klasse aufzubauen.“
Der gegenwärtigen politischen Klasse Italiens traut Carloni offenbar wenig zu – deshalb fordert sie ja den Neuansatz. Nach ihren historischen politischen Vorbildern befragt, nennt sie, ehemals Politikerin der KPI: Enrico Berlinguer (Kommunist), Aldo Moro (Christdemokrat), Alcide de Gasperi (Christdemokrat), und mit Einschränkung Bettino Craxi (Sozialist). 2 Christdemokraten, 1 Kommunist, 1 Sozialist (mit Einschränkung). Den Frauen scheint das lagerübergreifende Denken in den Genen zu liegen! Überall kann sich persönliche Tüchtigkeit und politische Redlichkeit entfalten. Das sehe ich genauso.
Frauenquote unter ihren Vorbildern? Null. Schade. Aber ein Beweis, dass auch Männer vorbildliches Verhalten zeigen können. Erkannt von einer Frau.
Und somit komme ich am heutigen Frauentag zu einem vorläufigen Wunsch an meine Mitmänner: Lasst uns von den Frauen lernen, Jungs! Es gab und gibt Vorbilder – unter Männern wie unter Frauen. Niemand hindert uns daran, den Frauen achtungsvoll entgegenzukommen, sodass wir ihre Wertschätzung gewinnen.
Den Leserinnen dieses Blogs entbiete ich herzliche Glückwünsche zum heutigen Frauentag. Ihr wisst es ja schon: Io stimo le donne, in generale. 🙂
Um zur Ausgangsfrage zurückzukehren: Gegen eine Frauenpartei hätte ich nichts einzuwenden. Allerdings müsste sie auch uns Männern offenstehen. Denn: Gemeinsam sind wir stark.
Toleranz beginnt im Elternhaus. Zu Hause müssen die Kinder lernen, dass es um den Respekt vor allen Menschen geht. Da spielen die Eltern eine große Rolle. Eingliederung machen die Eltern. Die Eltern müssen die Kinder integrieren.
Haben wir in Deutschland ein Autobahn-Defizit oder ein Sinn-Defizit? „Törichte Frage!“ – werdet ihr mir einwenden – „die Autobahnen sind doch der Sinn Deutschlands, das wird jeder Raumfahrer, der vom Mars nach Deutschland kommt, sofort bestätigen! Autobahnen verbinden Städte, Autobahnen umhegen Städte, Autobahnen gliedern Städte im Inneren auf sinnstiftende Weise! Autobahnen ermöglichen Freiheit. Autos sind das Symbol der Freiheit! Nur wer Auto fährt, ist ein freier Mensch. Der Mensch diene dem Auto! Nicht umgekehrt! Denn das Auto verkörpert den Traum jedes Unfreien, endlich frei zu werden. Schlösser sind das Symbol der Unfreiheit! Deshalb gab es zu Zeiten der Hohenzollern auch fast keine Autos. Deshalb wurde das Stadtschloss in Schutt und Asche gelegt!“
Deshalb hat der Verkehrsminister auch gefordert, lieber 8 km Autobahn zu bauen statt dem Schloss eine Kuppel aufzusetzen.
Ist das alles so einfach? Ich hege Zweifel. Zumal ja das Fahrrad ebenfalls diesen Traum der individuellen Freiheit dank Mobilität verkörpert – mindestens innerhalb der Städte. Man müsste also erst einmal 8.000 km sichere, leicht erkennbare, gut ausgeschilderte Fahrradrouten in Berlin-Brandenburg anlegen, ehe man noch für dasselbe Geld weitere 8 km Autobahn baut. Wir brauchen die Fahrradbahn! Also eine Art Radbahn, die die Städte ähnlich engmaschig erschließt, wie dies die Autobahnen landesweit, außerhalb der Wohngebiete tun sollen.
Das Foto zeigt eine „vorgezogene Aufstellfläche für Radfahrer“ in der Landeshauptstadt Düsseldorf.
Der Tagesspiegel bringt heute auf S. 16 einige Leserbriefe zu diesem Thema „Kuppel oder Autobahn?“. Ich zitiere einen davon – von der Kreuzbergerin Annette Ahme:
Die Bürger sind gefordert
Jeder sieht mit einem Blick, dass ohne Kuppel oder mit einer Minikuppel das Schloß stark an Attraktivität verliert. Schon Schlüter hatte eine Kuppel geplant, die dann der Schinkel-Schüler Stüler in nobler Weise realisiert hat. Durch Kuppel und Eosander-Portal ist die Kastenhaftigkeit des Schlosses vermieden, welche ihm ohne diese Bauelemente anhaften würde. Späterhin ist der Raschdorffsche Dom entstanden, dessen Kuppel auf die Schloßkuppel antwortet. Die Silhouette mit den Kuppeln der damaligen Religionsgemeinschaften – goldene Kuppel der großen Synagoge in der Oranienburger Straße, Domkuppel, St. Hedwig – im Zusammenspiel mit der Schloßkuppel und später mit der Reichstagskuppel. Noch sind nicht alle Menschen ausgestorben, die solche Stadtsilhouetten zu lesen und schätzen wissen. Zu schätzen über den Tag hinaus. Zu schätzen als wertvoller als 8 km Autobahn …
Antike, LeitkulturenKommentare deaktiviert für Werden wir allmählich kulturelle Neandertaler?
März062010
Beim Warten auf das Flugzeug las ich vorgestern das Buch „Die Frau mit dem roten Tuch“. Es geht um das Wiederfinden, entfaltet im E-Mail-Austausch zweier Liebender. Ich zitiere aus einer E-mail der schreibenden Frau, Solrun:
„Wir leben heute nur in einer durch und durch materialistischen Kultur, die den Kontakt mit dem Geistigen fast vollständig abgeschnitten hat – vom Jenseitigen ganz zu schweigen. Aber lies Shakespeare, lies die isländischen Sagas, wirf noch einmal einen Blick in die Bibel oder Homer. Oder hör dir an, was die verschiedensten Kulturen von ihren Schamanen und Ahnen erzählen.“
Nun, als Deutscher und als Kreuzberger würde ich der Aufstellung der wiederzulesenden Werke natürlich noch Goethe und den Koran hinzufügen. Aber im Kern hat Solruns Klage vieles für sich: Wir drohen uns abzuschneiden von wichtigen Strömen der europäischen Überlieferung. Wird es uns mit Kant, Goethe und Heine so ergehen wie den Griechen, die ihre Tragödien vollständig einbüßten mitsamt der Sprache – so dass wir Spätlinge heute mit größter Mühe daran arbeiten, sie wieder zu verstehen?
In der Düsseldorfer Neanderkirche entdeckte ich diese Gedenkplatte für den Dichter Joachim Neander (1650-1680):
Mir schießen seine Verse aus seinem Lied „Der Lobende“ durch den Sinn:
„Lobe den Herren, der deinen Stand sichtbar gesegnet,
Der aus dem Himmel mit Strömen der Liebe geregnet“
Wer versteht so eine Sprache heute noch? Die Menschen, die den Koran studieren, ganz sicher! Man lese nur etwa Sure 2, 212: „Und Gott beschert den Lebensunterhalt, wem Er will, ohne zu rechnen.“
Aber die anderen?
Nebenbei: Das Neandertal, nach dem der Neandertaler benannt ist, heißt nach dem Dichter Joachim Neander so. Er ging oft in diese schaurige Einsamkeit und gab sich dort seinen Empfindungen hin.
Lesehinweis:
Jostein Gaarder: Die Frau mit dem Tuch. Roman. Aus dem Norwegischen von Gabriele Haefs. Carl Hanser Verlag, München 2010, hier S. 36
Interessante Berichte bringen heute einige Zeitungen über eine Lesung, die die am Ende der DDR auflagenstärkste Tageszeitung junge welt veranstaltet hat. Ehemalige Offiziere der Staatssicherheit durften ihre recht eigentümliche Version der Dinge darstellen. In Treuen fest! Weniger unbehelligt lief der Abend für einige Zuhörer ab. Das berichtet der Berliner Kurier heute auf S. 9:
Berliner Kurier – Vera Lengsfeld von Alt-Kadern attackiert
Die unfeinen Stasi-Herren und ihre Knechte. Wieder einmal haben sie ihr wahres Gesicht gezeigt: Auf einer Veranstaltung bepöbelten sie die Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld und drohten ihr Gewalt an.
Ich meine: Wer pöbelt und rumschreit, hat etwas zu verbergen. Einschüchterungen, Gewaltandrohungen, zersetzende Gerüchte – das schaffen die alten, die ewigjungen Stasi-Diener weiterhin mühelos. Man sollte sie dabei behelligen – durch ruhige Worte, durch Aufklärung. So wie dies etwa Vera Lengsfeld macht.
Gut auch, dass sie sagt: „Ich war nie ein Opfer – ich war im Widerstand!“ Keine Selbstviktimisierung – wie dies heute so viele machen. Das gefällt mir.
IntegrationKommentare deaktiviert für Lerne und arbeite!
März052010
„Wer nicht einsieht, dass er selbst verantwortlich ist für sein Fortkommen, muss gehen. Das ist hart, muss aber sein, weil Nachlässigkeit ansteckend ist.“
Ein strenges Ethos der Pflichterfüllung vertritt glaubwürdig der Leiter des „Bildungswerks“ in Kreuzberg. Sein Name: Nihat Sorgeç. Darüber berichtete Regina Mönch gestern in der FAZ auf S. 8. Unbedingt lesenswert! Ich las den Artikel beim Landeanflug auf Berlin-Tegel zur Einstimmung auf meine nette Stadt.
Fördermaßnahmen, Projekte und Integrationsprogramme – sie kosten Bund und Länder im Jahr zweieinhalb Milliarden Euro, dazu kommen noch die Kosten der Kommunen für gescheiterte Schulkarrieren, abgebrochene Ausbildungsgänge. Die vielen Lebensläufe, die nicht aus der Sozialhilfe herausführen, dürften nicht am mangelnden Geld scheitern, sondern am Fehlen dessen, was Nihat Sorgeç seinen Schützlingen NACH ihrer normalen Schulzeit erst mühsam beibringen muss: Pünktlichkeit, Sprachkenntnisse, Geduld, Sorgfalt, Gehorsam vor der Autorität des Lehrers.
Das stimmt in der Tat überein mit meinen eigenen Beobachtungen: an diesen drei oder vier Voraussetzungen fehlt es häufig. Wenn alle Schüler diese Grundtugenden von zuhause mitbrächten – ergänzt um Höflichkeit – dann könnten wir ganz anders loslegen. Wir – die neuen Deutschen. Wir könnten uns vermutlich einen großen Teil der endlosen schulpolitischen Dauerdiskussionen sparen. Wir könnten uns die zweite Lehrkraft im Klassenzimmer sparen, die auf die Schüler aufpassen soll.
Nihat Sorgeç selbst hat es vorgemacht: arbeitete in der Türkei von früh bis spät, kam mit 15 Jahren nach Deutschland ohne ein Wort Deutsch, lernte Deutsch durch Lesen von Büchern, schaffte den Hauptschulabschluss. Arbeitete und lernte von früh bis spät. Ein Vorbild, dem kaum jemand das Wasser reichen kann.
Lerne und arbeite!
Unser Bild zeigt eine Düsseldorfer Filiale der İŞBANK und das Restaurant Da Bruno. Dort aß ich vorgestern vortrefflich zu Mittag: Tagessuppe und dann Fisch vom Grill, dazu eine Apfelschorle.
„Arbeiten, arbeiten, an Gewohnheiten rütteln … “ – im Flieger zurück von Düsseldorf nach Berlin las ich gestern die Paris Match, vor allem natürlich das Exklusiv-Interview mit dem russischen Präsidenten Medwedew, S. 56-63. Als Mittel gegen die von ihm selbst offen angeprangerten Missstände in Russland – wirtschaftlicher Rückstand, jahrhundertelang eingewurzelte Korruption, blinde Autoritätshörigkeit – empfiehlt er Anstrengung und Fleiß, daneben die Abkehr von verfestigten schlechten Gewohnheiten. Beachtlich! Zumal er die Probleme im Kaukasus, die Menschenrechtsfragen nicht als Negativpropaganda des Westens beiseitewischt, sondern offen einräumt: „Mais ces problèmes existent vraiment, il faut s’en occuper.“
Hervorzuheben ferner: Der russische Präsident sucht ausdrücklich die kulturellen Gemeinsamkeiten zwischen Frankreich und Russland, betont das Verbindende: „Les Champs-Elysées, les lumières, les petits restos, l’atmosphère … c’est une grande émotion!“
Neben die alten Tugenden Fleiß, Verantwortung, kritisches Hinterfragen von Traditionen rückt er also die Besinnung auf gemeinsame europäische Kultur. Und auch auf das Christentum, diesmal in orthodoxer Variante. Man studiere die Bilder genau! Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass dieses Interview sehr genau durchgesehen wurde, dass jedes Bild auf Stimmigkeit und Aussagekraft überprüft wurde. Es wäre reizvoll, die russischen Herrscherporträts, die wir am 06.01.2009 in diesem Blog vorstellten (darunter Katharina II.), mit dieser Bilderstrecke in der Paris Match Nr. 3171 zu vergleichen!
„Viele Russen sehnen sich nach der Sowjetzeit zurück, nach der staatsversorgten Daseinsform, ohne Zukunftsangst. Teilen Sie dieses Gefühl?“ So die Frage an Medwedew.
Die Antwort Medwedews halte ich für ein Musterbeispiel von politischer Klugheit. Man bedenke, dass ihm die Veteranenverbände gerade jetzt heftige Vorwürfe machen, weil er Stalin als einen Verbrecher bezeichnet hat! Was konnte er also auf dieses heikle Frage antworten?
Urteilt selbst! Ich meine, die Antwort Medwedews ließe sich sogar auf deutsch-deutsche Befindlichkeiten übertragen. Deshalb sei die Antwort hier widergegeben:
„Ja, das ist normal. Ich bin in der UDSSR geboren und aufgewachsen. Das sind meine Kindheitserinnerungen. Doch gilt es hier Gefühl und Vernunft einzubeziehen. Die damalige Gesellschaft, ihre Grundsätze, ihr Funktionieren sind weit entfernt von dem, was ich für erstrebenswert halte. Sicherlich, es gab gute Seiten. Aber grundsätzlich möchte ich mich nicht in einem solchen Zusammenhang wiederfinden.“
Unser Bild zeigt die Rheinpromenade in Düsseldorf, mit Blickrichtung auf das von Heinrich Heine so gelobte Frankreich.
Ein wahrer Schwall an Absichtsbekundungen gehört unvermeidlich zu den Begleiterscheinungen jedes großen, jedes überragenden Themas. Und eins dieser großen, vielleicht sogar DAS überragende Thema ist die Frage der Selbstreproduktion einer Gesellschaft. Wie schaffen wir Zukunft? Wie kehren wir das bereits jetzt stattfindende Auseinanderfallen der nachwachsenden Generation in ein Zusammenwachsen um?
Einer der sachkundigsten Soziologen zu diesem Thema ist der 1949 in Beirut geborene, im Libanon aufgewachsene Ralph Ghadban. Am 26.02.2008 hielt er in Essen einen Vortrag zur Frage: „Sind die Libanon-Flüchtlinge noch zu integrieren?“ Hier ist er nachzulesen:
Ghadban zieht nach einer sehr genauen Analyse der Herkunftstraditionen eine schonungslose Bilanz: Enge Stammesverhältnisse und ein sektiererisches Islamverständnis führen nach seiner Einschätzung zu einer „kompakten Solidarität“, die ihrerseits wiederum das Entstehen krimineller Netze begünstigt.
Was ist zu tun?
„Jede Investition in die Sozialarbeit rentiert sich langfristig.“ Der Vf. schlägt gezielte Repression der in dieser Gruppe exorbitant hohen Kriminalität, auch durch Abschiebung, enge Kooperation verschiedener Behörden, aber auch „Zwangsintegration“ vor.
„Man muss die Gruppe zwingen, arbeiten zu gehen und bei mangelnder Bereitschaft die Sozialhilfe kürzen. Das ist inzwischen möglich, wird aber nicht konsequent umgesetzt.“
Letzte Forderung: Die Ganztagsschule. Eine Stärkung der Schule gegenüber den Familien hält Ghadban für unerlässlich. Zu diesem Zweck empfiehlt er nachdrücklich die Ganztagsschule.
Der Vortrag Ghadbans stimmt mich sehr nachdenklich. Die einzelnen Feststellungen kann ich selbstverständlich nicht nachprüfen. Aber ihre Erklärungskraft ist erheblich. Ich kenne keine Analyse, die ihm widerspräche.
Unser gestern aufgenommenes Bild zeigt einen Fluss, eine Brücke, einen Turm. Leben ist Aufbruch. Leben ist ein „Über-den-Fluss-Gehen“. Leben ist ständiger Wandel! Wo kein Wandel stattfindet, zieht Muff und Schimmel ein.
Die Sozialwohnungen an der Schöneberger Straße in Kreuzberg sind der späte Musterfall eines Berliner Sozialghettos, vergleichbar der bundesweit bekannten, klassischen Schöneberger Pallassiedlung. Auch wenn’s bei uns in Kreuzberg-West viel hübscher und IBA-würdiger zugeht. Das ergeben meine Gespräche mit Nachbarn, Freunden, Bekannten immer wieder. Hier haben sich extrem abgeschlossene Milieus gebildet, aus denen ein Ausstieg oder Aufstieg kaum möglich ist.
Eine komplette Umstrukturierung der Mieterschaft ist das Beste, was diesen Menschen selbst, diesem Fanny-Hensel-Kiez und seinen Bewohnerinnen und Bewohnern geschen kann. Manche sollten wegziehen, manche sollten zuziehen, vorzugsweise selbstverdienende Menschen ohne Arabisch-, aber mit guten Deutschkenntnissen. Das hat nichts mit „Vertreibung“ zu tun. Das Wort Vertreibung ist in diesem Zusammenhang grotesker Unfug. Jeder, der die Zuzugsgeschichte der Menschen im Fanny-Hensel-Quartier kennt, wird beim Wort „Vertreibung“ nur den Kopf schütteln können.
Alle sollten dann dahin ziehen, wo für sie etwas Neues erkennbar ist. Durch eigene Arbeit, durch eigene Anstrengungen sollen sich die Menschen etwas aufbauen. In welcher Gegend? In Berlin? In Beirut, in Düsseldorf? In welchem Land? Das sollen sie selbst entscheiden! Da, wo sie sich am wohlsten fühlen, da, wo sie durch eigene Anstrengungen etwas beisteuern können zum Glück ihrer Kinder, zu ihrem eigenen Glück.
Natürlich: Wieder drücken allerlei selbsternannte Interessenvertreter die Tränendrüsen, sprechen von sozialer Kälte, von „Unsozialem Wohnungsbau“. So ein Artikel in der Jungen Welt vom 01.03.2010. So auch der Artikel auf S. 8 im neuesten MieterMagazin des Berliner Mietervereins, dessen Mitglied ich bin.
Die Berichte der Journalisten zeugen wieder und wieder von einer gewissen Unbekanntschaft mit der Lage vor Ort. Ich kann mir das nur so erklären, dass sie keine direkten Kontakte zu Betroffenen aufgebaut haben, etwa weil die Journalisten keine Arabischkenntnisse haben und deshalb nicht an die richtigen Informationen herankommen.
Hier ergeht nun mein Ruf an die Stadtentwicklungssenatorin: Frau Junge-Reyer, bleiben Sie hart! Sie tun durch Härte den vermeintlich „vertriebenen“ Menschen etwas Gutes.
01.03.2010: Seht, wo ihr bleibt (Tageszeitung junge Welt)
Zwar lassen die von der Koalition 2007 verabschiedeten »Verwaltungsvorschriften über die Gewährung von Mietausgleich und Umzugskostenhilfe für vom Wegfall der Anschlußförderung betroffene Mieter im Sozialen Wohnungsbau« so etwas zu. Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) lehnt die Unterstützung mit Verweis auf den »entspannten Wohnungsmarkt« jedoch kategorisch ab. Lediglich Umzugshilfen in Ausnahmefällen kämen nach Einzelfallprüfung in Betracht. Der Berliner Mieterverein sieht angesichts der Rechtslage für die überwiegend sozial schwachen Familien keine Alternative zum Auszug.
In Kreuzberg-West sind in den letzten Monaten viele kleine Läden gestorben – darunter auch der des türkischen Gemüsehändlers um die Ecke, mit dem ich ab und zu türkische und deutsche Sprichwörter austauschte.
Beispiel: „Ich kenne deine Leber“ – was bedeutet dieses türkische Sprichwort? Antwort: „Ich kenne dich in- und auswendig.“
An die Stelle der kleinen Läden sind die großen Supermärkte getreten. Dort kann man mit dem Auto bequeme Großeinkäufe erledigen, nachdem man mit dem Auto das Kind in die Kita oder in die Grundschule gebracht hat. Platz zum Parken ist reichlich geschaffen worden.
Die deutsche Rechtschreibung sollte jeder Schulabgänger wie seine Leber kennen. Was sagt ihr, liebe Schülerinnen und Schüler, zu den Satzzeichen in folgendem amtlichem Text?
Hinweis: Sowohl nach der alten wie nach der neuen Rechtschreibung enthält die Abstimmungsfrage des Bürgerentscheides in Lichtenberg zwei, gelinde gesagt, auffällige Satzzeichen.
Zwei Mal Nein in einem Satz – Berliner Zeitung
Stimmen Sie für das Ersuchen an das Bezirksamt, in Abänderung der bisherigen Beschlusslage, das eingeleitete Verfahren zur Aufstellung des Bebauungsplans 11-43 nicht fortzuführen, durch welches die Ansiedlung eines Globus-SB-Warenhauses an der Landsberger Allee 360/362 verhindert wird.