Eine herrliche Belegsammlung für das vorherrschende Sozialstaatsverständnis liefert der aktuelle SPIEGEL, S. 40-44. Wäre es nicht so traurig, man könnte schon wieder lachen – ein Richter namens Rieckhoff erlaubt sich sogar zu lachen. Die zornfunkelnde Anwältin des Klägers darauf: „Lachen Sie ruhig, das zeigt mir, wo Sie stehen!“
Der Staat – so die allgemeine Lehre – muss allen hier lebenden Menschen unbegrenzt, dauerhaft und ohne Gegenleistung ein anständiges Dasein, Teilhabe am Wohlstand, ein Aus- und ein Einkommen sichern. Eine Vielzahl an Anspruchstiteln, Zuständigkeiten, Regelungen, Ausnahmeregelungen laden geradezu dazu ein, ein Maximum an Geld aus dem Staat herauszuholen. Beispiel: Ein Berechtigter namens Omar bezieht zusätzlich zum Lebensunterhalt 300.- Euro Wohngeld, schläft aber bei einem Bekannten auf der Couch. Die 300.- Euro sind folglich mühelos verdientes Bargeld, das sofort zur Verfügung steht.
Jeder, der sich im Sozialrechtsdschungel auskennt, wird auf Anhieb sofort ein paar Dutzend derartige Kniffe aufzählen können. „Aber der Wohngeld-Berechtigte zahlt Miete für die Couch!“, so die wutschnaubende Anwältin des Opfers. „Wo ist der Mietvertrag?“, so der lachende Richter. „Es existiert eine gewohnheitsrechtliche Vereinbarung zwischen Mieter und Vermieter: Zahle mir das, was du kannst„, so die Wutschnaubende. Der Lachende zeigt sich unbeeindruckt und streicht kaltlächelnd die 300.- Euro. Bis zur nächsten Instanz.
Wieviel kosten diese Theateraufführungen? Was kostet eine solche Gerichtsverhandlung den Staat? Wer profitiert davon? Sicherlich die zornfunkelnden Anwälte. Eine zuverlässig sprudelnde Einkommensquelle und Sozialrechts-Rechtsanwaltsarbeitslosigkeitsvorbeugeversicherung sind die Berge an Sozialklagen, die die deutschen Gerichte beschäftigen. Ferner profitieren die Zeitschriften wie der SPIEGEL, die Stoff für rührselig-weinerliche Geschichten bekommen. Dann natürlich Politiker, die für eine Glattstellung aller Leistungsansprüche eintreten, nach dem Motto: „Schluss mit lustig: 1.200.- für alle, die zu uns kommen und sagen: Da bin ich und ich bereichere euch. Ohne Nachprüfung. Punkt.“
Der Unterhaltungswert dieser Komödien wird dennoch sinken, sobald man erkennt, dass immer wieder dasselbe Stück aufgeführt wird.
Ich persönlich vertrete gegenüber der oben skizzierten vorherrschenden Lehre eine abweichende Meinung. Ich meine: Der Staat ist eine gemeinsame Sache aller. Er darf nicht vorrangig als Anspruchsgegner gesehen werden.
Die Familien müssen in aller Regel selber für sich sorgen. Die Familie ist seit Jahrtausenden der wichtigste Garant sozialer Sicherheit, nicht der Staat. Die Familie muss wieder stärker als die große Keimzelle sozialer Solidarität gesehen werden. Der Staat schafft durch Bildung nur die Bedingungen, damit möglichst alle Kinder befähigt werden, später einmal selber für sich und ihre Familien zu sorgen. Durch Erwerbsarbeit, nicht durch Theaterstücke.
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