Jul 082010
 

Wo immer es geht, suche und säe ich Keime der Hoffnung. Noch lange nicht verzweifelt sind wir migrantischen Familien in unserem so einladenden, zur Verzweiflung einladenden Kreuzberg. Wichtig: Etwa 3-5% unserer Deutschtürken sind hochgebildet, hoch erfolgreich. Sie haben es geschafft. Ich spreche sie an: „Erzählen Sie mir Ihre Geschichte!“

Was kommt heraus? Diese erfolgreichen Deutschtürken – oder deukischen Türken – stammen aus Akademikerhaushalten. Die Väter und Mütter sind selbst Akademiker, arbeiteten als Journalisten oder Lehrer in der Türkei, verließen meist das Land nach dem Militärputsch 1980. Die meisten sind der Herkunft nach Linkskemalisten und finden nahezu gesetzmäßig den Weg zur deutschen Sozialdemokratie oder zu den Grünen, zur taz und zur Linkspartei.

Keine dieser eloquenten, attraktiven deukischen Menschen, die ich kenne, stammt aus Hartz-IV-Familien. Sie sind alles andere als repräsentativ für die übergroße Mehrheit der Zuwanderer aus dem Osten der Türkei. Die deukischen Kinder sind in beiden Sprachen wohlbewandert. Sie sind nicht im Rollbergviertel oder Kreuzberg-SO 36 aufgewachsen, sondern in Britz, Dahlem, Grunewald.

Die übergroße Mehrheit der türkischen und kurdischen Zuwanderer aus dem Rollbergviertel oder Kreuzberg beherrschen hingegen weder das Türkische noch das Deutsche in ausreichendem Maße, um damit einen akademischen Beruf zu erlernen.

Die deukischen Menschen haben vieles früh gelernt. Auch dies haben sie gelernt: Die Schuld am Scheitern der anderen Deutschtürken weisen sie dem Staat und der Gesellschaft zu. „Mehr Förderung, bitte!“ Stets sind die anderen schuld: der Staat, die Deutschen, die Gesellschaft, der Rassismus, oder im Notfall auch der arme geprügelte Thilo Sarrazin. Berlin gibt jährlich 4,1 Milliarden für Bildung aus, pro Kind mehr als jedes andere Bundesland. Noch mehr Förderung bedeutet noch mehr Verschuldung.

Geradezu reflexartig ist der Impuls, sich als Opfer der Verhältnisse auszugeben: „Wir fühlen uns angegriffen.“ „Wir werden diskriminiert.“ „Wir sind benachteiligt.“ Man wiederhole dies oft genug – und irgendwann werden es alle glauben.

Wichtig wäre: Diese deukischen Menschen, die brauchen wir eigentlich als Erzieher in den Kitas, als Sozialarbeiter und als Lehrer in den Grundschulen. Aber das wollen sie nicht. Die erfolgreichen Menschen der deukischen Generation werden Juristen, Ingenieure, Zahnärzte. Und sie haben Erfolg – zunächst in den Medien, und später dann – dessen bin ich gewiss – im Berufsleben.

Deutsch-türkische Studentin: „Wir fühlen uns angegriffen“ – SPIEGEL ONLINE – Nachrichten – UniSPIEGEL
Selçuk findet sich nicht ab mit ihrem Groll, schluckt ihn nicht einfach runter. Sie ist überzeugt: Auch Kids wie Ali können etwas beitragen, wenn man sie fördert. Nur vergesse das die Gesellschaft viel zu oft. Deshalb gründete sie 2007 den Verein „Die Deukische Generation“. Sie gab Interviews, saß bei Podiumsdiskussionen, legte sich mit Politikern an. Zeitungen und Sender berichteten gern über sie. Denn sie war das Positivbeispiel – türkischstämmig, Abitur am Elite-Internat, engagiert, eloquent. Ihre Botschaft: Deutsch-türkische („deukische“) Jugendliche sind eine Bereicherung. „Wir wollten einfach sagen, dass wir dazugehören; dass junge Migranten ein Potential sind.“

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