Okt 162010
 

Mit großem Kopfschütteln las ich heute die Studie „im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung“ über das vermeintliche Vordringen rechtsextremer Einstellungen in Deutschland. Im ersten Teil des Buches fiel mir die überbordende Theorielastigkeit auf. Ich fühlte mich an die Soziologie-Seminare erinnert, die ich geduldig während meines Studiums besuchte. Die Autoren beweisen, dass sie viele Seminare und Oberseminare samt zugehöriger Literatur besucht, geleitet und verdaut haben.

Im empirischen Teil fiel mir auf, dass viele Aussagen als manifest rechtsextrem oder manifest ausländerfeindlich gewertet werden, die eher ein Gefühl der Unsicherheit widerspiegeln. „Die Bundesrepublik ist durch die vielen Ausländer in einem gefährlichen Maß überfremdet.“ Schlimm, so etwas zu fühlen?

Nun, das Wort „überfremdet“ gilt seit Jahrzehnten als Alarmklingel für das Schreckgespenst des Rechtsradikalismus. Und sicherlich werden viele zehntausende Familien, die – im Gegensatz zu diesem Blogger – aus Kreuzberg oder Neukölln wegziehen, genau wegen dieses Gefühls der Überfremdung weggezogen sein. Sind das alles Rechtsextremisten, weil sie das Gefühl der gefährlichen Überfremdung verspüren?

Vergessen wird in der Studie, dass auch alle linken Diktaturen eine üble Hetze gegen Volksfeinde und zersetzende Elemente geführt haben. Die linken Diktaturen, welche die KPdSU installierte, waren nicht minder nationalistisch oder ausländerfeindlich als die von den Autoren mit Wonne zitierten rechten Diktaturen! Lenin und Stalin selbst bauten eindeutig auf das Konzept Nationalismus, sprachen zeitweilig sogar von einem „Nationalkommunismus“, um die ideologische  Nähe des realen Sozialismus zum Nationalsozialismus hervorzuheben, die sich ja auch in der innigen Waffenbrüderschaft mit Deutschland bis 1941 niederschlug.  Waren also Lenin, Stalin, die Tscheka usw. alles in der Wolle gewaschene Rechtsextremisten?

Gerade die Sätze, die in der Studie als Beleg für Ausländerfeindlichkeit und Rechtsextremismus gewertet werden, geben diese Deutung nicht her.  So wird etwa die Aussage „Die Ausländer kommen nur hierher, um unseren Sozialstaat auszunutzen“ bereits als Beweis der Ausländerfeindlichkeit bewertet (S. 78). Das kann man so mitnichten schlussfolgern! Ein Fehlschluss! Man frage einmal in Kreuzberg oder Neukölln herum – an den Schulen mit den üblichen 90-95% Hartz-IV-Empfängern. Man wird letztlich erkennen müssen, dass der inkriminierte Satz einen Teil der Realität zutreffend widerspiegelt. Fast niemand kommt hierher, um Goethe im Original zu lesen oder um demokratische Partizipation am Gemeinwesen einzuüben.

Davor sollte man die Augen nicht verschließen. Deswegen ist man aber noch lange kein Ausländerfeind. Man hält die Augen offen – und man analysiert die Lage.  Selbstverständlich liegt auch zu diesem Satz die Zustimmung im Osten höher als im Westen.

„Was Deutschland jetzt braucht, ist eine einzige starke Partei, die die Volksgemeinschaft insgesamt verkörpert.“ Diese Aussage wird von den Autoren als Beleg des Wunsches nach einer rechtsautoritären Diktatur gedeutet (S. 76). Die Zustimmung liegt im Osten höher als im Westen. Warum wohl? Nun, in der DDR gab es genau diese autoritäre, einzige starke Partei – verkörpert durch die SED. Der Satz, der als Beleg für Rechtsextremismus gedeutet wird, ist eine Selbstbeschreibung der linken, der nationalkommunistischen Parteien wie etwa der SED!

Der Extremismus der Rechten ist über weite Strecken nichts anderes als die Fortsetzung der autoritären Regime, welche bis 1989 einen großen Teil Europas beherrschten. Aber davon wollen die Autoren nichts wissen.

Die DDR erkennen die Autoren der Studie nicht. Dabei war die DDR ein Nährboden für links- und rechtsextreme Einstellungen gleichermaßen.

Ich rate zu einem genauen Studium, jedoch zu einem äußerst kritischen Umgang mit dieser Studie. Ich persönlich halte sie für empirisch unsauber und theoretisch recht stark veraltet, überdies einem schicksalhaften Verblendungszusammenhang (Ha! ein schönes Horkheimer-Adorno-Habermas-Wort!) in der Leugnung und Abschattung der Linksdiktaturen verhaftet.

Die Schlussfolgerungen und das aus der Studie entstehende Gesamtbild halte ich für falsch, für eindeutig fehlfarbengezeichnet.

Studie zu rechtsextremen Einstellungen application/pdf-Objekt

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