Okt 252011
 

Riesige Hoffnungen knüpften sich 1955 an das gemeinsame Projekt der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG). Ein Europa, das durch wirtschaftliche Interessen begründet wurde, war nicht Sinn und Absicht der Gründerväter. Vielmehr wollten sie vor allem die Abfolge verheerender Kriege endgültig unterbechen, die etwa ab 1905 den gesamten europäischen Kontinent erschüttert hatten.

Von diesen zahllosen Kriegen und Bürgerkriegen weiß heute kaum mehr jemand etwas. Um nur ein Beispiel herauszugreifen: Fast niemand weiß, dass Griechenland, bis 1940 ein enger Verbündeter Italiens, nach dem kriegerischen Überfall  der Italiener auf ihr Land und der anschließenden Eroberung und Besatzung durch die Deutschen in einen mörderischen Bürgerkrieg hineingeriet, der erst 1949 beendet wurde: Grieche kämpfte damals gegen Grieche, faschistische Griechen, die mit den Italienern und Deutschen zusammenarbeiteten, kämpften gegen kommunistische Griechen, die von Moskau unterstützt wurden. Der Widerstand gegen die Besatzung war auch ein Bruderkampf zwischen Griechen, der sich jahrzehntelang fortsetzte in griechischer Obristen-Diktatur und rotem Terrorismus.

Aus jenen Jahren stammt auch das Muster der Geld-Umverteilungspolitik, von dem die griechische Volkswirtschaft sich offenbar bis heute nicht befreit hat. Woher das Geld kommt – ob nun aus Steuerverkürzung, Steuerhinterziehung, Subsidien, Wohltaten und Subventionen des griechischen Staates oder der Europäischen Union – ist zweitrangig. Stets geht es bei der Umverteilungspolitik darum, möglichst viel von dem durch den Staat verwalteten und verteilten Geld für sich, für die eigene Familie, für die eigene Sippe herauszuschlagen.

Die Europäischen Gemeinschaften, etwa die Montanunion EGKS oder EWG waren gedacht als Bollwerk gegen die jahrzehntelang aufflammenden Kriege und Bürgerkriege der europäischen Staaten. Eine starke wirtschaftliche Verflechtung der Wirtschaft, insbesondere der Schwerindustrie, würde weitere Kriege, als wirtschaftlich sinnlos, verhindern.

Neben diese wirtschaftliche Verflechtung sollte auch eine gemeinsame Verteidigungspolitik treten.  An diese „Europäische Verteidigungsgemeinschaft“ glaubte insbesondere Konrad Adenauer mit großer Leidenschaft. Immer wieder beschwor er seine Partei und auch die anderen Parteien, dem Projekt zuzustimmen. Mehrfach knüpfte er sein politisches Schicksal an das Gelingen der EVG. „Scheitert die EVG, scheitert Europa!“ Dass die französische Nationalversammlung die EVG bereits vor dem Entstehen zu Fall brachte, war für Adenauer die bitterste Enttäuschung, die größte Niederlage seines Politikerlebens, wie er selbst im Gespräch mit Günter Gaus einmal ohne Umschweife einräumte.

Es ist  unüberbietbar spannend  nachzulesen, wie sehr Adenauer damals an der militärischen Verflechtung Europas interessiert war. Er glaubte einige Jahre lang, dass nur eine gemeinsame europäische Streitmacht den Krieg dauerhaft aus Europa verbannen würde.

Zurück ins Jetzt! Navid Kermani hat gestern in der Süddeutschen Zeitung den Begriff der Freiheit, als des entscheidenden Tragewerkes der europäischen Einigung, herausgearbeitet. Weder die Wirtschafts- noch die Militärunion, so Kermani, machen den Sinn und Zweck der Europäischen Union aus. Vielmehr ist es die emphatische Berufung auf die zentralen Werte der Freiheit jedes einzelnen Menschen, der Brüderlichkeit unter den Menschen aller Herkünfte, der gleichen Rechte für alle Bürger der Europäischen Union, die dieses großartige Unternehmen zusammenhält.

Was würde Adenauer sagen, wenn er uns zusähe? Ich meine, er würde uns ermuntern und ermahnen: „Lasst euch nicht entmutigen! Besinnt euch auf das, was euch stark macht!  Haltet zusammen – aber seht die EU nicht vorrangig als Raum der Wirtschaft, sondern als Raum der Freiheit. Die Wirtschaft soll der Freiheit des Menschen dienen! Die Europäische Union stand und fiel nicht mit der EVG, wie ich damals annahm. Sie steht und fällt auch nicht mit den wirtschaftlichen Kennziffern. Sie ist aber auch keine Geld-Umverteilungsmaschinerie! Nichts ist alternativlos, solange ihr Sinn und Inhalt der Europäischen Union nicht aus den Augen verliert. Haltet an den Begriffen der Freiheit fest, kämpft für den Frieden. Haltet zusammen!“

 Posted by at 09:40

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