Noch zwischen Schlaf und Traum erschollen mir heute die folgenden Verse im Ohr. Ich rechne sie zu den liebsten, den schönsten der deutschen Sprache überhaupt. Wie schön sie sind, erschließt sich freilich erst beim Auswendiglernen. Aus diesem Grunde lernte ich sie bereits als Jugendlicher vor Jahrzehnten auswendig und rezitiere sie heute noch immer wieder einmal. Geschrieben wurden sie in Dornburg im September 1828:
Früh, wenn Thal, Gebirg und Garten
Nebelschleiern sich enthüllen,
Und dem sehnlichsten Erwarten
Blumenkelche bunt sich füllen;
Wenn der Aether, Wolken tragend,
Mit dem klaren Tage streitet,
Und ein Ostwind, sie verjagend,
Blaue Sonnenbahn bereitet:
Dankst du dann, am Blick dich weidend,
Reiner Brust der Großen, Holden,
Wird die Sonne, röthlich scheidend,
Rings den Horizont vergolden.
Wie gelangt man aber heutigentags am bequemsten nach Dornburg? Ein Blick in einen neuen Radfernwegeführer zeigt es: Dornburg liegt nur wenige Kilometer hinter Jena am Saaleradwanderweg, der – wie es der Radtourenführer sagt – von der Saalequelle durch die Wälder Oberfrankens und Thüringens, vorbei an großen fjordartigen Talsperren durch stille, „verschieferte“ Dörfer führt.
Vom Bahnhof Jena-Paradies rollt man also mit dem Fahrrad in nur 30 Minuten flußab hinunter zu der Stelle, wo Goethe diese unsterblichen Verse schrieb. Von Jena-Paradies zu Goethes Tal- und Berglandschaft ist es nur ein kurzes Stück.
Quellen:
„Dornburg, September 1828“. In: Goethes Sämmtliche Werke. Vollständige Ausgabe in zehn Bänden. Mit Einleitungen von Karl Goedeke. Erster Band, Verlag der J.G. Cotta’schen Buchhandlung, Stuttgart 1885, S. 210
„Saale-Radwanderweg“. In: RadFernWege Deutschland. Die attraktivsten Radtouren durch Deutschland. Ein original bikeline-Radtourenbuch. Verlag Esterbauer, 9., aktualisierte Auflage, Rodingersdorf 2015, S. 388-392, Zitat S. 388
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