Okt. 042011
 

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Das Rätsel des gestrigen Tages harrt der Lösung.

Sehr feinfühlig haben an diesem Tag bereits die Online-Redakteure des Tagesspiegels reagiert und den kleinen Schnitzer berichtigt:

Rot-Grün in Berlin: Es ist zum Politikverdrossenwerden – Meinung – Tagesspiegel
Es ist zum Politikerverdrossenwerden.

So ist es richtig, danke!

Denkbar ist auch: Es ist zum Politiker-verdrossen-Werden, oder: Es ist zum Politikerverdrossen-Werden.

Wie kann man die StVO von ihren Schreibfehlern erlösen? Auch hier gibt es mehrere Möglichkeiten:

Das Nebeneinanderfahren ist den Radfahrenden auf Fahrradstraßen erlaubt.

Oder: Das Nebeneinander-Fahren ist den Radfahrenden auf Fahrradstraßen erlaubt.

Merke: Der substantivierte Infinitiv ist stets groß zu schreiben, bei mehrteiligen Fügungen ist entweder durch Bindestriche durchzukoppeln oder zusammenzuschreiben.

Näheres dazu: Amtliche Regelung der deutschen Rechtschreibung § 57 (2) Abs. 2 in Verbindung mit § 37 (2) ebenda

Bild: Der neue Park am Gleisdreieck ist das Richtige zum Politikerverdrossenheits-Abwerfen und zum Neue-Kraft-Schöpfen!

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Soll man die deutsche Rechtschreibung ganz schleifen lassen?

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Okt. 042011
 

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„Es ist zum politikerverdrossen werden.“ Ein altes, in diesem Blog bereits mehrfach, unter anderem am 14.01.2011 erörtertes Problem der deutschen Rechtschreibung springt uns heute beim Tagesspiegel-Lesen wieder mit Macht an. Dieses Problem, das Problem des mithilfe des Artikels substantivierten Infinitivs ist aber auch wirklich zum Die-Haare-Ausraufen – oder zum die haare ausraufen? Lest und entscheidet! Nur einer der fünf folgenden Sätze ist gemäß der früheren und auch gemäß der jetzt geltenden amtlichen Rechtschreibung richtig geschrieben. Welcher?

a) Es ist zum politik verdrossen werden.

b) Es ist zum politikerverdrossen werden.

c) Es ist zum Politiker-verdrossen-Werden.

d) Es ist zum politikverdrossen werden.

e) Das nebeneinander fahren ist den Rad fahrenden auf Fahrradstraßen gemäß Straßenverkehrsordnung erlaubt.

Koalitionssuche in Berlin: Rot-Grün in Berlin: Es ist zum politikverdrossen werden – Meinung – Tagesspiegel
Es ist zum politikerverdrossen werden.

Die Auflösung erfahrt ihr morgen beim Armes-Kreuzberger-Blog-Lesen bzw. beim Armeskreuzbergerbloglesen – oder auch beim Lesen des armen Kreuzberger Blogs!

Wir meinen: Die Rechtschreibung ist nichts zum Auf-die-leichte-Schulter-Nehmen. Gerade gegenüber Kindern wird man kaum in der Schule verlangen können, sie sollten sich an die Regeln halten, wo doch selbst viele Erwachsene ihre liebe Not mit dem Richtigschreiben haben.

Das Gleiche gilt, nebenbei bemerkt, für das Bei-roter-Ampel-Anhalten und das Sauberhalten des Parks.

Im Bild: Der neue Park am Gleisdreieck in Kreuzberg

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Okt. 032011
 

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Den Tag der deutschen Einheit beging ich würdig durch eine ausgedehnte Radtour von der Lutherstadt Wittenberg die Elbe entlang, dann einbiegend auf den Elbe-Seyda-Radweg und schließlich ausrollend auf einem Teilstück des Fläming-Skate bis zum Endpunkt Blönsdorf.

Noch vor 22 Jahren, als ich erstmals längere Touren durch die die damals noch bestehende DDR unternahm, kam es nicht vor, dass Unbekannte mich unterwegs grüßten. Es herrschte große Unbekanntschaft und auch eine gewisse Furchtsamkeit: Wie stark durften wir uns dem entfremdeten Teil unseres Landes öffnen?

Wie anders heute! Heute lachte die Sonne, und sehr viele Menschen grüßten uns von sich aus, wie auch wir wiederum von uns aus oft kleinere Gespräche mit anderen Ausflüglern begannen.

Das Hin- und Herdenken, das Hin- und Herfühlen zwischen Ost- und West-Europa, Ost-und West-Deutschland ist mir in Fleisch und Blut übergegangen. Es bedarf keiner Anstrengung mehr. Insofern scheint mir das Bild der antriebslos zwischen den beiden Ufern pendelnden Gierfähre ein denkbares Bild der gelungenen deutschen und der noch anzustrebenden europäischen Einigung: die Gierseilfähre lässt sich von der Strömung hin und her schwingen, sie erzwingt nichts, sondern folgt dem Wink der beiden Seil-Enden, die wechselweise verkürzt werden und das Gefährt so von Ufer zu Ufer bewegen.

Dass Städte wie Wittenberg, Schwerin, Halle oder Jena jetzt jederzeit ansteuerbar sind, erfüllt mich mit großer Freude. Und meine deutschen Volkslieder? Gehören uns ebenfalls allen. „Das sind doch alles Lieder, die wir in der DDR auch gesungen haben“, sagte mir kürzlich eine Bekannte.

Und sonstige Gemeinsamkeiten? Vor zwei Tagen sah ich den großartigen, tief bewegenden  Film Der Mann mit dem Fagott. „Ich habe Udo Jürgens sehr unterschätzt, wahrscheinlich, weil er ein Deutscher ist und auf Deutsch singt„, gestand ich kürzlich im kleinen Kreis. „Genau das hat ein Freund aus Sachsen auch gesagt!“, bekam ich zur Antwort.

Die Geringschätzung des Beliebten, des Volkstümlichen, des Eigen-tümlichen ist etwas typisch Deutsches, ein Grundübel vieler deutscher Intellektueller in Ost wie West, ein Übel, von dem ich selbst auch nicht frei bin. Wie oft ernte ich seltsame Blicke, wenn ich gestehe, dass ich die BILD ebenso wie die TAZ lese!

Udo Jürgens ist jedenfalls ein hervorragender, sehr gut ausgebildeter Musiker, und jedes der Worte, das er singt, „sitzt“ strahlend klar. Er ist ein Meister der deutlichen, der sinn-tragenden und doch locker sitzenden Artikulation. Udo Jürgens ist ein Vorbild an Humanität, an Heiterkeit und freundlicher Leidenschaft. Und er ist einer, der auf der Gierfähre der Geschichte steht und nicht wankt dabei, sondern lächelt und tröstet.

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Bild oben: die Gierfähre über die Elbe bei Elster
Bidl oben: das Amtshaus in Seyda, erbaut 1605

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Okt. 022011
 

Soeben schlenderten wir einige Stunden über das Fest der Deutschen Einheit am Brandenburger Tor. Die sehr freundlichen Sicherheitskräfte ließen uns nach Prüfung unserer Taschen ins Allerheiligste des deutschen Sonntags hinein. Da staunten wir! Über allem Getriebe und Gewühle schwebte glückverheißend eine große rote Kugel: das war der Ball der bräunlichen Glücksbrause.

Mächtig ragte auf das HAPPINESS MONUMENT. Coca Cola hat das Fest der deutschen Einheit fest im Griff. Hier herrscht die ödeste aller öden Glücksverheißungen. Ziel scheint das vollkommen stillgestellte, das vollkommen mit Glücks-Glukose, Glücks-Hormonen abgefüllte Gehirn zu sein. The brain in the vat – das Gehirn in der Zuckerlösung.

Den Menschen merkte ich eine betäubt-betäubende Gleichgültigkeit an, sie werden buchstäblich mit Reizen abgefüllt und gefügig gemacht. Es ist die Diktatur des Kommerz, der hier der Boden bereitet wird. Deutschland schafft sich ab.

Von riesigen Bildschirmen scholl wummernd und pochend ein elektrischer Beat, mehrere Sänger versuchten sich in schwer verständlichen Sprachfetzen, die zumeist als critically ill English erkennbar waren. Deutsch wird gar nicht mehr gesungen, stattdessen wird die ehrwürdige englische Sprache mitten in Berlin in einem fort misshandelt und gefleddert. Why on earth?  Den ultimativen Kick versprach das Bungee-Jumping von 60 m Höhe zum Preis von 45 Euro, Mitfahrt kostet 3 Euro.

Von deutscher Einheit ist hier vor dem Brandenburger Tor nicht das Mindeste zu spüren. Im Gegenteil, hier schafft sich Deutschland ab. Ein Besuch auf der Festmeile vor dem Brandenburger Tor ist allen zu empfehlen! Hier kannst du lernen, warum die Kinder in Kreuzberg kein richtiges Deutsch mehr lernen. Warum sollten sie sich Mühe geben mit einer Sprache, die nicht einmal an den Festen der Deutschen mehr verwendet oder gesungen wird? Wenn die Deutschen es vorziehen, irgendein billiges Pseudo-Englisch zu mantschen, statt ihre Landessprache zu erlernen und zu pflegen?

Wie sollen Menschen in Deutschland noch irgend etwas anderes wertschätzen lernen, wenn sie auf allen Kanälen mit klebrig-zuckriger Pampe abgefüllt werden?

Dass Coca Cola hier statt eines „Blüh im Glanze dieses Glückes“ sich schamlos mit dem HAPPINESS MONUMENT als Garant und Gewährer des Glückes breit und frech inszenieren darf, enthüllt eine völlige Entkernung des politisch-moralischen Denkens, eine derartige Inhaltsleere in diesem Fest der Deutschen Einheit, dass es einen schaudern lässt.

Es ist die große deutsche Volksverdummung, die hier mitten in der Hauptstadt inszeniert wird. Es hinterlässt mich unfassbar traurig und wütend, dass ein solcher Tag derart würdelos begangen wird.

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Okt. 012011
 

Einen sehr gedankenreichen, sehr beflügelnden Kongress besuchte ich als einfacher Zuhörer am 09.10.2010, nämlich den Internationalen Bildungskongress der Frankfurter Buchmesse „Die lernende Gesellschaft„. Allein aus den Anregungen, die ich dort mitnahm, könnte man mehrere Stunden Workshops und praktische Hands-on-Seminare in Berlin abhalten. Es fehlt wahrhaftig in der Bildungsdebatte nicht an guten Ideen. Lest selbst:

Programm_Bildungskongress_2010.pdf (application/pdf-Objekt)

Eines der Seminare, das ich aussuchte, hieß: „Motopädagogische Elemente in Kita und Schulunterricht“, geleitet von Dorothea Beigel vom hessischen Kultusministerium und Silja Gülicher von Nintendo. Sehr gut, sehr erhellend! Wir lernen am besten, wenn wir uns körperlich belastungsfrei fühlen – das heißt auch, dass nicht zuviel Bewegungsenergie aufgestaut sein darf. Viele Kinder schaffen es heute nicht, längere Zeit stillzusitzen oder auch nur die Augen still auf einen Punkt zu halten. Wegen motorischer Mangelerfahrung im Alltag können sie weder Buchstaben auf einem Blatt Papier fixieren noch die Aufmerksamkeit auf einen längeren Lehrervortrag richten. „Diesen Zustand können Sie jetzt selbst erfahren! Stehen Sie bitte auf.“

Wir mussten auf einem Bein stehend Kopfrechnen ausprobieren. Die ersten Aufgaben gelangen mir mühelos, sie waren leicht. Dann jedoch wurden sie mir zu schwer, denn das ständige Stehen auf dem Bein lenkte mich ab, ich musste nur noch daran denken, das Gleichgewicht auf einem Bein zu halten, für das Kopfrechen war keine Kapazität mehr übrig. Ich machte das, was tausende Kinder jeden Tag machen: Ich stieg aus, die weiteren Kopfrechenaufgaben rauschten an uns vorbei, während ein einziger anderer Teilnehmer, offenbar ein Mathematik- und Sportlehrer, weiterhin alle Aufgaben herunterratterte, was wiederum meine Unlustgefühle verstärkte.  Meine gesamte Aufmerksamkeit war jetzt darauf gerichtet, den Bewegungsimpuls des Beines zu unterdrücken, getragen vom deutlichen Gefühl der Unterlegenheit gegenüber dem „Streber“ an meiner Seite, dem vermuteten Mathematiklehrer.

„So geht es den Kindern, wenn ihre motorischen Impulse im Unterricht unbeherrschbar geworden sind. Sie verweigern dann die Mitarbeit, weil etwas anderes ansteht.“ Regelmäßige kleinere körperliche Bewegungserfahrungen in kurzen Abständen, verstreut über den ganzen Lerntag des Kindes, sind also unerlässlich.

Na, dann kam noch der Schlenker zur Wii-Konsole des Sponsors Nintendo. Wii soll angeblich helfen, motorische Defizite der Kinder auszugleichen.

Wii von Nintendo als Gesundmacher der Kinder? Jetzt packte mich – den rebellischen Kreuzberger – mein aufsässiger Widerspruchsgeist! Ich meldete mich zu Wort und hub unschuldig an: „Zu meiner Zeit gab es solche Lieder wie etwa Häschen in der Grube – … was halten Sie davon? Muss es unbedingt Wii sein?“, frug ich.

Doch die Antwort der beiden sehr erfahrenen, sehr kundigen Referentinnen Dorothea Beigel und Silja Gülicher verblüffte mich, denn sie widersprachen mir keineswegs:

„Sie haben völlig recht mit Ihrer Bemerkung. Lieder wie Häschen in der Grube sind geradezu ideal geeignet, um unsere scheinbar neuen, wissenschaftlich fundierten motopädagogischen Einsichten zu belegen. Die vielen alten Kinderlieder und Kinderreime sind ein Schatz der frühkindlichen Pädagogik. Sie verbinden in idealtypischer Weise das Körperlernen mit dem Sprachlernen, die Beherrschung und Steuerung motorischer Impulse mit sozialem Lernen.

Genau so empfehlen wir, die Kinder zu einfachen Diensten und Besorgungen im Haushalt anzuleiten, etwa zum Zusammenlegen von getrockneter Wäsche, zum Aufdecken bei Tisch, zum Selber-Machen des Bettes. Wir beobachten eine zunehmende Verarmung der motorischen Erfahrungen in der Welt der Kinder. Hier können die Eltern viel mehr tun. Handeln zählt!“

Gut. Im Gefühl, wieder etwas Wesentliches gelernt zu haben, verließ ich das Seminar, nicht ohne noch die Referentinnen zu einem Besuch im heimischen Friedrichshain-Kreuzberg ermuntert zu haben.

Bild: der hervorragend gestaltete, zu Bewegung ermunternde neue Spielplatz im Park am Gleisdreieck, Kreuzberg (400 m entfernt von der Höhle des Bloggers).

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„Wir sollten uns mehr abstrampeln!“

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Sep. 202011
 

Aufmerksam verfolge ich die Presse-Berichterstattung über den Besuch des türkischen Präsidenten Abdullah Gül. Seine Heimatstadt Kaisery, das antike Caesarea/Καισάρεια in Kappadokien, kenne ich gut, dort habe ich einige schöne Urlaubstage verbracht. Die Bewohner der Region gelten als die „fleißigen Schwaben/Preußen/Deutschen“ der Türkei.

Mehr Fleiß, mehr Anstrengung verlangt Gül von den Menschen. Das halte ich für richtig. Auch der Vergleich mit dem fleißig sich abstrampelnden Radfahrer gefällt mir:

Türkischer Staatschef: Gül trumpft in Deutschland mit neuer Stärke auf – SPIEGEL ONLINE – Nachrichten – Politik
Die EU hingegen sei derzeit schwach und verhalte sich wie ein Fahrradfahrer, der nicht mehr in die Pedale trete.

„Wer hier lebt, soll akzentfrei Deutsch lernen!“ Diese Forderung des Präsidenten geht mir allerdings zu weit. Sie schlösse ja all die vielen Menschen aus, die eben nicht ganz akzentfrei sprechen – wie mich selbst etwa. „Sie kommen aber nicht aus Berlin, oder?“, werde ich wegen meines Akzents immer wieder gefragt.

Das Problem ist, dass viele Türken und andere Zuwanderer nur sehr gebrochen oder überhaupt kein  Deutsch reden, weil sie keine Notwendigkeit sehen, hier anzukommen. Sie leben in ihren türkischen Verbänden, wollen nicht allzu viel mit der nichttürkischen deutschen Umwelt zu tun haben. Viele glauben weiterhin, dass sie „irgendwann“ zurückkehren.

Insgesamt meine ich, wir sollten uns alle bemühen, auch Hochdeutsch zu lernen, nicht nur den Berliner Dialekt oder das brandneue „Kiezdeutsch“ („Isch mach dich messer“). Akzentfrei?  – Brauchen wir nicht, im Gegenteil, ich mag Akzente, das Treffen der vier türkischstämmigen Kandidaten von CDU, Linke, Grünen und SPD vor der Abgeordnetenhauswahl im Kreuzberger Café Südblock hat mir große Freude bereitet! Spräche ich nur halb so gut Türkisch, wäre ich schon froh!

Viele Deutschtürken haben ein Problem. Sie meinen, sich entweder für Deutschland oder die Türkei entscheiden zu müssen.  Folge: Sie haben sich weder für Deutschland noch für die Türkei entschieden. Wenn sie sich für oder gegen Integration in Deutschland entschieden hätten, hätten sie auch schon längst Deutsch UND Türkisch, oder Türkisch UND Deutsch  gelernt, nicht akzentfrei, aber doch so weit, dass sie einen Berufsabschluss erreichen würden. Ihnen standen und stehen hier alle Türen offen.

Die Türkei hat lange Jahrzehnte diese Illusion auf eine Rückkehr genährt und war froh, dass Millionen ihrer Staatsbürger in Deutschland ein Auskommen fanden und dringend benötigte Devisen nachhause überwiesen. Über die staatliche Ditib konnte die Türkei weiterhin Einfluss auf die deutsche Innenpolitik nehmen und ihre Schäflein einigermaßen im Zaum halten.

Mein Kreuzberger Mitbürger Özcan Mutlu MdA wird sicherlich von der Bundesregierung stärkere Einhaltung muslimischer Werte und die Abhaltung von Id- oder Iftar-Festen im Kanzleramt einfordern, worauf dann sicher die verschiedenen christlichen Konfessionen eine Ostermette im Kanzleramt verlangen werden (pro Konfession eine).

Ansonsten „hat die Türkei derzeit einen Lauf“, wie man sagt. Die militärische Drecksarbeit in Libyen haben westliche Mächte erledigt. Denn „ein Moslem schießt nicht auf Muslime.“  Danach fliegen die Türken ein, lassen sich als neue Führungsmacht feiern und sammeln den Applaus und den Jubel der Massen ein. Die Briten, Franzosen und Amerikaner stehen erneut als Kriegsherren da, als der Westen, der auch unschuldige Menschen getötet hat.

Die Türkei agiert derzeit mit kraftvollem Selbstbewusstsein, verhätschelt – sehr im  Gegensatz zur EU – ihre Bürger nicht, sondern setzt auf Fleiß, auf Demokratie, auf Zusammenhalt und Bürgersinn, und zeigt sich nach außen hin als das, was Staaten sind: Machtgefüge, die selbstverständlich im internationalen Verkehr vor allem eigene Interessen verfolgen.

Genau dasselbe sollte die EU ebenfalls tun. Ich halte es für einen großen Fehler, wenn die EU ihre Außenbeziehungen – etwa gegenüber dem arabischen Raum oder der Türkei –  stets vor allem und ausschließlich unter dem Vorzeichen der humanitären Verpflichtungen sieht. Das ist Unsinn. Die Türkei hat nicht Arbeiter geschickt, um Deutschland beim Wiederaufbau oder beim Wirtschaftswunder zu helfen. Es ging um einen Vertrag zum beiderseitigen Nutzen. „Wir schicken euch Arbeiter, die Arbeiter verdienen Geld und schicken einen Teil nachhause.“

Umgekehrt hat heute die Bundesrepublik keinerlei Verpflichtung, türkische Staatsbürger mit viel Geld und guten Worten zu beknieen und zu umwerben, sich doch endlich zu integrieren und bitteschön Deutsch zu lernen. Sie könnten es längst, wenn sie es denn wollten.

Die Türkei kann in der Tat einer sich selbst lähmenden EU als Vorbild dienen. Kraftvoll, fordernd, nicht unterwürfig, sondern zukunftsgewiss, selbstbewusst!

Es lebe die starke, die kraftvolle, die neue Türkei!

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Sep. 202011
 

Satt Schulfrust fangen wir das Singen an! An der Grundschule sammle ich eine Gruppe von Schülern zur Interessengemeinschaft „Singen“. Denn das Singen hat eine lernend-lehrende, gemeinschaftsbildende Kraft ohnegleichen.

Kosten des Singens: 0. Materialaufwand des Singens: 0.

Jeder, der eine Stimme hat, soll und kann singen.

Das erste Lied ist: Das Wandern ist des Müllers Lust. Ein sehr bekanntes Lied in Deutschland, etwa 180 Jahre lang wurde es von jung und alt in allen Schichten Deutschlands gesungen. Erst seit etwa 20 Jahren lernen es die Kinder nicht mehr. Denn Müller gibt es nicht mehr, gewandert wird auch nicht mehr so viel, gesungen wird in Familie und Schule auch nicht mehr. Der vorangestellte Genitiv „des Müllers“ existiert noch und wird wohl nur noch einige Jahre existieren. Also wozu noch?

„Was ist denn ein Müller?“, frage ich, um neben der Melodie auch das Textverständnis zu sichern.

„Ich weiß es: Der Müller bringt den Müll weg!“, antwortet ein 11-jähriges Mädchen. Wirklich?, frage ich zurück. Gemeinsam erarbeiten wir im Gespräch eine mögliche Antwort auf die Frage, was ein Müller ist.

Sollen die Kinder heute noch deutsche Wander- und Volkslieder lernen? Sollen sie noch singen lernen? Sollen sie noch wandern? Sollen sie noch wissen, was ein Müller ist? Ist Wort und Beruf nicht ausgestorben?

Ich meine: Die Kinder sollten noch singen, noch wandern, noch erfahren, was ein Müller ist.

Denn der Beruf Müller ist nicht ausgestorben. Es gibt ja zum Beispiel den Windmüller. Alternative, regenerative Energien sind im Kommen. Kinder sollten noch wissen, was ein Müller ist. Sie sollten noch wandern. Zwar ist es ein deutsches Volkslied, aber dagegen ist zunächst einmal nichts einzuwenden. An der türkischen Musikschule in Kreuzberg wird türkische Volksmusik gelehrt, warum sollte man an Berliner Schulen mit 98% Wandernden („Migranten“) nicht deutsche Migrationslieder singen?

Sie sollen noch den Genitiv lernen.  Sie sollen und können noch singen.

Wanderlieder bewahren einen riesigen Schatz an Erfahrungen der Migration, der kulturellen Differenz auf! Migration heißt ja Wanderung.

Deutsche Volkslieder sind ein wichtiges Mittel der Integration in die deutsche Gesellschaft, die ihr kulturelles Gedächtnis und ihre Sprache schon fast verloren hat.

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„Isch mach dich Messer“, oder: Schönes Neues Deutsch!

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Sep. 142011
 

Heike Wiese, Germanistik-Professorin aus Potsdam, fährt auch mal Bus in Kreuzberg und lernte so unsere Umgangssprache kennen. Sie erkennt das Entstehen eines neuen deutschen Dialekts, des Kiezdeutschen. Gute Beobachtung! Die Kreuzberger Kinder lernen ihre eigene Sprache, Hochdeutsch lernen sie nicht oder nur mit großer Verzögerung und großen Einschränkungen.

Die staatlichen Bildungseinrichtungen, hier vertreten durch Professor Wiese, haben bis heute nicht zu erklären vermocht, ob Kinder auch Hochdeutsch lernen sollten, wie man es auch außerhalb des Kiezes verstehen würde.

Hier in Kreuzberg suppt und köchelt alles vor sich hin, seit Jahrzehnten dieselbe Platte, man lässt die Kinder auf den Straßen im eigenen Saft schmoren. Ein echtes kleines Aquarium, das jetzt auch seine eigene Sprache hat.

„Isch mach dich Messer“ – Berliner Zeitung

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Juli 282011
 

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Das Wort krude würde ich zum Unwort des Jahres vorschlagen.“ So äußert sich soeben Monika Maron in der WELT online. Zustimmung, Frau Maron! Ich selbst schlüg es auch gerne vor. Ich unterbreitete in aller Bescheidenheit einen dahingehenden Vorschlag in diesem Blog nebst sprachgeschichtlichen Betrachtungen und einigen tagesaktuellen Belegen am 21.01.2011 unter dem Titel „Ist krude alternativlos?

Ich meine, dieses Wort krude sollte es wirklich mindestens in die Auswahlliste der 10 aussichtsreichsten Kandidaten  für das Unwort des Jahres schaffen! Ja, ich gehe einen Schritt weiter und behaupte keck und kühn: Krude ist als Unwort des Jahres alternativlos!

Der ausführlichen Begründung von Frau Maron stimme ich zu. Die Schriftstellerin, deren Roman Flugasche mir in lebhaftester Erinnerung ist, hat es zweifellos besser gesagt als dieser mit Worten ringende arme Kreuzberger Blogger.

Hallo, Gesellschaft für Deutsche Sprache, Darmstädter Akademie, Erlauchtheiten und Magnifizenzen! Bitte merken Sie krude vor!

Belegstelle:

 Interview über Sarrazin: „Endlich wurde gesagt, was ohnehin gedacht wurde“ – Nachrichten Politik – Deutschland – WELT ONLINE

Lest andere Unwörter auf unserem Foto des Tages! Es zeigt die krude Unterführung des verträumten Bahnhofes der herrlich aufgeräumten Stadt Eisenhüttenstadt, aufgenommen von diesem kruden Blogger bei einer Radtour an einem herrlichen Sommertag, dem 24. Juli 2011

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Juni 142011
 

Spät abends las ich gestern noch den Artikel habicht in Grimms Wörterbuch. Sehr anregend. Der Habicht hat den Menschen immer schon inspiriert. Adler, Habicht und Fischadler durfte das alte Israel nicht essen, sie galten als unrein – in der Übersetzung Luthers sagt Moses:

 und dis solt ir schewen unter den vogeln, das irs nicht esset, den adeler, den habicht, den fischar. 3 Mos. 11, 13

Alte Regeln! Spannend für die Geschlechterdebatte der heutigen Zeit dürfte folgender Umstand sein, den die Gebrüder Grimm berichten:

Der umstand, dasz das habichtsmännchen kleiner ist als das habichtsweibchen, läszt für das erstere eine diminutivform zur anwendung kommen: si haltend in irer grösse gegen andern thieren das widerspil, also, das männle ist das kleiner und wird genennt das häbchle, das weible aber ist vil grösser und sterker dann das männle, das wirt genennt der habich

Der weibliche Habicht wurde also der Habicht genannt, der männliche Habicht wurde das Häbchle (oder Häbchen) bezeichnet! Gender Crossing avant la lettre!

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Grimms Wörterbuch – eine Schatzgrube

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Juni 132011
 

Was sind Ästlinge?

In Grimms Deutschem Wörterbuch ward ich fündig – folgende Erklärung wird uns für Ästling geboten:

ÄSTLING, m. junger vogel, der schon von ast zu aste fliegt, zumal junger sperber und habicht, engl. brancher. es ist jedoch schwer zu sagen, wie die begriffe ästling, nästling und nestling (nidasius) hier in einander greifen. SEBIZ s. 606 unterscheidet estling und nistling: die estling sein die von einem ast auf den andern fliegen und begeren nit hinweg zu kommen. s. nestling, nistling.

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„Sie hingen Transparente auf …“

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Mai 302011
 

30052011652.jpg „Was regst du dich auf? Wir Berliner unterscheiden nicht zwischen Genitiv, Dativ und Akkusativ, das solltest du wissen!“ wies mich ein Bekannter zurecht, als ich kürzlich säuerlich anmerkte, „entsprechend des Falles“ sei kein gutes Hochdeutsch. Es müsse „entsprechend dem Fall“ heißen.

Gebongt! Wir bewegen uns offenkundig auf die Abschleifung der Kasus hin, in 100 Jahren wird bei einem Besuch Yodas niemand mehr Goethe oder Hegel oder das Grundgesetz ohne Übersetzung ins Neudeutsche verstehen können, wenn die Deutschen so weitermachen wie bisher.

Nächstes Beispiel: Ist dies gutes Deutsch? Die Morgenpost berichtet:

Bei der Vorstellung des Mietspiegels „machten etliche Demonstrierende ihrem Ärger Luft, hingen Transparente auf …“

Vergleich zu 2009 – Berliner Mieten steigen um acht Prozent – Berlin – Berliner Morgenpost – Berlin

Ich vertrete die Meinung, es müsste auf Hochdeutsch „hängten“ heißen. Aber in Berlin ist transitives „hingen“ ebenfalls häufig zu hören. Gebongt.

 Posted by at 23:34

Diagnose: Testeritis frenetica, oder: Sollen Berliner Kinder noch richtig gutes Deutsch lernen?

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Mai 132011
 

affe-in-waldsieversdorf-001.jpg Groß ist das Jammern und Klagen in diesen Tagen über den VERA-Vergleichstest! „Zu schwer“, „die Kinder kennen kaum 700 Wörter und sollen jetzt den Test schreiben?“, stöhnen die Lehrer. Nun, ich kenne die Tests, mein vorwiegend russisch erzogener Mit-Migrationshintergrund-Sohn schreibt ihn dieses Jahr zum zweiten Mal mit.

Mein Gesamteindruck von VERA: der Test für die dritte Jahrgangsstufe orientiert sich an dem, was die Generation der heutigen Lehrer und Kultusbeamten in ihrer eigenen Schulzeit etwa am Ende der ersten Klasse beherrschte. Im Test wird also vorausgesetzt oder erwartet, dass die Berliner Kinder heute in der dritten Jahrgangsstufe etwa so gut Deutsch können wie vor 20 oder 30 Jahren die Lehrer am Ende der ersten Klasse. Eine fromme Hoffnung! Eine wortreich beschwiegene, von den Berliner Parteien nicht einmal ansatzweise erkannte Tatsache der Berliner Schulwelt ist: Große Teile der nachwachsenden Generation lernen bis zum Ende der Schulzeit nicht mehr richtig Deutsch. Wer das nicht anerkennt, kennt Kreuzberg, Wedding, Schöneberg, Spandau, Lichtenberg, Tiergarten, Neukölln nicht. Lest einen beliebigen Abschnitt aus einer beliebigen Jammerarie:

mobil.morgenpost.de
Marion Hein, Deutschlehrerin an der Sonnen-Grundschule, findet den Text zu anspruchsvoll für ihre Schüler. „Sie müssen nicht nur die verschiedenen Vogelarten bis zur Lerche kennen, sondern auch noch verstehen, dass den Tieren in der Fabel menschliche Eigenschaften zugeschrieben werden“, sagt sie. Diese Übertragung schaffen die Kinder noch nicht, meint sie. Zudem sei ihre Erfahrungswelt in der Natur oft sehr begrenzt. Als sie mit ihrer Klasse zum ersten Mal im Zoo war, dachten einige Kinder, die Affen seien große Eichhörnchen, erzählt die Lehrerin. Die meisten Eltern seien arbeitslos. Nur selten kämen die Kinder aus dem Neubaugebiet am Dammweg heraus.

Also, wir halten fest: Die Berliner Kinder kennen am Ende der dritten Klasse keine Fabeln. Sie wissen nicht mehr, worum es in einer der bekannten Tierfabeln geht, wie sie in den europäischen und orientalischen Kulturen seit etwa 2 Jahrtausenden gang und gäbe waren. Obwohl Tiere auch im heutigen Leben der Stadtkinder allgegenwärtig sind – etwa in Gestalt von Hunden und Katzen, aber zunehmend auch in Gestalt von Füchsen, Mardern, Eichhörnchen, Tauben, Ratten, Fischen, Spatzen, ja sogar Wildschweinen, lernen die Kinder nicht mehr, dass wir Menschen uns seit Jahrtausenden in den Tieren widerspiegeln und ihnen menschliche Eigenschaften zuschreiben.

Der „böse“ Wolf, das „sanfte“ Lamm, der „stolze“ Adler. Wolf, Lamm, Adler: unwillkürlich erscheinen uns diese Tiere als böse, sanft, stolz. Die Berliner Kinder heute kennen am Ende der dritten Jahrgangsstufe das Wort böse sicherlich noch, aber „sanft“ und „stolz“ sind ihnen meist schon spanische Dörfer. Redet mit ihnen!

Ich bedaure es sehr, dass die Berliner Parteien nicht zu erkennen geben, dass sie sich des Problems  der mangelhaften Deutschkenntnisse der Mehrheit der Berliner Kinder überhaupt bewusst sind. Außer einer  Testeritis frenetica fällt ihnen wenig ein. Es fehlt in Berlin und Brandenburg an jedem tauglichen Modell zur Unterrichtung in Deutsch als Zweitsprache!

Die Grundschullehrer sind sich selbst überlassen. Der Test VERA – oder vielmehr die Klagen der Lehrer über VERA – decken dies schonungslos auf.

Hier stehen wir deutschkundigen Eltern in der Verantwortung. Wir müssen die Berliner Parteien aufrütteln und kräftig durchschütteln! Ich persönlich habe dies vor einer Woche im Hotel Estrel mit schwachen Kräften versucht. Das Echo war mau, oder sagen wir: sanft.

Bild: ein Affe in Waldsieversdorf

 Posted by at 10:43