März 162010
 

Noch einmal eine Stunde habe ich herumgebosselt an dem Vorschlag „Modellbezirk Radverkehr“. Den werde ich morgen im Fahr-Rat im Rathaus Kreuzberg vortragen dürfen. Ob es die Mitglieder des Rates zu überzeugen vermag? Zweifel sind angebracht! Zuviele Gewohnheiten werden hier durchbrochen. Darf man denn einfach neue Pfade betreten – auch wenn manches auf Ablehnung stößt? Ich glaube: ja! Man soll sogar!

Und so geht es los:

Friedrichshain-Kreuzberg – ein Bezirk steigt auf

Schaffen wir den Modellbezirk Radverkehr!

Vorschlag von Johannes Hampel für die Sitzung des bezirklichen Fahr-Rates Friedrichshain-Kreuzberg am 17.03.2010

1.       Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg erklärt sich durch Beschluss der BVV für die Zeit vom 01.09.2010 bis 31.08.2011 (Zeiten veränderbar) zum Modellbezirk Radverkehr.

2.       Alle Fachbereiche der Kommunalpolitik (namentlich Stadtplanung, Bildung, Sport, Wirtschaft, Ordnungsamt, Gesundheit, Soziales, Jugend, Familie, Schule, Bauen, Wohnen, Immobilienservice) verpflichten sich für die Laufzeit des Programms auf den Modellbezirk Radverkehr.

3.       Die Verantwortung für die Umsetzung des BVV-Beschlusses und die Koordination der Maßnahmen wird einer hierzu geschaffenen Funktion oder der Sprecherin des Fahr-Rates übertragen.

4.       Die Maßnahmen umfassen kostengünstige, leicht umsetzbare Maßnahmen. Der Bezirkshaushalt wird nicht zusätzlich belastet. Kostspielige zusätzliche Tiefbaumaßnahmen in der Radverkehrsplanung werden vermieden.

5.       Der  von der BVV 2006 in Auftrag gegebene frühere „Vertiefungsplan Radverkehr“ wird durch einen anschlussoffenen, periodisch fortzuschreibenden Radverkehrsentwicklungsplan 2011-2015 ersetzt, der neben dem üblichen topographischen Kartenwerk auch Zielvorgaben in Worten enthält.

6.       Der Modellbezirk Radverkehr wird durch ein Signet öffentlichkeitswirksam kommuniziert. Das Signet soll die charakteristische Umrisslinie des Doppelbezirks mit dem „Vorderrad“ Friedrichshain, dem „Hinterrad“ Kreuzberg und dem vorwärtsstrebenden „Kopf“ Stralauer Halbinsel aufgreifen. An allen Straßeneinfahrten in den Bezirk wird ein Schild angebracht, das auch das Signet zeigt:

Friedrichshain-Kreuzberg
Modellbezirk Radverkehr [Signet]

Oberstes Ziel des Programmjahres:
Gesamthafte Radverkehrsförderung als fachbereichsverklammernder Teil der Bezirkspolitik – aus einem Guss. Enge zeitliche Planung, terminiert, mit Evaluation am Schluss.

Hier das gesamte Dokument zum Nachlesen:

2010_03_17_fahrrat_modellbezirk_radverkehr_hampel.pdf

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März 162010
 

Heute holte ich den neuen Reisepass meines Sohnes aus dem Bürgeramt in der Schlesischen Straße ab. Da ich es eilig hatte, fuhr ich auf direktestem Wege mit meinem schnellsten Fahrzeug, dem VSF T300, über die Gitschiner Str. – Skalitzer Str. – bis zur Schlesischen Straße. Wie üblich, fuhr ich auf der Mitte der rechten Fahrspur, um niemanden und auch mich selbst nicht zu gefährden. Ich kam sehr schnell voran. Auf dem Heimweg wurde ich bei der Kolonnenfahrt bei Tempo 30km/h (vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit) durch einen hinter mir dreinzockelnden LKW bedrängt und angehupt. Gebracht hat es ihm nichts. Ich ließ mich nicht aus der Ruhe bringen, pedalierte weiter bei 30 km/h, zeigte ihm nicht meinen Unwillen. Er musste sich genauso in der Kolonne einreihen wie ich auch. Dann kamen wir zur Ampel. Ich wechselte auf den holprigen engen Radweg und ließ alle in Kolonne wartenden LKW und Autos hinter mir. Und tschüß!

Wir Radfahrer haben jederzeit das Recht auf der Fahrbahn zu fahren, solange der Radweg nicht als benutzungspflichtig ausgewiesen ist.

Ich weiß natürlich: Als Radfahrer bin ich ein sozial Schwacher auf der Fahrbahn. Aber ich lasse mich nicht verdrängen!

Ein wichtiges Thema auch der Politik! Bezirksstadtrat Knut Mildner-Spindler schreibt sich ausdrücklich das Verhindern von Verdrängung und die Armutsreduzierung auf seine Fahnen (Bezirksbroschüre). „Verdrängung zu verhindern und Armut zu reduzieren sind große Herausforderungen, besonders für den Verantwortungsbereich Gesundheit, Soziales und Beschäftigung.“

Na bitte!  Dann fangen wir doch mal gleich im Straßenverkehr damit an! Und für die Gesundheit habe ich heute schon genug getan, denn ich bin 40 Minuten bei etwa 30 km/h durch Kreuzbergs beliebteste Auto-Rennpiste gefahren, wobei ich sämtliche Verkehrsregeln und Vorschriften einhielt, niemanden gefährdete, belästigte, beleidigte oder behinderte.

Gut für den Kreislauf, gut für das Nervenkostüm, gut für das Selbstwertgefühl!

Foto: Beginn der Skalitzer Straße, von der Schlesischen Straße her gesehen. Aufgenommen heute.

Quelle:
Friedrichshain-Kreuzberg. Ein Bezirk mit vielen Gesichtern. 2009/2010. Herausgegeben vom Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg, hier: S.77

apercu Verlagsgesellschaft

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„Ach du aufgeblasener … Fahrradaufstellstreifen“

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März 152010
 

04032010013.jpg

Was ihr da seht, das nannte man früher einen aufgeblasenen Fahrradaufstellstreifen! Hättet ihr’s gewusst?  Dieser hier ist in Düsseldorf zu sehen. In Berlin-Mitte gibt es sie recht prominent etwa an der Einmündung der Oranienburger Straße in die Friedrichstraße. Probiert es mal aus, fahrt mit euren Fahrrädern hin!

Fahrradfreundliche Straßen: Planungsbeispiele Südliche Friedrichstadt in Berlin

Am kommemden Mittwoch, 17.03.2010, 17 Uhr tagt das nächste Mal der bezirkliche FahrRat Friedrichshain-Kreuzberg! Alle Sitzungen sind öffentlich, es lohnt sich, dieses Gremium durch eure Anwesenheit zu beehren! Wo? Rathaus Kreuzberg, Yorckstraße 4-11, Raum 2051. Da geh ich selbst natürlich auch hin!

Noch einmal schaue ich in meine Notizen von der letzten Sitzung! Ich ziehe folgende Bilanz:

Recht weit war das verkehrspolitische Denken schon in unserem Bezirk vor 23 Jahren. Wolfram Däumel vom ADFC hielt bei der letzten Sitzung des bezirklichen FahrRats Friedrichshain-Kreuzberg eine sehr ansprechende Präsentation über die Probleme der Ost-West-Querung in der Südlichen Friedrichstadt, wie sie 1987 in einer von ihm und anderen Autoren verfassten Broschüre zur Internationalen Bauausstellung (IBA) aufgearbeitet worden waren. 

In seinem Vortrag stellte Däumel Damals-Heute-Vergleiche an, die er durch aktuelle Fotos untermauerte. Daran schlossen sich kurze Besprechungen einzelner Punkte an.

Die 1987 erarbeitete Broschüre ist heute im Internet abrufbar unter der Adresse:

http://www.däumel.de/WD/Radverkehr/IBA87/

 Allgemeine Themen, die damals, 1987, schon in der Luft lagen:

1.       Radwege auf Bürgersteigen?  Können eine Verschlechterung der Situation des Radverkehrs bedeuten. Denn es kommt häufig zu Konflikten zwischen Radfahrern und den Fußgängern. Bürgersteigradwege stellten also bereits 1987  – selbst wenn sie zu Fahrradrouten gehören – nicht grundsätzlich eine Verbesserung dar.

2.      Sinnvolle Fahrradrouten ermöglichen den Radfahrenden das Durchfahren längerer Strecken auch ohne besondere Ortskenntnisse. Mit ihrem deutlich erkennbaren Leitsystem sind sie ein wichtiger Bestandteil der Fahrrad-Infrastruktur.

3.     Wichtige Kriterien guter Radverkehrsführung: Einbeziehung ruhigerer Nebenstraßen, Wegweisung für Radfahrer, auf Hauptverkehrsstraßen Radfahrstreifen von 2 m Breite.

4.      Bereits damals (1987) wurden wichtige Neuerungen und Verbesserungen gefordert und erklärt: Radfahrstreifen, vorgezogene Aufstellflächen (damals: „aufgeblasener Fahrradaufstellstreifen“ genannt), Abstellbügel (die heutigen „Kreuzberger Bügel“), die „Fahrradstraße“.

U11032010001.jpg Und das hier sind vorbildliche Anlehnbügel … gesehen vor der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin-Mitte. Ein Vorbild auch für die Konrad-Adenauer Stiftung, die Friedrich-Naumann-Stiftung, die Hanns-Seidel-Stiftung, die Friedrich-Ebert-Stiftung und die Rosa-Luxemburg-Stiftung? Haltet euch ran! Lehnt euch daran an!

 

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Feb. 252010
 

„Geprüft wurden: Schaltung, Lager, Bremsen, Speichenspannung, Schrauben (ggf. nachziehen), Beleuchtung, Rahmen (Sichtprüfung), Luftdruck, Funktionsprüfung Federelemente“.

Das war der Prüfumfang. Gestern holte ich mein 2 Monate altes Kraft-Fahrzeug VSF T300 8 Gg SH FL  von der kostenlosen „Erstinspektion“ ab. Es ist doch immer schön, wenn man sein Fahrzeug aus der Werkstatt zurückerhält. Und siehe da – ich traute meinen Augen nicht: Es war sogar geputzt worden. Ein kleiner Plausch am Annahmeschalter, o nein: das heißt heute: „Dialogannahme“, schloss diese angenehme Erfahrung in Kreuzbergs Bergmannstraße ab.

Dazu passt auch die taz-Meldung, dass Läden, „die ihre Kundschaft beraten“, den Umsatz um 10% steigern konnten. Andere offenbar nicht. Wir lernen: Die Beratungsqualität macht’s. Gerade in einer so reichen Gesellschaft wie der unseren erwarten die Kunden auch menschliche Zuwendung und fachliche Unterstützung, wenn’s um das eigene Kraft-Fahrzeug geht. Immerhin steckt man jede Menge Kraft hinein. Eigene Muskelkraft, die beste und teuerste!

Wenn die Zahlen stimmen, müsste jedes neue Fahrrad im Durchschnitt 1250.- Euro kosten. So teuer also?

Radfahren in Deutschland: Auf dem Weg zur Fahrradnation – taz.de
Fahrradgeschäfte haben Hochkonjunktur: Läden, die ihre Kundschaft intensiv beraten, konnten ihren Umsatz 2009 um 10 Prozent steigern. Über 4 Millionen neue Drahtesel für insgesamt 5 Milliarden Euro rollten auf die Straßen.

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Feb. 092010
 

Die ganze Republik redet sich in klirrender Kälte die Köpfe heiß, ob der Staat zur Erlangung hinterzogener Steuern Hehlerware aufkaufen darf. Da mag ein Blick in die druckfrische RadZeit Nr. 1/2010 für Nachdenklichkeit sorgen. Ein Radfahrer aus dem Berliner Bezirk Tiergarten, Hans-Christian S., berichtet darin, dass sein gestohlenes Rad auf einem Flohmarkt am Moritzplatz wiedergefunden wurde. „Wir wollten dem Händler keinen Schaden zufügen und haben es für 15 Euro gekauft.“

Das bedeutet: Der rechtmäßige Eigner hat sein gestohlenes Eigentum aus dem Besitz des Hehlers zurückgekauft.

„Es ist besser, Unrecht zu leiden, als Unrecht zu tun“, so sprach Sokrates in seiner Apologie, so sprach auch mein Opa, nachdem die ganze Familie von einem Tag auf den anderen in Schlesien von Haus und Hof vertrieben worden war. Diese Worte kamen mir in den Sinn, als ich das Interview mit Hans-Christian S. in der neuen Radzeit las.

Mir wurden auch schon mehrere Räder gestohlen. Ich sage dann trotz allen Ärgers: „Mögen die gestohlenen Räder den neuen Eigner zu einem gerechteren und glücklicheren Menschen machen.“ Und ich erstatte Anzeige. Und ich habe meine beiden neuesten Fahrräder mittlerweile versichert. Ein gutes, sicheres und bequemes Fahrrad hat seinen Preis!

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Mach den Stimmungstest in der U-Bahn!

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Feb. 032010
 

Heute war einer der ganz wenigen Tage, an denen ich witterungsbedingt U-Bahn statt Fahrrad fuhr. Es lag zuviel frischer Schnee, und ich musste beruflich bedingt ete-petete auftreten. Ich sah mir die Gesichter der U-Bahnfahrenden an. Versuchte, eine Stimmung herauszulesen. Mir geht es jedenfalls so, dass ich nach dem Radfahren fröhlicher als nach dem U-Bahnfahren bin. Geht es anderen ebenso? Die Morgenpost berichtet heute:

Verkehrszählung – Mehr Radler als Autos in der Kastanienallee – Berlin Aktuell – Berliner Morgenpost
Der Fahrradboom in Berlin ist ungebrochen. Zählungen an acht Orten der Stadt im vergangenen Jahr haben im Vergleich zu 2008 eine Zunahme des Radverkehrs um sechs Prozent ergeben. Das teilte die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung mit. Der Trend halte seit 15 Jahren an, sagte Verkehrsstaatssekretärin Maria Krautzberger.
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An den Zählpunkten in Mitte und Kreuzberg hat die Zahl der vorbeifahrenden Radfahrer sogar um 15 bis 20 Prozent zugenommen. In Kreuzberg Zossener Straße/Blücherstraße wurden in der Zählzeit von 7 bis 19 Uhr rund 7650 und in Mitte Karl-Liebknecht-Straße/Spandauer Straße sogar rund 12.300 Radfahrer gezählt.

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Povero Gianfranco, oder: „Hände runter oder Geld!“

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Feb. 012010
 

In Mailand wurde aus Umweltschutzgründen am Sonntag ein komplettes Fahrverbot für Autos verhängt.  Aber genug zu tun gab es für die Verkehrspolizei dennoch: Einem Radfahrer namens Gianfranco Giardina wurden 23 Euro abgenommen, denn er war 300 Meter freihändig gefahren! Begründung: „Es war mir zu kalt!“Also: „Hände runter – oder Geld her!“

Blocco del traffico? Multato un ciclista – Milano
Il blocco del traffico a Milano porta con sè anche le inevitabili contravvenzioni. Una di queste, però, non è andata a un’auto, bensì ad un ciclista. Protagonista della vicenda è Gianfranco Giardina, un giornalista milanese che percorreva via Gallarate in bicicletta e si è visto affibbiare una contravvenzione per «guida senza mani»: «La strada era completamente deserta e ho tenuto le mani in tasca per un tratto di circa 300 metri perchè avevo freddo» ha raccontato. Fermato dalla polizia stradale, Giardina si è visto comminare 23 euro di multa.

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Freiheit der Wahl: Lieber Rad als Bahn

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Jan. 272010
 

Die Freiheit der Wahl, das ist es. Die freie Wahl des Verkehrsträgers zum Beispiel ist mir wichtig. Rad oder Bahn? Taxi oder Bus? Schwere Frage, aber ich wähle in Berlin in aller Regel das Fahrrad. Das geht schnell, ist bequem und man tut etwas für den Spaß und die Gesundheit. Gestern hingegen nutzte ich die neuen, eleganten U-Bahnen in München. Sanft schnurrend, sauber, pünktlich. Vorbildlich. Wie ich nach München und am Abend wieder zurück nach Berlin gelangte? Weder mit der Bahn noch mit dem Rad, sondern mit dem Flugzeug. Das geht schnell, ist bequem, und man stellt unter Beweis, dass man kein besessener Öko-Fuzzi ist.

Heute fällt mein Auge auf folgende Meldung:

Verkehrsprognose – Berliner fahren künftig lieber Rad als Bahn – Berlin Aktuell – Berliner Morgenpost
Berliner fahren künftig lieber Rad als Bahn
Mittwoch, 27. Januar 2010 10:02

Das Fahrrad ist das Verkehrsmittel der Zukunft in Berlin, das sagen Verkehrsexperten voraus. Die öffentlichen Verkehrsmittel verlieren hingegen an Bedeutung, auch ohne Fortdauern der S-Bahnkrise. Autofahren wird teurer, und wer sein Auto stehen lässt will, muss dafür immer häufiger tief in die Tasche greifen.

Die Berliner fahren künftig immer mehr Strecken mit dem Fahrrad. Das geht aus der ersten „Gesamtverkehrsprognose 2025“ für Berlin und Brandenburg für die kommenden 15 Jahre hervor. Die Experten erwarten, dass das Verkehrsaufkommen in der Stadt insgesamt sinkt, da im Berlin des Jahres 2025 wesentlich mehr Rentner leben werden, die nicht zur Arbeit fahren müssen. Die Länge der Autofahrten nimmt ab von durchschnittlich 11,9 auf 11,4. Dafür werden die Berliner im Jahr 2025 rund 700.000 Fahrten täglich mit dem Fahrrad erledigen. Derzeit sind es rund 500.000.

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Jan. 142010
 

Unter das herrlich doppeldeutige Motto Umdenken werde ich meine Bewerbungsrede am Samstag stellen. Denket um, das ist ja das große Leitwort Johannes‘ des Täufers, meines Namenspatrons.

Schon einige Wochen habe ich aus keiner Rede des Bundespräsidenten mehr zitiert. Aber genau jetzt hat er wieder eine Rede gehalten, die ausgezeichnet zu einem Schwerpunkt meiner Bewerbung passt: zur Umgestaltung des städtischen Raumes. Ich werde fordern, dass Friedrichshain-Kreuzberg zu einem Fahrrad-Modellbezirk entwickelt wird. Johannes der Täufer hätte das zwar abgelehnt. Das Fahrrad wäre ihm als Luxus erschienen. Er ging stets zu Fuß. Aber wir brauchen weiterhin eine hochwertige, flexible und effiziente Mobilität in den Städten. Busse, Taxis und Bahnen allein werden das nicht sichern können. Auch das Fahrrad muss hinzukommen. Und ab und zu ein knallrotes Automobil;-)

Ausgerechnet bei einer Veranstaltung des ADAC fordert er das Umdenken in der Verkehrspolitik – weg vom Auto, hin zu umweltgerechterer Mobilität. Der Bundespräsident beklagt, dass 80% der Arbeitnehmer mit dem Auto zur Arbeit fahren.

Eigentlich würde so eine Rede besser zum ADFC passen, aber eine solche Rede beim ADFC zu halten, hieße ja, den Fischen Wasser predigen.

ADFC-Leser sollten also die folgende Rede nicht lesen, ADAC-Leser schon.

www.bundespraesident.de: Der Bundespräsident / Grußwort von Bundespräsident Horst Köhler bei der ADAC-Preisverleihung „Gelber Engel“ 2010
Unser Planet würde es gar nicht aushalten, wenn die Menschen überall auf der Welt so viel im Auto durch die Gegend fahren würden, wie wir das hier bei uns tun. Dann bräuchten wir schon jetzt mehr als eine Erde. Um in Zukunft mobil zu bleiben – und auch, um die Mobilität von Menschen in ärmeren Ländern zu verbessern – müssen wir umdenken. Und zwar grundlegend.

Einfach ist das nicht. Veränderungen fallen den Menschen erstmal schwer. Wir halten gerne an lieb gewonnenen Gewohnheiten fest. Und trotzdem verändern wir uns fortwährend. Denken Sie ein halbes Jahrhundert zurück. Damals konnten vielerorts die Kinder noch auf der Straße spielen. Heute können sie es meist nicht mal mehr auf dem Bürgersteig – zu gefährlich.

Wir haben allmählich hingenommen, wie sehr wir im Straßenverkehr auf unsere Kinder aufpassen müssen und dass Autoabgase unsere Umwelt belasten. Wir haben unsere Freiheit eingeschränkt, um die Freiheit zu gewinnen, spontan mit dem Auto losfahren zu können, wohin wir möchten.

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Wie sehen uns die anderen?

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Dez. 302009
 

28122009.jpg Einen kühnen, weitschweifenden Blick auf die Weltstädte dieser Erde wirft David Byrne in seinem Buch „Bicycle Diaries“.  Und zwar tut er dies vom Sattel des Fahrrades aus. Umwerfend! Er entfaltet am Radfahren eine bestimmte Weltsicht, ein geduldiges Sich-Einlassen auf das Gegenüber. Und ein Gefühl der Freiheit:

That same sense of liberation I experienced in New York recurred as I pedaled around many of the world’s principal cities. I felt more connected to the life on the streets than I would have inside a car or in some form of public transport: I could stop whenever I wanted to; it was often (very often) faster than a car or taxi for getting from point A to point B; and I didn’t have to follow any set route. The same exhilaration, as the air and street life whizzed by, happened again in each town. It was, for me, addictive.

Unsere Fahrradstadt Berlin kommt auch vor, von Seite 42 bis Seite 76. Und ich halte das, was Byrne auf diesen 34 Seiten über Berlin schreibt, für sehr erhellend. So sehen uns also die anderen. Hier: ein Amerikaner.

David Byrne: Bicycle Diaries. Faber and Faber, London 2009. 302 Seiten. 17,50 Euro

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Der Fehl Gottes

 Einzigartigkeiten, Fahrrad, Hölderlin, Islam, Religionen, Weihnacht  Kommentare deaktiviert für Der Fehl Gottes
Dez. 252009
 

Gute, packende Predigt des Kaplans Eric Godet heute im Weihachtsgottesdienst! Er erzählt, wie er verlacht wurde, als er in der Kindheit nach der „Definition Gottes in der Bibel“ fragte. Er stellt heute klar: Die Bibel erzählt nicht vom Gottesbild. Sie erzählt vom Menschen. Godet verweist zurecht auf das II. Nikänische Konzil von 787, wo die Nicht-Bildlichkeit Gottes noch einmal bekräftigt wurde! Gott lässt sich allenfalls als Umriss nachzeichnen, als etwas Fehlendes, als etwas Ausgespartes. Ich führe fort: Der fehlende Gott also, der „Fehl Gottes“ – so drückt es Hölderlin aus, so hat es Heidegger später wieder aufgegriffen. Dieser „Fehl Gottes“, das ist Kernbestand der christlichen Botschaft! Und dieser Fehl Gottes wird ausgeglichen in der Erfahrung der Gemeinde, in der Erfahrung des Du, in der Erfahrung des Kindes. So weit führt mich heute die Weihnachtsbotschaft.

Schaut man sich in den Kirchen um, wird man nur in ganz seltenen Fällen ein Bild Gottes finden. Die Nichtdarstellbarkeit Gottes verbindet Judentum, Christentum, Islam. Das Bild Gottes wird für Christen bestenfalls zugänglich im Menschen. Im kleinsten wie im größten, im neugeborenen ebenso wie im alten, schwachen, kranken und sterbenden Menschen. „Wie schaut euer Gott aus?“, so fragte ich einen Moslem nach einer Diskussion im Kreuzberger Glashaus (wir berichteten in diesem Blog am 05.07.2009). Er antwortete: „Er hat bei uns 99 Namen.“ Aha! Ich denke: 99 Namen – das heißt doch wohl, dass er ebensogut auch 999 Namen haben könnte. Auch im Islam ist Gott der schlechthin Jenseitige, der sich nicht fassen und fangen lässt.

Ansonsten gab es ersten Ärger mit dem neuen Fahrrad. „Warum fährst du so schnell, ich komme nicht mit!“, ruft Wanja aus.  Dabei hatte er mit mir bereits die ADFC-Kreisfahrt 2009 komplett mitbestritten – ohne die geringste Klage! Er ist ein guter Radfahrer! Ich erkenne: Das neue Fahrrad ist sehr schnell, mit sehr geringem Krauftaufwand beschleunigt es auf die zulässige Höchstgeschwindigkeit. Das geht auch jedem so, der erstmals in einen BMW steigt. Ein kleiner Tritt in das Pedal – und man zischt ab. Subjektiv erlebt man die Geschwindigkeit ganz anders. Man meint zu schaukeln oder zu schleichen und hat schon die Stoßstange des Vorausfahrenden auf der Nase.

Fazit: Mein ständiges Predigen von „Rücksicht und Vorsicht im Straßenverkehr“  werde ich mit dem neuen Fahrrad erst noch unter Beweis stellen müssen. Die Kinder mahnen mich.

 Posted by at 21:35
Dez. 192009
 

19122009001.jpg … so fasse ich die ersten Fahrtberichte mit dem neuen Produkt der vsf-Fahrradmanufaktur zusammen, das ich gestern bei einem der Fachhändler in der Bergmannstraße kaufte. So wie Peter Schlemihl einfach in sein Seckel griff, um weitere Golddukaten hervorzuziehen, so genügt ein lässiger Tritt in die Pedale, um das VSF T300 auch auf holprigem Grund mühelos voranzutreiben. Die Ausbeute jedes einzelnen Kilojoule an eingesetzter Muskelenergie übertrifft alles, was ich bisher im Bereich Stadträder ausprobieren durfte. Ein wichtiges Signal zum Thema Klimaschutz nach dem Scheitern der Kopenhagener Konferenz!

Bei dem gestern und heute herrschenden starken Frost hielt das VSF T300 jederzeit sicher die Spur, auch auf eisigem Grund und starkem Splittbelag. Das Drehmoment entfaltete sich gerade im unteren Drehzahlbereich mit überzeugender Gleichmäßigkeit, das Umschalten erfolgt ohne Ruckeln und Holpern. Den Volllastbereich konnten wir gestern und heute nicht austesten, da zu viele schleichende Motorfahrzeuge ein rasches Vorwärtskommen behinderten.

Die Anmutung des Rades wurde in ersten Stellungnahmen aus der designkundigen Damenwelt als „edel, klassisches Understatement, bestens geeignet für Anlässe auch auf hoher und höchster Ebene“ bezeichnet. Motto: „Man zeigt, was man sich leisten könnte, aber man lässt es nicht heraushängen.“ Das VSF T300 8 Gg SH FL ebony DIA RH 62 empfiehlt sich durch strenge, reduktionistische Linienführung für den coolen Kreuzberger Oberschichtler, dem der BMW Z3 und der Saab turbo billiger Kokolores für testosterongeplagte Jungmänner sind, der aber andererseits dem Zeitgeist, der heute in Gestalt unregelmäßiger, wuchtiger Rahmenarchitektur daherkommt, keinen modischen Tribut zollen möchte.

Die mitgelieferte Dokumentation in der edlen schwarzen Mappe enthält eine hinreichend ausführliche, 32-seitige Bedienungsanleitung, technische Unterlagen sowie ein Service-Scheckheft. Die Wartungsintervalle sind mit „alle 2000 km bzw. einmal jährlich im Winter“ recht großzügig. Für einen hohen Wiederverkaufswert – etwa am Berliner Mauerpark – leistet ein sorgfältig geführtes Service-Scheckheft mit dem lückenlosen Nachweis aller Wartungsarbeiten sicher beste Dienste.

Ärgerlich stieß dem Neubesitzer des VSF T300  jedoch folgender Satz auf S. 12 der Bedienungsanleitung auf: „Laut Straßenverkehrsordnung sind Sie verpflichtet, Radwege zu benutzen, sofern sich diese in einem zumutbaren Zustand befinden.“ Ein offenbar unausrottbares Vorurteil, das leider immer wieder zu unschönen Szenen zwischen motorisierten Dränglern und radfahrenden Klimaschützern führt! Seit 1997 besteht keine allgemeine Radwegebenutzungspflicht mehr. In Berlin etwa sind die allermeisten Radwege nicht mehr benutzungspflichtig.

Die Beratung beim Fachhändler war fachlich einwandfrei, freundlich, die Servicequalität überzeugte in vollem Umfang. Da mir gestern zwischen 2 Terminen nur wenig Zeit blieb, gab letztlich das hohe Maß an subjektiv empfundenem Vertrauen sowie das positive Votum meiner persönlichen Beraterin den Ausschlag bei meiner raschen Kaufentscheidung.

Besonders gut finde ich: Der gesamte Kaufvorgang ähnelt dem Kauf eines anderen „langlebigen, hochwertigen Gebrauchsgutes“, wie etwa eines Autos. Dinge wie das „Service-Scheckheft“ oder das mitgelieferte Dokumententäschchen erinnern mich an die Kauferfahrungen beim Kauf eines neuen PKW. Und gerade in diese Kauferfahrung gilt es auch in der Fahrradbranche vorzustoßen.

Der Radfahrer ist ein Fahrzeug-Kunde wie jeder andere. Er möchte zunehmend ein Produkt mit hoher Wertigkeit, nachhaltigem Marktwert und hohem Image-Faktor. Vertrauen, Zuverlässigkeit und persönliche Beratung werden bei Wahl und Anschaffung des neuen Fahrzeugs in Zukunft eine immer größere Rolle spielen.

Unser Foto zeigt das VSF T300 8 Gg SH ebony DIA RH 62 heute sicher angeschlossen an einen der berühmten „Kreuzberger Bügel“ vor dem Rathaus Kreuzberg in der Yorckstraße. Der erste Großeinkauf konnte problemlos bewältigt werden.

Seriennummer: PK 112849

Schloss: Bügelschloss Abus Granit Futura 64/180HB300 TexKF

Temperatur: -10 Grad.

Kartoffeln: Speisekartoffeln festkochend, von NP Ecke Großbeerenstraße , 5kg

Tragetasche: Modell IKEA, hochreißfest

19122009002.jpg

 Posted by at 22:07
Dez. 182009
 

Recht traurig war ich gestern: Mein schönes Fahrrad wurde mir gestohlen, als ich es an der Schützenstraße ordnungsgemäß abgestellt hatte. Genau durch dieses Rad habe ich den endgültigen Übergang zum Fahrrad als Hauptverkehrsmittel geschafft. Weg vom Auto, weg von der BVG. Es hat mich zu einem freieren, gesünderen, entspannteren, glücklicheren Menschen gemacht. Es hat mich zu unendlich vielen kleinen Begegnungen und Gesprächen geführt.

„Das findest du am Wochende am Mauerpark wieder – du kannst es kaufen“, vertraut mir ein italienischer Freund an. Er lebt seit sechs Monaten in Berlin, aber dass die Stadt gegen die Fahrraddiebstähle fast machtlos ist, weiß er schon.

Hier noch ein paar Details: Das Rad hat den Typ Citirad Arcadia TS. 08, Rahmennummer D184174. Neu gekauft am 30. Mai 2006 in Kreuzberg. Kaufpreis 499.-

Das Bild oben zeigt dieses Fahrrad.

Vor zwei Wochen habe ich eine schöne neue LED-Beleuchtung für 91.- Euro montiert. Dadurch hatte es Standlicht vorne und hinten. Sicherheitsmängel hat das Rad keine, zumal ich etwa den Kaufpreis in Instandhaltung und Aufwertung investiert habe.

Bin ich böse? Nein. Ich war traurig. Ich denke jetzt an all die Freude, die mir das Rad geschenkt hat.

Möge dieses gestohlene Fahrrad auch den neuen Besitzer zu einem gesünderen, klügeren, ehrlicheren und glücklicheren Menschen machen!

 Posted by at 23:38