Gepriesen sei der unerschöpfliche Vorrat türkischer Sprichwörter! Mit kaum jemand unterhalte ich mich so gern wie mit den Kreuzberger Türken — oder Türk-Innen, wie ich korrekterweise und hässlicherweise sagen müsste. Fast immer springt eine verbindende Einsicht in Form einer Volksweisheit heraus.
„Unter den Füßen der Mütter ist das Paradies!“ Das erfuhr ich gestern. DARÜBER kann man aber lange nachdenken. Und das ist ja auch der Sinn der Sprichwörter.
Mit kraftvollem, fast gestoßenem, fast gehauenem Pinselstrich bannte uns heute der türkische Maler Erdogan Zümrütoglu in der Kreuzberger Galerie Tammen&Partner.
Bei trüb verhangenem Hochnebel schlug er uns die Fenster zu seiner plastisch quellenden Malweise auf. Seine Käfige sind nie geschlossen, der Blick bahnt sich den Weg ins Freie, die Malfläche wächst in die dritte Dimension hinein.
Sprich mit Verbrechern, sprich mit Psychiatern, sprich mit Polizisten, sprich mit Soziologen, sprich mit Lehrern! Bei den meisten Schwierigkeiten mit Sucht, Bildungsversagen, Schulabbruch, Lernverweigerung, Krankheit, Kriminalität und Arbeitslosigkeit wirst du in der Ursachengeschichte einen abwesenden, schwachen, prügelnden oder versagenden Vater finden!
Die kulturelle Entmachtung des Vaterbildes ist weiter in vollem Gange. Es ist ein historischer Vorgang ungeheuren Ausmaßes, dessen Zeugen wir seit etwa 1980 werden. Soeben lese ich den Roman „In Zeiten des abnehmenden Lichts“ von Eugen Ruge. Da ist er wieder, der Vater, wie er seit 1980 wieder und wieder beschrieben wird: dement, inkontinent, hilflos, ein Gegenstand des Mitgefühls und des Mitleids für den Sohn. Lies:
– Mach auf, rief Alexander.
Kurt kam näher, glotzte.
Mach auf!
Aber Kurt rührte sich nicht.
Alexander schloss auf, umarmte seinen Vater, obwohl ihm die Umarmung seit langem unangenehm ware. Kurt roch. Es war der Geruch des Alters. Er saß tief in den Zellen. Kurt roch auch gewaschen und zähnegeputzt.
Erkennst du mich, fragte Alexander.
Ja, sagte Kurt.
Eugen Ruge: In Zeiten des abnehmenden Lichts. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, September 2011, hier S. 8
An Stelle des versagenden Vaters rückt der mütterliche, der fürsorgliche, der alles-verzeihende, alles-besorgende Staat. Der Staat wird zur Übermutter, an den sich die von allen guten Vätern Verlassenen wenden dürfen.
Mutterschaft, StaatlichkeitKommentare deaktiviert für Kinder spielen und lärmen, die Mama-Staat räumt hinterher, oder: Ist Politik reine Familiensache?
Apr.262011
Ach, was haben wir doch für eine gute Mama-Staat, denke ich mir immer wieder. Die Kinder toben, sie lassen ihren Dreck fallen, sie lachen, spielen, trinken und essen, und dann gehen sie weiter.
Die Mama-Staat sieht’s, ist betrübt und sagt: O je! Und Mama-Staat räumt fleißig hinterher. „Dann müssen wir den Putzdienst halt drei Mal schicken!“
Wir haben hier in Kreuzberg mittlerweile Zustände, wo die Bürger gar nichts mehr tun oder lassen müssen. Der Staat nimmt alles gelassen hin, fegt, wischt und hört zu. Die Hauswände sind überall beschmiert. Der Kreuzberg ist nach jeder Benutzung durch die lustigen lachenden Menschen ein unaufgeräumtes Kinderzimmer. Lustig.
Die empathisch-fürsorgliche Mama-Staat tut, was sie (er) kann.
Sehr gute Thesen von Anjes Tjarks, berichtet heute in der WELT auf S. 8! Tjarks unterscheidet zwischen dem archaisch-urtümlichen Mama-Staat und dem fordernd-erziehenden Vater-Staat. Damit trifft er ins Schwarze. Und die Familienerfahrung ist prägend für das politische Weltbild.
Wir haben hier in Berlin mit Sicherheit eine Mama-Staat, geprägt durch ein Ideal der wabernd-hegend-einhüllenden Mutter. Und die Bürger lassen es sich gefallen!
„Wir bleiben alle! Wir bleiben alle bei Dir, Mama Staat!“ Und so kommt es, dass hier in Kreuzberg über Jahrzehnte hinweg dieselben Menschen im Hotel Mama bleiben und sich fürsorglich-empathisch versorgen lassen.
Als wir unseren Sohn von der staatlichen Grundschule auf die Privatschule ummeldeten, wurde uns ein Vertrag vorgelegt. Der Vertrag enthält Rechte und Pflichten der beiden Vertragsparteien. Auch wir Eltern gehen Verpflichtungen gegenüber der Schule ein. Das Prinzip „Leistung der Schule und Gegenleistung der Eltern“ halte ich für richtig.
Anders wird es an den staatlichen Schulen gehandhabt. Die Schulbildung ist ein Anspruch des Bürgers gegenüber dem Staat, der nicht von Gegenleistungen abhängt – außer dem unbestimmten Erziehungsauftrag des Grundgesetzes (GG §§ 6 und 7). Der Staat muss die Kinder nehmen, „wie sie kommen“. So kann er beispielsweise nicht verlangen, dass die Kinder mit Frühstück ins Klassenzimmer kommen, dass sie mindestens einfaches Deutsch können, dass sie laufen, stillsitzen und aufmerken können, dass sie eine Schere benutzen oder den Schuh binden oder ein Lied singen können.
Dennoch unterstütze ich die Anregungen der Abgeordneten Felicitas Teschendorf und Mieke Senftleben, von denen der Tagesspiegel berichtet: Die Eltern sollen eine Art vertragliche Vereinbarung mit der Schulgemeinschaft eingehen – ähnlich dem Unterrichtsvertrag, den die Eltern mit der Privatschule eingehen.
Dabei sollte man uns Eltern die Erledigung gewisser Pflichten abverlangen – z.B. die Versorgung der Kinder mit warmen Mahlzeiten, die Anwesenheit der Eltern bei Elternabenden und bei Schulveranstaltungen.
Lustig und mittlerweile nur noch amüsant finde auch die reflexhaften Forderungen nach mehr Betreuung und Bemutterung, etwa erhoben durch den Abgeordneten Özcan Mutlu: Bei jedem Missstand wird sofort nach dem Staat und seinen tausenden von uns bezahlten Helferlein geschrieen, für alles muss der Staat MEHR PERSONAL bereitstellen.
Das musss man allmählich durchschauen lernen: Immer und bei jedem Anlass wird dem Staat der Schwarze Peter zugeschoben, der für die armen „Benachteiligten“ unbegrenzt in die Haftung genommen wird. Den Kindern gefällt’s.
Na, DEN würd ich aber gern mal in die Türkei in die Grundschule schicken!
Debatte um Ursula Sarrazin: Schulexperten verlangen mehr Einsatz von Eltern – Schule – Berlin – Tagesspiegel
Auch die Liberale Mieke Senftleben und SPD-Bildungsexpertin Felicitas Tesch wollen Eltern verstärkt in die Pflicht nehmen, diese dabei aber nicht von oben herab tadeln. Etliche Schulen legen zwar schon jetzt Eltern und Schülern ein Papier mit Regeln vor, dass sie unterschreiben müssen. Darin sagen diese zu, einen respektvollen Umgang zu beachten und zu fördern. Mieke Senftleben erwägt nun aber einen Vertrag, der Eltern zu mehr verpflichtet vom Zubereiten des Schulfrühstücks bis zu Pädagogikhilfen. Senftleben: Wir müssen ehrlich sagen, dass Schulen nicht alles leisten können.
Die Schulen könnten aber zumindest noch besser arbeiten, wenn sie mehr Personal hätten, sagt Özcan Mutlu von den Grünen.
La famiglia cristiana– dieses erbauliche Familienblatt der italienischen Bischöfe sah ich während meiner 3 italienischen Gastarbeiterjahre immer wieder an den Schriftenständen katholischer Kirchen stehen. Ich griff nie dazu. „Die christliche Familie“ – das klang mir etwas altbacken und muffig. Zu unrecht. Viele meiner italienischen Freunde rümpften wie ich ebenfalls die Nase bei der Wendung „La famiglia cristiana“. Zu unrecht, wie ein Blick auf den Internetauftritt des Blattes sofort belegt. Familie und Christentum scheinen unverbrüchlich zusammenzupassen wie Schloss und Riegel, wie Wald und Wiese, Kind und Kegel.
Eine bohrende Frage drängt sich dennoch auf: Ist das Christentum ursprünglich wirklich die Religion der Familie?
Hans Conrad Zander stellte in einem Hörfunkgespräch am Fest der Hl. Familie zu recht heraus, dass das Christentum, im Gegensatz etwa zum Judentum oder dem Islam, gerade nicht die Familienreligion schlechthin ist.
Deutschlandradio Kultur – Thema – Jesus, der überzeugte Single
Kassel: Wie weit ist denn das gegangen? Im Untertitel nennen Sie Ihr Buch ja tatsächlich auch „Jesus, der Familienfeind“. Hatte er nur Probleme mit seiner eigenen Familie, oder war er wirklich so, wie Sie das herauslesen aus der Bibel, ein Gegner der ganzen Institution Familie?
Zander: Er hat auf die Familienbindungen seiner Jünger nicht die geringste Rücksicht genommen und das in einer Weise, die überaus schockierend war für seine Zeit. Da ist ein Jünger, der ihm nachfolgen will, der ihm aber sagt: Mein Vater ist gerade gestorben, ich möchte meinen Vater begraben. Und bedenken Sie, das ist nicht, wie wenn heute ein junger Deutscher seinen Vater rasch einäschert, das war fürs jüdische Empfinden die wichtigste Verpflichtung gegenüber den Eltern, dass er ihn begräbt. Und Jesus sagt voller Verachtung: „Lass die Toten die Toten begraben.“
Ich selbst sprach öfters mit christlichen Ordensleuten, die selbstverständlich bei jeder, auch bei wichtigen Familienfeiern zuerst die Erlaubnis der Oberen einholen mussten, ehe sie ihre Herkunftsfamilie besuchen und mit ihr feiern durften.
Zanders Belege sind mächtig – und wenn dem Christentum der Titel Familienreligion aberkannt werden muss, welcher Titel ist es dann, der ihm eher zukommt?
Ich sehe das so: Das Christentum ist wohl eher die Religion des Kindes als die der Familie, mehr die Religion des Nächsten als des Fernsten, mehr die Religion der freien Entscheidung als der Institutionen, mehr die Religion der Gemeinde als der Familie. Gemeinde ist fast noch wichtiger als Familie, die freie Entscheidung des Individuums ist wichtiger als die Institutionen. Freie Entscheidung wird geboten, nicht Unterwerfung. Das Wohlergehen des Kindes ist wichtiger als der Zusammenhalt der Familie.
Familie ist gut und gerechtfertigt, weil und solange sie auf unvergleichliche, unübertroffene Weise dem Wohl des Kindes dienen kann. Institutionen sind wichtig, weil und solange sie dem lernenden, wachsenden Individuum ermöglichen, freie Entscheidungen zu treffen – dies gilt etwa für die Schule.
Institutionen „dienen“ dem Einzelnen. Die Familie mit Vater und Mutter „dient“ dem Kinde. Die Einrichtungen der bürgerlichen Gesellschaft haben „stützende“, nicht aber letztbegründende Aufgaben, wie dies etwa der Soziologe Arnold Gehlen sagte.
Woher kommt aber nun der überragende Siegeszug der Familie? Hierzu meine ich: Die Familie ist das stabilste Modell für das Aufwachsen von Kindern. Es gibt nur sehr wenige Gesellschaftsmodelle, die wirklich die frühe Herauslösung der Kinder aus den Familien verlangen und verkünden. Dazu gehört die staatliche Kleinkind-Erziehung im antiken Sparta und in der Utopie Platons, die osmanische Knabenlese, der Lebensborn der NS-Ordensburgen. Keines dieser Beispiel ist erstrebenswert. Im Gegenteil. Sie sind abschreckend.
Das teure gesellschaftspolitische Ziel eines möglichst flächendeckend vorgehaltenen staatlichen Kleinstkindbetreuungsangebotes für möglichst viele, möglichst immer jüngere und immer kleinere und kleinste Kinder muss hinterfragt werden. Unsere Kommunen ächzen jetzt schon unter drohender Zahlungs- und Handlungsunfähigkeit, muss ihnen dann noch die Last der Kleinstkinderziehung aufgebürdet werden?
Uneingeschränkt befürworten würde ich aber den Grundgedanken einer weitgehenden Zusammenarbeit der Familien und der staatlichen Institutionen. Die Familien und die Schulen sollten viel enger ineinandergreifen, gerade hier in Berlin. Stets unter der einen großen Leitfrage:
Was dient dem Kind? Wie werden die Kinder, unsere geliebten „Zwerge“, zu selbstbewussten, fröhlichen, klugen und glücksfähigen Erwachsenen? Die Familie hat dabei sicherlich nicht ausgedient. Sie bedarf im Gegenteil heute mehr denn früher der Stärkung und der Festigung.
So meine ich, dass die grundlegende Erziehung, das Erlernen der Landessprache, die Einübung von grundlegenden Verhaltensmustern, Erziehung zu Respekt, liebevollem Umgang, das Erlernen von Gehen, Sitzen, Laufen, Springen und Singen weiterhin im Wesentlichen eine Aufgabe der Familien ist und bleiben sollte.
Je älter das Kind wird, desto mehr treten andere, stützende Einrichtungen oder besser „Gemeinden“ hinzu. Familie ist nichts Starres, sie öffnet sich zum unmittelbaren Umfeld, tritt zu anderen Familien, zu anderen Institutionen in Kontakt.
Dazu sollte auch die Gesellschaftspolitik ihr Scherflein beisteuern. „Einbeziehen – nicht ausgliedern!“ lautet das Zauberwort.
Bild: Schlosspark Sanssouci, Potsdam, Blick auf das Chinesische Haus, heute
„Meine Mutter hat es auch ohne dieses Gesetz geschafft, zehn Kinder in Berlin einzugliedern und zu vernünftigen Mitbürgern zu machen.“ So schreibt Badr Mohammed auf S. 22 der Berliner taz vom 07.12.2010 (leider online nicht abrufbar). Freunde, Leute, Blogger: In allem, was Mohammed in seinem Beitrag schreibt, hat er recht, so finde ich. So schreibt er etwa: „Als Grundlage für Integration reichen das Grundgesetz und eine gute Erziehung völlig aus.“
Mutig, mutig, so etwas drucken zu lassen!
Aber ich unterschreibe jeden Satz und jeden Halbsatz, den Mohammed in diesem Artikel geschrieben hat.
Insbesondere hat er meines Erachtens als einer der ganz wenigen Berliner Politiker die zentrale Rolle der Familie, der Eltern im Leben der Kinder erkannt. Seine Mutter hat die Hauptverantwortung für das Schicksal ihrer zehn Kinder erkannt, angenommen und bewundernswert ausgefüllt.
Während für Kinder also die Familie die entscheidenden Weichenstellungen für oder gegen Integration vornimmt, ist es bei den Erwachsenen die Erwerbstätigkeit.
Mohammed schreibt: „Erwerbstätigkeit spielt eine zentrale Rolle: Sie verschafft neben eigenem Einkommen soziale Beziehungen, Anerkennung und Selbstwertgefühl. Aufseiten der Zuwanderer setzt Integration den Erwerb bestimmter Kenntnisse und Fähigkeiten sowie Motivation voraus. Zentral ist das Erlernen der Sprache. Das allein ist aber nicht genug. Dazu gehören Kenntnisse über Kultur und Geschichte des Aufnahmelandes, über Umgangsformen, Institutionen und Organisationsstrukturen, politische Werte und Verfassung.“
Donnerwetter, Herr Mohammed! Sie verlangen also Kenntnisse! Fähigkeiten! Motivation! Das würde ja bedeuten, dass es neben der Familie und der Erwerbstätigkeit auf die persönlichen Bemühungen des einzelnen ankommt. Das würde bedeuten, dass nicht die Politik an allem schuld ist, was schiefläuft!?
Nun, ich meine, auch hier hat Mohammed recht. Ich persönlich fasse übrigens die gutklingenden Wörter Kenntnisse, Fähigkeiten und Motivation mit dem altertümlich anmutenden Wörtlein TUGENDEN zusammen. Tugenden sind derartige individuell zu erlernende, zu übende Haltungen, die es dem einzelnen ermöglichen, ein gelingendes Leben zu führen, z.B. Lernwille, Fleiß, Achtsamkeit, Nächstenliebe, Verantwortung für sich und andere, Rechnen, Lesen, Schreiben, Singen, Turnen, Tanzen.
Von dieser Verantwortung für das gelingende Leben kann der Staat mit all seinen Gesetzen und seinen Integrationsmilliarden und Abermilliarden Euro die einzelnen nicht freistellen.
Mohammed hat recht.
Was verhindert Integration mehr als alles andere? Ich würde wagen zu behaupten:
1) Ein Rückgriff der Erwachsenen auf die Sozialhilfe. Denn Sozialhilfe als Dauerlösung verhindert Erwerbstätigkeit. Also brauchen wir dringend, so meine ich, eine Verringerung, Befristung, Abspeckung und Vereinfachung des gesamten Sozialhilfe-Wesens oder besser gesagt Sozialhilfe-Unwesens. Es müssen mehr und mehr Familien ihr Leben durch eigene Erwerbstätigkeit sichern. Je mehr die Familien ohne Staatshilfen ihr Leben bestreiten, desto besser! Idealerweise wäre keine Familie dauerhaft auf finanzielle Hilfe des Staates angewiesen.
2) Versagende Eltern, die die Erziehung der Kinder nicht wahrnehmen. Die Schulen werden die Defizite, mit denen die Kinder in den Unterricht kommen, stets nur zum Teil ausgleichen können.
3) Selbst-Diskriminierung und Fremd-Diskriminierung: „Du Migrant – ich Normal!“ Ich vertrete emphatisch das Einheits-Modell des Staatsbürgers. Jeder, der dauerhaft und nicht bloß vorübergehend (etwa als Tourist oder entsandter Arbeitnehmer) hier in Deutschland lebt, sollte sich als „ganz normaler“ deutscher Staatsbürger sehen.
„Alteingesessene“ und „neue“ Deutsche zusammen bilden die bürgerliche Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland, deren Leitkultur das Grundgesetz abbildet. Für diese Auffassung bin ich bereit überall einzutreten! Für diese Auffassung habe ich übrigens damals auch meinen Wehrdienst bei der Bundeswehr abgeleistet.
„Unsere Leitkultur ist das Grundgesetz“ – das hat übrigens nicht Mohammed gesagt, sondern Cem Özdemir.
Zustimmung des Bloggers an Sie, Herr Mohammed, Zustimmung des Bloggers auch an Sie, Herr Özdemir!
Egal, ob sie Ugur, Maximilian, Dilek, Kassem, Joachim oder Yachya heißen: es sind für mich alles Deutsche. Sie sind hier geboren, gehen hier zu Schule, sie werden aller Wahrscheinlichkeit nach hier bleiben.
Nichts ist wichtiger als guter Schlaf, damit die Kinder gedeihen. Das haben Psychologen immer wieder bestätigt. Babys und Kita-Kinder müssen ausreichend schlafen! Wenn Babys schreien, springen sorgende Mütter und Väter herbei, beruhigen sie, stellen die böse Lärmquelle ab.
Lärmschutz ist auch für die Bürger wichtig! Das Mütterliche in der Politik sorgt dafür, dass die Sorge der Kinder um den allezeit ruhigen Schlaf ernstgenommen und wertgeschätzt und gewürdigt wird. Wenn Bürger schreien, springen mütterlich sorgende Politikerinnen und Politiker herbei. Jeder Wunsch des Bürgers wird ernstgenommen! Wie gut! Wie mütterlich!
GUTE NACHT, liebe KINDLEIN!
Grüne Spitzenkandidatin: Künast stellt Flughafenplanung infrage – Landespolitik – Berlin – Tagesspiegel
Gefragt, ob Künast mit der von ihr geforderten Debatte nicht die gesamte Flughafenplanung infrage stelle, da sie ja bereits in der Vergangenheit gesagt habe, Lärmschutz gehe vor Wirtschaftlichkeit, antwortete die Grünen-Politikerin: Ja, natürlich. Die Frage des Ob des Flughafens ist nicht die Frage, sondern die Frage des Wie.
Schaut euch dieses schöne Bild an! Dies ist eine bundesweit als vorbildlich gerühmte Schule. Freundliche, helle Farben herrschen vor.
Runde, gewölbte Formen umschmeicheln die Kanten der Fenster. Es ist, als sollte alles Sperrige, Herrscherlich-Gebietende durch einen sanften, weiblichen Ton abgemildert werden.
Eine fröhliche Elefantenkuh lädt groß und klein zu fröhlichem Spiel ein. „Hier seid ihr alle willkommen, oh ihr niedlichen Menschen-Babys!“, scheint sie zu trompeten.
Die Schule zeigt sich schmeichelnd, einladend, freundlich, beruhigend, stillend. Sie tritt wie eine große Kuh auf. Die Verheißung ist: Bei mir geht es euch gut. Ihr bekommt zu essen und zu trinken – und hier seid ihr behütet.
Bis in die Architektursprache hinein präsentiert sich unser Staat heute gerne als hegend-mütterliche Gestalt.
Alma mater – die nährende Mutter bietet allen Zöglingen ihre stillende sanfte Brust an. Im Bild: Eine Schule in Neukölln. Dort wird der Schwur auf den allesversorgenden, gütigen Staat, den MUTTERSTAAT feierlich abgelegt und flugs gebaut.
Vor den verantwortlichen Frauen der Rütli-Schule hege ich allergrößte Hochachtung. Sie sind Vorbilder für alle Mädchen!
Wir haben starke Frauen in Berlin, in Deutschland! Sie sind Vorbilder, an die wir uns stets wenden können! Kaum gibt es irgend ein Problem, schreien die Kinder, also die Bürger, und die Politiker, die Sprachrohre und Trompetenrüssel der infantilisierten Bürger, sofort nach dem gütigen, dem mütterlichen Staat.
„Stadtteilmütter“ – dieses ebenfalls vielgerühmte Projekt setzt erneut ganz auf das Mütterliche! Die Väter werden buchstäblich abgeschrieben. Von ihnen wird offenbar nichts mehr erwartet.
Ich halte dieses Phänomen – also die Überlastung des Mütterlich-Weiblichen, die Entlastung des Väterlich-Autoritären – für eine der größten Fehlsteuerungen unserer Sozial- und Bildungspolitik überhaupt.
Es sind unsere JUNGS, die meist keinerlei Vorbilder erkennen können. In den Schulbüchern wimmelt es von weiblichen Allesversteherinnen. Die Jungen, denen ich begegne, sind meist komplett ausgehungert nach der Erfahrung echter männlicher Vorbilder. Das kann ein Direktor sein, ein Lehrer, der eigene Vater, ein Fußballtrainer. Auch die besten weiblichen Kräfte können das männliche Vorbild nicht ersetzen. Im Gegenteil. Der allzu mütterliche Staat verwöhnt die Jungen, sie fahren Schlitten mit ihm.
Der allzu mütterliche Staat verzieht die Jungen (nicht die Mädchen) zu Zügellosigkeit und Zuchtlosigkeit, zu Kriminalität und Faulheit. Redet mit den männlichen Kindern und Jugendlichen in unseren sogenannten Schwerpunktschulen – sie werden euch gleich zu Beginn eindecken mit einer langen Liste an unflätigen Ausdrücken, einer Suada an Wörtern, die sie schon kennen und beherrschen wie richtige Männer. Das beginnt schon bei Sechs- und Achtjährigen.
Damit üben sie, die 6-8-jährigen Kinder, sexistische verbale Gewalt über ihre Lehrerinnen und Mütter aus. Sie beweisen ihren schrankenlosen Männlichkeitswahn. Die Männer können sich alles herausnehmen, können sich alles leisten.
Ich erlebe und erlebte so viele Kinder, die ohne greifbaren Vater aufwachsen oder aufwuchsen. Alle hatten sie lebenslang daran zu tragen. Vor allem aber war und ist es für die Mütter eine fast nicht zu stemmende Belastung, die der Mutter-Kind-Beziehung sehr schadet und geschadet hat. Gerade unsere arabischen und türkischen Jungen (aber auch die deutschen) brauchen eigentlich deutliche männliche Vorbilder. Sie brauchen den Vater als grenzensetzende Autorität. Den Müttern und den Lehrerinnen tanzen sie sonst auf der Nase herum.
Das ist die Erfahrung, die viele Lehrerinnen machen.
Die Ahnung trog uns nicht: Ministerin Schröder hat in einigen ihrer Äußerungen so sehr ins Schwarze getroffen, dass Frau Schwarzer fast nichts anderes übrigblieb als zu beißen und um sich zu schlagen. Der Blogger hat mittlerweile das Interview im aktuellen SPIEGEL, Seite 54-58 gelesen.
Viele springen jetzt fuchsteufelswild umher, als hätte Kristina Köhler verlangt, der Staat solle Familie und Ehe schützen, oder gar, die staatliche Gemeinschaft solle Familie und Ehe unter ihren besonderen Schutz stellen. Das wäre in der Tat ein radikaler Dissens vom herrschenden Zeitgeist gewesen, das wäre für eine amtierende Familienpolitikerin sehr gefährlich gewesen. Das wäre geradezu tollkühn gewesen. Als hätte sie verlangt, man solle Ehe und Familie als tragende Stützen oder Keimzelle einer Gesellschaft anerkennnen!
Mädchen, Weiber, Frauen: Das tut sie doch gar nicht! Also braucht frau sich eigentlich über diese Meinungsäußerungen nicht so aufzuregen. Statt dessen sagt Kristina Schröder sehr „zustimmungsfähig“ auf die Frage, ob der Feminismus die Frauen unterm Strich glücklicher gemacht habe:
„Ich glaube, dass der frühe Feminismus teilweise übersehen hat, dass Partnerschaft und Kinder Glück spenden.“
Was regt ihr euch auf? Ist das nicht ganz lieb formuliert? Das ist doch genau die herrschende Grundhaltung: Jeder und jede soll vorrangig nach seinem oder ihrem Glück streben. Für manche gehören zum eigenen Lebensglück Partnerschaft und Kinder, für manche eben nicht. Der Staat soll dann die Mittel für jede einzelne, für jeden einzelnen bereitstellen, ein Maximum an privatem eigenen Glück zu erzielen.
Darum geht es. Der Staat dient nach Meinung der großen Mehrheit der Bevölkerung dazu, für privates Glück bei jedem einzelnen Menschen zu sorgen, vorrangig durch Leistungen, durch Geld, durch Ansprüche, die jeder einzelne gegen den Staat geltend machen kann.
Was Kristina Schröder über fehlende männliche Vorbilder sagt, über die Verweiblichung der gesamten Pädagogik, über das unzureichende Männlichkeitsbild, das unseren Jungen angeboten wird, über den nicht nur körperlichen, sondern auch psychischen, nicht nur kulturell erzeugten, sondern vermutlich auch genetisch verankerten Unterschied zwischen Jungen und Mädchen, findet meine volle Zustimmung.
Kristina Schröder hat DAS große Problem der Jungen zutreffend erkannt und benannt. Allerdings unterscheide ich mich von Ministerin Schröder insofern, als ich sage:
Jungen brauchen keine Jungenförderung, sondern sie brauchen Väter – oder mindestens väterliche Vorbilder, an denen sie sich orientieren, an denen sie sich abarbeiten, an denen sie reifen, gegen die sie rebellieren können!
Ich habe daraufhin etwa das schulische Lesebuch meines achtjährigen Sohnes durchgeschaut: Welches Familienbild, welches Männlichkeitsbild wird vermittelt? Die Antwort: Mädchen sind körperlich genauso stark wie Jungen, Mädchen können die Jungen sogar im Raufen besiegen. Jungen interessieren sich genauso sehr für Pferde, rosa Hüpfbänder und Puppen wie Mädchen sich für Kräne und Eisenbahnen interessieren. Eine Mutter mit grünen Haaren ist eine ganz normale Mutter.
Und: „Christian gehört nicht zu uns.“ Christian ist der Name eines Vaters, der sich von seiner Familie getrennt hat. Die Mutter untersagt Annika den vertrauten Umgang mit dem Vater mit genau diesem Satz: „Christian gehört nicht zu uns.“ Annika soll sich nach dem Willen der Mutter kein Bild vom Vater machen! Gefunden im 2007 erschienenen Lesebuch „Bausteine Lesebuch“ für Klasse 3, S. 21.
„Jungenförderung“ entspricht übrigens noch weitgehend dem vorherrschenden Steuerungsmodell der Politik: Die staatlichen Machthaber erkennen ein Defizit und bieten Mittel an, dieses Defizit, diese Benachteiligung zu beseitigen. So stellen beispielsweise Migranten eine benachteiligte Gruppe dar: der Staat hilft ihnen durch besondere Unterstützung. Die Jungen sind strukturell benachteiligt – der Staat gleicht aus. Die Frauen sind strukturell benachteiligt – der Staat hilft und gleicht aus. Man könnte auch sagen: Nationale Minderheiten, wie etwa muttersprachliche deutsche Kinder sind in Neuköllner Grundschulen strukturell benachteiligt, denn das gesamte Unterrichtsgeschehen wird auf die Bedürfnisse der migrantischen Kindermehrheit zugeschnitten.
Der Staat muss also etwas für die wenigen verbleibenden deutschen Kinder in Neuköllns Grundschulen tun, etwa durch Integrationsmaßnahmen für deutsche Kinder, Sonderförderung zum Erlernen des türkischen oder arabischen Akzents, kostenlose Besuche in Bräunungsstudios usw.
Ihr seht: Der Benachteiligungen ist kein Ende! Der Staat muss überall fördernd eingreifen!
Das könnte etwa für die Jungenförderung bedeuten: Vermehrte Einstellung von Männern als Lehrer oder Erzieher, Männer-Zuschlag für Männer, Vätergeld, Väterurlaub usw. Die Politik entdeckt eine benachteiligte Gruppe, in diesem Fall also die Jungen und die Männer, und verteilt staatliche Mittel im Sinne eines Lenkungseffektes um, bis 50% aller Lehrer männlichen Geschlechts sind.
Das klingt absurd und ist es auch.
Weit besser ist die Anregung Kristina Schröders, sich schulische Texte durchzusehen und zu fragen: Was wird den Jungen geboten?
Ich habe diese Übung mit einigen Schulbüchern für Deutsch, Sachkunde und Ethik gemacht. Ergebnis: Verheerend! Niederschmetternd! Es gibt keine funktionierende Familie mit Mutter und Vater mehr in Berlins Schulbüchern. Es gibt überhaupt keine männlichen Vorbilder mehr.
Heiße Leseempfehlung zum Interview mit Kristina Schröder: Bausteine Lesebuch 3. Herausgegeben von Siegfried Buck. Bildungshaus Schulbuchverlage Westermann Schroedel Diesterweg Schöning Winklers GmbH, Braunschweig 2007, S. 21
Es ist immer gut, sich viele einzelne Geschichten erzählen zu lassen, ehe man sich zu einem Urteil über ein politisches Problem vorarbeitet. Heute bringt die Süddeutsche auf S. 4 die Geschichte einer „Hartz-IV-Aufstockerin, die keine Chipkarte will“.
Das „Profil“ soll die unhaltbare Situation einer alleinerziehenden Mutter belegen, die lieber als die Chipkarte 60 Euro mehr pro Monat will, um dann 2 Euro pro Tag für Hausaufgabenbetreuung aufbringen zu können.
Die Chipkarte will Fauzia nicht haben: „Was soll ich mit einer Chipkarte?“ Sie will lieber 60 Euro. Die Tochter Shalima wechselt jetzt aufs Gymnasium.
Der Vater Shalimas hat die Familie verlassen, zu ihren eigenen Eltern hat Kerdouci keine Kontakt.
„Ich habe keinen, der Shalima betreut.“
Hierin liegt das Hauptproblem, wie ich meine. Die Mutter muss den ganzen Laden allein schmeißen. Es gibt kein familiäres oder durch Freunde gespanntes Umfeld, das ihr die Last der Betreuung abnähme.
Der Vater hat sich aus dem Staub gemacht, die Eltern der alleinerziehenden Mutter fallen aus, Freunde bieten keine Hilfe an. Hier meine ich: Da fehlt es an Mitmenschlichkeit, da fehlt es an mitmenschlicher Hilfe, da fehlt es an Zusammenhalt in unserer Gesellschaft. Es fehlt beim Vater Shalimas am Sinn für Verantwortung. Es gibt so viele alte Menschen, die Shalima doch sofort mit Freuden betreuen würden! Die muss man doch finden können.
60 Euro mehr oder weniger werden die Situation Fauzias und Shalimas kaum wesentlich ändern. Wichtiger scheint es mir, eine helfende Hand zu bieten – ohne Geld. Das ist es, was mit dem Wort Nächstenliebe gemeint ist.
Ein Mangel an wechselseitiger Fürsorge der Menschen untereinander wird in Deutschland unablässig mit staatlichem Geld zugeklebt. Die Geschichte von Fauzia Kerdouci zeigt mir das – wie viele andere Geschichten zuvor auch schon.
Kinder, MutterschaftKommentare deaktiviert für Gute Eltern: Erfolgsgeheimnis Nummer 1
Apr.242010
Kaum etwas beglaubigt einen Politiker mehr als das Erzählen seiner Lebensgeschichte. Kaum etwas anderes macht ihn so verletzbar. Kaum etwas anderes macht ihn aber auch so stark oder unverwundbar, als wenn er erzählen kann, wie er sich aus widrigen Umständen herausgearbeitet hat. Und wie ihm andere dabei halfen. Wie ist dieser Politiker der geworden, der er ist?
„Meinen Vater habe ich sehr früh verloren. Meine Mutter hat Vater- und Mutterrolle ausfüllen müssen. Wir kamen aus dem Libanon hier in Deutschland an, als ich neun Jahre alt war. Wir hatten nichts. Auf ihren Schultern lag die Verantwortung für alle zehn Kinder. Mutter hat immer dafür gesorgt, dass wir vor der Schule Frühstück aßen, dass wir jeden Tag zur Schule gingen, dass wir ordentlich angezogen waren und dass wir unsere Hausaufgaben machten.“ In einem Wort: Die Mutter hat sich gekümmert. Die Mutter hat die Familie geleitet. Sie hat den Vater nach Kräften ersetzt – so gut es eben ging. Die Mutter hat es ermöglicht, dass die Kinder ihren Weg ins selbständige Leben fanden.
Voller Spannung hörte ich meinem Parteifreund Badr Mohammed zu, als er bei einer öffentlichen Veranstaltung in Friedrichshain-Kreuzberg am 24.03.2010 in etwa diesen Worten sein Leben erzählte.
Gestern erkannten wir in diesem Blog an der Lebensgeschichte Aygül Özkans, welchen prägenden Einfluss der Vater für den gesamten späteren Lebensweg haben kann. Heute besinne ich mich darauf, dass auch die Mütter eine ähnlich überragende Rolle spielen.
Ein guter Vater, eine gute Mutter – das sind die beiden prägenden Einflüsse, die man jedem Kinde mehr als alles andere wünschen muss. Sie sind es in den meisten Fällen, die hinter dem Erfolg stehen. Hat ein Kind einen guten Vater und eine gute Mutter, wird es seinen Weg in unserem Land machen. Wenn ein guter Vater fehlt, wird es für die Mutter viel schwerer, den Kindern das Erwachsenwerden zu ermöglichen. Auf ihren Schultern lastet eine doppelte Last. Aber eine gute, starke Mutter wird es meist schaffen.
Wenn ein guter Vater und eine gute Mutter fehlen, dann wünsche ich den Kindern vor allem – einen väterlichen Mann, eine mütterliche Frau, die diesen Mangel ersetzen kann. Das kann der Großvater oder ein älterer Bruder sein oder eine Tante.
Das kann eine gläubige Muslima sein oder ein gläubiger Christ aus der Nachbarschaft, der sich aus Nächstenliebe dieser Kinder annimmt.
Nicht werden es die Einrichtungen des Staates sein, die diesen Mangel ersetzen können. Es müssen nach meiner festen Überzeugung Menschen sein, leibhaftige Menschen aus Fleisch und Blut. Menschen, nicht Institutionen.
Die große Not vieler Heranwachsender in dieser Stadt Berlin liegt meines Erachtens darin, dass ihnen viel zu oft ein guter Vater fehlt und dass die Mutter überfordert wird darin, diesen Mangel auszugleichen.
Der ständige Ruf nach einer besseren Schule, nach einer besseren Kita lenkt eher ab von diesem grundlegenden Mangel. Die Grundschule als solche, die Kita als solche wird niemals die Eltern wirklich ersetzen können.
Wer glückliche, selbständige, lernbegierige Kinder will, der tue alles dafür, dass sie gute Väter und gute Mütter haben – oder guten Ersatz dafür in Gestalt leibhaftiger Menschen.
Erst weit danach sollte die Sorge um die gute Schule kommen.
Gute Eltern sind das erste und das wichtigste, was ich den Kindern wünsche.
Was sind gute Eltern? Darauf haben wir erste Antworten gestern und heute schon gefunden:
Sie kümmern sich um die Kinder. Gute Eltern sorgen dafür, dass ihre Kinder das Nötige bekommen, ohne verwöhnt zu werden. Sie lassen den Kindern Freiheit, ziehen aber auch klare Grenzen. Sie wollen den Erfolg ihrer Kinder. Sie beschützen sie.
Die Gesellschaft, wir alle müssen allergrößtes Interesse daran haben, gute Väter, gute Mütter zu erziehen. Damit sollten wir jetzt anfangen.
Gerne lese ich immer wieder ausgewählte Abschnitte aus dem Schatzkästlein der deutschen Literatur. Heute z.B. das erste Kapitel aus Gottfried Kellers „Grünem Heinrich“. In dem Abschiedsgespräch zwischen Heinrich Lee und seiner Mutter springen mich geradezu modellhaft das Anspruchsdenken der nachwachsenden und das Tüchtigkeitsdenken der älteren Generation an. Wir hören die Mutter:
„Und daß du mir nur das Weißzeug und dergleichen mehr estimierst als bisher und nichts verzettelst! Denn bedenke, daß du von nun an für jedes Fetzchen, das dir abgeht, bares Geld in die Hand nehmen mußt und es doch nicht so gut bekömmst als ich es verfertigt habe.“
Dem erwidert der Sohn: „Wenn man in der Fremde ist und sich eine ordentliche Wohnung mieten muß, so bekommt man die Bedienung mit in den Kauf.“
Hier höre ich die Stimme der heutigen Anspruchsdenker heraus: „Bedienung! Bitte zahlen Sie! Alles zusammen!“.
Eine wahre Orgie von Anspruchsdenken brach in den letzten Tagen aus Anlass des abgesagten Magna-Deals über Deutschland herein. Ministerpräsidenten, Gewerkschafter, Politiker aller Parteien überboten sich in Äußerungen ihrer Empörung über die Entscheidung des amerikanischen Mutterunternehmens, den durch die deutsche Politik mühsam eingefädelten Vertrag über eine Beteiligung des Autozulieferers Magna zu zerreißen. In die Wut darüber, dass die deutsche Politik sich an der Nase hat herumführen lassen, mischt sich eine geradezu kindische Trotzreaktion führender Politiker: „Das dürft ihr uns nicht antun! Wir haben einen Anspruch darauf, dass …! Wir erwarten, dass …“ Rütli-Schwüre der Geschlossenheit werden feierlich abgelegt. „Wir lassen uns von den treulosen amerikanischen Unternehmern nicht auseinanderdividieren!“
Man lese doch die Presse über die überbordenden Reaktionen der Ministerpräsidenten und des neuen Bundeswirtschaftsministers! Zum Beispiel den folgenden, Spiegel online entnommenen Abschnitt:
„Wir haben vereinbart, dass wir in den nächsten Tagen und Wochen gemeinsam alles tun wollen, um die Arbeitsplätze zu erhalten und die Standorte zu stabilisieren“, so Rüttgers, in dessen Bundesland das Opel-Werk in Bochum liegt. GM müsse schnell ein Konzept vorlegen, sonst sei Hilfe nicht möglich. Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) sagte: „Wir sind uns einig, dass GM jetzt liefern muss.“
Man wird erkennen: Die führende politische Klasse Deutschlands – also die neue Bundesregierung und die amtierenden Minsterpräsidenten der vier betroffenen Bundesländer – bedienen weiterhin die Erwartung der Söhne und Töchter des Volkes, die Konzernmutter und die mütterlich-fürsorgliche Regierung müsse es ihnen schon recht machen. Eine verhängnisvolle Fehlentwicklung, wie ich meine! Ein wechselseitig sich verstärkendes, geradezu wahnhaftes Gespinst aus Ansprüchen, Erwartungen, bitteren Enttäuschungen an der Realität und geradezu verschwörerischer Beibehaltung der fürsorglichen Belagerung des weltumspannenden GM-Konzerns. Götzenhaft wird die Formel „Wir sind alle Opel“ auf die Fahnen geschrieben. Grundsätze wie Eigenverantwortung, Freiheit, Selbstbestimmung bleiben auf der Strecke.
Das Wort „Freiheit“, dieser 500-Euro-Schein der großen Reden, harrt weiterhin der Umsetzung in die kleine klingende Münze der politischen Alltagspraxis. Freiheit bedeutet selbstverständlich auch Freiheit zum Scheitern! Ich bin fest überzeugt: Die Politik darf sich niemals vermessen, den Bürgern und auch den Firmen die Erfahrung des Scheiterns und der Erfolglosigkeit ersparen zu wollen.
Die neue Bundesregierung, die ausweislich des Koalitionsvertrages leider erneut Wohlstandserhaltung als das zentrale Motiv staatlichen Handelns festgeschrieben hat, täuscht sich offenkundig in dem, was eine Regierung von den Unternehmen erwarten und verlangen darf, was sie den Bürgern zumuten und versprechen darf.
Ich meine: Die Regierungen müssen sich grundsätzlich – von ganz wenigen handverlesenen Ausnahmen abgesehen, zu denen Opel sicher nicht gehört – aus dem Wohl und Wehe einzelner Unternehmen heraushalten. Sonst entsteht eine ungesunde Verquickung aus wirtschaftlichen Teilinteressen, Wahlinteressen der Politiker und Anspruchshaltungen der Bürger. Es sei warnend daran erinnert, dass in Italien in den 80er Jahren der Staat, also die Politiker, direkt ein Drittel der Volkswirtschaft kontrollierte! Mit verheerenden Folgen, mit blühender Korruption, Kriminalität und Klientelwirtschaft.
Zitat aus Spiegel online:
Falls öffentliche Mittel fließen, sollte die Politik über einen stärkeren staatlichen Einfluss nachdenken: „Wenn der Staat Hilfen gewährt, wäre er gut beraten, als Gegenleistung Mitsprache in dem neuen Opel-Konzern zu verlangen“, sagte Huber dem Bericht zufolge.
Die Politiker aus Bund und Ländern sollten nunmehr die eigenen kapitalen Fehler, die eigenen folgenschweren Missgriffe offen eingestehen und nicht noch unser schlechtes Geld unserem guten Geld hinterherwerfen.
Es wird irgendwann einmal niemanden geben, der uns bedient, außer vielleicht unseren Enkeln und deren Kindern.
Leseempfehlung:
Gottfried Keller: Der grüne Heinrich. Roman. Erster Band, erstes Kapitel. Wilhelm Goldmann Verlag, München 1982, hier S. 17