Feb 092012
 

„In Friedrichshain-Kreuzberg sterben die Kinder und werden massenhaft verprügelt wegen der Verarmung durch Hartz IV! – Den Deutschen ist es doch egal, wenn Millionen Rentner in Griechenland sterben! – Massenelend und Massenverarmung in Deutschland und Griechenland wegen der Politik der deutschen Bundesregierung! – Im deutschen Schulsystem werden Kinder erbarmungslos nach Schulformen selektiert wie an der Rampe in Auschwitz! – Deutschland verrecke!

Wörtlich so oder so ähnlich kann man es im griechischen Fernsehen und auf Kreuzberger Flugblättern und sogar auf einem Friedrichshainer Hausdach hören und lesen.

Nichts davon ist wahr. In Griechenland verhungern keine Millionen Rentner, kein einziger Rentner verhungert in Griechenland. In Kreuzberg gibt es keine Armut, keine verhungernden Kinder, das Hauptproblem der Kreuzberger Kinder sind – wie gesagt – die pflichtvergessenenen Eltern der Kinder, namentlich die Väter, die sich in der Weltgeschichte herumtreiben, statt sich um ihre Ehefrauen und Kinder zu kümmern, die sie dauerhaft im üppigen deutschen Sozialsystem geparkt haben.

Aber derartige antideutsche Hetze hinterlässt Wirkung.

Hier meine ich, dass man sich nicht ins Bockshorn jagen lassen darf. Besonders wohltuend die scharfsinnige Analyse eines britischen Historikers, der von der Insel aus manches deutlicher sieht – Timothy Garton Ash. Lest selbst:

Angela Merkel needs all the help she can get | Timothy Garton Ash | Comment is free | The Guardian

 Posted by at 13:40
Nov 102011
 

Kein leichtes Leben hatte die zweite Generation der Zuwandererkinder. Sie waren  von niemandem darauf vorbereitet worden, in Deutschland zu bleiben. Der türkische Staat schickte seine sozial benachteiligten Bevölkerungsgruppen gern dörferweise nach Deutschland: sollten die Deutschen sich doch um die Dörfler kümmern. Die zurücküberwiesenen Devisen waren hochwillkommen, stärkten die Außenhandelsbilanz. Niemals aber wollte und will die Türkei, dass die Auswanderer ihre Bande mit dem Türkentum verlieren oder gar ihr Türkentum mit einer neuen Heimat verschmelzen lassen! Im Gegenteil, in den letzten Jahren fördert der türkische Staat eine gezielte nachholende Türkisierung, arbeitet weiterhin am Zusammenhalt einer geschlossenen türkischen Volksgruppe.

Die einzelnen Kinder und Jugendlichen schweben kulturell häufig im Niemandsland. Zu richtigen Türken von echtem Schrot und Korn kann und will sie der deutsche Staat nicht ausbilden. Doch durch totale Türkisierung, durch massive Propaganda hat die türkische Republik über etwa 90 Jahre eine nahezu lückenlose Identifikation der Türken mit dem türkischen Boden und Blut erzeugt und erzeugt sie auch weiterhin. Einmal Türke – immer Türke! Ne mutlu Türküm diyene! Ich kann nur raten, die Türkei zu bereisen, ein paar Brocken Türkisch zu lernen und sich wachen Sinnes in diesem großartigen Land, dem uralten Mutterboden der europäischen Kultur umzusehen: Perser, Assyrer, Syrer, Griechen, Araber, Türken, Armenier, Kurden, Zaza und ein Dutzend mehr Völker – sie alle haben dort gesiedelt und ihre Kulturen zu erstaunlicher Blüte gebracht. Unter allen Kulturen haben die aus Zentralasien zugewanderten Türken schließlich die Oberhand erobert und gehalten.

Andererseits hat die Bundesrepublik Deutschland ein bunt gefächertes Programm umgesetzt, das die Identifikation mit Deutschland verhindert. So erzählen mir immer wieder Berliner Kinder und Jugendliche, sie hätten in vier Jahren Geschichtsunterricht fast ausschließlich die zwölf Jahre von 1933-1945 behandelt. Wenn nun aus den etwa 1000 Jahren, in denen man mit gewissem Recht von „deutscher Geschichte“ sprechen kann, immer nur 12 Jahre herausgegriffen werden, welches niederschmetternde Selbstbild muss dann in den Berliner Schülerinnen und Schülern entstehen? Nicht zufällig prangt die Inschrift „Deutschland verr…“ auf Dächern in Friedrichshain.

Aus der überschwänglichen, hochfliegenden Begeisterung für die türkische Nation einerseits, der niederschmetternden Selbstentwertung der deutschen Nation andererseits gibt es für die meisten jungen Türken und auch die Araber keinen Ausweg. Sie hängen fest zwischen Baum und Borke.

Der Ausweg müsste natürlich sein, dass an den Schulen eine positive Identifikation mit dem heutigen Deutschland, also insbesondere mit der Bundesrepublik Deutschland gefördert wird. Genau dies aber geschieht zumindest im Bundesland Berlin fast nicht.

Was tun?

Ich meine: Kleine Gesten, die vielen Akte der Nächstenliebe sind viel entscheidender als großartige Programme und Initiativen. Nachbars Oma kann mehr Gutes tun als noch so viele Integrationspläne und Bildungsprogramme. Das bestätigt wieder einmal sehr überzeugend Mehmet Gürcan Daimagüler:

Häufig sind die Kleinigkeiten im Leben entscheidend: Bei uns im Haus wohnte eine Witwe, Oma Philippine nannten wir sie, die uns bei den Hausaufgaben geholfen hat. Mit ihr habe ich Deutsch gelernt. Dann habe ich die kostenlose Bücherei im Nachbardorf entdeckt und Bücher verschlungen.

Anwerbeabkommen mit der Türkei – Zeitgeschichtliches Archiv – WDR.de

 Posted by at 15:30
Sep 282011
 

Ein merkwürdiges Lese-Erlebnis habe ich mit Viviane Cismaks „Schulfrust“. Ich bewundere den Mut dieser zugewanderten Hessin, die sich unerschrocken ins Kreuzberger Monokulti hineingewagt hat. In vielem spiegeln ihre Erlebnisse als migrantische Deutsche mit dem falschen Zuwanderungshintergrund das wider, was wir als zugewanderte bzw. zurückgewanderte Eltern – ebenfalls mit dem falschen Migrationshintergrund – an Kreuzbergs staatlichen Bildungseinrichtungen erlebt haben.

Im Klartext: Das beschriebene Berliner Monokulti-Gymnasium entspricht nach Auskunft der Autorin dem Niveau nach etwa einer Hauptschule oder einer besseren Sonderschule in anderen Bundesländern: Beim Erreichen des Abiturs können nur wenige Schüler in ganzen Sätzen formulieren, jedoch haben alle die Techniken erlernt, wie man die vorgesehenen Punktzahlen irgendwie – etwa durch Kopieren aus dem Internet, durch Abschreiben oder durch Sich-Einschmeicheln bei Lehrern – zusammenscharrt, um sich mit dem Titel eines Abiturzeugnisses Marke Kreuzberg auf dem Arbeitsmarkt zu empfehlen.

Die Erlebnisse der Autorin sollte man so stehenlassen. Zweifellos ist sie ehrlich. Zweifellos bildet sie nicht die Situation an allen Berliner staatlichen Schulen ab, aber die Tendenz trifft in Kreuzberg so zu: es wird nicht ernsthaft gelernt, die meisten Kreuzberger Schüler lernen kein brauchbares Deutsch, wir ziehen uns hier Heerscharen von am Arbeitsmarkt nicht ausbildungsfähigen und in der Schule und im Elternhaus nicht erzogenen Jugendlichen heran.

Es war schon erstaunlich, dass diese Erscheinungen – also das Versacken und Verlottern von zehntausenden und aberzehntausenden Berliner Jugendlichen, die fortschreitende, teilweise aggressiv vorangetriebene Islamisierung der Berliner Schulen, die Sprachlosigkeit der breiten Massen – im jetzt vergangenen Wahlkampf nicht zum Thema gemacht worden ist. Stattdessen zankte man sich um Dinge wie Autobahn ja oder nein?, Tempo 30 ja oder nein?, Klimaschutz auf Kosten der Bürger oder des Staates?, einmal Kreuzberger – immer Kreuzberger?

Überwiegend symbolische Ersatzpolitik.

Viviane Cismak: Schulfrust. 10 Dinge, die ich an der Schule hasse. Schwarzkopf & Schwarzkopf, 9,95 Euro.

 Posted by at 15:57

Leidmotiv: Równe prawa dla wszystkich!

 Integration, Leidmotive, Migration, Sozialadel  Kommentare deaktiviert für Leidmotiv: Równe prawa dla wszystkich!
Sep 172011
 

MÜSIAD ist ein Industriellen- und Unternehmerverband, der ein Ableger des gleichnamigen Verbandes der Türkei ist. Dieser Verband ist politisch mit der AKP von Ministerpräsident Erdogan verbunden. Die religiöse “Tugendhaftigkeit” der Unternehmer soll das Leidmotiv sein.

Eine sehr schöne Wort-Neuprägung für die Befindlichkeit der vielen nichtdeutschen Volksgruppen in Deutschland schuf  ein Neuköllner SPD-Kandidat türkischer Abkunft: das Leidmotiv.

In der Tat: Das Leiden an Deutschland, das Klagen über Deutschland, das Fordern von Deutschland: das Leid-Motiv ist in der Tat das Leit-Motiv, unter dem sich die Dutzenden und Aberdutzenden von Gruppierungen und Grüppchen zusammenfassen lassen, welche für Gleichberechtigung aller Völker, aller Völkerschaften in Deutschland kämpfen.

Równe prawa dla wszystkich!

Gleiche Rechte für alle, fordert in genau diesem Geiste sehr schön die Linke bei mir um die Ecke in der Großbeerenstraße! Ein Blick auf das Wahlplakat der Linken, ein Blick in die staatlichen Grundschulen Berlins beweist es: wir bewegen uns auf eine Patchwork-Society hin, in der viele verschiedene ethnische Gruppen schiedlich-friedlich und in absoluter Gleichberechtigung nebeneinander herleben werden, wie etwa in Indien, Bosnien-Herzegowina, Belgien oder Afghanistan auch.

Niemand darf folglich gezwungen werden, Deutsch zu lernen oder gar einen ordentlichen Beruf wie etwa Maurer, Arzt, Steuerberater oder Gärtner anzustreben! Denn dies wäre ein Verstoß gegen die Gleichberechtigung. Die Deutschen hier in Neukölln oder Kreuzberg sollen sich endlich anpassen oder gleich abhauen. Das ist die Botschaft, die wir hier vernehmen.

Was für eine Zumutung ist es doch, in Deutschland leben zu müssen. Wenn es die Sozialhilfe und die blühende Schattenwirtschaft nicht gäbe – man wäre schon längst weg aus diesem bösen Land.

„Erkennt, dass ihr hier in Deutschland benachteiligt seid – fordert vom Staat die Mittel, damit er euch endlich aus dem Tal des Leidens herausführen möge. Fordert deutsche Sprachkurse für jahrzehntelang  an Deutschland leidende Türken, fordert türkische Sprachkurse für an Deutschland leidende Kurden, türkischen Sprachunterricht für an Deutschland leidende leidende türkische Kinder, arabische Musik und islamischen Religionsunterricht für an Deutschland leidende Spätaussiedler und jüdische Kontingentflüchtlinge aus der ehemaligen Sowjetunion …“  Den phantastischen Forderungen der an Deutschland Leidenden sind keinerlei Grenzen gesetzt.

Wie sang doch Marie in Georg Büchners Woyzeck so schön?

Leiden sei mein Gottesdienst
Leiden sei all mein Gewinst

Niemand unter unseren Dauermigrantinnen und Migranten ist froh in Deutschland leben zu müssen. Alle leiden fürchterlich daran, dass sie – zu großen Teilen auf Staatskosten – hier in Deutschland leben müssen. Was für ein bitteres, hartes Los, in Deutschland leben zu müssen – obendrein mit demütigender Unterstützung des ungeliebten Staates!

Dass ein türkischer Mindestlohn nicht ausreicht, um in der Türkei davon zu leben – geschenkt! Dass man mit Hartz IV und Schwarzarbeit und richtig ausgefüllten Anträgen mehr als genug Geld verdient, um auch noch arme Verwandte im Herkunftsland zu unterstützen – niemand weiß es.

Das Jammern über Deutschland, das Leiden an Deutschland nimmt kein Ende! Doch kann Jammern und Klage über Deutschland nur der erste Schritt sein.

Nachholende Türkisierung, hereinholende Islamisierung, das ist der Schritt, mit dem die Jammerer und Kläger das Leben der Dauerbenachteiligten im bitteren deutschen Exil ein bisschen erträglicher gestalten wollen.

Aus dem lautstark bekundeten Leiden an Deutschland erwächst der blühende Gewinst der migrantischen Privilegien, die einen im besten Fall in den Rang des erblichen Sozialadels erheben.

In Abwandlung von Büchners Lenz dürfen wir sagen:

Laß in mir die heilgen Schmerzen,
Tiefe Bronnen ganz aufbrechen;
Leiden sei all mein Gewinst,
Leiden sei mein Gottesdienst.

 Posted by at 12:32

„Die deutschen Schüler haben es schwer“, oder: Wem gehört der Kiez?

 Heimat, Kinder, Mobbing in der Schule, Sozialadel, Verwöhnt  Kommentare deaktiviert für „Die deutschen Schüler haben es schwer“, oder: Wem gehört der Kiez?
Aug 172011
 

Einen sehr nachdenklich stimmenden Artikel las ich soeben auf Seite 3 im heutigen Tagesspiegel. Unter dem Titel „Allein zu Haus“ beschreibt Claudia Keller die Lage einer der Familien im Wedding, die als „letzte Deutsche“ in einem von arabischen und türkischen Familien übernommenen Kiez wohnen geblieben sind. Sie kommen sich in der eigenen Welt nunmehr fremd vor. Auf den Straßen hören sie praktisch kein Deutsch mehr.

Dem Tagesspiegel gebührt Dank dafür, dass er so mutig dieses Thema aufgreift. Denn selbstverständlich werden auf ihn nun wohlgemeinte Ratschläge einprasseln, angefangen beim Vorwurf des Rassismus, der Xenophobie bis hin zu Beschwichtigungen, dies sei doch nur ein subjektiv erlebter Einzelfall.

Tja, es sind alles Einzelfälle. Das Leben besteht aus Einzelfällen.

Die Beschreibung halte ich für durchaus wahrhaftig und übertragbar auf ähnliche Gegenden. Aus meinem eigenen Umfeld wurde mir Ähnliches berichtet. Ich habe die Berichte jedoch stets als „Einzelfälle“ abgetan und stets das Fähnchen der Integration hochgehalten. Dann hörte ich Berichte von monatelangem, fortgesetztem und systematischem Mobbing der Mehrheit gegen die wenigen einzelnen deutschen, nur deutsch aussehenden oder auch nur  für „christlich“ gehaltenen Schüler.

Der türkische Bund und der Lesben- und Schwulenverband wenden sich nunmehr direkt in arabischer, türkischer und sogar deutscher Sprache an die Eltern, um  etwas gegen die Ausgrenzung und Beschimpfung von Menschen in bestimmten Milieus zu tun. Denn in deutscher Sprache erreicht man viele Menschen nicht. Sie leben jahrzehntelang in Deutschland, häufig nur von staatlichen Zuwendungen, aber sie sehen keine Notwendigkeit, Deutsch zu lernen.

Wem gehört der Kiez?
Deutsche in Wedding: Zu Hause geblieben und fremd geworden – Berlin – Tagesspiegel

 Posted by at 12:11
Apr 082011
 

384,89 Euro beträgt der aktuelle Mindestlohn in der Türkei. Die Mehrzahl der Arbeitnehmer in der Türkei bezieht diesen Mindestlohn. Der gesetzliche türkische Mindestlohn beträgt somit etwa ein Viertel bis ein Drittel dessen, was ein Arbeitsloser in Deutschland Monat für Monat an finanziellen Zuwendungen, etwa für Wohnen und Versicherungen sowie an Barauszahlungen erhält. Die Lebenshaltungskosten der Türkei sind unterschiedlich, in Istanbul liegen sie etwa so hoch wie in Deutschland, im Durchschnitt des Landes etwa auf halber Höhe oder etwas darunter. In Istanbul selbst beträgt der aktuelle Durchschnittslohn etwa € 850/Monat.

Ein Sozialhilfeempfänger in Deutschland steht also weit besser da, kann sich weit mehr leisten als ein durchschnittlicher Arbeitnehmer in der Türkei, von den arabischen Ländern ganz zu schweigen.

Ein Blick auf diese simplen Zahlen vermag etwas von der faszinierenden Sogwirkung des deutschen Sozialsystems auf die anderen Länder dieser Erde zu erklären.

Dennoch wird unausrottbar von „Armut“ gesprochen.  So schreibt heute etwa Gilbert Schomaker in der Berlin-Ausgabe der WELT auf S. 30: „Von Armut betroffen sind laut Bildungsbericht 36 Prozent aller Kinder in Berlin, sogar 46 Prozent aller Jungen und Mädchen in Brandenburg. Als vom Risiko Armut betroffen gelten Familien, die bei zwei Kindern nicht mehr als 1550 Euro im Monat haben.

Es ist haltloser Unsinn, den uns die Statistiker da immer wieder auftischen. Es gibt in Deutschland keine statistisch nennenswerte Armut. Das ständige Gerede von Armut verstellt den Blick auf die wahren Ursachen von scheiternden Bildungskarrieren. Eine der Hauptursachen von scheiternden Bildungsverläufen liegt meines Erachtens darin, dass es zu wenige Anreize gibt, aus dem System der Sozialhilfe aus- und aufzusteigen. Denn alle denken und viele sagen: „Ich krieg ja eh Sozialhilfe.“ Umgekehrt bestehen stärkste Anreize, Familien bewusst ins deutsche Sozialsystem hineinzugründen und die Lebensplanung darauf abzustellen.

Und so entfällt jeder materielle Anreiz, wirklich gutes Deutsch zu lernen oder beruflich verwertbare Qualifikationen zu erwerben.

Minimum Wage in European countries – Google public data

 Posted by at 11:03
Mrz 032011
 

Theoder Fontane schreibt in seinen Wanderungen durch die Mark Brandenburg:

In leichtem Trabe geht es auf der Chaussee wie auf einer Tenne hin, links Wiesen, Wasser, weidendes Vieh und schwarze Torfpyramiden, rechts die steilen, aber sich buchtenden Hügelwände, deren natürlichen Windungen die Freienwalder Straße folgt. Aber nicht viele befinden sich auf unserem Wagen, denen der Sinn für Landschaft aufgegangen; Erwachsene haben ihn selten, Kinder beinah nie, und die Besatzung unseres Wagens besteht aus lauter Kindern. Sie wenden sich denn auch immer begehrlicher dem näher liegenden Reiz des Bildes, den blauen Pflaumen, zu. In vollen Büscheln hängen sie da, eine verbotene Frucht, aber desto verlockender. »Die schönen Pflaumen«, klingt es von Zeit zu Zeit, und sooft unser Kremser den Bäumen nahe kommt, fahren etliche kleine Hände zum Wagen hinaus und suchen die nächsten Zweige zu haschen. Aber umsonst. Die Bewunderung fängt schon an in Mißstimmung umzuschlagen. Da endlich beschleicht ein menschliches Rühren das Herz des Postillons, und auf jede Gefahr, selbst auf die der Pfändung oder Anzeige, hin links einbiegend, fährt er jetzt mit dem wachsleinenen Baldachin mitten in die Zweige des nächsten Baumes hinein. Ein Meistercoup. Wie aus einem Füllhorn fällt es von Front und Seite her in den offenen Wagen; alles greift zu; der Kleinste aber, ein Blondkopf, der vorne sitzt und die Leine mit halten durfte, als führ er selber, deklamiert jetzt auf den schmunzelnden Postillon ein: »Das ist der Daum, der schüttelt die Pflaum«, und an Landhäusern und Wassermühlen, an Gärten und Fischernetzen vorüber geht es unter endloser Wiederholung des Kinderreims, in den der ganze Chorus einfällt, in das hübsche, aber holprige Freienwalde hinein.

„Das ist der Daum, der schüttelt die Pflaum …“ Fontane erzählt von einer Kutschfahrt  am Fuße des Barnims, wo er Kinder diesen Spruch aufsagen hörte. Kennen die Kinder diesen Spruch heute noch? Er fiel mir ein, als ich Kristina Scharfenberg an der Neuköllner Hermann-Sander-Grundschule Roma-Kinder unterrichten sah, und zwar heute in der Zeitung Morgenpost.

Kinder lernen Deutsch mit allen Sinnen, mit Auge, Hand und Ohr, mit Gefühlen, Bildern, Tönen und Bewegungen!

Berlin wirbt dafür, eine internationale Stadt zu sein – schwirrend von Sprachen, Kneipen, Bars und Werbetafeln. Jetzt ziehen wieder vermehrt Roma-Familien nach Berlin, beantragen politisches Asyl und erhalten früher oder später den ersehnten ständigen Aufenthaltstitel. Hunderte von Roma-Kindern ohne jede Deutschkenntnisse werden in diesem Jahr beschult. Darüber berichtet heute die Morgenpost auf S. 12.

Soll Berlin sich dessen brüsten, „international“ zu sein? Ja. Sollen die Erwachsenen und deren Kinder das Gefühl haben, es komme gar nicht darauf an, Deutsch zu lernen, da Berlin ohnehin international sei? Nein!

Das können wir uns nicht wünschen.  Zwar kann man durchaus als Familie über Generationen hinweg in Berlin ohne Deutsch- und ohne jede Berufskenntnisse prima leben. Aber man versündigt sich dadurch an den Lebenschancen der Kinder. Außerdem kann der Staat das spätestens ab der dritten Generation kaum mehr bezahlen.

Die Kinder brauchen nicht das Gefühl, in einer „internationalen“ Stadt zu sein. Sie brauchen – so meine ich – das Gefühl, dass sie hier ohne gute, ohne sehr gute Deutschkenntnisse nicht weit kommen werden.

Im Moment beobachte ich ganz im Gegenteil eine sehr starke Verfestigung von klaren Volksgruppen, von festumrissenen nationalen Minderheiten! Wir werden zunehmend zum Vielvölkerstaat wie etwa Österreich-Ungarn bis 1918, die Tschechoslowakei bis 1991, die Russische Föderation heute – mit all den enttäuschten Segnungen und Verheißungen, die diese multinationalen Gebilde mit sich trugen oder tragen.

Der entscheidende Hebel für die Verwandlung des Nationalstaates in einen Nationalitätenstaat Deutschland à la Österreich-Ungarn ist – unser hochgelobtes, heißbegehrtes deutsches Sozialsystem, verbunden mit dem mangelnden Druck, die Landessprache Deutsch zu erlernen. Wozu sollte man Deutsch lernen, wenn Berlin erklärtermaßen so international ist und man ohne Deutschkenntnisse wunderbar über die Runden kommt?

Die Türken wurden ja vor wenigen Tagen wieder einmal leidenschaftlich durch ihren Präsidenten bestärkt, vor allem Türken zu sein. Sie sollen eine willige Enklave des ewigen Türkentums im Ausland bilden. Die Roma sollen also vor allem Roma sein, die Russen vor allem Russen. Es wird schon! Keine Bange. Wir werden immer internationaler! Die Pflaumen hängen zum Greifen nahe vor aller Augen.

Diese bleiche, werblich angepriesene Internationalität hat zur Beliebigkeit geführt, zu  schwersten sprachlichen Defiziten bei Zehntausenden von Kindern und Jugendlichen dieser Stadt, zu unabsehbaren psychischen und sozialen Folgekosten, zum kulturellen Nirwana.

Es wäre gut, wenn alle Kinder bereits recht früh mindestens einfache Kinderreime oder Kinderlieder deutscher Sprache wie etwa „Das ist der Daumen …“ lernten. Das geschieht viel zu wenig nach meinen Beobachtungen. Das Ergebnis ist dann ein fast unverständliches Deutsch – und für Zehntausende die Aussicht, niemals einen bezahlten Beruf erreichen zu können.

mobil.morgenpost.de

Quellen:

Theodor Fontane: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Zweiter Teil. Das Oderland. Barnim-Lebus. Freienwalde. Aufbau Taschenbuch Verlag, Berlin 1997, hier: S. 50-51

 Posted by at 18:03
Feb 122011
 

 12022011330.jpg „Wir kommen einfach nicht an sie heran“, so äußerte sich wiederholt unsere  Friedrichshain-Kreuzberger Schulstadträtin Herrmann über unsere aus dem Libanon zugewanderten Familien. „Wir sollten den Arabern ihre Parallelgesellschaft lassen„, beschwichtigt Bürgermeister Schulz. „52 Prozent der Berliner Türken, 92 Prozent der Berliner Libanesen leben amtlich von Hartz IV“, wirft das Landesamt für Statistik dazwischen.  „Du musst Deutsch können„, donnerte Renate Künast bereits im Jahr 2009 an die Adresse unsere lieben Mitbürgerinnen und Mitbürger. Vergeblich. Genützt hat Künasts Aufforderung wenig. Die jungen Türken, die hier in Kreuzberg wirklich gut Deutsch lernen, werden weniger und weniger – wenn es sie je gab. Das stimmt mich besorgt. Denn gut Türkisch lernen sie auch nicht. Welche berufliche Perspektive erarbeiten sie sich – außer Sozialhilfe?

Die Briten haben uns 20 Jahre an multikultureller Erfahrung voraus.  Mohammed ist mittlerweile nach Auskunft der britischen Standesämter bei den Geburten landesweit der häufigste englische Vorname. Nichtmigrantische Briten sind in vielen britischen Innenstädten deutlich in der Minderheit- etwas, was in 15 oder 20 Jahren in weiten Stadtteilen des ehemaligen West-Deutschland, weniger in der ehemaligen DDR ebenfalls der Fall sein wird. Das Land Shakespeares erkennt sich nicht mehr wieder, fürchtet, die britische Kultur zu verlieren.

So mag sich wohl erklären, was David Cameron kürzlich über den gescheiterten Multikulturalismus sagte:

Cameron: My war on multiculturalism – UK Politics, UK – The Independent
He warned Muslim groups that if they fail to endorse women’s rights or promote integration, they will lose all government funding. All immigrants to Britain must speak English and schools will be expected to teach the country’s common culture.

Es fehlt an Gemeinsamkeiten, an die die Zuwanderer andocken können, es fehlt an Werten, die wir den Zuwanderen überzeugend vorleben – so deute ich einen anderen Teil aus Camerons Rede, den ihr hier auf Video sehen könnt.

Was ich in der Tat an unseren Grundschulen bemerke, ist ein fast völliges Überbordwerfen einiger Jahrhunderte europäischer Kultur – aus Angst, man könnte die zarten Migrantenseelen verletzen?

Ich habe mir einmal das Deutsch-Lesebuch „Bausteine“ meines achtjährigen Sohnes angeschaut und entdecke fast nur Texte, die nach 1990 entstanden sind.  Es wimmelt darin von frechen&klugen Mädchen, die die Jungs in der Klasse mit schierer Körperkraft niederringen, von Jungen, die gerne Gummi hüpfen und die Farbe Rosa lieben, es gibt Opas, die null von Computern kapieren, es gibt alleinerziehende Mütter, die den ganzen Laden allein und bewundernswert schmeißen. Es herrscht in den Texten gegenüber Älteren ein respektloser, schnoddriger Ton. Das Buch passt sich anbiedernd der Sprache unserer Kinder an. „Opa kapiert null.“ Ein typischer Satz aus einem deutschen Lesebuch unserer Zeit!

Wie mag all dies auf einen jungen Türken, einen jungen Araber wirken? Die Deutsch-Lesebücher unserer Schulen bieten keinerlei kulturelle Modelle an, an die Achmed oder Mohammed anknüpfen könnten!

Die Lieder in seinem Musikbuch sind mir ebenfalls alle unbekannt. Sie sind alle jüngeren und jüngsten Datums. Das heißt, wenn Eltern und Kinder zusammentreffen, etwa bei Wanderungen, kennen sie keine gemeinsamen Lieder mehr zum Singen. Das war früher anders.

In einem stimme ich jedenfalls David Cameron, Franz Schulz, Angela Merkel und auch Nicolas Sarkozy zu: Die verschiedenen Kulturen, an deren Zusammenwachsen oder Miteinanderleben viele von uns noch vor 15 oder 20 Jahren geglaubt haben, haben in unseren europäischen Städten nie wirklich zueinander gefunden. Sie leben beziehungslos nebeneinander her. Es ist und bleibt mühsam. Oft spricht man ja nicht einmal eine gemeinsame Sprache. Räumliche Segregation kommt trennend hinzu. Bei meinen Wanderungen und Gesprächen durch Kreuzberg wird mir dies immer wieder klar.

Die zweifelhaften Segnungen des Satellitenfernsehens und der Sozialhilfe tun ein übriges. Dieser Zustand kann niemanden befriedigen. Hier beim NKZ, einem bekannten Sozialbau in Kreuzberg am Kotti, kann man mulitikulturelle Atmosphäre schnuppern und schwelgen, schwelgen in Erinnerungen und Gedanken an die Zeiten, als man noch an den Multikulturalismus glaubte.

 Posted by at 22:38
Feb 092011
 

Ein ganz grundlegender Unterschied zwischen den türkischen und den arabischen Organisationen  ist der unterschiedliche Rang, der Werten wie der Nation oder der Verwandtschaft beigemessen wird.

Für arabische Länder scheint nicht die Nation, also etwa „Tunesien“, „Ägypten“ usw. und noch weniger das Konstrukt einer „arabischen Nation“ vorrangig zu sein, sondern die Zugehörigkeit zu weitgespannten verwandtschaftlichen Netzwerken. Die Familie, die Sippe, der Clan sind weit wichtiger als der Staat! Darauf weist heute Boualem Sansal auf S. 2 der WELT hin:

Essay: Das Problem heißt Islam – Nachrichten Print – DIE WELT – Debatte -WELT ONLINE
Die andere Lesart der aktuellen Bewegung ist, dass sie nur eine neue Episode darstellt in den Kämpfen der Clans an der Spitze des Staates. In den arabischen Ländern ist die Macht eine illegitime. Jeden Tag muss – je nach Agenda – ein neues Gleichgewicht gefunden werden zwischen den verschiedenen Clans. Meistens ist eine Einigung schnell gefunden, man teilt sich problemlos den Gewinn. Aber manchmal muss lange verhandelt werden, manchmal greift man zu den Waffen, und die effizienteste Waffe ist das Volk.

Auch im Ausland bedeutet dies: Die familialen Netzwerke sind für Araber wichtiger als der Staat. Der Staat wird als Objekt der Ausnutzung gesehen.  So beklagen Polizisten immer wieder, sie würden an der Dienstausübung in teilarabisierten Straßenzügen Weddings oder Neuköllns gehindert. Warum ist dies so? Nun, die arabischen Clans versuchen einfach ihr Territorium zu erweitern. Der deutsche Staat ist geduldet, ja sogar willkommen, solange er durch fürsorgliche Zahlungen seinen Beitrag zur Herrschaftssicherung familiärer Netzwerke leistet und diesen Herrschaftsanspruch der Clans nicht durch lästige Parkstrafzettel oder ähnliche Zumutungen in Frage stellt. So entstehen letztlich die berühmten und von manchen Politikern wie etwa unserem Bürgermeister Schulz verteidigten arabischen Parallelgesellschaften. Die arabischen Clans versuchen unablässig ihren Einflussbereich zu erweitern.

Anders bei den türkischen Organisationen! Diese zielen nicht auf Erweiterung eines familialen, sondern eines nationalen Netzwerks. Die Zugehörigkeit zur türkischen Nation soll auch im Ausland gefestigt und behauptet werden. Ein Extremfall dafür ist Zypern, wo über Jahrzehnte hinweg eine Art türkische Quasi-Staatlichkeit aufgebaut wurde, die letztlich zur Abspaltung, zur Schaffung eines neuen türkischen Staates geführt hat.

Der türkische Staat erweitert also durch seine Auslandsorganisationen auch in Deutschland den Einfluss der ewigen türkischen Nation auch jenseits seines Territoriums, während arabische Sippen darum bemüht sind, den Einflussbereich ihrer Familie zu vergrößern, und sich recht wenig um Staatszugehörigkeit scheren.

Was wäre die Alternative zum türkischen Nationalismus und zum arabischen Familialismus?

Ich meine, als dritte Alternative sollte man „Personalismus“ nennen. Im Personalismus ist die Person, also der einzelne Mensch, der Träger aller wesentlichen Rechte und Freiheiten. Weder die Nation noch die Sippe, sondern der einzelne Mensch, die Person, ist die entscheidende Größe! Von der Person, von der unverletzlichen Würde und Einzigartigkeit jedes Menschen rühren die größeren, die übergeordneten und dennoch nachrangigen Größen wie etwa die Familie, der Staat oder die Nation her.

Die Person ist vorrangig mit Rechten und Pflichten ausgestattet, der Staat dient letztlich dem Schutz und der Pflege dieser Rechte und Pflichten der Person.

In genau diesem Sinne bekenne ich mich leidenschaftlich zum „Personalismus“ – wie etwa auch das deutsche Grundgesetz dies unvergleichlich klar in Artikel 1 tut:

 

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

 Posted by at 13:10

Die Frühpensionäre vom Liebig 14

 Anbiederung, Angst, Sozialadel, Sozialstaat, Verwöhnt  Kommentare deaktiviert für Die Frühpensionäre vom Liebig 14
Jan 252011
 

Extreme Staatsabhängigkeit, Verharren in Unmündigkeit, eine grenzenlose Anspruchshaltung gegenüber dem mütterlichen Staat, der alle Geselligkeitswünsche unterstützen muss: das ist die Haltung, die sich die butterweichen, gluckenhaften Regierungen unseres Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg, unserer Stadt Berlin über die Jahrzehnte herangezüchtet haben. Bezeichnend für diese Anspruchshaltung: Wenn eine Wohnmöglichkeit ausläuft, weil der Hauseigentümer gekündigt hat, wird sofort vom Staat, in diesem Fall vom Berliner Senat, eine wärmende Mutterhöhle verlangt. „Fein sein – beinander bleibn!“, heißt es im Bayrischen Volkslied.

Die Bewohner der Liebig 14 hinterlassen den Eindruck von kleinen Kindern, die von ihren Eltern verlangen, sie sollten ihnen eine wärmende Höhle – also eine „Wohnalternative“ – auf Lebenszeit bereitstellen. Und wenn Mutti und Papi nicht wollen, wie es die Kiddies verlangen, wird Rabatz geschlagen. Wenn Mami und Papi vom SPD/Linke-Senat sagen: „Dafür sind wir nicht zuständig, ihr seid erwachsene Menschen, sucht euch einen Platz, arbeitet dafür!“, wird losgeplärrt: „Wie könnt ihr so böse, so gleichgültig sein, uaah! uaghh!“ Und dann werden die Buben und Mädchen richtig, richtig BÖSE! Lest:

Hausprojekt Liebig 14: Politik zofft sich vor der Räumung – taz.de
„Der Senat hat keine einzige Wohnalternative für das Projekt im Friedrichshain angeboten“, kritisierte die Grünen-Abgeordnete Canan Bayram. Auch habe sich die SPD an keinem runden Tisch beteiligt. „Da herrscht Gleichgültigkeit.“

Was hätte Alexander Mitscherlich dazu gesagt? Wahrscheinlich dies:

Alexander Mitscherlich – Auf dem Weg zur vaterlosen Gesellschaft
»In der unübersichtlichen Massengesellschaft«, schrieb Mitscherlich 1963, »hat diese autoritäre Form der Eingewöhnung in das soziale Feld aber eine unerwartete Antwort gefunden, nämlich eine Stärkung der Abhängigkeitsbestrebungen und eine Bejahung der Unmündigkeit. Das faktische Gegenbild zu den für unsere Zeitläufte charakteristischen Helden der Massen sind die ‘initiativarmen” Frühpensionäre, die in ihren Wohlfahrtsstaaten nie flügge werden wollen.«

 Posted by at 10:24
Jan 222011
 

Die Antwort, wie sie der neue Soziatlas Berlins vorlegt, lautet: Ja! Kinder, die in Hartz-IV-Haushalten aufwachsen, gelten definitorisch als arm. Armut von Kindern gilt als Skandal, als unerwünscht. Man muss etwas tun, um Kinderarmut zu beseitigen! Was? Nun, man muss Geld so einsetzen, dass die Kinder nicht mehr arm sind. Die große Geld-Verteilungsmaschinerie kommt in Gang. Ziel der Transferzahlungen soll es sein, Kinderarmut zu beseitigen. Dann wird zum Beispiel ein Projekt aufgelegt, in dem eine Ausstellung über Satellitenschüsseln mit Geldern bezuschusst wird, so dass etwas Geld zur Linderung der Armut in die Armutsquartiere fließt. Dies ist KEIN WITZ, sondern es geschieht in Berlin tatsächlich.

Allein – das hehre Ziel wird nicht erreicht. Denn weiterhin gelten Kinder, die in Hartz-IV-Haushalten aufwachsen, als arm.

Stimmt das? Sind diese Kinder arm? Nein. Diese Kinder sind nicht materiell arm. Sie haben materiell und finanziell alles, was ein Kind zum Gedeihen gebraucht.  Bitte glaubt es mir. Ich kenne doch Dutzende von Hartz-IV-Familien. Ich lebe in einem der sozialschwächsten Gebiete von ganz Berlin. Nicht die materielle Armut bedrückt die Menschen. Es bedrückt sie überhaupt recht wenig. Sie sind nicht unglücklich. Warum sollten sie unglücklich sein? Aus der Perspektive des einzelnen spricht nichts dagegen, das ganze Leben von staatlichen Versorgungsleistungen zu leben. Die Hartz-IV-Existenz ist weder menschenunwürdig, noch ist sie ein gesellschaftlicher Makel, noch ist sie im entferntesten als Armut zu bezeichnen. Im Gegenteil, sie sichert ein bescheidenes, beschauliches Auskommen für alle Familien, und häufig kann man sogar noch Geld an arme Verwandte schicken.

Allein die Gesellschaft insgesamt, allein die Volkswirtschaft insgesamt muss ein Interesse daran haben, die Familien aus der Arbeitslosigkeit, die Jugendlichen aus der Abhängigkeit von Transferzahlungen herauszubringen. Denn wir – also die Gesellschaft – wissen: Beim jetzigen Wachstum des Anteils der Sozialleistungen am Staatshaushalt wird – bei der jetzigen demographischen Entwicklung – die gesamte Volkswirtschaft in vielleicht 20 oder 25 Jahren zusammenbrechen. Bereits heute sind es vor allem die unverdienten Gratifikationen des Staates, die einzelne Länder wie etwa Griechenland oder Portugal an den Rand des Bankrotts bringen: Frühpensionierungen, aufgeblähte Beamtenschaften, Steuerhinterziehung, Versorgungsleistungen, Subventionen des Staates.

Die Verschuldenspolitik der Staaten stellt die große ernsthafte Bedrohung für die Stabilität der Sozialsysteme dar.  Es sind nicht so sehr die Fehler, die Selbstbereicherung der Manager, die „Umverteilung von unten nach oben“. Diese Selbstbereicherung der Oberschicht auf Kosten der Allgemeinheit gibt es, aber sie ist das kleinere Problem. Das Problem der Ausplünderung der Staatsfinanzen durch die Reichen existiert zwar – siehe Bankenskandale, siehe Bürgschaften – , aber es ist lösbar durch kluge, effiziente, harte Maßnahmen der Finanzpolitik.

Das Problem der Überbelastung der Staatsfinanzen durch die anteilmäßig wachsenden Sozialleistungen ist das größere Problem.

Bereits heute sind viele deutsche Kommunen vor allem durch die Sozialausgaben an den Rand der Handlungsfähigkeit gedrängt.

Mehr Ehrlichkeit ist angesagt! Zunächst einmal sollte man das Reden von Kinderarmut ganz schnell einstellen. Die Kinder sind nicht im materiellen Sinne arm, sondern arm an Vorbildern, denn ihnen fehlt die Grunderfahrung, dass die Eltern für den Lebensunterhalt arbeiten gehen. Die Kinder sind arm an Sinnhorizonten, da der Staat ihnen absolute Versorgungssicherheit verspricht.  Wenn die Eltern oder ein Elternteil arbeiten ginge, stünden die Kinder – bei gleicher finanzieller Ausstattung – sofort besser da: Sie hätten Orientierung in einem verlässlich gegliederten Alltag. Sie erführen, dass man sich im Leben anstrengen muss. Jetzt erfahren sie die Botschaft: Wozu sich anstrengen? Das Geld kommt sowieso.

Die Kinder brauchen vor allem Sinnhorizonte!

 Posted by at 22:41
Dez 112010
 

„Meine Mutter hat es auch ohne dieses Gesetz geschafft, zehn Kinder in Berlin einzugliedern und zu vernünftigen Mitbürgern zu machen.“ So schreibt Badr Mohammed auf S. 22 der Berliner taz vom 07.12.2010 (leider online nicht abrufbar). Freunde, Leute, Blogger: In allem, was Mohammed in seinem Beitrag schreibt, hat er recht, so finde ich. So schreibt er etwa: „Als Grundlage für Integration reichen das Grundgesetz und eine gute Erziehung völlig aus.“

Mutig, mutig, so etwas drucken zu lassen!

Aber ich unterschreibe jeden Satz und jeden Halbsatz, den Mohammed in diesem Artikel  geschrieben hat.

Insbesondere hat er meines Erachtens als einer der ganz wenigen Berliner Politiker die zentrale Rolle der Familie, der Eltern im Leben der Kinder erkannt. Seine Mutter hat die Hauptverantwortung für das Schicksal ihrer zehn Kinder erkannt, angenommen und bewundernswert ausgefüllt.

Während für Kinder also die Familie die entscheidenden Weichenstellungen für oder gegen Integration vornimmt, ist es bei den Erwachsenen die Erwerbstätigkeit.

Mohammed schreibt: „Erwerbstätigkeit spielt eine zentrale Rolle: Sie verschafft neben eigenem Einkommen soziale Beziehungen, Anerkennung und Selbstwertgefühl. Aufseiten der Zuwanderer setzt Integration den Erwerb bestimmter Kenntnisse und Fähigkeiten sowie Motivation voraus. Zentral ist das Erlernen der Sprache. Das allein ist aber nicht genug. Dazu gehören Kenntnisse über Kultur und Geschichte des Aufnahmelandes, über Umgangsformen, Institutionen und Organisationsstrukturen, politische Werte und Verfassung.“

Donnerwetter, Herr Mohammed! Sie verlangen also Kenntnisse! Fähigkeiten! Motivation! Das würde ja bedeuten, dass es neben der Familie und der Erwerbstätigkeit auf die persönlichen Bemühungen des einzelnen ankommt. Das würde bedeuten, dass nicht die Politik an allem schuld ist, was schiefläuft!?

Nun, ich meine, auch hier hat Mohammed recht. Ich persönlich fasse übrigens die gutklingenden Wörter Kenntnisse, Fähigkeiten und Motivation  mit dem altertümlich anmutenden Wörtlein TUGENDEN zusammen. Tugenden sind derartige individuell zu erlernende, zu übende Haltungen, die es dem einzelnen ermöglichen, ein gelingendes Leben zu führen, z.B. Lernwille, Fleiß, Achtsamkeit, Nächstenliebe, Verantwortung für sich und andere, Rechnen, Lesen, Schreiben, Singen, Turnen, Tanzen.

Von dieser Verantwortung für das gelingende Leben kann der Staat mit all seinen Gesetzen und seinen Integrationsmilliarden und Abermilliarden Euro die einzelnen nicht freistellen.

Mohammed hat recht.

Was verhindert Integration mehr als alles andere? Ich würde wagen zu behaupten:

1) Ein Rückgriff der Erwachsenen auf die Sozialhilfe. Denn Sozialhilfe als Dauerlösung verhindert Erwerbstätigkeit. Also brauchen wir dringend, so meine ich, eine Verringerung, Befristung, Abspeckung und Vereinfachung des gesamten Sozialhilfe-Wesens oder besser gesagt Sozialhilfe-Unwesens. Es müssen mehr und mehr Familien ihr Leben durch eigene Erwerbstätigkeit sichern. Je mehr die Familien ohne Staatshilfen ihr Leben bestreiten, desto besser! Idealerweise wäre keine Familie dauerhaft auf finanzielle Hilfe des Staates angewiesen.

2) Versagende Eltern, die die Erziehung der Kinder nicht wahrnehmen. Die Schulen werden die Defizite, mit denen die Kinder in den Unterricht kommen, stets nur zum Teil ausgleichen können.

3) Selbst-Diskriminierung und Fremd-Diskriminierung: „Du Migrant – ich Normal!“ Ich vertrete emphatisch das Einheits-Modell des Staatsbürgers. Jeder, der dauerhaft und nicht bloß vorübergehend (etwa als Tourist oder entsandter Arbeitnehmer) hier in Deutschland lebt,  sollte sich als „ganz normaler“ deutscher Staatsbürger sehen.

„Alteingesessene“ und „neue“ Deutsche zusammen bilden die bürgerliche Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland, deren Leitkultur das Grundgesetz abbildet. Für diese Auffassung bin ich bereit überall einzutreten! Für diese Auffassung habe ich übrigens damals auch meinen Wehrdienst bei der Bundeswehr abgeleistet.

Unsere Leitkultur ist das Grundgesetz“ – das hat übrigens nicht Mohammed gesagt, sondern Cem Özdemir.

Zustimmung des Bloggers an Sie, Herr Mohammed, Zustimmung des Bloggers auch an Sie, Herr Özdemir!

Egal, ob sie Ugur, Maximilian, Dilek, Kassem, Joachim oder Yachya  heißen: es sind für mich alles Deutsche. Sie sind hier geboren, gehen hier zu Schule, sie werden aller Wahrscheinlichkeit nach hier bleiben.

Lest bitte auch das tolle Interview „Wir achten nicht auf Herkunft“ mit den Schülern der Neuköllner Otto-Hahn-Gesamtschule auf Seite 23 der Berliner taz vom 7. Dezember 2010.

Hey tazzler! Bitte stellt diese beiden Glanzstücke dauerhaft online! Teşekkür ederim schon mal im Voraus!

שלום ve السلام عليكم!

 Posted by at 13:13
Dez 062010
 

„Haargenau“ dieselben Probleme, die Schulleiterin Rita Schlegel aus Neukölln berichtet, hatte ich auch als Elternvertreter in Kreuzberg. Ich weiß noch genau, wie ich mich selbst einmal in der GEV der damaligen Schule dagegen aussprach, Einladungen und Mitteilungen ins Türkische und Arabische übersetzen zu lassen. Ich war der Meinung, Eltern sollten nach 20-30 Jahren Deutschland Deutsch gelernt haben. Pustekuchen. Besonders bitter war es für mich, mit den meisten Eltern nicht sprechen zu können, da ich trotz vieler Jahre Kreuzberg fast kein Arabisch und nur wenig Türkisch kann.

Es tut einfach gut, wenn jemand mal mit Einfühlung und mit unverschnörkelter Sprache die Lage anspricht. Hochachtung, Frau Schlegel!

Interview: „Ich kann nicht alle Kinder retten“ – Schule – Berlin – Tagesspiegel
Ich kann ja nicht zu den Eltern gehen und sagen: Ihr müsst sofort Deutsch lernen – und wenn ihr das aus irgendwelchen Gründen nicht könnt oder nicht wollt, dann spreche ich nicht mit euch. Ich will schließlich das Positive für jedes Kind.

Heute, meine ich, muss die Frage lauten: Was dient dem einzelnen Kind? Die Kinder müssen richtig gutes Deutsch lernen und würden dies ja auch gerne tun.

Die Eltern sind durch eine geschickte Bedienung der mannigfachen Knöpfe und Hebel des deutschen Sozialrechts „aus dem Schneider“. Sie werden kein Deutsch lernen, wenn sie dies nicht wollen – wozu sollten sie?

Im Gegenteil: Man wird sagen: „Es gibt nicht genug Sprach- und Integrationskurse, die Kurse sind zu groß, wir haben kein Geld und keine Zeit für den Sprachkurs. Ihr müsst uns dafür bezahlen!“ Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Es gibt tausend Gründe, weshalb es angeblich unzumutbar ist, aus eigener Kraft Deutsch für Deutschland zu lernen. Ich habe sie alle mindestens 100 Mal gehört.

Ich habe einmal grob nachgerechnet: Wenn man wirklich wie bisher und mit den bisherigen Ansätzen mit staatlichem Geld die Integration der türkischen, kurdischen und arabischen Mitbürgerinnen und Mitbürger befördern will, müsste man  – zusätzlich zu den etwa 300.000 bis 400.000 Euro Sozialhilfe und Kindergeld, die monatlich pro Schule an die Eltern ausbezahlt werden – für jede der bekannten Brennpunktschulen folgendes finanzieren:

1) mehrstündige intensive tägige Beschulung, Betreuung und Bespaßung ab Lebensalter 2 Jahre in Kleingruppen von bis zu 5 Kindern durch besonders ausgebildetes Personal

2) Klassenstärken bis 12 Kindern ab Lebensalter 6 Jahre, durch je 2 Lehrkräfte zu betreuen, darunter  1 Mann und 1 Frau

3) Umwandlung aller Brennpunktschulen in Ganztagsschulen

4) 4 festangestellte Sozialarbeiter pro Brennpunktschule, zur Hälfte mit Türkisch-, zur Hälfte mit Arabischkenntnissen

5) verpflichtende Elternkurse in  türkischer, arabischer und deutscher Sprache, Dauer etwa 2 Monate, abzuhalten jedes Jahr

6) 2-3 fest zugeordnete Polizeibeamte mit Türkisch- und Arabischkenntnissen als ständige Ansprechpartner in direkter Nähe der Schule

7) Je zwei festangestellte, staatlich vereidigte Dolmetscher für Arabisch und Türkisch pro Schule, einer jeweils männlich, eine weiblich

8 ) 1 Heim pro Schule für alle Kinder, die durch die Eltern nicht betreut und nicht erzogen werden.

9) Eine schweinfleischfreie Küche, die an 7 Tagen der Woche nach islamischem Kalender 3 warme Halal-Mahlzeiten für alle Kinder und Eltern anbietet, die zuhause nicht kochen

Rechnet man diese – wie ich meine – vernünftigen Maßnahmen durch, so ergibt sich, dass eine vernünftige, anständige Integrationspolitik, die Integration als wichtige Aufgabe des Staates begreift, den gesamten Berliner Landeshaushalt beanspruchen und zusätzlich eine weitere Neuverschuldung verlangen würde. Es bliebe kein Geld für andere Aufgaben wie etwa Straßenbau oder Kultur  übrig.

Das gesamte Steueraufkommen Berlins würde also in die Integrationspolitik umgeleitet, wenn man wie bisher den Ansatz „Integration ist Querschnittsaufgabe des Staates“ verfolgt.

Wir Steuerzahler würden uns nicht wie bisher nur teilweise, sondern komplett in den Dienst der Integration unserer migrantischen Mitbürgerinnen und Mitbürger stellen – sofern diese dies wünschen oder es nicht doch vorziehen, sich zu unabhängigen Exklaven der Türkei oder Libanons zu erklären und eines Tages von den wenigen verbleibenden Deutschen mehr Integrationsleistungen zu verlangen.

In dieser Situation würde der Druck auszuwandern so stark anwachsen, die Abwanderung in andere Länder würde so stark, dass der Staat nicht mehr finanzierbar wäre.

 Posted by at 15:11