Jan. 312011
 

Militante Gewalt in den großen europäischen Städten scheint sich eine Art Einheitskluft zurechtgelegt zu haben. Schaut man Bilder der „schwarzen Blöcke“ an, so kann man nicht erkennen, ob es rechte oder linke Säuberungstrupps sind, ob sie gegen Gentrifizierung oder Überfremdung kämpfen – oder beides zugleich.

Die Staaten des realen Sozialismus waren Nährböden eines recht erbitterten Nationalismus. In allen postsozialistischen Staaten ist diese Saat des nationalen Sozialismus, des „Sozialismus in einem Lande“, wie dies Lenin und seine Genossen nannten, aufgegangen.  Im Gebiet der früheren DDR, in der Slowakei, in Ungarn gab oder gibt es chronische Feindseligkeiten gegen alle, die nicht als der eigenen Nation oder der eigenen Klasse, der eigenen Rasse zugehörig empfunden werden. Am stärksten wurden jedoch nationale Gefühligkeiten in der russisch geführten, russisch dominierten UdSSR gepflegt und aufgebaut.

Hierfür ein zufälliger Beleg:

Rassenhass: Russlands Nationalisten hetzen erbittert gegen Ausländer – SPIEGEL ONLINE – Nachrichten – Politik

Die Sowjetunion hatte sich die Völkerfreundschaft auf die Fahnen geschrieben und ging maßgeblich an den Nationalitätenkonflikten zugrunde.

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Jan. 302011
 

Wie so viele anderen sozialen Probleme, so deute ich auch die Gewalttaten, die Sachbeschädigungen und Körperverletzungen der Autonomen als Ausfluss einer verhängnisvollen Bündelung von materieller Überversorgung und ideellem Peilungsverlust in unserer ökonomisch übersättigten, moralisch ausgehungerten bürgerlichen Jugend.

Schaut euch das Video an:

YouTube – Liebig14 verteidigen

Ihr seht und hört einen sympathischen jungen Mann, der ein recht beachtliches Bratschensolo hinlegt, dazu mannhaft-markige Sprüche von sich gibt, die in dem Schlusswort gipfeln: „Stürzen wir Berlin ins Chaos!“

Wer so gut und mit sehr guter Bogentechnik – bei gewissen Schwankungen in der Intonation – Viola spielt, muss aus reichem Hause stammen! Das Erlernen eines Streichinstruments bis zu dem hier gezeigten Grad der Spielfertigkeit setzt einen finanziellen Hintergrund voraus, der nur in gut abgesicherten Elternhäusern vorstellbar ist. Das Instrument klingt gut – es ist keine Billigbratsche!

Auch die gepflegte Sprache und der leicht rebellische Gestus des jungen Chaoten verweisen eindeutig auf die Herkunft aus der bürgerlichen Mittelschicht – der nette junge Mann könnte etwa Sohn eines Gymnasiallehrers oder Arztes in Süddeutschland sein.

Die meisten Autonomen scheinen vor allem an ihrer eigenen Herkunft aus dem wohlsituierten Bürgertum zu leiden – wie Rosa Luxemburg, Che Guevara oder Friedrich Engels auch. Sie scheinen verstecken zu wollen, dass sie nie materielle Not gelitten haben, dass sie nie für ihren Lebensunterhalt zu arbeiten brauchten.

Wie können sie diese Herkunft aus den reichen, übersättigten Wohlstandsfamilien am besten vergessen lassen? Einfach: Indem sie sich mit den hypothetischen Opfern einer hypothetisch unterstellten Verarmung solidarisieren. Da es keine echten Armen mehr gibt, bildet man sich den Popanz einer neuen, prospektiv gefühlten Armut heran: der Popanz der Gentrifizierung ist geboren!

Dadurch, dass die verlorenen Söhne des Bürgertums sich bewusst als arme Proletarier ausgeben – was sie objektiv nicht sind und niemals waren – überwinden sie den Makel ihrer privilegierten Abkunft. Mit den wirklich Armen dieser Erde haben sie nichts, gar nichts gemeinsam. An den wirklich Benachteiligten unserer Gesellschaft – etwa den migrantischen Kindern, den Beamten im unteren Polizeidienst, deren Gesundheit die Autonomen bedenkenlos gefährden – zeigen sie keinerlei Interesse.

Es sind letztlich verlorene Söhne wie die Kiffer, die halbwüchsigen Drogenkuriere, wie die Intensivtäter mit ihren tiefergelegten BMWs, wie die RAF auch. „Wir waren alle verrückt, wir waren nicht zurechnungsfähig“, diesen Satz des Autors Peter Schneider über sich und die 68er-Bewegung habe ich mir gemerkt. Peter Schneider hat recht.

Es geht ihnen, den verrückten Autonomen, letztlich darum, die Aufmerksamkeit der Gesellschaft zu erringen, sich abzusetzen von  ihren bürgerlichen Elternhäusern, ihren Erlebnishunger zu stillen und durch den bewusst herbeigeführten Gesetzesbruch die Auseinandersetzung mit der nie erlebten und schmerzlich vermissten elterlichen Autorität zu beginnen. Der in Kauf genommene Schädelbruch eines Polizisten, die verletzte Kniescheibe eines Journalisten sind ihnen dabei egal.

Wie sollte der Staat reagieren? Das Falscheste, was überhaupt möglich ist, hat sicherlich jahrelang die Bezirksregierung Friedrichshain-Kreuzberg unter grüner Führung getan: Sie meinte, ein politisches Anliegen fördern zu müssen, das die Autonomen mit großem Geschick und unter Täuschung der Öffentlichkeit auf ihre Fahnen schrieben. Unsere Bezirksgrünen haben immer wieder die Hand hingereicht, haben das Bethanien geöffnet, nur damit die nimmersatten Hausbesetzer eine Bleibe finden konnten.

Die gütige, quasi-elterliche Autorität des Bezirksamtes ließ sich auf die eskalierenden Wünsche der verlorenen Söhne ein, statt ihnen eine Grenze zu setzen. Die feste Grenzsetzung wäre das einzig Richtige gewesen: „Bis hierher – und keinen Zentimeter weiter!“ „Räumung? Ja, aber sofort!“ Stattdessen lässt der Staat, hier mehr schlecht als recht gespielt durch das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg, mit sich Schlitten fahren. Ein Schaupiel, wie es gerade aus vaterlosen Familien mit tyrannischen Kindern bestens bekannt ist.

Genau so reagierte der Staat zunächst auch auf die Pöbeleien eines Andreas Baader mit beschwichtigenden Therapieversuchen.

Das mütterlich-fürsorgliche Entgegenkommen gegenüber den aufsässigen, verwöhnten Jungmännern ist der Kardinalfehler. Ein verheerender Fehler! Der weiche, der entgegenkommende Staat wird verachtet, wird – wie stets voraussagbar – selbst zum Gegenstand der Angriffe – etwa in Gestalt der Polizisten, etwa in Gestalt des Friedrichshain-Kreuzberger Bezirksbürgermeisters. Mit beiden, sowohl mit den Polizisten wie auch mit dem Bezirksbürgermeister erklärt sich dieser Blogger hiermit solidarisch!

Die Geister, die sie – die Entgegenkommer und Kümmerer – riefen und heranpäppelten, werden sie nun nicht los!

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Jan. 112011
 

Ein recht aufschlussreicher Hörfunkbericht über die Rosa-Luxemburg-Konferenz lässt sich heute noch nachhören. Sehr unterhaltsam, sehr erbaulich!

Besonders beeindruckend:  Die laut gebrüllten Drohungen der Antifa-Saalschutzstaffeln: „Wir … kriegen … euch … alle … wir .. kriegen … euch .. alle …“

Die Drohungen richten sich gegen einige Demonstranten von der Vereinigung der Opfer des Stalinismus (VOS). Sie hatten sich erdreistet, an der Urania ein Transparent mit „Kommunismus  = 100 Millionen Tote“ zu entrollen.

Sofort stürzten sich Antifa-Sturmabteilungen mit Fußtritten und Faustschlägen auf die Gegendemonstranten. Das ist die berühmte „Antifa“, ein Berliner Zuchtgewächs.

Übrigens: Rosa Luxemburg setzte sich stets für die Freiheit der Andersdenkenden ein! Sie beklagte etwa, dass der russische Staat massiv gegen die Katholiken, Protestanten und Altgläubigen vorgehe und allein das Bündnis mit der orthodoxen Kirche pflege.

Außerdem war sie der Meinung, die ersten Christen seien – so wörtlich – leidenschaftliche Kommunisten gewesen, da sie privaten Reichtum abgelehnt hätten und alles der Gemeinde anvertraut hätten. Kommunismus wäre also im Grunde nichts anderes als ein politisiertes Christentum. Man lese doch ihren Aufsatz „Kirche und Sozialismus“ aus dem Jahr 1905!

Hierzu meine ich: Der Gemeindegedanke ist in der Tat zentral für das Christentum. Die Reichen sollen die Armen in der Gemeinde mittragen, sollen abgeben, so dass jeder einigermaßen würdig leben kann. Ganz entscheidend aber war: Der Reiche gab nicht aufgrund staatlichen Befehls seine Habe ab, sondern weil er es so wollte. Freiwilliges Abgeben, ja freiwillige Armut – das war und ist das Ideal für wichtige Strömungen im Christentum!

Niemand wurde gezwungen, Mitglied einer christlichen Gemeinde zu werden. Die frühen Christen, überhaupt das Christentum setzen kein messianisches Vertrauen in die Staatlichkeit, wie das die Sozialisten tun. Das Vertrauen der frühen Christen – und ich meine des Christentums überhaupt – galt und gilt dem vorbildlichen Menschen Jesus, galt und gilt überhaupt jedem Menschen in seiner Freiheit ja und nein zu sagen.

Das Christentum ist abgrundtief skeptisch gegenüber allen Heils- und Glücksversprechungen des Staates.

Der politische Kommunismus hingegen hat dieses Vertrauen in die Freiheit des Menschen nicht. Der politische Kommunismus ist absolut staatsgläubig – bis zum Erbrechen, bis zum Es-geht-nicht-mehr. Die kommunistischen Parteien haben überall und zu jeder Zeit, sobald sie an die alleinige Macht gelangt waren, vollständig auf die Zwangsmittel des Staates gesetzt.

Ob es bei der Durchsetzung des Kommunismus nun 70, 80, 90 oder 100 Millionen Tote „im Namen und zugunsten der kommunistischen Revolution“ gab, sei dahingestellt.

Die zentralen empirischen Analysen und messianischen Lehren des Marxismus halte ich für falsch.  Von der durch Marx, Engels und Luxemburg versprochenen Überwindung des Staates konnte und kann beispielsweise nirgendwo auch nur ansatzweise die Rede sein. Weder in den Staaten des demokratischen Sozialismus (etwa DDR oder UdSSR) noch in den skandinavischen Monarchien, noch in den autoritären Dynastien arabischer Prägung, noch auch in der freiheitlichen Demokratie (etwa EU oder USA) gab oder gibt es Anzeichen einer Abschaffung des Staates.

Entscheidend ist, dass weltweit alle real existierenden sozialistischen Staaten unter der Herrschaft der Kommunisten mit Terror, mit Unrecht, mit Gewalt ein staatliches Herrschaftssystem errichtet haben.

Ganz im Gegensatz dazu zeichnet sich die parlamentarische, rechtsstaatliche Demokratie dadurch aus, dass sie auf der Zustimmung der Mehrheit des Volkes ruht. Die parlamentarische, rechtsstaatliche Demokratie kommt mit einem Mindestmaß an staatlichem Zwang aus. Dass etwa Inge Viett weiterhin offen und öffentlich wie in den 70er und 80er Jahren in der Urania zu Straftaten aufforden konnte, werte ich als Beleg für die außerordentlich weitgefassten Grenzen der Meinungsfreiheit in der parlamentarischen Demokratie. In der DDR oder der UdSSR, in Nordkorea oder Kuba, aber auch in Algerien, Tunesien oder Syrien wäre sie mit ihrem offenen Aufruf zum gewalttätigen Gesetzesbruch nicht einmal ans Mikrophon gelassen worden. Und wenn sie doch einige ihrer Dreistigkeiten vom Stapel gelassen hätte,  wäre sie von der anwesenden Staatspolizei sofort verhaftet worden. Und wäre von den Kommunisten ab ins Lager verfrachtet worden.

Fazit: Die gebrüllten Rufe „Wie kriegen euch alle“ der Antifa-Sturmabteilungen lassen nichts Gutes hoffen. Das sind offenkundig schon die Sturmtruppen der angestrebten neuen Revolution.

Das ist eine Welt! Das ist die junge Welt! Möge sie niemals kommen.

Den Völkern hat diese kommunistische Suppe nicht geschmeckt. Soll man sie jetzt noch einmal anrühren?

Leseempfehlung:

Rosa Luxemburg: Internationalismus und Klassenkampf. Die polnischen Schriften. Herausgegeben und eingeleitet von Jürgen Hentze. Luchterhand Verlag, Neuwied und Berlin 1971, hierin: „Kirche und Sozialismus“, Seite 44-77, insbesondere S. 47

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Liebfrauenschule, oder: Andreas Baader, Ulrike Meinhof, Inge Viett …: typische Intensivtäter?

 Analı babalı, Familie, Frau und Mann, Kinder, Konservativ, Männlichkeit, Rechtsordnung, Sozialismus, Sozialstaat, Vaterlos, Verwöhnt  Kommentare deaktiviert für Liebfrauenschule, oder: Andreas Baader, Ulrike Meinhof, Inge Viett …: typische Intensivtäter?
Jan. 082011
 

Als Intensivtäter gelten heute in Berlin solche Menschen, die in einem Jahr mit mindestens 10 erheblichen Delikten bei der Staatswanwaltschft geführt werden.

Als Ergebnis meiner Gespräche und Begegungen meinte ich in diesem Blog mehrfach feststellen zu dürfen: Zerrüttete Familien, abwesende, scheiternde Väter sind der wichtigste, vermutlich der auslösende Faktor für kriminelle Karrieren bei Jugendlichen.

Der fehlende oder abwesende Vater ist sogar einer der drei wichtigsten Risikofaktoren, wahrscheinlich der wichtigste Risikofaktor  für den Beginn und die Verstetigung von gewohnheitsmäßig ausgeübter Kriminalität.

Wenn das stimmte, was ich hier behaupte, dann müsste verantwortliche Präventionspolitik vor allem darauf gerichtet sein, Kindern das Aufwachsen in guten, in vollständigen Familien mit treusorgenden Vätern und Müttern zu ermöglichen.

Umgekehrt gilt: aus vollständigen Familien, in denen Mutter UND Vater sich verantwortlich und dauerhaft um die Kinder kümmern, wachsen keine Intensivtäter heran.

Wir haben in Berlin derzeit etwa 550 Intensivtäter, für die derzeit 6 geschlossene Heimplätze gebaut werden. Kosten pro Heimplatz und Tag: 300.- Euro. Gebraucht werden aber vermutlich 500 bis 600 Plätze.

Es ist spannend, die Biographien von erwachsenen „Intensivtätern“ wie etwa Andreas Baader, Ulrike Meinhof oder Inge Viett auf diese frühen Risikofaktoren zu erforschen. Wenn meine These zuträfe, dann müsste ja statistisch bei der Mehrheit aller Gewaltverbrecher, also auch der RAF-Mitglieder ebenfalls ein Vaterversagen oder Vaterfehlen in Kindheit anzutreffen sein, ein Aufwachsen in zerrütteten oder unvollständigen Familien.

Inge Viett hat ja heute wieder einen großen Auftritt in der Urania bei dem Rosa-Luxemburg-Kongress, geadelt durch eine außerordentlich beliebte Lichtenberger Bundestagsabgeordnete.

Bei Andreas Baader, dessen Vater kurz nach seiner Geburt starb, ergibt sich: er wuchs vaterlos in einem reinen Frauenhaushalt auf.  Er wurde im Liebfrauenhaushalt verhätschelt und verwöhnt. Ihm wurden keine Grenzen gesetzt. „Was ihm an Essen nicht schmeckte, warf er an die Wand.“ Mit 17 Jahren wollte er ein Buch über „bessere Erziehungsmethoden“ schreiben, wie Stefan Aust in seinem Buch „Baader Meinhof Komplex“ berichtet.

Ulrike Meinhof wuchs ebenfalls nach dem frühen Tod ihres Vaters in einem reinen Frauenhaushalt auf. Ihre Mutter und Renate Riemeck waren ihre wesentlichen Bezugspersonen. Die Schule, die sie besuchte, hieß „Liebfrauenschule“. Ihre politische Radikalisierung erlebte sie, als sie ihr Stück Bambule über schwer erziehbare Mädchen in einem autoritär geführten Mädchenerziehungsheim schrieb.

Inge Viett wuchs zunächst ebenfalls vaterlos in einem Erziehungsheim auf. Der Pflegefamilie, der sie zugewiesen wurde, lief sie weg. Auch ihr fehlte also in der frühen Kindheit die väterliche Instanz, das verbietende Prinzip, welches in die „Liebfrauenschule“ der frühen Kindheit einbricht.

Ich stelle folgende Behauptung zur Diskussion:

1) Die Neigung zu habituellem Gewaltverbrechen, also nicht zum einmaligen „Ausraster“ im Affekt, entspringt ursächlich meist dem Fehlen einer verbietenden Instanz in der Kindheit, also meist dem Ausfall oder dem Versagen des Vaters. Weder Armut noch Hartz IV noch die soziale oder materielle Lage  spielen in Europa eine ursächliche Rolle beim Entstehen von Kriminalität. 

2) Aus welchem Anlass diese erworbene Disposition zur Gewaltkriminalität sich entfaltet, ist sekundär. Es kann linker oder rechter Radikalismus sein, es kann die Hoffnung auf schnelles Geld sein, es kann die Erfahrung einer Enttäuschung sein, es kann der islamistische Terrorismus sein. Die politische Motivation ist aber stets nur vorgeschoben, sie ist nicht das eigentliche Drama, das sich abspielt. Sie ist eine Verkleidung und eine Metamorphose des Konfliktes, der in der frühen Kindheit angelegt wurde.

Dass sowohl Hitler als auch Stalin ebenfalls vaterlos großwurden, darf nunmehr nicht überraschen.

Ich halte es für nachweisbar, dass die allermeisten kriminellen Karrieren mit einem ganz offenkundigen, schweren Fehlen oder Versagen des Vaters zu tun haben.

3) Terroristische Gruppen üben auf gerade diese Kinder einen magischen Bann aus.  Wieso wurde Baader ein Terrorist, aber Bernward Vesper, der ganz ähnliche politische Ansichten wie Baader hatte, nicht? Nun: Vesper HATTE den Vater, mit dem er sich intensiv auseinandersetzen konnte. Man lese sein Buch „Die Reise“! Baader nicht. Ihm fehlte der Vater.

4) So halte ich es für wahrscheinlich, dass der strenge Drill, die militärisch-harte Manneszucht in den Fatah-Ausbildungslagern auf Menschen wie Andreas Baader gerade deswegen so attraktiv wirkten, weil sie eben durchherrscht waren von dieser Unterwerfung unter den Befehl: sie ermöglichten den vaterlos aufgewachsenen Männern die nachholende Errichtung eines männlichen, eines streng strafenden Vater-Ichs.

5) Eine Ausnahme sind selbstverständlich die Fälle der organisierten Kriminalität, wo Kinder in kriminellen Familien schon von klein auf in die Fußtapfen der Väter hineinwachsen. Diese mafia-artigen kriminellen Familienstrukturen, die vielerorts entstehen, sind von außen kaum mehr zu beeinflussen.

Anders hingegen die vielen Fälle des „Abgleitens“ von Jugendlichen in die kriminelle Karriere: Wenn kein Vater da ist, wenn der Vater versagt, muss die Mutter oder eine männliche Person oder „die Gesellschaft“ ihn unter größter Mühe ersetzen, was manchmal gelingt und manchmal scheitert.

6) Der Umkehrschluss trifft selbstverständlich nicht zu: Auf keinen Fall werden alle Kinder, die vaterlos aufwachsen, kriminell! Aber die Mütter haben es mit Sicherheit deutlich schwerer, ihren Kindern Grenzen aufzuzeigen. Die Mütter, oder die Institutionen wie Schule, Heim oder Internat haben buchstäblich alle Hände voll zu tun, die fehlende oder versagende Instanz „Vater“ mehr oder minder zu ersetzen.

7) Wenn ein jugendlicher Krimineller „die Kurve kriegt“ und den Weg zur Gesetzestreue findet, so hat es fast immer mit der Begegnung mit einem einzelnen männlichen Menschen zu tun, der ihm oder ihr glaubwürdig das Prinzip der Regelsetzung vorlebt.

Wenn meine Behauptungen zutreffen, hätte das erhebliche Konsequenzen für die Sozial- und Familienpolitik, für die Verbrechensprävention und für die gesamte Erziehungslandschaft, für die Jugendhilfe und die Sozialarbeit.

Ich konstatiere: Keine politische Partei, weder in Deutschland noch in Berlin, nimmt diese Einsichten vom überragenden Rang der Familie derzeit ernst. Warum? Ich vermute: Weil „Familie“ zopfig klingt. Lieber sagt man als guter Deutscher family, als wäre das Wort Familie tabu. Weil es cooler ist, neue Programme für Hunderte Millionen Euro aufzulegen statt von den Vätern irgend eine Mehrleistung zu verlangen – ohne Bezahlung selbstverständlich!

Man schreit lieber nach mehr Polizei oder mehr Sozialstationen. Nach geschlossenen Heimen ohne Ende. Dabei gilt doch: Die gute Familie ist unersetzlich für den Zusammenhalt und die Reproduktion der Gesellschaft. Faschismus, Sozialismus, Nationalsozialismus und Kommunismus haben es in Teilen darauf angelegt, die Familien zurückzudrängen, weitgehend zu ersetzen oder gar zu zerstören – etwa durch die Machenschaften der Stasi oder des KGB. Der Preis dafür ist riesengroß.

Alle Versuche, die Familie ganz oder teilweise überflüssig zu machen, sind unbezahlbar teuer.

Wenn das alles stimmte, dann müsste es so etwas wie Familienerziehung in den Schulen geben – einschließlich Gegenständen wie Säuglingspflege, Kindererziehung, Kochen für Mädchen UND Jungen, Haushaltsführung, Werteerziehung, Kranken- und Altenpflege. Da geschieht aber – fast – nichts! Leider!

Ich ersuche um vorurteilslose Prüfung meiner Behauptungen.


 Posted by at 15:29
Dez. 222010
 

Sind alle staatslastigen Parteien links? Sind alle Parteien, die ihr Vertrauen in dauerhafte Förderprogramme, in staatliche Umverteilung, in die soziale Gerechtigkeit herstellende, fürsorgliche Macht des Staates, in das Heranzüchten einer staatsabhängigen Bevölkerungsmehrheit setzen, linke Parteien?

Kann man so nicht sagen! Es mag zwar so heute in Deutschland im Großen und Ganzen zutreffen. Je linker, desto staatsfixierter, desto mehr Vertrauen in die staatliche Lenkungsmacht! Das ist eine Faustregel, die wie alle Faustregeln etwas Gewaltsames hat.

Aber es gab und gibt auf der rechten, der nationalistischen Seite ebenfalls extrem staatslastige Parteien! Der ungarische Jobbik ist zweifellos eine sehr rechte, staatslastige  Partei.

Die italienischen Faschisten, die deutschen Nationalsozialisten bekämpften zwar, ehe sie zur Macht kamen, den italienischen bzw. deutschen Staat in seiner damaligen Ausprägung mit den Mitteln des illegalen Kampfes, des Terrors und der Gewalt. Sobald sie aber die staatliche Macht errungen hatten, setzten sie alles daran, die gesamte Gesellschaft durch die Macht des Staates umzuschaffen.

Auch die faschistischen und nationalistischen Parteien waren also im Grunde extrem staatslastige Parteien – sind es bis zum heutigen Tage. Der bestehende Staat, die „bürgerliche Demokratie“, war und ist ihr Hauptgegner.

Ungarn wählt – Die fröhlichen Faschisten von Jobbik – Politik – Berliner Morgenpost – Berlin

Bei unseren extremen Linken, also etwa der Rote Armee Fraktion und ihren Nachfahren, galt und gilt Ähnliches:

Die deutschen, extrem zersplitterten Linksextremisten – von der Weimarer KPD einer Rosa Luxemburg bis zur RAF einer Ulrike Meinhof und darüber hinaus – bekämpften zwar, da sie nicht an der Macht waren, den deutschen Staat, die bürgerliche Demokratie in ihrer damaligen Ausprägung, mit den Mitteln des illegalen Kampfes, des Terrors und der Gewalt. Ich hege aber keinen Zweifel:  Sobald sie die staatliche Macht errungen hätten, hätten sie alles daran gesetzt, die gesamte Gesellschaft durch die Macht des Staates umzuschaffen.

Extreme Staatslastigkeit bedeutet keineswegs bereits automatisch links.

Die KPdSU, die russischen Kommunisten schafften gewissermaßen die Quadratur des Kreises:  Sie waren zweifellos überzeugte Kommunisten, aber sie waren oder wurden eben auch glühende Nationalisten! Sie waren staatsgläubig, aber sie schafften es auch, durch extreme, auch gewaltsame Russifizierung, durch Unterwerfung und militärische Gewalt gegen die umliegenden kleineren Staaten wie etwa Polen, Tschetschenien, Afghanistan oder die baltischen Staaten fast die gesamte rechtsextreme, nationalistische Bewegung Russlands auf ihre Seite zu ziehen! Wer den kommunistischen Nationalismus nicht wollte, wurde liquidiert, wie etwa Trotzkij.

Das Militärbündnis zwischen der Sowjetunion und dem Deutschen Reich, das immerhin bis zum August 1941 gehalten hat, war der ideale Ausdruck dafür, dass nationalistische, sozialistische und kommunistische Ideen und Ideale sehr wohl zusammenpassen. Erst 1990 hat sich Europa weitgehend von dieser unheiligen Allianz befreit. Zum Glück!

Es darf somit nicht wundern, dass gerade in den ehemals kommunistisch-nationalistischen Staaten wie etwa der ehemaligen Sowjetunion oder der VR Ungarn, oder in Gebieten der früheren DDR heute der extreme Nationalismus, der Rechtsextremismus leider weiterhin so furchtbar stark ist. So weiß es jeder, dass es im Gebiet der ehemaligen DDR weiterhin starke nationalistische, faschistische Bewegungen gibt, die in Gefährlichkeit den linksextremistischen Bewegungen nicht nachstehen. Sie bestanden übrigens bereits in der DDR, jedoch im Untergrund.

 Posted by at 17:45
Dez. 202010
 

26082009011.jpg Cooler Move von Künast! Sie fühlt sich durch die Anwesenheit des Papstes nicht eingeschüchtert. Ich denke, niemandem bricht ein Zacken aus der Krone, wenn er dem Diener der Diener, dem servus servorum (einer der Titel des Papstes) lauscht.

Volker Beck sollte nicht eingeschnappt sein, nur weil der Papst IHN persönlich für „ungeordnet“ hält.

Und Ströbele sollte nicht sauer sein, wenn der Papst sich nicht bei IHM persönlich entschuldigt für das, was einige irrgeleitete Patres vor 400 Jahren den Indios angetan haben. Lest die WELT:

Er „halte davon nichts“, dass der Papst im Bundestag rede, sagte der Berliner Alt-Grüne der „Mitteldeutschen Zeitung“ und kündigte an, bei Benedikts Rede den Saal zu verlassen. „Unserem Heiligen Vater nehme ich besonders übel, dass er sich in Lateinamerika nicht zu seiner Schuld und der seiner Kirche bekannt hat“, sagte Ströbele im Fahrwasser alter Latino-Solidaritätsadressen.

Oder sollte Ströbele sich bei BECK für das entschuldigen, was Fidel CASTRO, der von Ströbele eifrig beworbene CHE Guevara sowie ihre kommunistischen Sturmtrupppen den Schwulen in kubanischen Internierungslagern haben angedeihen lassen? Erkennt Ihr das Bild auf Ströbeles Schal? Welcher gute Freund und fröhliche Mitstreiter Fidel Castros ist das denn?

Was war die kämpferische Grundeinstellung von Fidel Castro und Che Guevara gegenüber Schwulen und Lesben? Für wen errichteten Fidel und Che ihre Internierungslager?

Zitat aus queer.de:

 Homosexualität war zwar vor dem Umsturz durch Castro 1959 bereits illegal, gleich nach der Machtübernahme ließen die neuen Machthaber Schwule aber gezielt verfolgen und in Internierungslager stecken, in denen viele zu Tode kamen. Die Kommunisten begründeten die Verfolgung damals damit, dass es sich bei Homosexualität um eine kapitalistische Ausprägung handelte, die es auszurotten galt. Erst in den 1980er Jahren ließ der Verfolgungsdruck auf Schwule und Lesben nach. Homosexuelle wurden aber bis vor wenigen Jahren noch wegen „antisozialen Verhaltens“ verfolgt.

Nicht zuletzt: Die Grünen haben ca. 52.000 Mitglieder. Die Katholiken etwa 1,1 Milliarden.

Papst-Rede: Künast rüffelt Beck – Queer.de
„Da gehen wir hin – und zwar respektvoll.“

 Posted by at 15:23

Muntere Debatte … zu Staat und Religion

 Sozialismus, Vergangenheitsunterschlagung  Kommentare deaktiviert für Muntere Debatte … zu Staat und Religion
Dez. 192010
 

Neben dem Beitrag von Innenminister de Maizière möchte ich heute vor allem auf die sehr klaren Kommentare des Lesers flexton im dazugehörigen Online-Forum hinweisen. Wie nicht anders zu erwarten, erhält de Maizière sofort ein Sperrfeuer an Gegenmeinungen zu Dingen, die er gar nicht gesagt hat.

Bemerkenswert, dass Islam, Hinduismus und Buddhismus von den Lesern kaum angegriffen werden. Die Angriffe der Leser richten sich nur gegen die christlichen Kirchen und gegen das Christentum überhaupt.

Gegenüber all den erwartbaren religionsfeindlichen Äußerungen ragen meines Erachtens flextons Einwürfe durch Schärfe und Tiefe der Beobachtungen heraus, weshalb ich hier drei Abschnitte zustimmend zitiere:

Staat und Religion: Quer zum Zeitgeist – Meinung – Tagesspiegel

Zitat flexton 1:
„Ich kann hier freilich nur als evangelischer Christ sprechen, aber bei uns ist es so dass der Mensch ausdrücklich mit all seinen Makeln von Gott angenommen, ja so geschaffen, wird. Stichwort „Ursünde“, das heißt nicht im modernen zeitgenössischen Sinne wir sind alle „böse“ geboren sondern dass negative Verhaltensweisen untrennbar zu uns gehören (damit war man vor Jahrtausenden schon weiter als die politischen Ideologien des 19. Jahrhunderts die alle den „neuen Menschen“ schaffen wollten und im Totalitarismus endeten). Das ist ein sehr sehr realistisches Menschenbild, was schon in der Schöpfungsgeschichte klar wird – wir werden Mensch und fangen bereits an mit Zweifel, Mißtrauen, hintergehen einander…ja selbst Gott, und streben nach Erkenntnis gleich welche Konsequenzen es hat. Bis hin zur Hybris.“

Zitat flexton 2:

„Die infantile Weise mit der selbsternannte Bildungsbürger die Bibel gerne verspotten, indem Bibelverse aus dem Kontext zitiert werden (mit der sachlich falschen Behauptung zwischen den Zeilen dies sei wortwörtlich gemeint, gar „Gesetz“ für jeden frommen Christen) ist regelrecht anti-intellektuell. Ich habe mich mit meinem Glauben, aber auch anderen Religionen, theologisch befasst um mir ein Urteil zu bilden. Ich bin auch nicht „christlich“ erzogen worden, meine Eltern sind nervige 0815 alt68er. Ich habe mir meinen Glauben selbst gewählt, bin auch (AUS NEUGIER!) in den Religionsunterricht gegangen seit ich das selbst wählen konnte (davor musste ich, von den Eltern aus, in „Ethik“ wie das in Bayern heißt).“

Zitat 3 flexton:

„Davon abgesehen, was glauben Sie wie mir zB immer die Galle hochkommt wenn ich bei enthusiastisch-naiven jungen ungewaschenen „Linken“ das Konterfrei vom „Che“ auf T-Shirts sehe (auch eine Art ulkiger Kommerz-Personenkult, aber das haben „Linke“ noch nie bemerkt – „Ami Go Home“ und dabei Levis Jeanshosen getragen…).

Warum? Unter diesen ach so tollen Revolutionären wurden u.a. Schwule, wie ich einer bin, extrem brutal verfolgt – bis hin zu Lynchmorden und sofortiger Erschießung bei Bekanntwerden. In großer Zahl wurden schwule Männer interniert, es gab Versuche zur „Umerziehung“ und Homosexualität wurde als „perverses Produkt dekadenter westlicher Lebensweise“ dargestellt.

Soviel zu unreflektierter Idolverehrung…na, auch mal so ein „Che“ Shirt gehabt?“

 Posted by at 13:28

„Straflager Stalins?“

 Gedächtniskultur, Sozialismus  Kommentare deaktiviert für „Straflager Stalins?“
Aug. 232010
 

 16082010003.jpg

Während der Zeit des Russischen Großen Rauches (6.-13. August 2010) hatte ich im zurückliegenden Datschen-Sommerurlaub reichlich Gelegenheit, Schach zu spielen, Spaghetti alla italiana zu kochen, eigenen Gedanken nachzuhängen und Bücher, etwa den Faust II, zu lesen. So fand ich bei meinen Streifzügen durch die russischen Bibliotheken auch die kompletten Werke Lenins und Stalins, bandweise sorgsam im Schuber verpackt und fingernageldick mit Staub bedeckt. Ein gefundenes Fressen!

Im Bild hier: Der Band 10 der Werke Stalins in der grundsoliden Gesamtausgabe, erschienen Moskau 1951. Man beachte den Fingernagel des hier schreibenden Bloggers in der Nähe der Falzung!

Worum der Mann sich kümmerte – unfassbar! Vom kämpferischen Grußwort zur  Einweihung eines Traktorenwerks im Ural über die Neuregelung der russischen Grammatik bis hin zur Fortschreibung der 5-Jahrespläne – alles hatte der große Führer bedacht.

Aber war Stalin wirklich für alles verantwortlich? Ich hege Zweifel.

Die neuesten russischen Gedenksteine für die Opfer der kommunistischen Gewaltherrschaft sprechen nicht mehr von „Opfern des Stalinismus“ sondern von „Opfern der Unterdrückung“- Repressja auf Russisch. Die offizielle Zahl der Todesopfer des staatlichen kommunistischen Terrorsystems liegt in der kleinen Ortschaft Nikolina Gora, in der ich wohnte, bei 50. Die offizielle Zahl der Kriegsopfer während des Großen Vaterländischen Krieges (1941-1945) hingegen liegt bei 15. Weniger als ein Drittel!

In Russland spricht man seit einigen Jahren nicht mehr so viel von Stalinismus. Denn es ist nunmehr allgemein bekannt, dass die bolschwistische Partei, nachdem sie aus einer absoluten Minderheit heraus handstreichartig die Macht an sich gerissen hatte, von Anfang an alle missliebigen Elemente in Konzentrationslagern internierte und oft standrechtlich eliminierte, also erschoss. Die Kommunisten haben sofort nach ihrem Staatsstreich das System der zaristischen Straflager übernommen, ausgebaut, erheblich erweitert und die Zielgruppen der Verfolgung beliebig ausgedehnt. Lenin, Stalin, Dzherzhinskij und Kalinin waren die entscheidenden Männer beim Aufbau des staatlichen Terrornetzwerks, wobei Stalin zunächst keine beherrschende Rolle zukam.

Ich bin fest überzeugt: Ohne systematische, jahrzehntelang fortgesetzte, massive kriminelle Gewalt hätten sich die Kommunisten niemals in Russland oder anderen europäischen Ländern an der Macht halten können. (Das Gleiche gilt übrigens für die deutschen Nationalsozialisten.) Dieses auf kriminelle Methoden gestützte Straf- und Terrorsystem bestand bereits vor Stalins Machtübernahme, und es verschwand auch nach Stalins Tod 1956 nicht völlig.

Schade, dass in Deutschland immer noch alle Schuld dem Großen Führer in die Schuhe geschoben wird.  So etwa heute wieder in SPIEGEL online, wo es heißt:

„Ich habe doch nichts verbrochen“ – einestages
Zehntausende Deutsche mussten nach dem Krieg in den Straflagern Stalins schuften – auch Jugendliche.

Straflager Stalins? Das wäre etwa so, als wollte man das später nach sowjetischem Vorbild aufgebaute Konzentrationslagersystem Deutschlands (1933-1945) als „Straflager Hitlers“ bezeichnen.

Ich halte diese ständige Schuldzuweisung an eine und nur eine Person für nicht sachgerecht.

Ich würde es so sagen: Sowohl die kommunistische Sowjetunion als auch später das nationalsozialistische Deutschland errichteten und betrieben ab 1918 bzw. 1933 zur Herrschaftssicherung umfangreiche Konzentrationslagersysteme, die der Verfolgung und Ausmerzung eingebildeter, potenzieller oder tatsächlicher Gegner dienten.

In der Sowjetunion und in der sowjetisch besetzten Zone Deutschlands und anderer Länder wurden diese Konzentrationslagersysteme weit über 1945 hinaus betrieben.

Hunderttausende Menschen wurden bis weit nach 1945 in den Konzentrationslagersystemen der Sowjetunion und des sowjetisch besetzten Deutschland durch Zwangsarbeit, Unterversorgung und Hinrichtung auf unnatürliche Weise zu Tode gebracht. Die Zahl der Opfer dieses Terrorsystems übersteigt an vielen Orten die Zahl der Kriegsopfer.

Dieser Opfer wird viel zu wenig gedacht. Sie haben Anerkennung und namentliche Nennung verdient.

 Posted by at 12:07

25 qm/Person – ein drastischer Anschlag auf die Gurgel der Menschenwürde

 Bitte zählen!, Mieten, Sozialadel, Sozialismus, Sozialstaat  Kommentare deaktiviert für 25 qm/Person – ein drastischer Anschlag auf die Gurgel der Menschenwürde
Juli 232010
 

23072010003.jpg Bei meinen Reisen durch Russland, Polen, Italien, Tschechien, Türkei und USA habe ich immer wieder Wohnungen von Freunden und Bekannten aufgesucht, habe geschaut, wie sie leben. Auffallend: Nirgendwo haben die Menschen so viel Wohnraum wie bei uns zur Verfügung. Dies gilt quer durch alle Einkommensschichten. In der Sowjetunion gab es die Komunalnajas, da konnte es vorkommen, dass ein Universitätsprofessor sich zwei Zimmer mit seiner 5-köpfigen Familie teilte. Nobelpreisträger im Ostblock hatten weniger Wohnraum als Hartz-IV-Empfänger bei uns. Lebten sie deswegen unter unwürdigen Verhältnissen?

Guter Zug des Arbeitsministeriums: Die Wohnkosten der Sozialhilfeempfänger sollen regional pauschaliert werden, das umständliche Hickhack mit den Bedarfsprüfungen soll beendet werden. Und sogleich erhebt der Chor der Protestierenden seine Stimme! Wie könnte es anders sein! Die Berliner Zeitung berichtet:

Für Grünen-Chef Cem Özdemir entzieht sich der Bund mit der Übertragung der Mietkosten-Bestimmung auf die Kommunen «seiner Verantwortung und setzt den Kommunen die Pistole auf die Brust: Entweder sie werden ihrer sozialen Verantwortung wirklich gerecht und kommen damit in große Haushaltsnöte oder sie gehen den sozial Schwächsten drastisch an die Gurgel».

Ei der Daus. „An die Gurgel“, das ist starker Tobak!  Da empfehle ich doch einmal Reisen durch die USA, durch Libanon oder Türkei, durch Russland oder Syrien, oder durch Neukölln …:-)

Wie dem auch sei: Ich weiß, dass ein großer Teil der Steuern, die ich Monat für Monat abführe, dazu dient, anderen Menschen ein „menschenwürdiges Dasein“, wie es die wohlbestallten Klagemänner und Klageweiber nennen, zu ermöglichen. Und zwar auf weltweit höchstem Niveau.

Ich bin sicher: Das wird auch so bleiben. Es ist nicht unwürdig, wenn ein einzelner Alleinstehender sich mit 25 qm Wohnraum, die er auf Gemeinschaftskosten erhält, begnügen muss. Er braucht keinen Finger dafür krumm zu machen, und es steht ihm jederzeit frei, das unwürdige Gefängnis zu einem Spaziergang oder auf ein Zigarettchen zu verlassen.

Berliner Zeitung – Aktuelles Politik – Wirbel um Wohnkosten von Hartz-IV-Empfängern
Der Sprecher des Bundesarbeitsministeriums, Jens Flosdorff, bestätigte am Freitag in Berlin einen Bericht der «Financial Times Deutschland» grundsätzlich. Eine interministerielle Arbeitsgruppe habe vorgeschlagen, die individuelle Berechnung der erstattungsfähigen Mietkosten durch regional einheitliche Kriterien zu ersetzen. Die Kommunen könnten dies dann in Satzungen regeln.

Bild: Johannesthal in Berlin-Rudow

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Feb. 282010
 

Die neuesten Daten, die die Morgenpost heute bringt, belegen es erneut: ich wohne im ärmsten Bezirk Berlins. Doch echte Armut gibt es hier nicht.  Echte Armut beschrieben Dickens, Friedrich Engels, John Galsworthy – und andere. Armut, das sind zerlumpte, hungernde, bettelnde Menschen. Eine typische Armuts-Szene beschreibt John Galsworthy in seinem Roman Beyond:

Beyond, by John Galsworthy
The usual route from the station to Bury Street was „up,“ and the cab went by narrow by-streets, town lanes where the misery of the world is on show, where ill-looking men, draggled and over-driven women, and the jaunty ghosts of little children in gutters and on doorsteps proclaim, by every feature of their clay-coloured faces and every movement of their unfed bodies, the post-datement of the millennium; where the lean and smutted houses have a look of dissolution indefinitely put off, and there is no more trace of beauty than in a sewer. Gyp, leaning forward, looked out, as one does after a long sea voyage; Winton felt her hand slip into his and squeeze it hard.

Also: „Krank aussehende Männer, zerlumpte erschöpfte Frauen, gespenstische kleine Kinder im Rinnstein …“ Ernst Bloch schreibt in seinem „Prinzip Hoffnung“ zu eben dieser Stelle:

„Wenigstens hat der Arme den Vorteil, schmutzig auszusehen. Er bietet keinen schönen Anblick, er wirkt vorwurfsvoll, auch wenn er schweigt. Der Arme darf ans Herz, doch freilich nicht an den Beutel greifen; letzteres tut der Herr, um das Elend, von dem er lebt, zu mildern.“

Bloch, Adorno, Dutschke, Habermas, Gysi  – sie alle kannten und kennen Armut als erlesene Armut nur aus den Büchern. All die Aufrufe zur Revolution, zum Systemwechsel wegen angeblicher Verelendung des Volkes waren erborgt aus diesen und anderen Lesefrüchten. Für Marx und Engels hingegen lag Armut noch vor Augen. Wir haben in der Bundesrepublik jeden Begriff davon verloren, deshalb das sinnleere Gerede von Armut.

Gestern fuhr ich mit der BVG vom Märkischen Viertel über den Hermannplatz Neukölln zurück in mein armes Kreuzberg. Besuche auch du, lieber Leser, Neukölln! Betrachte die jungen Männer in ihren weißen Jeans, ihren Markenklamotten, mit ihren i-pods, ihren gegelten Haaren, ihrem kurzrasierten Haar. Ihrem platzgreifenden, selbstbewussten Gebaren. Sie kennen keine Armut. Die Notwendigkeit zu arbeiten kennen sie ebenfalls nicht. Es macht ihnen keine Mühe, irgendeine Frau, irgendein Mädchen in der U-Bahn anzuquatschen und dreist zu behelligen, solange sie keinen Schleier trägt.  Diese jungen Männer werden die Prozentrechnung am Ende der 10.Klasse und auch die deutsche Rechtschreibung nicht beherrschen, irgendein Unternehmen in Ludwigsfelde oder Fürstenwalde wird sie nicht einstellen. Dennoch sind sie perfekt integriert. Integriert untereinander, in ihren Sippen, in den sozialen Stützungssystemen.

Sie sind nicht arm. Sie leben in vollkommener Freiheit. Hartz IV sei Dank. Sie können tun und lassen, was sie wollen. Über sie und genau sie schreibt Karl Marx im dritten Band des Kapitals:

Das Reich der Freiheit beginnt in der Tat erst da, wo das Arbeiten, das durch Not und äußere Zweckmäßigkeit bestimmt ist, aufhört; es liegt also der Natur der Sache nach jenseits der Sphäre der eigentlichen materiellen Produktion.

Zitat: Ernst Bloch, „Prinzip Hoffnung“, 2. Band, Suhrkamp Verlag, Frankfurt/M. 1977, S. 1045

Bild: Am U-Bahnhof Möckernbrücke, Abendstimmung vor dem Sturm, heute, 28.02.2010, 18 Uhr

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Feb. 162010
 

Sozialismus oder spätrömische Dekadenz? Der Vergleich unserer Sozialstaatsdebatte mit dem marxistischen Sozialismus, mit seiner unerbittlichen sozialistischen Arbeitspflicht, seinen riesigen Lagern, dem GULAG, der oft tödlichen Zwangsarbeit in gewaltigen Infrastrukturprojekten, dieser Vergleich hinkt meines Erachtens gewaltig. Niemand schickt bei uns die Bürger zu Tausenden und Abertausenden zwangsweise auf die Lager-, Kraftwerks- und Kanal-Baustellen, wie dies Lenin, Stalin, Che Guevara, Castro und viele andere sozialistische Führer taten.

Aber der Vergleich mit dem spätrömischen Kaiserreich ist durchaus aufschlussreich! Im spätrömischen Kaiserreich bedienten sich die Macht-Eliten hemmungslos. Sie wirtschafteten in die eigene Tasche. Der Sinn für virtus romana, für die res publica, für die salus publica ging verloren. Selbstbereicherung herrschte. Auch im spätrömischen Kaiserreich wurden weite Teile der Bevölkerung wie heute durch staatliche Wohltaten alimentiert, durch üppige Spiele und Zerstreuung gefügig gehalten. Begüterte Oberschicht und minderbemittelte Unterschicht nahmen den Staat aus wie die sprichwörtliche  Weihnachtsgans (eine Redewendung, die allerdings erst später mit dem Christentum aufkam). Verantwortlich für das Ganze fühlten sich zwar einige der Kaiser, wie etwa Diokletian oder Konstantin, aber die Mehrzahl der Kaiser hatte alle Hände voll zu tun, den eigenen Machterhalt zu sichern, indem sie der einen oder der anderen Klasse oder Teilkategorie einen möglichst großen Anteil am öffentlichen Reichtum zuschanzten. Das Militär wurde zur wichtigsten Stütze der kaiserlichen Macht.

Richtig arbeiten, sparsam wirtschaften, ackern, säen, ernten – das wollten die verwöhnten Römer nicht mehr. Otium cum dignitate, das war das Ideal. Ich übersetze ins Deutsche: Abhängen in lässiger Coolness, Chillen in Tavernen und Bars, nur nicht die Hände schmutzig machen. Dann kamen die Eroberungsvölker aus dem Osten. Reiterstämme, Steppenvölker, Krieger. Und sie nahmen sich ebenfalls, was sie kriegen konnten. Letztlich krachte die Konstruktion zusammen. Die einigende Klammer war verlorengegangen.

Gespannt bin ich darauf, was die Althistoriker und die Volkswirtschaftler zu Westerwelles vermeintlichem „Amoklauf“ sagen werden!  Alle Meinungsforscher, alle Kommunikationsexperten, fast alle Politiker, die meinungsbildenden Zeitungen wenden sich von Westerwelle ab seit seiner leidenschaftlichen, ihm selbst schadenden Tirade, bei der ich mich allerdings als sein skeptischer Zuhörer, ja Unterstützer zu erkennen gab, der Westerwelles Argumentation nachzuvollziehen versuchte. „O wie unfein, Herr Westerwelle! So etwas tut man nicht als seriöser Politiker!“

Sein Fehler war vielleicht: Er griff nicht gleichzeitig mit der alimentierten Schicht auch die begüterte Oberschicht an, die Besserverdiener. Wenn er dies gemacht hätte, und dafür gibt es Gründe, wenn er die reichen Steuerhinterzieher, die überforderten Manager und die Aufsichtsräte angegriffen hätte, dann hätte man ihm kaum an den Karren fahren können.

Ich meine, man sollte Westerwelle nicht einfach so niederbügeln, wie man dies früher mit Sarrazin, mit Buschkowsky, mit Havemann, Djilas, Havel, Trotzkij und wie sie alle heißen, machte. Alle diese absoluten Minderheiten-Meinungsrebellen hatten etwas für sich. Sie legten den Finger in die Wunde. Sonst hätten sich die Mehrheiten ja auch nicht so über sie aufgeregt.

Mit Arnulf Baring bringt der Tagesspiegel heute ein Interview.

„Umverteilung können wir uns nicht leisten“
Brauchen wir denn, wie Westerwelle sagt, eine Neudefinition des Sozialstaats?

Unbedingt. Niemand kann permanent mehr ausgeben, als er einnimmt. Wir müssen unbefangen über unsere Prioritäten nachdenken. Wenn man der FDP jetzt vorwirft, sie sei konservativ oder populistisch, dann ist das Unsinn. Nicht die FDP, sondern zahlreiche Deutsche sind stockkonservativ in dem Sinne, dass sie unbedingt den bestehenden, unmäßigen Sozialstaat verteidigen wollen. Alle Sozialpolitiker machen sich immer nur Gedanken über zunehmende Umverteilungen. Wenn man sie fragt, woher das Geld dafür kommen soll, halten sie sich nicht für zuständig.

Baring übertreibt und verschweigt. Bedenkenswert ist aber zweifellos Barings Befund, dass die anderen vier Parteien in wesentlichen Teilen mit der Umverteilung öffentlicher Gelder beschäftigt seien oder gewesen seien (mal abgesehen von der SPD-geführten Schröder-Bundesregierung mit ihrer heftig angegriffenen Hartz-IV-Reform, von heftig befehdeten Einzelkämpfern wie dem damaligen Finanzsenator Sarrazin, den aber Berlin nicht mehr haben wollte).

Sicher: Wir Berliner können nicht klagen. Ach, Berliner! Ihr habt doch immer noch beheiztes Wasser in den Freibädern. Uns geht es doch sehr gut! Wir in Berlin haben einen Haushalt von jährlich 19 Milliarden Euro, den uns die anderen Bundesländer etwa zur Hälfte schenken! Niemand braucht selber Eis zu hacken, dafür haben wir ja den STAAT.

Also: Berlin ist REICH. UND SEXY!

Wo bleibt die CDU in diesem Circus Politicus Maximus? Die CDU hätte in ihrem programmatischen Grundbestand eigentlich das Zeug dazu, das vorherrschende Selbstbereicherungs- und Umverteilungsparadigma zu durchbrechen. Sie sollte die zaghaften Ansätze dazu, die in der SPD und der FDP zu besichtigen sind, entschlossen aufgreifen und mit ihrer Subsidiaritätslehre zu vereinen suchen, die aus der katholischen Soziallehre stammt. Eherne Voraussetzung dafür wäre, dass endlich einmal eine Partei den Mut aufbrächte zu sagen: Wenn ihr uns wählt, werdet ihr weniger Geld vom Staat bekommen. Der Staat wird euch weniger schenken. Diese Botschaft müsste man den Bankern, den Aufsichtsräten  und Finanzhaien ebenso zurufen wie der wachsenden Schicht derer, die sich vollständig auf staatliche Alimentierung verlassen.

Der Staat müsste also wie ein guter Vater zu seinen volljährig werdenden Kindern sagen: „Ich schenke dir weniger Taschengeld. Lerne, auf eigenen Füßen zu stehen!“

Subsidiarität, das bedeutet: Zunächst einmal ist die untere Ebene verantwortlich: Der einzelne ist verantwortlich, dass er bei Glätte nicht ausrutscht. Nicht der Staat. Wenn es dem einzelnen nicht zuzumuten ist – dann muss die nächsthöhere Ebene einspringen. So ergibt sich die winterliche Räumpflicht der Hauseigentümer für die Gehwege. Da es den Hauseigentümern nicht zuzumuten ist, auch noch die Straßen vor dem Grundstück freizuhalten, muss der Staat einspringen. So ergibt sich die Räumpflicht der öffentlichen Hand für die Straßen. Alle diese Pflichten hat der demokratische Gesetzgeber nach reiflicher Überlegung eingeführt.

Aber nirgendwo hat der demokratische Staat die völlige Fürsorge für Wohl und Wehe der einzelnen Bürger übernommen. Das Wohlergehen, der Wohlstand der einzelnen Bürger ist im Wesentlichen Sache der Bürger selbst. Der demokratische Staat wächst im Gegensatz zum Fürstenstaat von unten auf. Er stützt sich auf den Fleiß der Menschen, auf Gemeinsinn, Redlichkeit, Gerechtigkeit, auf Fürsorge der Menschen füreinander. Auf die Verantwortung aller für das Ganze. Diese Tugenden gilt es wiedezubeleben.

Ich vermute – genau dies wollte Westerwelle sagen. Und genau darin gebe ich ihm recht.

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„Sozialismus“? Oder: Der dritte Weg

 Italienisches, Pflicht, Rosa Luxemburg, Sozialismus  Kommentare deaktiviert für „Sozialismus“? Oder: Der dritte Weg
Feb. 142010
 

In der geltenden türkischen Verfassung ist der Vorrang des ewigen unteilbaren türkischen Staates vor den Rechten der Einzelnen deutlich festgeschrieben. Die Rechte des einzelnen Staatsbürgers sind dem Ewigkeitsrang des namentlich in der Verfassung erwähnten unsterblichen Staatsgründers Kemal Atatürk nachgeordnet. Hieraus ergeben sich für die Bürger eine ganze Reihe von Verpflichtungen, die ausdrücklich auch eine Einschränkung der Grundrechte ermöglichen.

Erst kürzlich las ich im Artikel 4 der italienischen Verfassung: „Jeder Bürger hat die Pflicht, gemäß eigenem Vermögen und eigener Entscheidung eine Tätigkeit oder ein Amt auszuüben, das zum materiellen und geistigen Fortschritt der Gesellschaft beiträgt.“  Die italienische Verfassung enthält also neben dem Recht auf Arbeit auch eine Pflicht zur „gesellschaftlich nützlichen Tätigkeit“.

Das deutsche Grundgesetz kennt demgegenüber weder eine Leistungspflicht des einzelnen gegenüber der Gesellschaft noch eine Arbeitspflicht, wie sie etwa Rosa Luxemburg forderte und die sozialistischen Staaten auch umgesetzt haben. Die deutsche Verfassung schützt vornehmlich die Rechte des einzelnen, und sie regelt zweitens das Verhältnis der staatlichen Organe untereinander. Der Staat hat aber gegenüber den einzelnen fast keine unmittelbar durchsetzbaren verfassungsrechtlichen Ansprüche. Der Staat ist also laut Grundgesetz im Wesentlichen Wahrer und Hüter der Grundrechte des einzelnen, und in diesem Sinne ist er auch „Anspruchsgegner“ des einzelnen. Er ist aber kein „Anspruchsteller“ für den einzelnen. Die Ansprüche des Staates an den einzelnen Bürger ergeben sich nur vermittels einzelner Gesetze, die keinen Verfassungsrang haben!

Die sozialistischen Staaten hatten – soweit ich weiß: alle – die Arbeitspflicht in ihren Verfassungen.

Wenn Guido Westerwelle also unserer Hartz-IV-Debatte sozialistische Züge bescheinigt, so dürfte er fehlgehen. Gerade die sozialistischen Staaten haben es nicht geduldet, dass Bürger sich den Ansprüchen und den Zwängen des diktatorisch geführten Staates entzogen. Dass ganze Familien sich über Generationen hinweg auf die Alimentierung des Staates verlassen, das war meines Wissens im Sozialismus kaum denkbar.

Zwar gab es auch im Sozialismus Nichtstuer, die sich auf ihrer Stellung ausruhten, aber diese fanden sich kaum in den „unteren“ Schichten des Volkes.

Ich meine eher, dass unsere Diskussion sich in Richtung auf den Staat als eine wohlwollende Versorgungseinrichtung hinbewegt. Noch keine Versorgungsdiktatur wie in vielen anderen außereuropäischen Ländern üblich. Allerdings besteht die Gefahr der Diktatur, sobald die Verteilungskämpfe an Heftigkeit zunehmen. Genau das hat sich wiederholt in der Türkei ereignet! Das Militär übernahm in der Türkei wiederholt die Macht, weil die Verteilungskämpfe anders nicht zu regeln waren.

Woher kommen denn die 751 Milliarden Euro, die der deutsche Staat als Bund, Länder und Gemeinden in 2009 als Sozialleistungen ausgereicht hat – diese 31% der wirtschaftlichen Gesamtleistung? Genau das fragt Westerwelle. Diese Frage ist zulässig!

Der Staat wird zunehmend als Hüter und Garant des individuellen Wohlstands angesehen. Gerade die Debatte um die Opel-Rettung lieferte vortreffliche Beispiele.

Neueste Beispiele liefert die Eisschicht-Debatte in Berlin. Wie von uns in diesem Blog scherzhaft vorgeschlagen, ist jetzt eine Art paramilitärische  Rapid Ice Hacking Reaction Force eingerichtet worden. Freunde, ich meinte das als Witz! Aber es gibt sie jetzt. Sie hat sogar – wie vorgeschlagen – einen englischen Namen. Das klingt einfach soo gut! Sie heißt Task Force. Das berichtete gestern der Tagesspiegel:

Die Justizverwaltung will zudem verstärkt Häftlinge zum Eisklopfen einsetzen, vor landeseigenen Gebäuden soll künftig eine „Task Force“ aus Pförtnern und Hausmeistern ackern.

Also – der Staat wird zunehmend als eine Art Eishack- und Watteschicht gegen alle Fährnisse des Daseins in Anspruch genommen. Man denke nur an das beheizte Schwimmbadwasser im Kreuzberger Prinzenbad. Das gab es in meiner armen Kindheit einfach nicht. Aber in Berlin ist es Standard. Ist Berlin eine so reiche Stadt? Offenkundig ja!

Ich halte das für schlecht. Denn diese Watteschicht ist teuer, und sie lähmt auf Dauer die Kräfte des einzelnen. In einem Watteanzug kann man schlecht laufen, schlecht arbeiten, schlecht ackern.

Der Staat soll alle Kümmernisse von den Bürgern fernhalten. Als das schlimmste wird weithin eine Minderung des kollektiven Wohlstands, des individuellen Reichtums gesehen. Niemand traut sich den Bürgern zu sagen: „Wählt mich, dann müsst ihr mehr für euer Glück tun. Ihr müsst mehr arbeiten.“

Der Staat ist der Anspruchsgegner, der Kümmereronkel, der zahlen soll und Erfolg für den einzelnen verbürgen muss. Das ist weder Sozialismus noch Kapitalismus. Das ist – der dritte Weg! Hurra!

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Feb. 032010
 

Ich erinnere mich noch dunkel an die Institutsbesetzungen der Studenten während der 68-er Bewegung. An den Aufschrei des Justemilieu, als Professor Theodor W. Adorno die Polizei rief, um das Frankfurter Institut für Soziologie von der widerrechtlichen Besetzung befreien zu lassen. Danach fiel dann aus dem Mund Jürgen Habermas‘ das berühmte Wort von den „rotlackierten Faschisten“. Gemeint war, die linksradikalen Möchtegern-Revolutionäre seien in der Wahl ihrer Mittel auch nicht besser als die rechstradikalen Nationalisten.

Allerdings: Die Politik des gewaltsamen Umsturzes durch Negierung der Staatsgewalt war keine Erfindung der Faschisten – sondern die italienischen Faschisten übernahmen diese Taktik von den Anarchisten, den revolutionären Sozialisten und den Bolschewisten, die sie bereits ab Ende des 19. Jahrhunderts in Russland überreich angewandt hatten. Besser als von „rotlackierten Faschisten“ sollte man also lieber bei den Faschisten von „braunlackierten Bolschewisten“ sprechen. Erst kamen die russischen Bolschewisten – dann die italienischen Faschisten. Das Primat des gewaltsamen Umsturzversuches durch Akte der Besetzung und Zerstörung von Sachen gebührt nicht den Faschisten, sondern den Anarchisten und Kommunisten.

Szenenwechsel! Am vergangenen Montag warfen wir einen Blick auf Teile der FU, die von Studierenden sehr friedlich und idyllisch, aber eben widerrechtlich besetzt gehalten werden.  Alter Sitte sich unterwerfend, unterlassen es die FU-Verantwortlichen, die Polizei zu rufen – das gäbe böses Blut, schüfe Opfer, Heroen und Martyrer. Die FU-Leitung will keine Auseinandersetzung. Der Mut eines Theodor W. Adorno ist nicht ihre Sache. So entsteht ein klitzekleiner staatsfreier Raum, „in den sich die Polizei nicht hineintraut“.

Neuer Szenenwechsel! Über einen etwas größeren staatsbefreiten Raum berichten immer wieder Berliner Polizisten: In gewisse Gebiete Neuköllns, Weddings und Moabits trauen sie sich nicht mehr allein hinein, da bei jeder kleinen Amtshandlung sofort ein Trupp von 15 oder 20 jungen Männern zusammengetrommelt wird, der die Polizisten an der Dienstausübung hindert.  Darüber berichteten gestern die Tagesthemen:

ARD Mediathek: Tagesthemen – tagesthemen – Dienstag, 02.02.2010 | Das Erste

Wer sind diese Männer, die die Polizei allmählich zurückdrängen? Antwort: Das wird natürlich meist nicht gesagt, und es wurde auch gestern im Tagesspiegel-Bericht nur diskret angedeutet. Spricht man aber direkt mit den Polizeivertretern, etwa auf Veranstaltungen, wird schnell klar, wer diese Männer sind: es sind junge Männer türkischer und arabischer Herkunft. Gangs, Brüder, Freunde, Clans, die ihr Territorium abstecken und gewaltsam verteidigen.  „Ihr seid hier nicht in Deutschland, das ist kein deutsches Territorium mehr“, sagen die jungen Männer dann. Das berichten Polizisten auf Podiumsdiskussionen und Veranstaltungen – und auch gestern in den Tagesthemen. So entsteht ein staatsfreier Raum, eine „vom deutschen Rechtsstaat befreite Zone“.

Und noch ein Beispiel fiel mir heute bei meiner laufenden Lektüre auf: Der französische Schriftsteller Boualem Sansal berichtet in seinem Buch „Le village de L’Allemand“ sehr anschaulich, wie ein junger Franzose algerisch-deutscher Herkunft sich nach Algerien auf den Weg ins Dorf seines Vaters macht. Auch dort hat sich der Staat zurückgezogen. Das Dorf liegt in der „staatsbefreiten Zone“ – in einem Wüstengebiet. Dort herrschen seit den Jahren  1990/1994 die islamischen Fundamentalisten des Groupe islamique armé (GIA, الجماعة الإسلامية المسلحة, al-Jama’ah al-Islamiyah al-Musallaha) weitgehend unbehelligt, rauben und töten bei allen, die sich ihrem Oberbefehl widersetzen.

3 Beispiele aus völlig unterschiedlichen Zeiten und Orten, 3 Beispiele ganz unterschiedlicher Schwere und Bedeutung! Aber sie haben eines gemeinsam: Sowohl an der FU wie im migrantischen Wedding wie auch in Algerien wird der Staat – allerdings in ganz unterschiedlichem Ausmaß – zurückgedrängt. Er zieht sich zurück oder hat sich schon zurückgezogen. Ich zitiere vom Klappentext: „À ce train, dit un personnage, la cité sera bientôt une république islamique parfaitement constituée.“

Was wollen wir Deutschen? Meine persönliche Antwort ist klar: Ich bin ein unbedingter Anhänger des Rechtsstaates. Ich vertrete die Meinung, dass unser demokratischer Staat sich aus dem öffentlichen Raum nicht zurückdrängen lassen darf.  In den Tagesthemen hingegen sagte der akademische Experte gestern: „Wir brauchen eine besser ausgebildete Polizei, eine Polizei, die vor Ort verankert ist.“ Das halte ich für ein falsches Argument. Ein solches Argument erweckt den Eindruck, die Polizei mache etwas falsch, wenn sie etwa ein Knöllchen verteilt. Was für ein Unsinn! Die Polizei hat das Recht und die Pflicht, den öffentlichen Raum zu überwachen und dafür auch die Sanktionsmittel anzuwenden, die das Gesetz ihr an die Hand gibt.

Jeder, der diesen Grundsatz in Frage stellt, arbeitet mit an der Schaffung „staatsbefreiter Zonen.“ Und dieser Weg ist ein Weg in das Faustrecht des Stärkeren. Ein winziger Schritt zum Faschismus, zum gewaltdeterminierten Kommunismus. Oder ein Weg in die tribalistische Kultur der vormodernen Willkürherrschaft. Oder ein Schritt zum islamischen Gottesstaat. Das lehne ich ab. Darauf sollten wir uns gar nicht  einlassen.

Wir brauchen die Herrschaft des Rechts und nur diese.

Der Fall Algerien mit seinem blutigen Bürgerkrieg der 90er Jahre ist ein warnendes Beispiel.

Lesehinweis: Boualem Sansal: Le village de l’Allemand, ou le journal des frères Schiller. Èditions Gallimard, Paris 2008

 Posted by at 22:18