Ich trag ihn schon!

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Mai 052011
 

Jetzt hat schon lange wieder die herrliche Rennradsaison begonnen! Zwar fahre ich in der Tat bei jedem Wetter, bei jeder Temperatur auch im Winter Fahrrad, zur Not eben dick eingemümmelt und mit Spikes an den Reifen – doch mein Wagemut geht nicht so weit, im Winter auch Rennrad zu fahren. Ich begnüge mich dann mit dem stählern-stotzigen schwarzen Rappen, dem Stadtrad.

Doch jetzt hole ich meinen trefflichen Burâq, meinen windschnellen Gefährten, immer wieder gern aus seinem Gemach.

Eine erste auf Video gebannte Testfahrt  auf dem Flugfeld Tempelhof führte mich auf eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 44 km/h, gemessen über die 3 km der Landebahn. Ein gutes, fast  windschnelles Ergebnis, wie ich meine!

Interessante Initiative  übrigens, die der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR) und die Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU)  losgetreten haben. Das Thema Eigenverantwortung liegt auch mir am Herzen! Lest die Pressemeldung:

Radfahren ist gesund und schont die Umwelt. Dabei dürfen jedoch Unfallrisiko und Verkehrssicherheit nicht vergessen werden. Viele Radfahrer lehnen das Tragen eines Fahrradhelmes ab oder vernachlässigen die eigene Sichtbarkeit. Um das Sicherheitsbewusstsein von Radfahrern zu stärken, haben der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR) und die Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) die interdisziplinäre „Arbeitsgruppe Fahrradfahrer“ gegründet.

Unfallforscher aus Münster hatten in einer Studie die hohe Dunkelziffer von Fahrradunfällen dokumentiert. 25 Prozent der Verletzten erlitten Kopfverletzungen, jedoch trugen nur sechs Prozent einen Fahrradhelm. Die „Arbeitsgruppe Fahrradfahrer“ von DVR und DGU will die Verantwortung des Fahrradfahrers für seine eigene Gesundheit künftig stärker in den Mittelpunkt konkreter Präventionsmaßnahmen stellen.

Das eigenverantwortliche Tragen eines Fahrradhelms unabhängig vom Alter der Radfahrer und von Anlass oder Dauer der Fahrt ist eines der wesentlichen Elemente dieses Konzeptes. Weiterhin soll über die Risiken von Radfahren unter Alkoholeinfluss informiert werden. Aufklärung über technische Sicherheitsstandards bildet die dritte Säule des Konzeptes. Dazu zählen vor allem gute Sichtbarkeit durch ausreichende Beleuchtung sowie Reflektoren und helle Kleidung.

DVR und DGU gründen „Arbeitsgruppe Fahrradfahrer“

Soll man einen Helm tragen? Ich sag’s mal so: Den Helm führe ich beim Rennradeln stets auf dem Kopfe mit, wie ja beim Stadtradeln auch. Ich trag ihn schon! Und helle Kleidung trag ich auch. Ätschi bätschi!

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Sind Eltern bessere Menschen?

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Mai 042011
 

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„Sind Eltern bessere Menschen?“, fragte mich kürzlich eine Freundin. Ich antwortete: Eltern sind nicht bessere Menschen, aber die Erfahrung des Elternseins hat eine zum Guten hin verändernde Kraft. Manche – so zum Beispiel der hier Erzählend-Geigende – lernten spät und mühsam im Wesentlichen dadurch Hingabe an einen anderen Menschen. Andere – auch Kinderlose! – waren mir darin ein fast unerreichbares Vorbild: die vielen Kita-Erzieherinnen, Grundschul-Lehrerinnen, Krankenschwestern, Klosterschwestern, Sozialarbeiter, Familienhelfer, denen ich in meinem Leben begegnet bin.

„Soziale Elternschaft“ – das wär’s! Das würde so vielen Erwachsenen einen Sinn geben, den sie sonst nicht finden.

Männliche Aufsichtsratsmitglieder bevorzugen ihresgleichen, biodeutsche Redakteure in Zeitungen bevorzugen ihresgleichen, Kinderlose bevorzugen Kinderlose – ich sehe mit Erstaunen, wie sich oftmals homogene Gruppen anhand des Kinderhabens oder Nicht-Kinderhabens bilden. Das ist nicht so gut. Ich bin für die richtige Mischung.


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Mein Bürger des Tages: Daniel M., Lehrer in Berlin-Wedding

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Apr. 082011
 

Immer wieder begegnen mir im Alltag Menschen, deren Haltung ich bewundere, denen ich nacheifern möchte. Dazu gehören sehr oft Erzieherinnen, Lehrer, Polizisten, BSR-Müllwerker, Sozialarbeiter, alleinerziehende Mütter, Kranken- und Altenpfleger. Meine persönlichen Vorbilder ackern unverdrossen für das Wohlergehen anderer Menschen, „helfen ihnen auf die Sprünge“ – und werden oft nicht ausreichend gewürdigt.

Nur selten schaffen es diese Vorbilder in die Presse. Aber heute hat es einer geschafft: Daniel M., Lehrer für Sport und Mathematik in Berlin-Wedding. Ich kenne ihn persönlich nicht, aber was er sagt und erzählt, gefällt mir sehr gut.

Warum? Weil er mehrfach darauf hinweist, dass der einzelne Bürger, dass die Väter und Mütter, aber auch der einzelne Lehrer ein gerüttelt Maß an Verantwortung tragen. Der Staat versorgt uns wirklich üppig, jetzt sind wir am Zuge!

„Fortbildung wird immer mehr gefordert. Das liegt aber häufig in der Hand des Lehrers, ob er dazu bereit ist.“ Daniel M. setzt also bei sich selbst, bei seiner eigenen Kategorie an. Ungewöhnlich!

Die Eltern müssen sich auch kümmern!“ Das ist der Titel des Berichts von Gilbert Schomaker auf S. 30 der Berliner WELT von heute. Unbedingt lesenswert! Die Beobachtungen treffen alle zu – nicht nur in Wedding, sondern auch in Kreuzberg.

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Apr. 072011
 
„Die Gesundheits- und Pflegekosten werden durch die Decke schießen!“

So hört man es immer wieder! Was tun?

Ich phantasiere mal für mich hin und unterbreite folgende ungewöhliche Vorschläge in der Reihenfolge der Dringlichkeit:

In den ärmsten Ländern sind relativ einfache, relativ billige Mittel zur Hebung der Gesundheit:

1) Sauberes Trinkwasser für alle
2) Abwasserkanalisation für alle
3) Erziehung zu einfachen Hygienemaßnahmen wie etwa häufiges Händewaschen und Zähneputzen
4) Impfungen
5) Sexualerziehung zur Vermeidung von HIV-AIDS
6) Durchsetzung der Rechtsstaatlichkeit

Bei uns in Deutschland, einem sehr reichen Land, wo es praktisch keine Armut gibt,  wären nach meinen Erkundigungen einfache und billige Mittel zur Hebung der allgemeinen Gesundheit – in dieser Reihenfolge der Dringlichkeit:

1) Weniger essen.
2) Täglich mindestens 1-2 Stunden mäßige Bewegung für alle in frischer Luft bei jedem Wetter.
3) Alle Kinder, alle Frauen, alle Männer lernen verpflichtend Lesen, Schreiben und Rechnen in deutscher Sprache mindestens auf dem Niveau des früheren deutschen Hauptschulabschlusses.
4) Grunderziehung in gutem Kochen, in guter Haushaltsführung, in guter Kindererziehung für alle Kinder bereits in Kita und Grundschule.


Das würde in wenigen Jahren die Krankheitskosten im zweistelligen Prozentbereich senken. Aber niemand wagt es zu sagen. Warum sagt dies niemand? Weil es den Interessengruppen an den Pelz geht!

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Immerwährendes Wachstum oder Armut an irdischen Dingen?

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Apr. 052011
 

„Wir leben im Kapitalismus. Kapitalismus funktioniert nur unter der Voraussetzung immerwährenden Wachstums.“ So höre und lese ich es im meinem tiefroten, leidenschaftlich linken Berlin-Kreuzberg immer wieder.

„Immerwährendes WACHSTUM“ als ehernes Gesetz? Behaupten die Marxistinnen, viele Sozialisten, Kapitalismuskritikerinnen und viele Politikerinnen bei Grünen, CDU, FDP, SPD und den Linken. Ich halte das für nachweislich falsch. Das gölte in Marktwirtschaften wie der unsrigen nur, wenn man nicht bereit wäre, Einbußen an Wohlstand und Umverteilungsmasse hinzunehmen. Schrumpfungen, relative Verarmung und Krisen gehören im Markt dazu, sie geschehen auch immer wieder, ohne den Markt zu zerstören. Man denke nur an Großbritannien in den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, als weite Teile der Bevölkerung massive reale Einkommensverluste erleiden mussten.

Entscheidend ist meines Erachtens: Unsere sozial eingehegte Marktwirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland ermöglicht – wie die Erfahrung lehrt – auf Dauer allen Bürgerinnen ein Leben in Menschenwürde und Freiheit – und seit Jahrzehnten und wohl weiterhin auf absehbare Zeit sogar frei von Armut, also in relativem Wohlstand. Es gibt keine Armut in Deutschland – eine gute Botschaft! Jeder hat ein Dach über dem Kopf, jeder hat genug zu essen, es herrscht Frieden, alle Kinder bekommen eine kostenlose Schulausbildung, alle Menschen bekommen eine gute medizinische Versorgung – und zwar alle hier wohnenden Bürgerinnen unabhängig von der Staatsangehörigkeit, unabhängig davon, ob sie arbeiten oder nicht arbeiten. Eine riesige Leistung!

Der riesige Schritt, den leider unsere allermeisten Politiker nicht bereit sind zu gehen, bestünde darin zu sagen: Wir können euch keinen gleichbleibenden Wohlstand garantieren. Ihr müsst euch den gewünschten Wohlstand Tag um Tag erarbeiten, für euch selbst, für die Gemeinschaft, für eure Kinder. Und selbst Wohlstandseinbußen sind kein Unglück! Wenn wir alle im Durchschnitt wieder so wenig Haushaltseinkommen wie in den 50er Jahren hätten, also etwa ein Viertel des heutigen Wertes, wäre dies kein echter Schaden für Leib und Leben!

Über die Jahrhunderte hin gab es immer wieder starke Bewegungen, die aus dem „Immer mehr“ ausstiegen. Ich denke da z.B. an die ökonomisch sehr erfolgreichen christlichen Klöster, an die Stadtrepubliken der frühen Neuzeit in den Niederlanden und der Schweiz (Den Haag, Genf), die den Bürgern Sparsamkeit und relative Armut in der Lebensführung aufzwangen.

Mancher mag auch an die Botschaft des Mannes aus Nazaret denken: „Verschenke alles, was du hast, den Armen.“ Der Mann aus Nazaret  meinte vermutlich: Es gibt Wichtigeres als irdischen Besitz. Beziehungsorientierte Werte wie Gemeinschaft, Gemeinde, Nächstenliebe, tätige Hinwendung zum anderen Menschen standen für ihn ganz oben. Darin sah er die Sinngebung irdischen Reichtums.

Teile der heutigen Grünen und der Autor Tim Jackson, Verfasser des Buches Prosperity without Growth, fügen sich in diesen jahrtausendealten Strom nahtlos ein. Auch Jackson fordert eine Abkehr vom Imperativ des wirtschaftlichen Wachstums, um bleibenden, also geistigen Wohlstand im Sinne eines werte- und beziehungsorientierten Miteinander zu erreichen:

Prosperity Without Growth by Tim Jackson | Book review | Books | The Guardian
The last chapter of the book looks at opportunities for achieving „a lasting prosperity“. They are many and varied, and most of them – unsurprisingly – start from the grassroots.They are many and varied, and most of them – unsurprisingly – start from the grassroots. High on the list is the need for us all to consume less „stuff“ and to seek a type of prosperity outside the conventional trappings of affluence: within relationships, family, community and the meaning of our lives and vocations in a functional society that places value on the future.

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März 122011
 

Sicher, zielstrebig, auf geraden Gleisen brachte mich der ICE gestern von Hamburg nach Berlin zurück. Das schreckliche Unglück in Japan erschütterte mich mit Magnitude.

Von irgendwoher erinnerte ich mich des großartigen Augustinus-Wortes: ama et fac quod vis. „Liebe und tu was du willst.“ Bei allen Zweifelsfragen, bei allem  Tappen und Tasten kann dieses starke Wort helfen, den richtigen Weg, den Weg der Mitte zu finden.

Beim Blättern einer in Hamburg erscheinenden Tageszeitung stieß ich auf die Wendung „personalistische Mitte“. Ein bekannter Diener des Wortes und Diener der Gemeinde hat diese gute Wendung gefunden! Die Welt berichtet darüber:

Die Vernunft ist nicht ewig haltbar – Nachrichten Print – DIE WELT – Kultur – WELT ONLINE

„Wie man ein Kind lieben soll“ – dieser Titel eines großen Buches von Janusz Korczak fiel mir ein, nachdem der ICE-Schaffner seinen Zangenabdruck hinterlassen hatte. Kann man Liebe lehren? Ich meine: ja! Das richtige Erziehen, die richtige Liebe zu Kindern ist kein Zauberkunststück. Sie muss das Kind annehmen und ernstnehmen, dem Kind bedingungslose Aufmerksamkeit und Wertschätzung entgegenbringen, aber auch feste Grenzen und erreichbare Ziele setzen. Dies alles in einen Ausgleich zu bringen, zwischen den Extremen der Verwöhnung und der Vernachlässigung die rechte Mitte zu finden, ist nicht leicht. Aber es ist möglich, sofern nur die Person des Kindes mit seinen Grundbedürfnissen nach Geborgenheit und Selbständigkeit ganz im Zentrum steht.

Diese Haltung nenne ich den Personalismus der Mitte.  Der Personalismus der Mitte – das sei meine Haltung in vielen Dingen – im Umgang mit Menschen ebenso wie in der Politik.

 Posted by at 21:13
März 102011
 

Sitze in Hamburg im Hotel. Schaffte es gestern noch bequem mit Rad&ICE hierher. Schaffner im ICE drückte sein lebhaftes Unverständnis für den Streik aus: „Wir sind nicht gemeint. Bei den Privaten sind nur wenige Lokführer in der GdL organisiert.“

Die LKW- und PKW-Industrie wird sich freuen über den neuen Beweis der verlässlichen Verweigerungshaltung.

Heute Forderung nach Tempolimit durch Özdemir! Klar ist: der vom damaligen Umweltminister Trittin geförderte Einsatz des Biokraftstoffe ist eine ökologische Sackgasse, die vor allem ethisch nicht zu verantworten ist. Unpopulär im besten Falle, klimaschädlich nach Meinung mancher Wissenschaftler.

Extrem unpopulär ist auch die Forderung nach einem Tempolimit bei den Deutschen, noch unpopulärer bei den Türken, die ja bekanntlich ihr Auto als unverzichtbaren Teil des Alltags sehen – wie die Süddeutsche gestern unter dem Titel „Alles süper“ berichtete. Der Reporter konnte dort während seines gesamten mehrmonatigen Aufenthaltes in Istanbul nur einen einzigen Radfahrer entdecken – einen Deutschen! Trotzdem gefällt es mir an Özdemir, dass er Forderungen stellt, die ihm nicht die Herzen und Stimmen der Autofahrer zufliegen lassen werden. Bitte weiter unbequem sein!

Ich würde mir wünschen, … dass, ja was? Dass die Autofahrer sich in der Fastenzeit an die Geschwindigkeitsbeschränkungen halten. Und dass sie auch außerhalb der Fastenzeit den seitlichen Mindestabstand zu den Radfahrern halten. Beides ist jetzt einfach im Durchschnitt nicht der Fall.

Rita Mohr-Lüllmann, CDU-Spitzenkandidatin in Bremen, erfreute mein Herz, während ich mir gerade Butter auf die Semmel schmierte: „Also müssen wir mehr tun; mehr lernen; länger lernen.“ Na endlich eine Kandidatin, die den Bürgern nicht nur Honig ums Maul schmiert, sondern mehr Lernen, mehr Arbeit, mehr Einsatz fordert. Ich halte das für richtig. Ich würde Mohr-Lüllmann wählen. Bitte weiter unbequem sein, Rita Mohr-Lüllmann!

Mein eigener Vorsatz zur Fastenzeit: Ich will mich mehr abstrampeln für meine Familie, meine Angehörigen, meine Freunde.  Ich möchte weniger mit dem mahnenden Finger auf andere zeigen und mehr andere mehr loben, stärken und fördern

Abgeschlagene Optimistin – Nachrichten Print – DIE WELT – Politik – WELT ONLINE
Also müssen wir mehr tun; mehr lernen; länger lernen. Ich plädiere deshalb für die Rückkehr zum Sonnabend als Schultag.

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Scheinheilige Elite?

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März 032011
 

Holla! „Mein Doktorvater hat ganze Textpassagen aus meiner Arbeit in sein Buch übernommen. Und diese Wissenschaftselite will jetzt von Moral und Anstand sprechen.“ So zitiert heute die Berliner taz auf S. 08 einen gewissen Kurt.

Nun, es fällt schon auf, mit welcher Vehemenz die Wissenschaftler eben derjenigen Institution, die – nach pflichtgemäß durchgeführter sorgfältiger Prüfung – einen Titel verliehen hat, nun laut und deutlich beklagen, sie seien bei eben dieser Titelverleihung hinters Licht geführt worden. Die Frage muss mindestens erlaubt sein, ob interne Kontrollen der Universität nicht doch sträflich versagt haben. Hallo Medien – bleibt dran!

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Feb. 222011
 

Wenn es fünf Laster der Berliner  Landespolitik gibt – dann muss es doch auch Tugenden geben? Was meint ihr?

Ich stehe nicht an, diese Tugenden zu benennen. Tugenden sind vorbildliche Haltungen eines Menschen, die sich oftmals in kurzen, prägnanten Sprüchen niederschlagen.

Ein Beispiel:

„Es kommt darauf an, Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen.“

Der Satz gefällt mir sehr. Aufgeschrieben und veröffentlicht hat ihn Fatina Keilani im heutigen Tagesspiegel auf S. 11. Gesagt hat diesen Satz  – „es kommt darauf an, Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen“ – Sawsan Chebli, eine in Berlin geborene und aufgewachsene Deutsche, derzeit Grundsatzreferentin für interkulturelle Angelegenheiten in der Berliner Innenverwaltung.

Verantwortung für das eigene  Handeln – man könnte auch sagen: persönliche Verantwortung.  Das heißt: nicht immer sich hinausreden auf „die Umstände“, „die Bedingungen“ usw. Was Sawsan Chebli in diesem Satz ausspricht, ist genau das, was in der Berliner Politik am meisten fehlt: der Sinn für persönliche, für eigene  Verantwortung. Alle zeigen mit dem Finger auf andere: DER war’s – Landowsky. Oder DIE war’s: Annette Fugmann-Heesing, die damalige Finanzsenatorin, die allen Erlöszusagen Landowskys zustimmte.

Ich halte  Verantwortung in genau dem ethischen Sinne, den Sawsan Chebli heute im Tagesspiegel benennt, für unerlässlich, für eine Grundbedingung dessen, dass Freiheit gelingen kann. Nur aus dieser Tugend der Verantwortung kann echte Freiheit entspringen. Freiheit schlägt sich nieder in einer Grundgestimmtheit der Selbstständigkeit, der Selbstmächtigkeit, wie sie etwa in dem Satz aufscheint: „Ich kann gestalten und Dinge bewegen.“ Auch dies ist ein Zitat von Sawsan Chebli.

Was Chebli ebenfalls überdeutlich herausarbeitet, ist die fundamentale Bedeutung der Familie für das Einüben von Verantwortung und Freiheit. Zitat aus dem Artikel von Fatina Keilani:

„Ich komme aus einem sehr religiös-konservativen Elternhaus. Mein Vater ist Analphabet, meine Mutter liest, schreibt und spricht nur Arabisch, sie legten aber großen Wert auf die Bildung ihrer Kinder“, berichtet Chebli. Mit zwölf Geschwistern wuchs sie „unter schwierigsten Bedingungen“, wie sie sagt, in einer Dreizimmerwohnung in Moabit auf. Gespräche über Religion, das gemeinsame Lesen des Koran, das Fasten im Ramadan und tägliche Gebete hätten ihren Familienalltag geprägt, in der Familie wurde nur arabisch gesprochen. Als Kind kam sie praktisch ohne Deutschkenntnisse in die Schule.

Die Lebensgeschichte der Sawsan Chebli ist ein leuchtendes Beispiel dafür, dass Freiheit in Verantwortung gelingen kann. Unbedingt lesenswert, was heute der Tagesspiegel auf S. 11 bringt!

„Der Islam macht mir das Leben leicht“ – Berlin – Tagesspiegel

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Feb. 162011
 

„Wer räumt auf?“ Eine ungeliebte Frage, die uns vier Geschwistern in der Kindheit immer wieder entgegenschallte, wenn wir unser Kinderzimmer als lustiges Schlachtfeld hinterlassen hatten. Oft wurde dann von Mutti gesagt: „Heute räumst DU auf!“ „Wieso immer ICH?“ Klare Ansage, der wir uns (meist) murrend fügten. Kleine Kinder brauchen derartige klare Ansagen!

Heyder räumt auf!“ Mit dieser klaren Ansage zieht ein NPD-Kandidat in den Bürgermeisterwahlkampf. „Unser Kandidat räumt auf!“ Eine typische NPD-Wahlaussage, mit der auch tatsächlich die Rechtsextremen in der ehemaligen DDR hohe Stimmenanteile erzielen. Auch gestern in frontal 21 war diese Ansage in der Berichterstattung über rechte Gewalt in der ehemaligen DDR zu sehen: „Der NPD-Kandidat xy räumt auf!“

de.indymedia.org | Sachsen-Anhalts NPD im Wahlkampf

Bildwechsel! Auf dem Tahrir-Platz in Ägypten ziehen Bürgerinnen und Bürger, Kinder, Jugendliche, Erwachsene und Greise mit Schaufel und Besen auf und fegen buchstäblich die Hinterlassenschaften des tagelangen Ausharrens hinweg. Sie haben die ersten Früchte des politischen Kampfes eingefahren, die Revolution in Gang gebracht. Und jetzt räumen die Bürger auf!

Was gefällt euch besser? Der Tahrir-Platz in Ägypten oder die rechtsextreme Propaganda in Sachsen?

Bei aller Liebe zu Sachsen: Bei der Ansage „Unser Mann räumt hier auf!“ schaudert mich.

Umgekehrt halte ich das bürgerschaftliche Engagement auf dem Tahrir-Platz in Kairo für vorbildlich. Tugenden wie Gemeinsinn, Freiheitsliebe, Verantwortung, Leistung, Geschwisterlichkeit, Fleiß, Umweltpflege – die brauchen wir! Die Ansage lautet: „Bürger, es ist eure Stadt! HOLT EUCH DIE STADT ZURÜCK! Bürgerinnen, holt euch das LAND zurück!“

Wir brauchen nicht den starken Mann, der in der Stadt aufräumt. Wir brauchen Gemeinsinn und Fleiß. Wir sind keine Kinder!

Ein jeder kehre vor seiner Tür,
und rein ist bald das Stadtquartier.

So liebe Kinder, das war … deutsch. Von Goethe. Goethe, kennt ihr den? Das war einmal  großer Dichter.

Das stumme Bild zeigt einen Blumenladen in Kreuzberg am Mehringdamm, aufgenommen vorgestern.

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Ist der Mensch ein „Dauergehwesen“? Geht es auch ohne Fahrradfahren?

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Feb. 052011
 

21082010016.jpg Jeden Tag ging der Königsberger Philosoph Immanuel Kant ab Punkt 15 Uhr mindestens 1 Stunde zu Fuß spazieren. Die Bewohner „konnten ihre Uhr danach stellen“, wie es so schön heißt. Ein Mal hingegen nahm er eine Einladung zur Kutschfahrt an, die Rückkehr verzögerte sich, er kehrte erst am Abend nachhause, sein Tagwerk mußte einen Tag lang ruhen. Dies verdroß ihn zutiefst und er nahm danach keinerlei Einladungen mehr an, die ihn an seinem täglichen längeren Spaziergang gehindert hätten. Er ging weiter täglich an der frischen Luft spazieren und schrieb seine Werke, darunter die drei berühmten „Kritiken“, über die heute noch Kongresse abgehalten werden.

Die verblüffende Geschichte einer 93-jährigen russischen Wissenschaftlerin wurde mir erzählt: Sie ging jeden Tag 90 Minuten quer durch die Stadt zu Fuß zur Arbeit, und nach getanem Werk wieder 90 Minuten zurück. Bis zum heutigen Tag hat die Dame keinerlei ernsthafte körperliche oder seelische Beschwerden, jedoch gelingt ihr das Schreiben nicht mehr so rasch und flüssig wie noch vor 20 Jahren, sodass die Redaktionen sich bisweilen gedulden und eine Nachfrist zur Einreichung der angeforderten wissenschaftlichen Beiträge einräumen müssen.

Verblüffende Erkenntnis der Paläo-Biologen: Der homo sapiens (also wir, die homines sapientes) verdankt seine Überlegenheit gegenüber dem Neandertaler, ja sein Überleben  möglicherweise seiner besseren Lauffähigkeit – bedingt durch eine längere Achilles-Sehne, geringeres Gewicht und längere Beine. Dies habe ihm in Zeiten des Klimawandels bei der Jagd auf Beute einen evolutionären Vorteil gegenüber den Kurzstrecklern verschafft, etwa gegenüber den hominibus neandertalensibus. Lest selbst:

Running Past Neandertals – Science News

Scientists already knew that, relative to Stone Age people, Neandertals weighed more, had shorter legs and had smaller inner-ear canals that would have affected the balance needed to coordinate body movements, all obstacles to endurance running. Raichlen’s study „provides a new line of evidence that Neandertals were not as adept at long-distance running as modern humans were,” remarks anthropologist Herman Pontzer of Hunter College in New York City.

Wie dem auch sei: Es gibt eine überwältigende Fülle an Belegen dafür, dass tägliche mäßige körperliche Bewegung an frischer Luft über mindestens eine Stunde wahrhaft segensreiche, nicht unbedingt revolutionäre, aber doch evolutionäre Vorteile entfaltet.

Ob man dieses Pensum nun durch Radfahren, Spazierengehen, Schwimmen oder Holzhacken erfüllt, ist sicherlich zweitrangig. Entscheidend bleibt: Der homo sapiens braucht täglich ausreichende Bewegung an frischer Luft – bei jedem Wetter, in jeder Jahreszeit. Wie Immanuel Kant.

Bild: Ein Blick auf den neuen Flughafen BBI – Berlin Brandenburg International.

 Posted by at 14:51
Jan. 272011
 

Merkwürdig: genau derselbe Mann, der sich 1946 in Köln zu Gefühlen tiefster Scham bekannte, spricht wenige Sätze weiter davon, jetzt wieder stolz zu sein:

„Aber jetzt, jetzt bin ich wieder stolz darauf, ein Deutscher zu sein. Ich bin so stolz darauf, wie ich es nie zuvor, auch nicht vor 1933 und nicht vor 1914 gewesen bin. Ich bin stolz auf den Starkmut, mit dem das deutsche Volk sein Schicksal erträgt, stolz darauf, wie jeder einzelne duldet und nicht verzweifelt, wie er versucht, nicht unterzugehen, sich und die Seinigen aus diesem Elend hinüberzuretten in eine bessere Zukunft.“

Die Scham des Mannes in Köln bezog sich auf das Vergangene. Scham befällt den Menschen angesichts des Bösen, dessen Zeuge er wird, angesichts des Bösen, das er nicht verhindern kann oder des Bösen, das er selbst getan hat.

Stolz ist demgegenüber das Bewusstsein der eigenen Fähigkeiten. Stolz kann sich aus der Erinnerung an das Gute nähren, das auch gewesen ist. Stolz in diesem guten Sinne kann eine enorm beflügelnde, zum Guten anstiftende Macht sein.  Stolz im guten Sinne kann sich aus Scham speisen, kann Zeichen der Einsicht in Verfehlungen, kann Zeichen der Umkehr sein. Bewusstsein des Guten, das in der Geschichte auch gewesen ist, halte ich für unverzichtbar. Wenn man die eigene Vorgeschichte nur unter dem Vorzeichen des Bösen sieht, wird man keine Kraft zur Bewältigung der Zukunft haben.

Die Vorfahren der heutigen US-Amerikaner haben Millionen Menschen der ersten Nationen vertrieben, bekämpft, umgebracht. Im Deutschen nennen wir diese Millionen Vertriebenen, Bekämpften, Umgebrachten, diese Menschen der ersten Nationen weiterhin Indianer.

Kein US-Amerikaner, der bei Sinnen ist, leugnet das Böse, das geschehen ist, leugnet das blutige Morden. Aber das Volk der Vereinigten Staaten von Amerika als ganzes ist nicht verstrickt und befangen in diesen Gefühlen der Scham ob all des Unrechts, das den Indianern, den Sklaven, den Schwarzen angetan worden ist. Die USA haben sich ihre Zuversicht, ihren Willen die Zukunft zu gestalten, bewahrt. Deshalb sind sie so erfolgreich.

Die allermeisten US-Amerikaner sind stolz darauf,  Amerikaner zu sein. Ich habe dies immer wieder verspürt bei meinen Reisen. Dieser Nationalstolz ist weit entfernt davon, die Schrecken der Vergangenheit zu leugnen. Er bezieht seine Kraft aus dem Zutrauen in die eigene Gestaltungsmacht. Dieser Stolz ist nichts anderes als das Bekenntnis zur eigenen Verantwortung – in exakt dem Sinne, den Konrad Adenauer 1946 ausdrückte.

Der Präsident der USA hat es gestern im Rückblick auf seine Ansprache zur Lage der Nation unvergleichlich knapp und treffend so ausgedrückt:

„Tonight I addressed the American people on the future we face together. Though at times it may seem uncertain, it is a future that is ours to decide, ours to define, and ours to win.
 Posted by at 13:23