Dez. 162010
 

Die erfolgreichste, älteste, heute mitgliederstärkste Organisation der gesamten Weltgeschichte ist die römisch-katholische Kirche. Etwa 1,1 Milliarden Menschen betrachten heute den Bischof von Rom als geistliches Oberhaupt ihrer Gemeinschaft.

Das Christentum ist nicht bloß eine echte Multi-Kulti-Bewegung, sondern eine Tutti-Kulti-Bewegung, da die christliche Botschaft sich ausdrücklich an alle Menschen und an alle Kulturen richtet – unabhängig davon, ob sie anderen Religionen oder auch gar keiner Religion angehören.

Ich treffe bei den sonntäglichen Gottesdiensten hier in Kreuzberg zahlreiche Christen aus Afrika, Asien und Europa.

Bei sozialen Fragen und bei den Fragen von Krieg und Frieden, bei der unbedingten Achtung jeder einzelnen Person haben sowohl dieser Papst wie auch seine Vorgänger wertvolle Impulse geliefert.

Die Linkspartei hat dies erkannt, obwohl sie mutmaßlich in manchen ethischen Fragen nicht mit dem Papst übereinstimmt.

Also – ich würde sagen – die parlamentarische Vertretung eines 82-Millionen-Volkes kann der Begegnung mit dem obersten Vertreter einer 1,1-Milliarden-Community mit Freude und gewisser Gelassenheit entgegensehen – cum gaudio et quadam serenitate. 🙂

Die knufflig-verschnupften Bundestagsgrünen sollten zur Kenntnis nehmen, dass Ideen wie Nachhaltigkeit und Umweltschutz, Grundgedanken der Verantwortung gegenüber allen Menschen nichts anderes sind als die Fortführung einer universalistischen Welt- und Nächsten-Ethik, wie sie das Christentum vor etwa 1600 Jahren ins finstere Europa importiert hat, das damals voll herrlicher Spontanvegetation wucherte und sumpfte.

Die Grünen, die Partei des Guten, sind in meinen Augen eine Partei, die ihren Hauptimpuls aus einer genuin jüdisch-christlichen kulturellen Erbanlage bezieht – wobei der Gottesbezug getilgt ist und die blind hypostasierte Natur an die Stelle des toten und geleugneten Gottes einrückt. Die Grünen glauben an die anonyme, quasi-theologisch verehrte Natur und an einige ethische Grundüberzeugungen, die letztlich im europäisch-christlichen Erbe zu verorten sind. Sie dienen „hienieden“ letztlich der Natur.

Die Christen glauben hingegen an einen personalen, nicht bildlich fixierbaren Gott, der im Hier und Jetzt alltäglich immer wieder in der Gestalt jedes beliebigen Menschen, im berühmten „Nächsten“ erscheint. Sie dienen hienieden dem Menschen.

Es ist spannend zu sehen, wieviel urchristliche Tugenden gerade im Grünen-Programm wiederauftauchen. So bedeutet der Verzicht grüner Männer auf das Auto und auf äußeren Prunk, der Verzicht grüner Frauen auf Seide, Geschmeide und Lippenrot einen „Verzicht auf die Reichtümer dieser Welt“ zugunsten eines höheren Guten.

Paupertas, caritas, parsimonia, puritas! Freiwillige Armut (also „Konsumverzicht“), Nächstenliebe (also „soziales Engagement“), Sparsamkeit (heute „Nachhaltigkeit“), fürsorgliches Verhalten, ein Eintreten für die Schwachen, für die Migranten, für die Verachteten, Kampf für sittliche Reinheit, für den Schutz vor Schmutz  – na, wer hat diese Tugenden jahrhundertelang gepredigt und vorgelebt, ehe die Grünen sie wiederaufgriffen?

Dem Christentum eignet ferner ein großer Staatsskeptizismus, denn 300 Jahre lang überlebte es in Opposition zu den „Mächten dieser Welt“, also zum römischen Kaisertum. Diese Machtferne, dieses Mißtrauen gegenüber der weltlichen Macht teilen die Christen mit den Grünen.

Die Grünen sollten dem Papst also ruhig lauschen. In aller Demut. Cum spiritu humilitatis. Auch eine christliche Tugend.

Der König Salomo freilich hätte sicher seine Freude an den Linken gehabt, die sich hier weitaus einsichtiger gezeigt haben mit einer geradezu salomonischen Äußerung zum Papstbesuch.

Ansprache im Bundestag: Grünen kritisieren geplante Papst-Rede – SPIEGEL ONLINE – Nachrichten – Politik
Die Linksfraktion reagierte zurückhaltend. „Wir sind nicht dagegen, wir nehmen es zur Kenntnis“, sagte Sprecher Hendrik Thalheim. „Staatsoberhäupter können dort sprechen, also kann auch der Papst dort sprechen.“ Die Linksfraktion sehe der Rede mit Interesse entgegen, weil Amtsvorgänger dieses Papstes in Friedensfragen und sozialen Fragen zum Nachdenken angeregt hätten.

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Dez. 142010
 

Zu den Psychologen, die mein Denken nachhaltig beeinflusst haben, gehört der aus Berlin stammende Fritz Perls. Ihn beschäftigten bei den Neurosen und den psychischen Störungen weniger die tiefsitzenden, infantilen Reste einer unbewältigten Vergangenheit, wie dies etwa Sigmund Freud tat. Viel stärker richtete er die Aufmerksamkeit auf das, was den Patienten hier und heute gefangen hielt: welche inneren Hemmungen und Bedenken ihn davon abhielten, so zu werden, wie er sein wollte. Perls entdeckte, dass es nicht der Vater, nicht die Mutter oder die Kindheit waren, die seine Patienten gefangen hielten – sondern feste Muster, eingeschliffene Selbstwahrnehmungen und zum Zwang geronnene Gewohnheiten.

Solche festgelegten, immer wiederkehrenden Erlebnismuster nannte er GESTALT.  Therapie besteht darin, diese Gestalten zu erkennen, mit ihnen zu arbeiten und sie schließlich zu überwinden, indem sie durch bewusstes Gegen-Denken, durch bewusstes Gegen-Fühlen und Gegen-Handeln überwunden werden.

So mag ein Hauptschüler einmal gehört haben: „Mit dem Hauptschulabschluss können Sie nichts anfangen!“ Ich hörte erst vor wenigen Monaten im Abgeordnetenhaus einem Berliner  Bildungspolitiker zu, der genau diesen Satz verwendete.

„Damit kannst du nichts anfangen!“ Diese Voraussage des Scheiterns prägt sich als verhindernde Gestalt in die Psyche ein. Nicht die objektive Unmöglichkeit wird dann zur Selbstbehinderung des Hauptschülers führen, sondern die gestalthaft geronnene, von der Umwelt wieder und wieder bekräftigte Versagenserwartung.

Ich protestierte damals – ich protestierte namens der Freiheit gegen diesen Satz „Damit können Sie nichts anfangen.“ Gegen die Misslingensvorhersage, wie sie leider auf viel zu viele unserer jungen Menschen einströmt, setze ich die Gelingenserwartung: „Du hast den Hauptschulabschluss. Schön! Was willst du jetzt? Du willst mehr Erfolg?“

In der Berliner Grundstimmung lautet die Ansage dann meist: „Ich werde durch die Umstände gehindert. Ich habe zu wenig Zeit. Ich habe zu wenig Geld. Ich bin zu alt. Meine Familie lässt es nicht zu.“ Ich habe viele Gespräche mit Menschen geführt, die die Schuld am Scheitern irgendwelchen anderen, irgendwelchen Umständen gaben.

„Ich verlor in der 8. Klasse das Interesse an Chemie, weil ich mit dem Lehrer nicht klarkam.“ Der Lehrer ist schuld. So schreibt es ein Vater in der Informationsbroschüre des Senats zur Schulreform. Wer weiß, wenn es den schlechten Lehrer nicht gegeben hätte, vielleicht wäre aus dem Schüler ein Chemiker geowrden?

Perls hätte hier angesetzt und gesagt: Du interessierst dich für Chemie? Du willst Chemiker werden? Du willst Erfolg? Wie hinderst du dich daran?

Im Laufe der Gespräche und Übungen wäre er darauf gekommen, dass es nicht der andere ist, der einen behindert, sondern die eigene Erwartung des Nicht-Könnens.

Die Erwartung des Scheiterns frisst sich in die Psyche als Bewusstsein der Benachteiligung ein. Die Pläne und Maßnahmen zugunsten der Benachteiligten verstärken diesen Mangel an Selbstvertrauen. Der Mensch gerät in den Strudel aus negativen Zuschreibungen, Übernahme des entmutigenden Selbstbildes, Einschleifen der Scheiternserfahrungen. Das Selbst verkriecht sich, wird mehr und mehr abhängig von den stützenden Maßnahmen. Der Mensch gerät in Abhängigkeit von dieser GESTALT. „Ich kann nichts. Andere müssen für mich sorgen.“

So entsteht Anhängigkeit von der Versorgung durch andere, die schließlich in lähmende Überversorgung kippt.  Überversorgung manifestiert sich bei Individuen etwa als jahre- oder jahrzehntelange Abhängigkeit von Therapien, von Medikamenten. Sie kann in eine Sucht umschlagen.

Bei Familien oder ganzen Klassen manifestiert sich Überversorgung als generationenübergreifende Abhängigkeit von Fürsorge, Familien- oder Sozialhilfe.  Hier wäre nun nichts falscher, als die Fürsorge noch einmal zu verstärken. Ein therapeutischer Schock ist vielmehr dringend gefordert!

So rate ich etwa dazu, jungen Menschen, die sich an Abhängigkeit gewöhnt haben, nach Verlassen der Schule oder Ausbildung keinerlei Hilfen zum Lebensunterhalt zu gewähren. Sie müssen sich selbst Lohn und Brot erarbeiten – und sei es durch Fortziehen.

Den negativen Zirkel aus Scheiternsvorhersage, Abhängigkeit und Überversorgung gilt es zu durchbrechen. Kein Mensch ist gefangen in den Umständen, aus denen er hervorgeht.

Die Ansprache muss lauten: Du willst Erfolg? Dann tu etwas dafür! NIMM dein BETT und GEH! Die Besinnung auf die große, befreiende Botschaft des Fritz Perls kann in der heutigen Debatte über die Umgestaltung der Sozialsysteme wertvolle Anstöße liefern.

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Dez. 122010
 

Bei Überschwemmungen in den Niederlanden war und ist es Bürgerpflicht, dass alle Hand anlegen, um die Naturgewalten einzudämmen. Davon kündet noch das obige Verslein  des halluzinierenden Faust aus dem letzten Akt eines in Deutschland schon weitgehend vergessenen Dichters. Faust II, 5. Akt, um es genauer zu sagen.

Gemeindrang oder Gemeinsinn, bürgerschaftliches Zusammenstehen – das fordert auch unser Bürgermeister. Ich finde das sehr gut, Herr Bürgermeister! Denn der Winter ist – die Zeitungen beklagten es mehrspaltig – mit unerbittlicher Härte über ganz Deutschland hereingebrochen, hielt Flughäfen, Eisenbahnen, ja sogar Gehwege für endlos lange zwei Tage im unerbittlichen Griff fest.

„Nimm Hack‘ und Spaten!“ Das forderte ich bereits letztes Jahr, zahlreiche Geschäftsleute in Kreuzberg und anderswo gingen mit gutem Beispiele voran.

Wenn wir gestern die SPD als „staatslastig“ und „überversorgend“ bezeichneten, so galt das nur im Großen und Ganzen für die heutige Berliner SPD. Daneben gab es auch einen wichtigen Gedankenstrom innerhalb der deutschen SPD, der vor allem den anständigen, den braven Bürger forderte und förderte, also etwa den sozialdemokratischen Arbeiter, der sich in Abendkursen zum Facharbeiter fortbildete, der sparsam für die Familie vorsorgte und der eben jederzeit auch Hand anlegte, wenn das Gemeinwohl dies erforderte, etwa in der Freiwilligen Feuerwehr oder in der Arbeiterwohlfahrt. Thilo Sarrazin hat während seiner Zeit als Finanzsenator immer wieder voll Hochachtung von diesem sozialdemokratischen Urgestein gesprochen und – meist vergeblich – bei seinen Sparappellen eine Einschränkung der „öffentlichen Hand“, eine großzügigere „Bürgerhand“ verlangt.

Genau diesen Nerv trifft unser Bürgermeister mit seiner Bemerkung. Applaus, Applaus.

Eis auf Gehwegen: Wowereit fordert Berliner zum Schneeräumen auf – Berlin – Tagesspiegel
Wowereit appellierte an Bürgersinn der Berliner. An der einen oder anderen Stelle könnte sie vielleicht auch selbst „Hand anlegen könnten, um Gefahrenstellen zu beseitigen“.

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Eigene Anstrengungen einfordern! „Gute Regierungsführung“ des Selbst pflegen!

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Dez. 112010
 

Spannendes Interview mit Neuköllner Schülern! LEST!

Aus der Deutschland-taz: „Wir achten nicht auf Herkunft“ – taz.de
Haben sich Deine Leistungen verbessert, seit Du mit dem Mobben aufgehört hast, Kassem?

Kassem: Auf jeden Fall! Ich konzentriere mich jetzt auf mich selbst, ich will in die Oberstufe, ich will etwas erreichen in meinem Leben. Und was die anderen Schüler von mir denken, interessiert mich eigentlich nicht mehr.

Max: Die, die mobben, haben oft kein Ziel. Denen wird auch zuhause keins vorgegeben, da helfen die Eltern nicht oder verstehen gar nicht, was in der Schule los ist.

 Posted by at 17:45
Dez. 112010
 

„Meine Mutter hat es auch ohne dieses Gesetz geschafft, zehn Kinder in Berlin einzugliedern und zu vernünftigen Mitbürgern zu machen.“ So schreibt Badr Mohammed auf S. 22 der Berliner taz vom 07.12.2010 (leider online nicht abrufbar). Freunde, Leute, Blogger: In allem, was Mohammed in seinem Beitrag schreibt, hat er recht, so finde ich. So schreibt er etwa: „Als Grundlage für Integration reichen das Grundgesetz und eine gute Erziehung völlig aus.“

Mutig, mutig, so etwas drucken zu lassen!

Aber ich unterschreibe jeden Satz und jeden Halbsatz, den Mohammed in diesem Artikel  geschrieben hat.

Insbesondere hat er meines Erachtens als einer der ganz wenigen Berliner Politiker die zentrale Rolle der Familie, der Eltern im Leben der Kinder erkannt. Seine Mutter hat die Hauptverantwortung für das Schicksal ihrer zehn Kinder erkannt, angenommen und bewundernswert ausgefüllt.

Während für Kinder also die Familie die entscheidenden Weichenstellungen für oder gegen Integration vornimmt, ist es bei den Erwachsenen die Erwerbstätigkeit.

Mohammed schreibt: „Erwerbstätigkeit spielt eine zentrale Rolle: Sie verschafft neben eigenem Einkommen soziale Beziehungen, Anerkennung und Selbstwertgefühl. Aufseiten der Zuwanderer setzt Integration den Erwerb bestimmter Kenntnisse und Fähigkeiten sowie Motivation voraus. Zentral ist das Erlernen der Sprache. Das allein ist aber nicht genug. Dazu gehören Kenntnisse über Kultur und Geschichte des Aufnahmelandes, über Umgangsformen, Institutionen und Organisationsstrukturen, politische Werte und Verfassung.“

Donnerwetter, Herr Mohammed! Sie verlangen also Kenntnisse! Fähigkeiten! Motivation! Das würde ja bedeuten, dass es neben der Familie und der Erwerbstätigkeit auf die persönlichen Bemühungen des einzelnen ankommt. Das würde bedeuten, dass nicht die Politik an allem schuld ist, was schiefläuft!?

Nun, ich meine, auch hier hat Mohammed recht. Ich persönlich fasse übrigens die gutklingenden Wörter Kenntnisse, Fähigkeiten und Motivation  mit dem altertümlich anmutenden Wörtlein TUGENDEN zusammen. Tugenden sind derartige individuell zu erlernende, zu übende Haltungen, die es dem einzelnen ermöglichen, ein gelingendes Leben zu führen, z.B. Lernwille, Fleiß, Achtsamkeit, Nächstenliebe, Verantwortung für sich und andere, Rechnen, Lesen, Schreiben, Singen, Turnen, Tanzen.

Von dieser Verantwortung für das gelingende Leben kann der Staat mit all seinen Gesetzen und seinen Integrationsmilliarden und Abermilliarden Euro die einzelnen nicht freistellen.

Mohammed hat recht.

Was verhindert Integration mehr als alles andere? Ich würde wagen zu behaupten:

1) Ein Rückgriff der Erwachsenen auf die Sozialhilfe. Denn Sozialhilfe als Dauerlösung verhindert Erwerbstätigkeit. Also brauchen wir dringend, so meine ich, eine Verringerung, Befristung, Abspeckung und Vereinfachung des gesamten Sozialhilfe-Wesens oder besser gesagt Sozialhilfe-Unwesens. Es müssen mehr und mehr Familien ihr Leben durch eigene Erwerbstätigkeit sichern. Je mehr die Familien ohne Staatshilfen ihr Leben bestreiten, desto besser! Idealerweise wäre keine Familie dauerhaft auf finanzielle Hilfe des Staates angewiesen.

2) Versagende Eltern, die die Erziehung der Kinder nicht wahrnehmen. Die Schulen werden die Defizite, mit denen die Kinder in den Unterricht kommen, stets nur zum Teil ausgleichen können.

3) Selbst-Diskriminierung und Fremd-Diskriminierung: „Du Migrant – ich Normal!“ Ich vertrete emphatisch das Einheits-Modell des Staatsbürgers. Jeder, der dauerhaft und nicht bloß vorübergehend (etwa als Tourist oder entsandter Arbeitnehmer) hier in Deutschland lebt,  sollte sich als „ganz normaler“ deutscher Staatsbürger sehen.

„Alteingesessene“ und „neue“ Deutsche zusammen bilden die bürgerliche Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland, deren Leitkultur das Grundgesetz abbildet. Für diese Auffassung bin ich bereit überall einzutreten! Für diese Auffassung habe ich übrigens damals auch meinen Wehrdienst bei der Bundeswehr abgeleistet.

Unsere Leitkultur ist das Grundgesetz“ – das hat übrigens nicht Mohammed gesagt, sondern Cem Özdemir.

Zustimmung des Bloggers an Sie, Herr Mohammed, Zustimmung des Bloggers auch an Sie, Herr Özdemir!

Egal, ob sie Ugur, Maximilian, Dilek, Kassem, Joachim oder Yachya  heißen: es sind für mich alles Deutsche. Sie sind hier geboren, gehen hier zu Schule, sie werden aller Wahrscheinlichkeit nach hier bleiben.

Lest bitte auch das tolle Interview „Wir achten nicht auf Herkunft“ mit den Schülern der Neuköllner Otto-Hahn-Gesamtschule auf Seite 23 der Berliner taz vom 7. Dezember 2010.

Hey tazzler! Bitte stellt diese beiden Glanzstücke dauerhaft online! Teşekkür ederim schon mal im Voraus!

שלום ve السلام عليكم!

 Posted by at 13:13
Dez. 072010
 

Spannende Frage! Morgen gehe ich zu der Veranstaltung  im BVV-Saal des Rathauses Kreuzberg. 19.00 Uhr!

Ich würde sagen: Bessere Bildung ist einer der vier Schlüssel, der zweite Schlüssel sind Streichungen und Kürzungen der staatlichen Sozialleistungen für Zuwanderer und Ausländer, der dritte Schlüssel sind alte, fast vergessene Bürgertugenden wie Fleiß, Rechtschaffenheit, Ehrlichkeit, der vierte Schlüssel ist die Schaffung eines positiven Selbstbildes bei alten und neuen Deutschen.

Den EINEN Schlüssel zur besseren Integration gibt es nicht – sehr wohl aber einen Schlüssel-BUND. Bessere Bildung allein wird es nicht schaffen, Streichung und Kürzung der Sozialleistungen allein wird es nicht schaffen, alte Tugenden allein werden es nicht schaffen, neue deutsche Identität allein wird es nicht schaffen. Die vier Schlüssel zusammen werden es schaffen, aber sie müssen in der rechten zeitlichen Abfolge ins Schloss gesteckt werden.

Um auch wirklich auf neuestem Stand zu sein, verschlinge ich die heutige taz. Die ist wirklich gut! Norbert Bolz, Daniel Cohn-Bendit, Thilo Sarrazin, Sevim Dagdelen, Erika Steinbach und viele viele andere kommen in Fleisch und Blut zu Wort in EINER Zeitung! So bunt ist unser Vaterland geworden – und die taz gehört unverbrüchlich dazu!

Das habt ihr SEHR gut gemacht, oh ihr tazzlerinnen und tazzler!

Als Dessert des erlesenen Mahls schlecke ich den guten und klugen Kommentar „Das Einwanderungs-Dilemma“ von Uta Rasche auf der Seite 1 der heutigen FAZ. Auch sehr gut!

„Ist die Bildung der Schlüssel für eine bessere Integration in Berlin?“
Podiumsdiskussion
mit

  • Andreas Germershausen
    Leiter des Referats Integrationspolitik bei der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales
  • Necla Kelek
    Sozialwissenschaftlerin und Frauenrechtlerin
  • Prof. Dr. Petra Stanat (angefragt)
    Direktorin des Instituts zur Qualitätsentwicklung der Humboldt-Universität zu Berlin
  • Ertan Taskiran
    Vorsitzender des Deutsch-Türkischen Forums der CDU Berlin

Moderation
Kurt Wansner, MdA

Empfang Ist die Bildung der Schlüssel für eine bessere Integration in Berlin?, Veranstaltungen, Akademie Berlin, Konrad-Adenauer-Stiftung

 Posted by at 15:08

Was ist Tapferkeit?

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Dez. 012010
 

28112010087.jpg „Tapfer tapfer!“ lobte mich kürzlich eine Nachbarin, als ich bei Minusgraden mein Fahrrad aus dem Keller schleppte. In der Tat: Mein Ziel ist es, den ganzen Winter hindurch das eigene Fahrzeug fahren, ohne auf die BVG auszuweichen. Ich werde morgen im ergebnisoffenen Dialog mit der Werkstatt in der Bergmannstraße abklären, ob ich Spikes aufziehe. Die Spikes-Reifen sind recht breit. Conti liefert erst ab einer bestimmten Breite.

Unabhängig davon sei gefragt: Was ist Tapferkeit? Eine Frage, der unter anderem Sokrates nachgeht, in einer Talkshow, die Platon unter dem Namen Laches aufgezeichnet hat.

Laches schlägt mit Blick auf soldatische Tapferkeit vor: Tapferkeit ist „in Reih und Glied standhaltend die Feinde abzuwehren und nicht zu fliehen“ (190e ).

In diesem Fall wären also die Kälte, der Frost, die Glätte, der eisige Wind der Feind, vor dem es als tapferer Radfahrer nicht zu fliehen gilt. Aber schon bei „Reih und Glied“ würde die Definition nicht mehr passen. Denn der tapfere Radfahrer fährt ja nicht in Reih und Glied, sondern wendig, aufmerksam sichernd und Gefahren gleichsam witternd wie ein Eisbär auf einer schmelzenden Eisscholle …

Wir erkennen: Der Vorschlag des Laches erfasst die Tapferkeit des Soldaten, jedoch nicht die Tapferkeit des Radfahrers.

Die Frage ist als ergebnisoffener Dialog weiterzuführen!

 Posted by at 15:57
Nov. 172010
 

Gute Sache!  Der menschliche Körper verlangt nach Abwechslung! Lange monotone Belastungen müssen immer wieder durch Lockerung, durch Dehnung des Halteapparates und der Bänder sowie durch Kräftigung der anderen Muskelgruppen unterbrochen werden.

Das wissen die Autobauer. Das wissen die Geiger (und sollten es befolgen). Das wissen viele Lehrer. Das sollte auch Standard in deutschen Klassenzimmern werden. BMW fährt schon mal vor.

Ältere Beschäftigte: Senioren am laufenden Band – SPIEGEL ONLINE – Nachrichten – Wirtschaft
„Wir kamen uns zuerst schon etwas blöde vor, als wir mit den Gymnastikübungen angefangen haben“, schmunzelt Wenzl. „Jetzt aber machen alle mit. Das tut uns einfach gut.“

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Bei wem liegt die Hauptverantwortung für die Kinder?

 Familie, Kinder, Tugend  Kommentare deaktiviert für Bei wem liegt die Hauptverantwortung für die Kinder?
Okt. 182010
 

Gestern sahen wir den Zeichentrickfilm „Konferenz der Tiere“. Ein Leckerbissen für alle Ökofreaks, Ökotussis, Multikultis und neokonservativen Kümmerer. Es kommt sogar ein vegetarischer (wenn auch nicht veganer) Löwe des Namens Sokrates vor. Sokrates! Wer kennt den noch? Ist das nicht ein portugiesischsprachiger Fußballer? Schreibt man den nicht mit einem C? Oder besinnt sich die deutsche Unterhaltungsindustrie also neuerdings auf die Ursprünge abendländischer Geistigkeit?

Ich erlebte den Film als großen filmischen Essay über das Thema Familie und Wertebindung. Die Treue – sie ist doch kein leeres Wort! Diese Verse Friedrich Schillers schossen mir durch den Sinn, als ich Winifred und ihren Gatten Wilfried (?), die beiden hochbetagten Schildkröten über 700 Jahre glückliche Ehe nachdenken sah. 700 Jahre zusammen – welches Menschen-Ehepaar könnte da mithalten, abgesehen von Ausnahmegestalten wie Noah und Sem, die es immerhin auf hohe dreistellige Lebensjahre (950 max.)  brachten?

„Kinder brauchen den Schutzraum Familie, um zu gedeihen“; diese Worte Wolfgang Schenks, des ehemaligen Grünen-Mitgliedes, des ehemaligen GEW-Mitgliedes, des ehemaligen schulpolitischen Sprechers der Berliner AL  (Grünen?) im Abgeordnetenhaus durchzogen mein Gemüt, als ich Rückschau hielt auf die lustige Erdmännchen-Familie. Der Vater der Erdmännchen versucht alles, um den nötigen Lebensunterhalt (also Wasser) für seine Familie zu beschaffen. Durch vielfältiges Scheitern reift er allmählich zu seiner Verantwortung als Vater und Gatte heran.

Und die Menschen, diese rohen Zweibeiner? Kommen schlecht weg! Sie denken nur an die Ausbeutung, den Profit, scharen sich in heuchlerischen Klimakonferenzen zusammen. Aber sie vernachlässigen ihre eigenen Kinder, sie zerstören die belebte Umwelt. Ihnen fehlt der Sinn für Gerechtigkeit. Nicht zufällig fehlt jede Mutter. Das einzige Menschenkind, das vorkam, Maya, hatte nur einen Vater. Die MUTTER FEHLTE. Unvollständige Familien, vernachlässigte Kinder, ein Mangel an Verantwortung kennzeichnen die Menschenwelt in diesem Film.

Ganz zum Schluss heißt es dann: „Meine Firma ist kaputt, der Staudamm ist weggebrochen, ich bin erledigt. Wolltest du das haben? Bist du glücklich?“ So fragt der Vater seine Tochter. Sie antwortet: „Ja.“ Kein Wunder: Denn jetzt hat sie Papa ganz für sich. Er wird ihr Mama ersetzen.

Also: Die Großprojekte der kalten berechnenden Väter werden von den naturliebenden Töchtern zerstört. Die Söhne und Töchter der Menschen sind vernachlässigt. Die heilen Familien der Tiere, insbesondere der Erdmännchen, sind ein leuchtendes Vorbild.

Die Frage, wovon die Menschen nach der Zerstörung des Großprojektes leben sollen, bleibt unbeantwortet!

Bei wem liegt die Hauptverantwortung für die Kinder? Der Film „Die Konferenz der Tiere“  meint: bei den Eltern. Der Film sagt das. Kanzlerin Merkel sagt es ebenfalls. Das Grundgesetz sagt das. Und ich schließe mich dieser Meinung an.

Gestörte Familien können gestörte Gesellschaften, gestörte Umwelt erzeugen.

Wir brauchen starke Familien, die durch Treue und Verantwortung der Menschen getragen werden. In den Familien erlernen Kinder die Grundsätze des solidarischen Miteinanders.

Integrationsdebatte – Problemviertel – Merkel warnt vor rechtsfreiem Raum – Politik – Berliner Morgenpost – Berlin
Zugleich warnte die Kanzlerin davor, Gewalt mit einer bestimmten Religion in Verbindung zu bringen. Das führe „in die Irre“. Gewalt bei jungen Menschen sei „oft ein Zeichen dafür, dass sie keine Perspektive für sich sehen. Und da hilft nur Bildung, Bildung, Bildung.“ Der Staat mache diesbezüglich viele Angebote. Bei den Eltern liege aber die Hauptverantwortung, „die ihnen Schule und Gesellschaft nicht abnehmen“ könnten.AFP/tma

 Posted by at 16:28
Sep. 232010
 

Vor zwei Tagen blieb ich spätabends im Hotelzimmer bei Markus Lanz im ZDF hängen. Und siehe da – es war eine Sendung, die erstaunlich wenig auf Effekt und Polemik setzte. Zwischentöne herrschten vor. Diese Gesprächsrunde hat mir sehr gut gefallen!

Mit Rita Schlegel, der Schulleiterin aus Neukölln, kam eine Frau zu Wort, die vieles aussprach, was meine oder unsere eigenen Kreuzberger Grundschulerfahrungen widergab.

Wie funktioniert Integration? Hier empfehle ich, besonders auf die Erzählungen von Melda Akbas, Özlem Nas und Cem Özdemir zu lauschen. Wie haben sie es geschafft, sich in diesem ihrem Heimatland Deutschland umfassend zu „beheimaten“? Ihre Antworten kommen in einem überein: es waren die helfenden Hände der anderen, der Nachbarn, der Eltern, es war die Sorge anderer Menschen – und es war die eigene Anstrengung: die eigene Freude am Lernen, am Lesen und Entdecken. Es war in keinem Fall irgendeine professionelle Integrationshilfe oder eine staatliche geförderte Integrationsmaßnahme.

Diese drei fabelhaften Integrationsgeschichten von Özlem Nas, Melda Akbas und Cem Özdemir bestätigen mich in meinem Skeptizismus gegenüber staatlich finanzierten Integrationsprogrammen und professionellen Helfersystemen.  Diese drei Geschichten spiegeln letztlich das sanfte Gesetz Adalbert Stifters wider, aus dem ich vor wenigen Tagen zitierte: die Fürsorge der Menschen füreinander, die kleinen und großen helfenden Gesten sind es, das Vertrauen der Menschen zueinander, das wechselseitige Sich-Öffnen – dies sind die Kräfte, die Integration ermöglichen.

Integration ist ähnlich wie die Betreuung und Erziehung des Kleinkindes eine Leistung der einzelnen Menschen  – nicht eine Leistung des Staates. Integration steht und fällt ebenso wie die Erziehung des Kleinkindes mit einer bestimmten Qualität der Beziehung zwischen den Menschen.

Selbst die Rede von der „Integration als gesamtgesellschaftlicher Aufgabe“ ist mir zu vage, zu unvollständig. Nicht „die Gesellschaft“ ist es, sondern es sind „die Menschen“ im Für- und im Miteinander, im oftmals harten Ringen um Kenntnisse, um Fähigkeiten, ja auch um den Broterwerb, die einen Weg in eine neue Gesellschaft ebnen.

Das größte Hindernis für Integration der Ausländer ist das Sich-Abschließen der Neusiedler und der Altsiedler, die Hartherzigkeit der Eingesessenen, die Gleichgültigkeit und Verstocktheit beider Gruppen gegenüber dem Nächsten, das stoische Nebeneinanderherleben. Es ist nicht das, was man fälschlich „strukturelle Diskriminierung“ oder „Alltagsrassismus“ nennt.

Eins der größten Hindernisse der Integration ist auch das Vertrauen in die Allheilkräfte des Staates, das blinde Vertrauen in die Sozialhilfe und das Sozialsystem, in Systeme überhaupt. In Wien wird jetzt wieder einmal das „Umkrempeln des Bildungssystems“ als Remedur gefordert. Siehe das Plakat mit der Kandidatin Maria Vassilakou. Maria, hilf durch Systemwandel!

Das heutige Sozialsystem der Bundesrepublik Deutschland ist – ebenso übrigens wie eine besonders strenge Form des Islam – eher geeignet, echte Integration zu verhindern. Es verwöhnt, passiviert und lähmt die Eigenverantwortung. Es fordert zum Missbrauch auf.

Die große Kraft der Herkunftsreligionen Judentum, Christentum und Islam mag diese freudigen Geschichten, wie sie Melda Akbas, Özlem Nas und Cem Özdemir erzählten, im Einzelfall zusätzlich stützen und fördern.

Diese drei Religionen predigen die tätige Zuwendung zum Nächsten, sie fordern stets erneut, das enge Herkunftsdenken aufzugeben und sein Vertrauen in den anderen zu setzen.

Sie fordern das weiche Herz, das hörende Herz.

Markus Lanz vom 21. September 2010 – Markus Lanz – ZDFmediathek – ZDF Mediathek

 Posted by at 22:59
Sep. 162010
 

In all der Integrationsdebatte drohen wir zu ertrinken! Da lohnt es sich doch, ab und zu Luft zu schnappen und der Stimme einer Dichterin, Hannelies Taschau, zu lauschen.

Die Frage lautet hier: Wie lernt der Mensch? Wie erwirbt er neue Fertigkeiten? Durch behutsames Heranführen über Jahrzehnte hinweg, durch staatliche Programme? Drängender noch: Warum lernt der Mensch?  Weil er es will? Aufgrund von Erfahrungen, durch eine Art Praxis-Schock? Lest selbst, entscheidet selbst!

HANNELIES TASCHAU

Ich vermisse mich mehr

Im März 1945 – ich war sieben – entkam ich der
Obhut meiner Großmutter
Ich sprang in die Donau an einer Stelle von
der ich glaubte sie sei grundlos
Ich begann zu  ertrinken
und wehrte mich
Man zog mich heraus und prügelte Wasser
und Schlamm aus mir
Drei Wochen hütete ich voll Sanftmut das Bett
ohne Anzeichen irgendeiner Krankheit
dann lernte ich schwimmen an derselben
Stelle

zitiert nach:
Das deutsche Gedicht. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Herausgegeben von Wulf Segebrecht unter Mitarbeit von Christian Rößner. S. Fischer Verlag, 2005, hier S. 542

 Posted by at 12:12

Was ist konservativ? oder: Rückblick auf die alten Tugenden

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Sep. 152010
 

Ohne verbindliche Grundhaltungen, ohne gemeinsame Werte fliegt uns dieser Laden genannt Bundesrepublik Deutschland bald um die Ohren.

Solche guten, erwünschten Grundhaltungen nenne ich gerne zum blanken Entsetzen aller Zuhörer Tugenden. Beispiele für Tugenden sind Hingabe, Fürsorge, Fleiß, Ausdauer, Klugheit, innere Gesammeltheit, Mut, Tatkraft, Gemeinsinn.

Alles Dinge, an denen es uns in Berlin gebricht.

Ich meine, die Besinnung und die Pflege der bewährten Tugenden ist Zeichen einer konservativen Grundhaltung. Konservativ bedeutet meines Erachtens, zunächst einmal von sich selbst und in seinem familiären Umfeld die gute, die tugendhafte Haltung, die Bewährung zu verlangen und erst danach den versorgenden Staat in Haftung zu nehmen.

Wenn ich dieses Unwort Tugend in den Mund nehme, schalten jedoch viele Diskutanten in den Debatten auf Durchzug. „Wie? Ein Mangel an Tugenden ist mitursächlich für unsere Übel?“

Sollte nicht der böse rot-rote Senat oder der böse präfaschistische Staat oder die muslimischen Migranten oder Thilo Sarrazin oder die schwarz-gelbe Bundesregierung oder das Hartz- IV-macht-arm-Syndrom oder die Bankenkrise oder die Gentrifizierung oder JüL an allem Schlamassel schuld sein?

„JüL ist Käse!“ So erzählen es viele Eltern und viele Lehrer. Wie schaut es damit aus?

JüL wurde in Berlin gegen den Willen der allermeisten Lehrer und der Eltern an fast allen staatlichen Schulen durchgesetzt.

Wir sind jetzt an der privaten russisch-deutschen Grundschule: herrlich! Kein Mobbing, kein Prügeln, kein Fluchen. Alle Kinder wollen und müssen lernen, es gibt Leistungsdruck, Schulbücher, Noten, Prüfungen, Schuluniform ist vorgeschrieben, es herrscht Disziplin, gute, ermunternde Grundhaltung bei allen Eltern, Lehrern und Kindern. UND KEIN JÜL, stattdessen gemeinsame Feiern und gemeinsame Konzerte.

Meine Berliner Russen sind eigentlich alle sehr bedacht auf  konservative Tugenden wie Fleiß, Disziplin, Ehrgeiz, Gemeinsinn. Dasselbe beobachte ich bei den meisten muslimischen Eltern. Die allermeisten muslimischen Eltern sind konservativ. Sie wollen mehr Leistungsanreize, mehr Druck, mehr Strafen, mehr Regeln für ihre Kinder, die sie dem deutschen Staat zur Rundum-Erziehung und Rundum-Bildung überreichen. Den deutschen Staat erleben die allermeisten zugewanderten Eltern als viel zu lasch und schwach.

Ich meine: Von den herrlich-konservativen Russen können wir labbrigen, progressiven Wischi-Waschi-Deutschen viel lernen. Unter anderem leben sie uns bestimmte Tugenden vor, die bei uns mehr und mehr in Vergessenheit geraten sind.

 Posted by at 20:42

Arbeite dich aus der Hilflosigkeit hervor, o Mensch!

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Sep. 092010
 

Philipp Melanchthon, der rastlose, vielschreibende Freund und Gefährte Martin Luthers, beabsichtigte eine lateinische Übersetzung des Koran. Denn er überlegte immerhin, „ob möglicherweise die Mahometaner eine Abspaltung von der Kirche Gottes seien“.

Erstaunlich: Noch zu Luthers Zeit standen Islam und Christentum in echtem Kontakt, an Melanchthons Tisch soll oft „Latein und Griechisch, Hebräisch und Ungarisch, ja sogar Türkisch und Arabisch“ zu hören gewesen sein.

Wittenberg – das war damals für wenige Jahrzehnte eine Art multikulturelle Elite-Universität des Abendlandes, ehe ihm das sächsische Halle dann den Rang ablief.

Ich selbst kann nur die ersten Zahlen Arabisch – das reicht bei weitem nicht aus, um den Koran zu verstehen. Aber ich vergleiche mitunter verschiedene Übersetzungen und suche bei muslimischen Freunden um Auskunft zum Sinn dieser oder jener Stelle.

Hier zum Beispiel:

Eine Frage zu Lamya Kaddors  deutscher Übersetzung der Sure 70, Vers 19: „Der Mensch ist von Natur aus ängstlich“  vs. „Der Mensch ist kleinmütig erschaffen“ (Khoury). Was sagt der Vers im Arabischen aus? Dass der Mensch grundsätzlich Angst hat – und nur durch einen weiteren Schritt Mut fasst? Wollte Gott den Menschen von Angst befreien oder ihn in Angst belassen?

Wir gelangen zu folgender Antwort:

Erklärungen aus dem Tafsir von Qutb und Muhammad Asad:

Dies ist die Verhaltensweise eines Kindes, die auch dem erwachsenen Menschen weiter anhaftet, wenn er nicht durch das Gebet zu besserem Verhalten geführt wird. (Qutb)

Der Mensch hat eine Neigung zur Rastlosigkeit, die ihn entweder zu fruchtbarer Vollendung oder zu chronischer Unzufriedenheit und Frustration treiben kann. Es ist mit anderen Worten die Art und Weise, mit der er diese gottgegebene Fähigkeit nutzt, die bestimmt, ob ein positives oder negatives Ergebnis dabei herauskommt. Die folgenden beiden Verse spielen auf letzteres an, während die Ajas 22-25 zeigen, dass ein wahres geistiges und moralisches Bewusstsein die angeborene Rastlosigkeit in eine positive Kraft verwandeln und damit innere Stabilität und Zufriedenheit herbeiführen kann. (Asad)

Ergebnis der Koran-Befragung:

Gott schenkte den Menschen verschiedene Fähigkeiten. Es kommt auf den einzelnen Menschen an, was er aus diesen Fähigkeiten macht. Rechter Gebrauch der Fähigkeiten erlaubt es dem Menschen, sich aus dem Urzustand der Angst, der Rastlosigkeit, der Hilflosigkeit hervorzuarbeiten.

Den rechten Gebrauch der geschenkten Fähigkeiten, der „Talente“, nennen wir von alters her in allen Sprachen Tugenden.

Ich meine also: Die Entfaltung der Tugenden ist ein zentrales Gebot muslimischer Ethik.

Quellenhinweis:

Petra Bahr: „Europäer und Weltbürger“. In: Melanchthon. Das Magazin zu seinem 450. Todesjahr. EKD, S. 70-74.

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