Feb. 272010
 

Zu den  schlimmen Hinterlassenschaften der Kolonialzeit, vor allem aber des 19. Jahrhunderts,  gehört der Rassismus, also die Einteilung der Menschen nach Hautfarbe oder nach „Rassen“.

Interessant ist es zu sehen, dass die gesamte Antike bis weit ins Mittelalter und die frühe Neuzeit hinein keinen biologisch begründeten Rassismus kennt. Hautfarbe, ethnische Herkunft, spielen bei der Bewertung der Tugendhaftigkeit eines Menschen keine Rolle – die Religion schon eher. Der Teufel kann ein Weißer sein – wenn er kein guter Christ ist. Ein Weißer kann Teufel sein!

Einer der wichtigsten Kirchenväter, Aurelius Augustinus, war Afrikaner und wird meist als Mohr dargestellt. Bis in die frühe Neuzeit hinein gibt es zahlreiche bildliche Darstellungen von Mohren als Königen. Ein Mohr kann König sein, und ein König kann Mohr sein. Wer das leugnet, ist blind oder rassistisch. Schaut euch den Mohrenkopf als Herrschersymbol auf dem Kirchenportal in Ettal an!

Die Bezeichnung „Mohr“ steht für Menschen dunkler Hautfarbe oder ganz allgemein für Menschen afrikanischer Abkunft. Wenn May Ayim behauptet, dass die Bezeichnung „Mohr“ oder „Neger“ oder „Schwarzer“ als solche rassistisch sei, irrt sie gewaltig. Das geben die Quellen einfach nicht her.

Das ist Bestandteil jener intensiven Selbst-Viktimisierung, die gerade die korruptesten Regimes des afrikanischen Kontinents bis zum heutigen Tage pflegen, die Hand aufhalten, satte Entwicklungshilfe einstreichen und tatenlos zusehen, wie die jungen, gesunden und kräftigen Männer den Kontinent verlassen, um etwa in der Neuköllner Hasenheide als rührig-fleißige Händler-Netzwerke  aufzutreten, während zuhause die AIDS-Waisen sterben. Lest doch diese Zusammenhänge in der Zeitschrift Africa positive nach!

Aus diesem Grunde wäre es der Gipfel des Unsinns, jetzt etwa die Mohrenstraße in Berlin-Mitte umbenennen zu wollen. Es wäre ein später Tribut an den Rassismus.  Sollte man sie dann etwa in Afrikanerstraße oder Schwarzenstraße umbenennen?

Unsinn. Verschwendung von Steuergeldern. Tut etwas für die Integration der Zuwanderer, bringt die schwarzen jungen Männer aus dem Drogenhandel heraus, statt euch in Pseudo-Aktivitäten selbst zu bespiegeln.

May Ayim – Wikipedia
Sie gilt als eine der Pionierinnen der kritischen Weißseinsforschung in Deutschland:

Die christlich-abendländische Farbsymbolik brachte die Farbe Schwarz von jeher mit dem Verwerflichen und Unerwünschten in Verbindung. Entsprechend sind in der frühen Literatur Beispiele zu finden, wo weiße Menschen durch unrechtmäßiges Verhalten zu »Mohren« werden. Im Kirchenvokabular des Mittelalters wurden in markanter Weise die Bezeichnungen »Aethiops« und »Aegyptius« zeitweise als Synonyme für den Begriff Teufel benutzt. Religiös bestimmte Vorurteile und Diskriminierungen bildeten so einen Teil des Fundamentes, auf dem sich in der Kolonialzeit mühelos ein Konglomerat rassistischer Überzeugungen entfalten konnte, welches die Schwarzen Heiden (Mohren) zu Schwarzen Untermenschen (Negern) werden ließ. May Ayim (1997)[3]

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Dez. 212009
 

 Kein anderer deutscher Politiker liefert so brillante Analysen zum politischen  Tagesgeschäft, kein anderer deutscher Politiker kann den Funktionswandel des politischen Systems seit den Jahren 1989/90 so unbestechlich erklären wie Wolfgang Schäuble. Ich erinnere mich an einige seiner SPIEGEL- und ZEIT-Beiträge. Jeder von ihnen hat mir eine Einsicht geliefert, die ich so oder so ähnlich schon dunkel geahnt hatte – aber eben nicht die Kraft, nicht die Erfahrung hatte, sie auch auszusprechen. Ob man Schäubles Einschätzungen der Lage immer zustimmt, bleibe dahingestellt – aber in seinen hinter die Fassade dringenden, meta-politischen Aussagen halte ich ihn für unübertroffen unter den deutschen Politikern.

Um so überraschter war ich am vergangenen Donnerstag, ihn bei der Gesellschaft zur Förderung der Kultur im erweiterten Europa in sehr aufgeräumt-erzählerischer, zwangloser, persönlicher Haltung zu erleben. Thema war erneut: Das Doppelgedächtnis der „alten“ und „neuen“ EU-Staaten. Zsuzsa Breier hob zu Beginn hervor, wie weit wir noch von einer gemeinsamen europäischen Erinnerungskultur entfernt seien. Dazu sei noch sehr viel mehr Erzählen und Benennen nötig. Viel zu wenig werde von den Verbrechen der Kommunisten geredet. Mart Laar, der ehemalige estnische Ministerpräsident, arbeitete in klaren, unzweideutigen Worten heraus, welchen Weg Estland und die ehemaligen Ostblockstaaten insgesamt gegangen seien: weg aus der Unterjochung durch das Zwangssystem des Kommunismus, hin zu Selbstbestimmung, schmerzhaften Reformen, mühsamen Aufbauprozessen.

Schäuble fand von Anfang an einen sehr persönlichen Ton. Ich sah, mit welcher Aufmerksamkeit er durch seinen frei schweifenden Blick das Publikum zu „lesen“ versuchte! Immer wieder richtete er auch das Wort direkt an uns Zuhörer. Etwa als er sich klar für das repräsentative und gegen das direkte Modell der Demokratie aussprach: „Machen Sie nicht den Fehler, Volksabstimmungen einzuführen! Sonst kommt so ein Blödsinn heraus wie das Schweizer Minarettbauverbot.“ Es gelte vielmehr, mühselige Einsichten „von oben herab“  durch „nachholende Zustimmung“ in politisches Handeln umzusetzen. Schäuble verwies zu recht darauf, dass die Generation „Adenauer und seine Mitstreiter“ viele grundlegende Weichenstellungen durchsetzten, die zweifellos bei direkten Volksabstimmungen damals durchgefallen wären. Regierungskunst ist eben auch, das für richtig Erkannte zu tun, auch wenn die Mehrheiten erst nachher zustande kommen.

Zwei Mal kam Schäuble zu der Feststellung: „So sind wir.“ So sind wir – wir werden die Freiheit dem Zwang vorziehen. Und wir werden den größeren Wohlstand dem freiwilligen oder erzwungenen Verzicht und der Mangelwirtschaft vorziehen.Wir können Politik nur mit den Menschen machen, wie „wir“ (nicht „sie“) eben sind.

„So sind wir.“ Dieser eine Satz hat mich am meisten beeindruckt! Hier wurde nicht von komplizierten Systemen oder Funktionen, vom „christlichen Menschenbild“ oder ähnlichem doziert. Hier sprach einer, der sich ausdrücklich einbezog. Der sich selbst für fehlbar, unvollkommen und beschränkt ausgab und ausdrücklich auf eine Stufe mit seinen Wählern stellte.

Den Vorwurf, es werde zu wenig von den Verbrechen der Kommunisten gesprochen, parierte Schäuble mit folgendem Hinweis: „Mir hat mein Freund Ignatz Bubis erzählt, wie lange es dauerte, bis seine Verwandte über die Schrecken des KZ zu reden anfing. Es dauerte bis in die 80er Jahre.“ Schäubles Botschaft war: Man sollte nicht zu viel in den Schrecken der Vergangenheit wühlen, sondern beherzt und entschlossen die großen Aufgaben der Zukunft anpacken, etwa die Festigung und Vertiefung der Europäischen Union. Hier sei er keineswegs mit dem Erreichten zufrieden. Die einseitig verfolgte Idee des Nationalstaates habe sich überlebt. Der Nationalstaat bedürfe der Überwölbung durch Europa – aber auch der Stärkung der untergeordneten, der regionalen und lokalen Ebenen. Hier klang das Subsidiaritätsprinzip durch, das – so Schäuble – leider nicht durchgängig genug beachtet werde.

„Wenn es eine umfirmierte NSDAP gegeben hätte, wenn sie nach 1945 nicht verboten worden wäre, dann hätten die Nazis ähnlich hohe Stimmengewinne erzielt wie die umbenannte SED nach 1990.“  Diese mutige Aussage bekräftigte Schäuble noch einmal, als ein Zuhörer energisch den Kopf schüttelte. Geschäft der Demokratie sei es, das gesamte Spektrum der Meinungen zuzulassen und durch unablässiges Werben und Kämpfen für die als richtig erkannte Sache einzutreten. Gerade in diesen Passagen wurde deutlich, dass dem politischen Menschen Wolfgang Schäuble jeder eifernde, jeder rechthaberische Zug fehlt. Ich meine: Zwischen dieser klug abwägenden, um die Verführbarkeit des Menschen wissenden Weltsicht und dem, was man als stumm leidendes Mitglied etwa auf Versammlungen der Berliner CDU um die Ohren gewatscht bekommt, liegen wahrhaftig Welten.

Einbeziehung, Ausgleich, klare Friedenspolitik – unter diesen Grundworten ließen sich weitere Anmerkungen zusammenfassen. Einer privilegierten bilateralen Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Russland, wie sie bis 2005 gepflegt wurde, erteilte Schäuble deshalb eine klare Absage: „Wir dürfen als Deutsche keine Russlandpolitik machen ohne unsere europäischen Partner einzubeziehen.“

Mein persönliches Fazit des Abends lautet: Mart Laar und Wolfgang Schäuble teilen wesentliche Grundeinsichten.  Sie gehen davon aus, dass die Politik eines freien Europa aktiv-vorwärtsblickend sein muss, im Bewusstsein der zum Glück überwundenen Spaltung Europas klare Ziele verfolgen muss, ohne die Gräben der Vergangenheit durch gefährliches Verschweigen oder nicht zielführendes Darin-herum-Wühlen künstlich offenzuhalten.

Ich fasse also den gesamten Abend so in zwei Worten zusammen: „Wer nicht gegen uns ist, der sei für uns! Wer noch nicht für uns ist, dem reichen wir die Hand hin!“

Die Kraft der Freiheit wird stärker sein als die Knechtschaft eines Systems. Der politische und wirtschaftliche Erfolg des Europäischen Projekts wird stärker sein als das Spaltungsdenken. Und die Idee der Eigenverantwortung wird dem übermäßigen Machtanspruch der Systeme und Bürokratien in jederlei Gestalt widerstehen müssen.

Dem kann ich nur zustimmen. Denn: So sind wir.

Unser Foto zeigt von links nach rechts:  Wolfgang Schäuble, Mart Laar, Moderator Konstantin von Hammerstein

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Wer war Antonescu? Wer war Horthy?

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Nov. 172009
 

Kaum ein Deutscher wird mit dem Namen Antonescu etwas anfangen können, den Herta Müller auf S. 299 ihrer „Atemschaukel“ nennt. Es war der faschistische Diktator Rumäniens, der den Vorläufer zu linksgerichteten Diktatoren wie etwa Ceausescu abgab. Man könnte sagen: „Alles vorbei, ziehen wir endlich einen Schluss-Strich! Fangen wir doch ganz von vorne an!“

Und doch sollten, ja müssen wir uns mit der Vergangenheit der faschistischen und der kommunistischen Diktaturen der neuen EU-Staaten befassen. In Ungarn, aber auch in den östlichen Bundesländern Deutschlands hat sich eine weit verzweigte totalitäre, rechtsradikale Ideologie gehalten. Während des Kommunismus war sie geächtet, wurde kriminalisiert. Da der Sozialismus  nach und nach jeden Kredit verspielt hatte, wurde es unter Jugendlichen schick, rechtsradikal und nationalistisch zu sein.

Der Sozialismus ging aber listigerweise in den Staaten des Ostblocks ein Bündnis mit dem nationalen Gedanken ein. Alles, was die Erinnerung an eigene Verstrickungen hätte aufrühren können, wurde totgeschwiegen. Die eigene Nation – ob nun Slowakei, Ungarn oder Rumänien – gewann unter dem Sozialismus die Unschuld zurück, indem man die dunklen Flecken verschwieg.

Die Welt, ja selbst die meisten Deutschen glauben bis zum heutigen Tage, nur die Deutschen hätten eine rassistische Vernichtungspolitik gegenüber dem Judentum betrieben. Die Shoah wird ausschließlich auf das Konto der Deutschen geschrieben. Die Deutschen akzeptieren dies willig und wissentlich – aus Unwissenheit. Und doch gab es in den Staaten Ungarn und Rumänien, im besetzten Teil Frankreichs, ja sogar im nicht besetzten Teil Frankreichs, in der Sowjetunion, in der gesamten arabischen Welt in den vierziger Jahren eine aktive, eine keinesfalls erzwungene, sondern aktiv betriebene Verfolgungs- und Entrechtungspolitik gegenüber den Juden und anderen ausgegrenzten Minderheiten, etwa den nationalen Minderheiten innerhalb der eigenen Staatsgrenzen. Diese mündete dann in vielen besetzten und nicht besetzten Ländern in eine aktive Zuarbeit, eine wissentliche Unterstützung der verbrecherischen Ausrottungspolitik der deutschen Nationalsozialisten. Kaum ein Land hat diese Vergangenheit bisher offen zu bewältigen gewagt. Es ist viel einfacher, viel bequemer, die alleinige Schuld an der Katastrophe des Holocaust den Deutschen und nur den Deutschen, am besten nur den Westdeutschen anzulasten!

Dem war nicht so. Darüber gilt es zu reden, sonst kommen die Gespenster der Vergangenheit wieder zurück.

Der ungarische Historiker Paul Lendvai schreibt heute in der Morgenpost:

Antisemitismus – In Ungarn müssen sich Juden wieder fürchten – Kultur – Berliner Morgenpost
In einem bemerkenswerten Aufsatz betont der bedeutende ungarische Schriftsteller Ivan Sandor die Gefahr der verspäteten Distanzierung der Rechten von den Rechtsradikalen: Statt der „verschönten Scheinvergangenheit“ müsse man deutlich aussprechen, dass vom Zusammenbruch der österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie und nach dem schrecklichen Zwischenspiel der kurzweiligen „Räterepublik“ 1919 mit rotem und anschließendem weißem Terror alle rechtsgerichteten ungarischen Regierungen den Weg zum verhängnisvollen Bündnis mit Hitler-Deutschland und damit auch zum ungarischen Holocaust geebnet haben.
Tragödie des Judentums ist Tragödie des Ungartums

Der ungarische Historiker György Ranki hat darauf hingewiesen, dass sich die Juden nirgendwo in Osteuropa mehr mit einer Nation identifiziert haben wie in Ungarn. Deshalb war die Tragödie des Judentums auch eine Tragödie des Ungartums.

Drei Judengesetze1938-1941 zerstörten die Existenz von Hunderttausenden Menschen, und nach dem Einmarsch der Deutschen am 19. März 1944 lief die „Endlösung“ auf Hochtouren. Unter Aufsicht Adolf Eichmanns und seiner Schergen hat die ungarische Polizei in knapp sieben Wochen 437.402 Juden in 147 Zügen nach Auschwitz deportiert. Insgesamt 564.000 ungarische Juden wurden, zum Teil auf den Straßen von Budapest, umgebracht. Heute leben schätzungsweise nur noch 80.000 bis 100.000 Juden in Ungarn, überwiegend in Budapest.

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Westerwelles ignoranter Kotau vor den Polen

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Nov. 022009
 

Gut, dass der neue Außenminister Westerwelle seinen Antrittsbesuch bei unserem nächsten Nachbarn macht – also bei den Polen. Die Polen sind wichtige Nachbarn, die Freundschaft zu Polen ist ebenso wichtig wie die zu Frankreich! Da lacht mein Herz, und das Herz meiner polnischen Urgroßmutter obendrein.

Weniger lacht mein slawophiles Herz, wenn ich höre, dass Westerwelle den feigen Kotau in der Causa Erika Steinbach ebenfalls mitmacht. Wie man Erika Steinbach in Polen mitgespielt hat, ruft immer noch meinen Zorn hervor. Es ist leider so, dass Polen immer noch nicht bereit ist, sich den eigenen Verstrickungen in den Holocaust und dem Vertreibungsunrecht zu stellen! Wer weiß denn etwa, dass das Lager Auschwitz bereits vor 1939 von den Polen als Internierungslager für unliebsame Fremdstämmige angelegt und betrieben wurde? Dass es auch nach dem Krieg von den Polen als Internierungslager weiterbetrieben wurde? Dass weniger als 50 Deutsche den gesamten Lagerkomplex Auschwitz befehligten, während viele Henker und Helfershelfer, viele Mörder der hunderttausenden von Opfern anderen Nationalitäten angehörten? So viel Heuchelei, so viel Verschweigen, so wenig Ehrlichkeit! Der Holocaust, unter deutscher Verantwortung begangen, war ein gigantisches Verbrechen, an dem Angehörige sehr vieler europäischer Völker beteiligt waren. Der Holocaust war ein gesamteuropäisches Unternehmen – unter deutscher Leitung, aber eben mitausgeführt von zahlreichen Nationalitäten, darunter insbesondere auch Franzosen und viele Polen, Letten, Litauer und Ukrainer.

Ich meine: Außenminister Westerwelle hätte keinen Kotau vor den Polen begehen sollen. Dass man sich von den aufgehetzten Polen so in die personelle Zusammensetzung einer deutschen Stiftung hineinpfuschen lässt, ist Zeichen einer völligen Unbekanntschaft mit den historischen Vorgängen.  Ich meine: Was die polnische Presse mit Erika Steinbach veranstaltet hat, ist unwürdig. Unwürdig ist es, dass deutsche Politiker, zu denen neben Kanzlerin Merkel nunmehr auch Außenminister Westerwelle gehört, so wenig getan haben, um die ungerechten, im höchsten Maße verlogenen Angriffe gegen Erika Steinbach zu unterbinden.

Bezeichnend, dass die polnische Presse sofort die diplomatische Distanzierung Westerwelles als Absage an Steinbach deutet:

 Westerwelle w Polsce, koniec straszenia Sztajnbachowa – Amstern: „Tez widzane z Niemiec, ale oczami Wypedzonego“ – Salon24
I najwazniejsze dla Polakow: minister Westerwelle na pytanie o centrum i pania Steinbach, odpowiedzial, ze centrum bedzie budowane bez pani Steinbach. Centrum ma laczyc Niemcy i Polske, a nie dzielic.
Znakiem tego, nastapi w Polsce koniec straszenia Sztajnbachowa.
WRESZCIE! kamien mi spada z serca.

Na bitte, da mag dir ruhig ein Stein vom Herzen fallen! Lieber polnischer Journalist! So habt ihr euch noch einmal um die Aufarbeitung eurer Geschichte herumgedrückt. Nur weiter so! Schlaft weiter! Lasst euch den Schlaf der Gerechten nicht durch den Albtraum Steinbach vermiesen.

Was für eine Verlogenheit! Was für eine Vertuschung der historischen Vorgänge! Die Polen haben es bisher versäumt, ihre Verstrickung in das antisemitische Unrecht, ihre Verstrickung in die Verbrechen der Vertreibungen nach dem Zweiten Weltkrieg einzugestehen.

Die Polen perhorreszieren mit Wonne und Schadenfreude die arme Erika Steinbach. So mogeln sie sich um eine echte Auseinandersetzung mit ihrer Geschichte herum. Das verlogene Geschichtsbild aus der kommunistischen Ära wird konserviert. „Deutsche Faschisten haben alles Böse getan, die lammfrommen Polen haben alles nur erduldet.“ Dass ich nicht lache!

Gut, dass wenistens Herta Müller bei der Verleihung des Franz-Werfel-Preises nicht zurückzuckte.

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Okt. 102009
 

„Höher als jede Wand wächst das Misstrauen.“ Mit diesen einfachen, wie ein Birkenbäumchen gerade gewachsenen Worten beschreibt Herta Müller in ihrem Roman Atemwende die klirrende Luft in einem Lager für die Deportierten. Die Worte fallen mir ein, als ich heute in der Süddeutschen Zeitung auf S. 10 lese, der tschechische Präsident Klaus wolle die Unterschrift unter den EU-Reformvertrag verweigern, wenn der rechtliche Fortbestand der Benesch-Dekrete nicht ausdrücklich bekräftigt werde.

 EU-Reformvertrag – Prager Sonderwünsche – Politik – sueddeutsche.de
Einem Bericht der polnischen Zeitung Rzeczpospolita zufolge will Klaus Garantien gegen mögliche deutsche Eigentumsansprüche im ehemaligen Sudetenland. Nach dem Zweiten Weltkrieg war auf Grundlage der sogenannten Benes-Dekrete die deutschsprachige Minderheit in der damaligen Tschechoslowakei ohne Entschädigung vertrieben und enteignet worden. Tschechien hält bis heute an den umstrittenen Benes-Dekreten fest und lehnt die Rückgabe von Eigentum ab.

Welches Urteil fällt Daniel Jonah Goldhagen über die Vertreibung der Deutschen und Ungarn aus Polen und der Tschechoslowakei nach dem 2. Weltkrieg? Es lohnt sich, seine Stellungnahme genau zu lesen! Sie findet sich auf den Seiten 222-223 seines Buches über Völkermord.  Er bezeichnet die Deportationen der Deutschen ausdrücklich als „verbrecherische eliminatorische Akte“, die auch durch das subjektive Gefühl, es sei hier Vergeltung geübt worden, nicht zu rechtfertigen  seien. „In der Hauptsache Polen aus den von ihrem Staat annektierten Teilen des deutschen Ostens und Tschechen führten eine gründliche und manchmal mörderische Vertreibung von rund zehn Millionen Deutschen durch, steckten Hunderttausende zeitweilig in Lager und brachten Zehntausende um. Der unbändige Hass auf die Volksdeutschen führte zu einem der seltenen Fälle, dass ein demokratischer Staat, die Tschechoslowakei, im eigenen Land eine umfassende tödliche Eliminierungspolitik durchführte.“

Durch die Benesch-Dekrete der Tschechoslowakei wurde in Friedenszeiten plötzlich ein Drittel der Bevölkerung des eigenen Staates aller Rechte verlustig erklärt. Ihnen wurde die Staatsangehörigkeit aberkannt, sie galten als vogelfrei, sie trugen das „N“ auf ihre Jacken genäht. Ihr gesamter Besitz fiel entschädigungslos dem Staat anheim. Die Deutschen und die Ungarn sowie auch diejenigen Juden, die als Deutsche gezählt wurden, verloren alle Eigentums- und Aufenthaltsrechte. Alle Verbrechen, die an ihnen nach dem Krieg begangen worden waren, wurden straffrei gestellt, für die zahlreichen Massaker und Morde ist kein Tscheche belangt worden.

Ich  meine: Die EU darf sich nicht darauf einlassen, derartige willkürliche, allen Grundsätzen der Menschenrechte zuwiderlaufende Dekrete anzuerkennen. Hier darf man sich nicht durch den Präsidenten Klaus unter Druck setzen lassen!

„Wir waren alle in keinem Krieg, aber für die Russen waren wir als Deutsche schuld an Hitlers Verbrechen.“  So schreibt Herta Müller über die gleichfalls deportierten Rumäniendeutschen.

So könnte man auch auch sagen: Der Krieg hatte Böhmen verschont, in ganz Böhmen fand während des 2. Weltkriegs keine Schlacht statt, aber nach dem Krieg waren alle Deutschen in der Tschechoslowakei an allem Bösen schuld, das die nationalsozialistischen Mörder weltweit verübt hatten. Auf diese Logik darf man sich nicht einlassen!

Es gilt, durch gemeinsame Erinnerung, durch gemeinsame Aufarbeitung der tschechisch-deutschen Geschichte die Mauern des Misstrauens zu überwinden. Ich habe schon mehrfach behauptet, die Zukunft der EU stehe auf tönernen Füßen, solange die gemeinsame Vergangenheit nicht einvernehmlich aufgeklärt wird. Das gilt für Slowaken und Ungarn, für Kroaten und Italiener, für Türken und Griechen, es gilt aber ebenso auch für Tschechen und Deutsche. Denn Geschichte ist nicht wie Zement, Geschichte ist nicht ein feiner Staubnebel, der alles umhüllt und zudeckt.

Alles, was geschehen ist, tragen wir mit uns.  Es ist eingeschrieben in die Gedächtnisse, es wartet darauf, erzählt zu werden. Wie es mit leuchtendem Mut und salzigen Augen Herta Müller getan hat.

Herta Müller: Atemschaukel. Roman. Carl Hanser Verlag, München 2009, hier: S. 38 und S. 44

Daniel Jonah Goldhagen: Schlimmer als Krieg. Wie Völkermord entsteht und wie er zu verhindern ist. Aus dem Englischen von Hainer Kober und Ingo Angres. Siedler Verlag, München 2009, hier: S. 222-223

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Verschafft uns Recht! Der Ruf Goldhagens

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Okt. 082009
 

08102009001.jpgAm selben Tag, als alle anderen den Namen Herta Müller zum ersten Mal zur Kenntnis nehmen, lese ich das zweite große Buch von Daniel Jonah Goldhagen. Was verbindet Müller und Goldhagen? Vielleicht dieses: Müller wie Goldhagen forschen in den Gängen und Schächten des Vergessens des Leidens. Sie fördern Schlacken des Entsetzens zutage.

Goldhagen breitet einen Teppich des Schreckens aus: über mehrere Jahrhunderte, über alle Kontinente hinweg. Wichtig: Er bricht das Schweigen über die Verbrechen der kommunistischen Regime. Wer weiß denn bei uns, dass in Polen und der Sowjetischen Besatzungszone einige Konzentrationslager der Deutschen einfach weiterbetrieben wurden, wie Goldhagen auf S. 129 berichtet, von polnischen, deutschen und russischen Kommunisten? Hunderttausende wurden in den KZs eingesperrt, Zehntausende starben an den elenden Lagerbedingungen. Auschwitz, Lamsdorf, Jaworzno, Oranienburg, Buchenwald – alle diese und noch weitere Lager wurden 1945 nach dem Abzug der Nationalsozialisten wieder befüllt. Echte und vermeintliche Gegner der neuen Machthaber, Bürgerliche, Konterrevolutionäre, sie alle wurden zusammengetrieben. Das millionenfache Unrecht der Vertreibungen – auch der Vertreibungen der Deutschen aus dem Osten Europas – benennt Goldhagen klar und eindeutig (S. 222).  Er lässt den wohl an die Hundert Millionen Opfern der Völkermorde Gerechtigkeit widerfahren – soweit man von „Gerechtigkeit“ sprechen kann.

Natürlich unterlaufen ihm auch Fehler. So behauptet er etwa fälschlich, im GULAG habe es im Gegensatz zu den deutschen KZs ein Kulturleben mit Orchestern usw. gegeben (S. 435). Das ist falsch. Auch in einigen deutschen KZs gab es Orchester, sogar Damenbands, es wurde komponiert, es wurde unter erbärmlichsten Bedingungen immer noch gefeiert, musiziert und rezitiert, und zwar von Häftlingen, die einem qualvollen Tod entgegengingen. Der vorgeblich weniger verbrecherische Charakter der Sowjetherrschaft lässt sich also nicht damit begründen, im GULAG habe es noch ein Kulturleben gegeben.

Und die Auslöschung der polnischen Intelligenz schreibt Goldhagen zu Unrecht nur den Deutschen zu. Polen wurde 1939 zerrissen zwischen Nazideutschland und Sowjetrussland. Beide Mächte haben die polnische Intelligenz brutalst in Massenmorden ausgemerzt. Das Wort Katyn ist dafür nur ein Symbol. Goldhagen hätte es erwähnen müssen.

Richtig ärgerlich werden seine summarischen Zusammenstellungen, etwa auf S. 519: Dort beschreibt er die gegenwärtige politische Situation in der Europäischen Union (EU) mit folgenden Worten: „Nationalsozialismus und Faschismus vorbei, vollkommen demokratisch und politisch integriert.“ 20 Jahre nach der Hinrichtung Ceaușescus ist es starker Tobak, wenn das millionenfache Unrecht, das über Europa gekommen ist, ausschließlich dem Faschismus und Nationalsozialismus zugeschrieben wird. Hier hätte unbedingt auch der reale Sozialismus erwähnt werden müssen, der heutige EU-Länder wie Rumänien, Ungarn, Bulgarien, DDR, Polen, Lettland, Litauen mit eiserner Faust regierte.

Als wichtigen Massenmörder lässt Goldhagen leider Karl den Großen unerwähnt. Wenn schon, denn schon. Es stünde uns in Europa gut an, die Völkermorde und Vertreibungen dieses Pater Europae klar beim Namen zu nennen und den Aachener Karls-Preis umzubenennen, den ja sogar unsere Bundeskanzlerin schon ohne mit der Wimper zu zucken empfangen hat.

Aber immerhin bringt Goldhagen den GULAG, belegt anhand von Zahlen und Dokumenten den verbrecherischen Charakter des riesigen verzweigten Lagersystems in der UdSSR. Er erzählt die riesigen Hungersnöte der Ukraine in den 30er Jahren. Er zeichnet nach, wie die Bolschewisten von Anfang an auf Terror, Massenmord und Konzentrationslager setzten (S. 51). Von der Aura des Kommunismus als weltbefreiender Macht bleibt nichts, gar nichts mehr übrig.

„Massenmörderischen kommunistischen Regimen, die sich urprünglich auf arme und verbitterte Proletarier und Bauern stützten, ist es in bemerkenswerter Weise gelungen, durch die Indoktrination der Jugend ganze Generationen  von wahren Gläubigen heranzuziehen, die sich bereitwillig für die Verwirklichung eliminatorischer Programme einsetzten“ (S. 225).

Die Blutspur des Genozids zieht sich durch die Jahrhunderte, sie färbt sich besonders rot im 20.  Jahrhundert. Und die staatlich verordneten und gedeckten Massenmorde gehen weiter bis zum heutigen Tage!

Das Buch ist ein großer Wurf. Goldhagen schont niemanden: nicht die Hutus, nicht die Belgier, nicht die Deutschen, die Türken, nicht die US-Amerikaner, nicht die Kommunisten, nicht die Franzosen, nicht die autoritären Regime Südamerikas  … sie alle haben Massenmorde und Völkermorde begangen, die weiterhin weitgehend verschwiegen oder beschönigt werden (wohl mit Ausnahme der deutschen Verbrechen). So die bitteren Vorwürfe Goldhagens. Der Völkermord, besser die Vökermorde, allen voran der Holocaust, haben verheerender gewütet als die Kriege.

Dieser Nachweis gelingt Goldhagen meines Erachtens mit großer Überzeugungskraft. Dies ist das Hauptverdienst des Buches, uns dafür die Augen zu öffnen, auch wenn die Begriffe Massenmord, Völkermord, Terror, Krieg bei Goldhagen teilweise unscharf formuliert sind und ineinander verfließen.

Und vor allem unterbeitet er Vorschläge, wie staatlicher Massenmord zu verhindern sein könnte: etwa durch ein Kopfgeld auf Politiker und Regierungsmitglieder, die den Massenmord anordnen oder decken. Hier wird das Buch zu dem, was es eigentlich ist: ein flammender Aufruf, mehr Gerechtigkeit, mehr Frieden herzustellen. „Verschaffe mir Recht“ – dieser biblische Spruch der ewig Gemarterten kam mir in den Sinn, als ich das Buch erschüttert zur Seite legte.

Daniel Jonah Goldhagen: Schlimmer als Krieg. Wie Völkermord entsteht und wie er zu verhindern ist. Aus dem Englischen von Hainer Kober und Ingo Angres. Siedler Verlag, München 2009

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Was geschah in Polen zwischen September 1939 und Juni 1941?

 Europäische Bürgerkriege 1914-????, Polen, Vergangenheitsunterschlagung  Kommentare deaktiviert für Was geschah in Polen zwischen September 1939 und Juni 1941?
Sep. 232009
 

Eins der besten Schaustücke des Deutschen Historischen Museums (DHM) im Berliner Zeughaus ist die lebendige Landkarte Europas, die die Entwicklung der europäischen Territorien zeigt. In einer Simulation wird die häufige Verschiebung der Staatengrenzen vom Anfang der deutschen Geschichte bis heute gezeigt. Als Freund der slawischen Völker interessierte mich vergangenen Sonntag, im Gedenkjahr 2009,  wie die Museumsleute das Schicksal Polens in der Eingangshalle des Museums darstellen würden! Denn  Polen wurde 1939 überfallen und besetzt, die polnische Intelligenz, also die höheren akademischen Berufsgruppen wie etwa Lehrer, Ärzte, Ingenieure, Richter u. dgl. wurden systematisch von den okkupierenden Mächten Deutschland und Sowjetunion ermordet. Jeder Rest des Widerstandes sollte mit Stumpf und Stiel ausgerottet werden. Darin kamen die beiden Besatzungsmächte Deutschland und Sowjetunion überein. Andrzei Wajda hat in seinem Film über Katyn dieses Zerrissenwerden zwischen den beiden Großmächten erschütternd aufgearbeitet. Die Jahre 1939-1941 prägen noch heute die Debatten nicht nur in der Öffentlichkeit, sondern auch in der Politik Polens.

Deutsche SS und sowjetischer NKWD  arbeiteten bei ihren mörderischen „Säuberungen“ oftmals Hand in Hand. Eine gemeinsame Siegesparade der Deutschen und der Sowjets in Brest-Litowsk war sinnfälliger Ausdruck der Waffenbrüderschaft der beiden totalitären Systeme. Hunderttausende von Opfern fielen dem sowjetischen Terror und dem deutschen Rassenwahn zum Opfer. Das kommunistische Polen war jahrzehntelang auf der Lüge errichtet, dass ausschließlich Hitlers Deutschland Massenmord und Verwüstung in Polen verursacht habe. Dass auch die Sowjetunion im September 1939 mit durchaus vergleichbarer barbarischer Härte in Polen eingefallen war, durfte unter Strafe nicht erwähnt werden.

Ein russischer Freund berichtet mir heute von einer Reise durch Polen: „Ich sah soeben in einer aktuellen Warschauer Tageszeitung Hitler und Stalin als Braut und Bräutigam. Stalin trug einen Schleier, Hitler trug einen Blumenstrauß. “

Zwischen September 1939 und Juni 1941 brach also über Polen eine vierte polnische Teilung herein, die die polnische Staatlichkeit vernichtete und einen bedeutenden Anteil der Bevölkerung dem schlimmsten denkbaren Terror auslieferte. Bis heute ist diese Zeit im Gedächtnis der Polen tief verankert: Deutschland und die Sowjetunion fielen über Polen her und teilten es zwischen sich auf.

Wie stellt die Karte im DHM diese Zeit 1939-1941 dar? Antwort: Gar nicht. Es überspringt sie einfach. Die gewählten Jahreszahlen sind 1938 und 1942. 1938 erscheint Polen in seinen Zwischenkriegsgrenzen, 1942 erscheint Polen nur noch als deutsch-sowjetisch gestreiftes Niemandsland. Eine echte Verschleierungstaktik, die weder den Ereignissen noch den Polen gerecht wird!

Dabei wühlt und gärt die geteilte Erinnerung an diese Zeit schon seit Monaten sowohl in Polen wie in Russland. Die Zeitungen sind voll davon, sowohl in Russland wie in Polen. Die Deutschen, auch die deutschen Historiker, scheinen nicht zu begreifen, welch heikles Erbe da noch unaufgearbeitet trennend zwischen den Völkern Europas liegt. Die historisch unzulängliche Karte im Berliner Zeughaus unter den Linden ist der beste Beweis für diese empfindliche Lücke.

Ich meine: Es muss deutlich werden, dass Polen, aber auch Finnland, Estland, Lettland, Litauen und Rumänien ab September 1939 in eine vernichtend mahlende Zangenbewegung zwischen der Sowjetunion und Deutschland gerieten.

Diese Zange hat sich erst im Jahr 1990 gelöst. Der Druck von über fünfzig Jahren Zange oder besser „Schraubstock“ lastet aber noch auf den Seelen.

Eine Einfügung dieser Zeitspanne von 1939 bis 1941 in der Karte des DHM ist dringend nötig!

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„Es gibt Menschen, die nie vorkommen …“

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Aug. 272009
 

Guter Spruch von Philippa Ebéné  im Gespräch mit inforadio: „Menschen die nie vorkommen“ – und genauso gibt es Völker, die nie vorkommen: die Tscherkessen, die Uiguren, die Abchasen, die Tschuktschen – in der Tat, unsere Wahrnehmung ist eine beschränkte. Wir müssen den Blilck erweitern!

Streit um Ausstellung – muss man Nazi-Kollaboration erwähnen? 27.08.2009 17:06 | Inforadio – Aus der Hauptstadt für Berlin und Brandenburg

 Posted by at 23:37
Aug. 272009
 

Na bitte! Das ist Wasser auf meine Mühlen! Nicht nur den Germanozentrismus – also die Haltung, wonach der 2. Weltkrieg der „Krieg der Deutschen“ (wie der SPIEGEL fabuliert) gegen den Rest der Welt gewesen sei, gilt es zu überwinden, sondern auch den Eurozentrismus. Der Skandal um die Zensur in der Werkstatt der Kulturen belegt, wie viel an Aufklärung noch zu leisten ist. Es gab nicht nur in allen wichtigen Regionen der Welt überzeugte Waffenbrüder und Kollaborateure der Nationalsozialisten, sondern es gab auch ganze Staaten und Länder, die auf Seiten der deutschen Nationalsozialisten und der italienischen Faschisten gegen die Bolschewisten, die Kapitalisten und die Kommunisten und ferner gegen die angebliche „jüdische Weltverschwörung“ kämpften oder besser zu kämpfen glaubten.

Selbstverständlich lebt die Mär von der „jüdischen Weltverschwörung“ in der arabischen Welt bis zum heutigen Tage ungemindert weiter, sie dient weiterhin als Rechtfertigungsgrund für Terrorattacken wie etwa die vom 11. September 2001.

Applaus für das Kölner Journalistenbüro Recherche International, das heiße Eisen mutig anpackt! So konnten sie unter anderem nachweisen, dass die deutschen Islamwissenschaftler und die deutschen Lateinamerikanisten über Jahrzehnte hinweg mit unbequemen Wahrheiten über die Unterstützung deutscher Nationalsozialisten durch hochgestellte Kreise in der arabischen und südamerikanischen Welt nichts zu tun haben wollten.

Die Presseerklärung des Veranstalters der verdrängten Ausstellung empfehle ich nachdrücklich eurer Aufmerksamkeit:

Ausstellungsort verlegt – Presseerklärung vom 24.8.2009
Vom 1. bis 30. September sollte die Ausstellung «Die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg» in der Werkstatt der Kulturen in Berlin-Neukölln ihre Premiere erleben, bevor sie bis Ende 2011 durch zahlreiche weitere Städte touren wird. Als Tag der Eröffnung wurde bewusst der 1. September gewählt, der 70. Jahrestag des Kriegsbeginns in Europa (!), um der gängigen eurozentristischen Sichtweise auf den Zweiten Weltkrieg eine globale Perspektive entgegen zu setzen.

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Aug. 272009
 

Ein zufälliger Beleg dafür, wie einseitig, wie blind, wie germanozentrisch das weltweit vorherrschende Geschichtsbild immer noch ist, zeigen die Vorgänge um die geplante Berliner Ausstellung „Die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg“. Sie kann nicht wie vorgesehen stattfinden, weil die Leitung der Werkstatt der Kulturen drei Schautafeln über die Komplizenschaft arabischer Führer mit Hitlers Deutschland ablehnt. Wie bei unseren europäischen Nachbarländern, so wird auch in der gesamten arabischen Welt die Komplizenschaft mit Deutschlands kriminellem Verbrecher-Regime weiterhin großzügig unterschlagen. In tausenden von Dokumentarfilmen und Spielfilmen, Ausstellungen und politischen Reden wird weiterhin eine bequem monokausale Weltsicht gehätschelt. Sie lässt sich in drei Merksätzen zusammenfassen: „Deutschland war in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts  der Dreh- und Angelpunkt der Weltgeschichte – alles Böse wurzelt letztlich in Deutschland. Alle anderen Länder sind Opfer Deutschlands. Alles Gute kommt von außerhalb Deutschlands.“ Eine groteske Verzeichnung, die aber in der Popular- und Trivialkultur von Cinecittà Rom bis Hollywood, von den Mosfilm-Studios bis zur BBC weit verbreitet ist!  Es erleichtert das Leben, wenn alles sehr einfach zurechtgeschnitten werden kann. Wer spricht heute noch etwa über die 15 bis 25 Millionen Todesopfer der belgischen Kolonialherrschaft in Kongo? Niemand. Denn Belgien ist ein Opfer. Über die Kolonialkriege und Konzentrationslager des faschistischen Italien? Über die Hungersnöte in der Ukraine der 30er Jahre? Über das ab 1918 eingerichtete Lagersystem der bolschewistischen Sowjetunion? Über das Lagersystem Kubas? Niemand außer einigen wenigen Fachkreisen.

Kaum bekannt ist auch, dass nach dem Zweiten Weltkrieg ein schwunghafter Handel mit hochrangigen NS-Militärs einsetzte. Sie setzten sich zu Hunderten in andere Länder ab, boten ihre Dienste als Militärberater an – und wurden gerne in Sold genommen. Südamerika war das wichtigste Hauptaufnahmegebiet für Militärs der Nationalsozialisten, aber gleich danach kamen die arabischen Unabhängigkeitsbewegungen. Viele deutsche Militärs mit tiefbrauner Vergangenheit wurden – oft unter Verschleierung ihrer Identität – Militärberater und Ausbilder in den arabischen Ländern.

Der blühenden Feindseligkeit gegenüber den Juden, dem sogenannten „Antisemitismus“, welcher heute gerade bei deutsch-arabischen Jugendlichen zu beobachten ist, wurde nicht zuletzt durch die deutschen Generäle und Militärs nach dem Zweiten Weltkrieg Vorschub geleistet. Wir re-importieren also gerade die braune Saat aus den arabischen Ländern nach Deutschland. Wer spricht davon in Deutschland? Eigentlich fast niemand. Der Skandal um die Werkstatt der Kulturen der Welt ist ein zufälliger Anlass für das Aufreißen der gewaltigen Gedächtnislücken. Aber in Frankreich und Algerien ist dieser Vorgang – also die Verquickung von Nationalsozialismus und arabischem Integralismus – immerhin ein Thema, so etwa in den Schriften von Boualem Sansal.

Lest hier einen Auszug aus dem Tagesspiegel von gestern:

Kritik an Arabern unerwünscht
Der Palästinenserführer Hadj Amin el-Husseini war eine umstrittene historische Figur. 1933 gratulierte er dem deutschen Generalkonsul von Jerusalem zur Machtergreifung der Nationalsozialisten, später warb er muslimische Freiwillige für die Waffen-SS und propagierte die „Endlösung“. Nach dem Krieg wurde er zum obersten Repräsentanten der Araber Palästinas. Die Verstrickungen el-Husseinis sind bekannt. Aber jetzt führte unter anderem eine Schautafel mit diesen Informationen dazu, dass die Ausstellung „Die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg“ nicht wie geplant in der Neuköllner Werkstatt der Kulturen ab dem 1. September gezeigt werden kann, sondern in die Uferhallen in Wedding ausweichen musste.

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„Deutschland, Deutschland über alles“!? – Braunen und roten Terror aufarbeiten!

 1917, Faschismus, Italienisches, Kommunismus, Krieg und Frieden, Sozialismus, Vergangenheitsunterschlagung  Kommentare deaktiviert für „Deutschland, Deutschland über alles“!? – Braunen und roten Terror aufarbeiten!
Aug. 262009
 

Du grinsest gelassen über das Schicksal von Tausenden hin ...“ diese Ziel aus Goethes Faust fiel mir ein, als ich die Titelgeschichte des aktuellen Spiegel las. „Der Krieg der Deutschen – als ein Volk die Welt überfiel“. Die komplizierte außenpolitische Lage der Zwischenkriegszeit wird zwar durch Autor Klaus Wiegrefe annähernd korrekt angeführt – soweit ich dies beurteilen kann. Schärfsten Widerspruch lege ich aber ein, wenn alles unter dem Generalnenner „Deutschland gegen den Rest der Welt“ gelesen wird.

Meine Sicht auf die europäische Geschichte hat sich wesentlich verändert, seit ich immer wieder mit den Menschen aus den osteuropäischen Ländern – etwa Tschechien, Ungarn, Polen – und aus Russland spreche.

Es ist entscheidend zu begreifen, dass Europa  in der Zwischenkriegszeit durch ein multipolares Gegeneinander unterschiedlicher Macht- und Interessenbündnisse geprägt war. Die neuentstandenen Staaten und die in neuen Grenzen wiedererstandenen Staaten bekämpften einander. In den meisten Staaten herschten autoritäre Regime. Die Tschechoslowakei benachteiligte ein Drittel des eigenen Staatsvolkes, nämlich alle Nichtslawen, die in den Grenzen dieses neuen multiethnischen Landes lebten. Präsident Edvard Benes dachte bereits ab 1937 über einen ethnisch reinen, slawischen Staat nach, der sich seiner deutschen und ungarischen Bevölkerung entledigt hätte. Polen und Tschechoslowakei arbeiteten gegeneinander, hatten Gebietsstreitigkeiten auszufechten. Polen und Russland hatten noch viele Rechnungen offen, lagen nach dem Ersten Weltkrieg erneut im Krieg miteinander. Die europäische Landkarte war übersät mit vielen kleinen Konfliktherden. Jeder dachte, sann, agitierte und intrigierte irgendwie gegen jeden.

Im Osten lauerte die Sowjetunion. Die Berichte des roten Terrors hatten die Staaten Westeuropas erreicht. Das Grauen, das Lenins und Stalins Truppen ab 1917 im eigenen Land anrichteten, konnte man in den Zeitungen nachlesen. Der weiße und der rote Terror hatten Russland verwüstet. Mehr Menschen starben in Russland in diesem Bürgerkrieg als während des gesamten Ersten Weltkriegs. Lenins und Stalins Terror erzeugte Sympathien für den Anti-Bolschewismus in allen anderen Ländern. Davon profitierten die Nationalsozialisten ebenso wie spanische Frankisten und Militärdiktaturen, wie etwa die Pilsudski-Regierung in Polen.

Zu recht herrschte in Europa Angst vor der roten Gefahr. In der Ukraine starben Millionen am Hunger. In der Sowjetunion wurde ein gigantisches Netz an Arbeits- und Umerziehungslagern ausgebaut – das Vorbild für das spätere deutsche KZ-Lagersystem. Viele kleinere Länder waren unentschlossen, ob sie sich eher Deutschland oder den Westmächten anschließen sollten. Polen schloss noch 1934 einen Bündnispakt mit Hitlerdeutschland!

Eine Woche vor dem 1. September 1939 wurde die Sowjetunion plötzlich zum Verbündeten Deutschlands. „Als ein Volk die Welt überfiel“ – dieser Untertitel stimmt einfach nicht. Denn auch die Sowjetunion überfiel andere Völker im Jahr 1939: Lettland, Litauen, Polen, Finnland – das sind einige der Länder, die der Sowjetunion zum Opfer fielen. Zugleich lief eine gewaltsame Russifizierung der asiatischen Teilrepubliken. Der SPIEGEL erwähnt selbst die Hunderttausenden von polnischen Opfern. Er schreibt auf S. 68:

„Die Angst vor den Sowjets bestand zu Recht, wie man heute weiß. Experten schätzen die Zahl der Menschen, die nach dem Einmarsch der Roten Armee in Ostpolen 1939 dem roten Terror zum Opfer fielen, auf mehrere hunderttausend.“

Es ist erneut ein falsches Geschichtsbild, ein Geschichtsbild, das nur die eine Hälfte der Wahrheit kennt, das der SPIEGEL in seiner neuen Titelgeschichte auftischt. Was sollen die Letten, die Litauer, die Finnen, die Polen, die Griechen, die Abessinier, die Serben, die Slowenen denken, wenn sie wieder einmal lesen müssen: Deutschland hat den Rest der Welt angegriffen? Nein, nicht nur Deutschland hat verbrecherisch einen verheerenden Krieg vom Zaun gebrochen – es war auch die Sowjetunion, die dank deutscher Vorleistung ihren eigenen Einflussbereich nach und nach erweiterte und angrenzende Länder mit Krieg und vernichtendem Terror überzog. Es war auch Italien, das bereits 1935 einen Verwüstungsfeldzug in Afrika führte, das an der anderen Adriaküste Konzentrationslager einrichtete und eine gewaltsame Italianisierung betrieb und somit eine Art Startsignal für deutsche und sowjetische Großmachtgelüste gab.

Eine ausgewogene Darstellung der komplizierten außenpolitischen Lage vor dem 1. September 1939 und während  der Kriegsereignisse muss unbedingt die multipolare Welt des damaligen Europa berücksichtigen. Italien, die Sowjetunion und Deutschland, die Entente-Mächte Frankreich und Großbritannien – sie alle standen gegen- und miteinander, dazu kamen die kleineren europäischen Staaten, die mehr oder minder geschickt zwischen den verschiedenen größeren Mächten lavierten.

Ein niederschmetternder Befund aus der Lektüre der SPIEGEL-Titelgeschichte bleibt: Es herrscht bei uns in Deutschland weiterhin eine absolut germanozentrische Sicht der Weltgeschichte vor. Die kleineren Länder kommen einfach als eigenständige Subjekte nicht vor. Als sei Deutschland der einzige Dreh- und Angelpunkt der Weltgeschichte gewesen. Es fehlen Hinweise auf die zahlreichen Kollaborateure in den anderen Ländern. Es fehlt das unendlich wichtige psychologische Moment der Angst vor der kommunistischen Weltrevolution. Es fehlt ein Blick auf die komplizierte Gemengelage der widerstreitenden nationalen und politischen Interessen in Ländern wie Lettland, Ukraine, Polen und Tschechoslowakei.

Genauso wichtig wie Nazideutschland war in der Bewusstseinslage der 30er Jahre die Sowjetunion.  Man lese die Zeitungen der roten und der braunen Kampfpresse aus jener Zeit, und man wird erkennen: Die europäische Geschichte ist nicht so einfach gebaut, wie es das holzgeschnitzte Schwarz-Weiß-Bild der hartnäckigen Geschichtslegenden wahrhaben möchte.

 Posted by at 16:29
Aug. 252009
 

Vor  70 Jahren, am 24. August 1939 (offiziell: 23. August) wurde der deutsch-sowjetische Nichtangriffspakt unterzeichnet – von den Außenministern Ribbentrop und Molotow, aber zutreffend nennt man ihn Hitler-Stalin-Pakt. Er war eine Voraussetzung dafür, dass Hitlerdeutschland wenige Tage später Polen überfallen und dass im Einklang damit die Sowjetunion die drei baltischen Staaten und Ostpolen überfallen und annektieren konnte. Eins der ersten Massaker in diesem an Massennmorden reichen Krieg war das Massaker von Katyn an den 8.000 polnischen Offizieren, zuerst den Nazis in die Schuhe geschoben, begangen aber von den Sowjets bei ihrem Überfall auf Polen.

„Euer NS-Regime war aber recht menschenfreundlich im Vergleich zum Stalinismus“, erzählten mir (ironisch?) vor kurzem einige Russen, als ich ihnen berichtete, dass Karl Seiberl, mein Großvater mütterlicherseits, im Jahr 1933 der Bürgermeister von Berchtesgaden, für zwei Wochen in „Schutzhaft“ genommen wurde, weil er sich weigerte, die Hakenkreuzflagge an seinem Haus zu hissen. Danach wurde er abgesetzt. Weitere Widerstandsaktionen sind nicht überliefert. Mein Großvater fiel als Soldat in den ersten Monaten des Russlandfeldzugs. „Bei uns wurde man damals unter Stalin wegen geringerer Anlässe für ein oder zwei Jahre ins Gefängnis gesteckt. Viele wurden abgeholt, verschwanden für immer. Manche endeten elend im Arbeitslager. Andere wurden wegen kleinerer Vergehen als des Nicht-Hissens der Flagge oder wegen komplett eingebildeter und erfundener Vergehen hingerichtet. Und das ging über mehr als zwei Jahrzehnte so.“

Das dürfen wir nicht vergessen: es waren die zwei Waffenbrüder Hitler und Stalin, es waren das nationalsozialistische Deutschland und das bolschewistische Russland, die 1939 Europa mit einem geheimen Zusatzprotokoll unter sich aufteilten. Mit verheerenden Folgen für ganz Europa, ja die ganze Welt.

Soeben las ich noch einmal die Verse Mandelstams, die ihn selbst ins Verhängnis brachten. Das sind sie:

Мандельштам, Осип.
Мы живем, под собою не чуя страны,
Наши речи за десять шагов не слышны,
А где хватит на полразговорца,
Там припомнят кремлёвского горца.
Его толстые пальцы, как черви, жирны,
А слова, как пудовые гири, верны,
Тараканьи смеются усища,
И сияют его голенища.

А вокруг него сброд тонкошеих вождей,
Он играет услугами полулюдей.
Кто свистит, кто мяучит, кто хнычет,
Он один лишь бабачит и тычет,
Как подкову, кует за указом указ:

Кому в пах, кому в лоб, кому в бровь, кому в глаз.
Что ни казнь у него – то малина
И широкая грудь осетина.

Ноябрь 1933

Строфы века. Антология русской поэзии.
Сост. Е.Евтушенко.
Минск, Москва: Полифакт, 1995.

 Posted by at 23:16
Aug. 222009
 

Nach dem Ende der kommunistischen Herrschaft kriechen jetzt bleich und übernächtigt all die Fragen nach der geschichtlichen Wahrheit ans Licht, die seit 1948, also seit der Machtergreifung kommunistischer Parteien in den Ländern der östlichen Hälfte Europas, gewaltsam unter dem Deckel gehalten wurden. In einem endlosen Gewürge von Manipulationen, Umdeutungen und Beschönigungen hatten die parteiamtlichen Historiker die unschönen Wahrheiten der eigenen Nationalgeschichte unter den Teppich gefegt. Dazu gehört auch die Beteiligung nicht-deutscher Verbände, offizieller Regierungen, ja ganzer Staaten an dem verbrecherischen Regime des Nationalsozialismus im besetzten Europa. Nur so lässt sich etwa folgende, geradezu bizarr anmutende Meldung verstehen, wonach ein EU-Staat dem Staatsoberhaupt eines anderen EU-Staates die Einreise verbietet:

Einreiseverbot: Ungarns Präsident bläst Slowakei-Besuch ab – SPIEGEL ONLINE – Nachrichten – Politik
Mit klaren Worten hat die slowakische Regierung dem ungarischen Präsidenten Laszlo Solyom an einer Reise in die Slowakei gehindert. Ein Verstoß verletzte internationales Recht und zeige einen „Mangel an Respekt“, sagte der slowakische Ministerpräsident Robert Fico.

Bizarr ist diese Meldung, weil hinter dem Einreiseverbot die unaufgearbeitete Geschichte der beiden Staaten Ungarn und Slowakei in den 30er und 40er Jahren steht. Kaum jemand weiß, dass die beiden Staaten Ungarn und die Slowakei treue Verbündete Deutschlands waren, dass sie den Deutschen Waffenhilfe leisteten. Die Schreckensherrschaft der Deutschen wäre ohne ein riesiges Heer an nicht-deutschen Helfern, Waffenbrüdern, Kollaborateuren und Vollstreckern nicht möglich gewesen. Und daneben gab es auch ganze Länder – Italien, Slowakei, Ungarn, das besetzte Frankreich – die mit ihren Regierungen, also als Land,  insgesamt auf Seiten Deutschlands standen, Truppen stellten, an Verfolgungsmaßnahmen aktiv beteiligt waren. Wer weiß heute noch, dass Hunderttausende italienischer Soldaten am Überfall auf die Sowjetunion beteiligt waren, bis vor Stalingrad vorrückten?

Was hört man aus Italien, Ungarn, der Slowakei über diese Beteiligung? Praktisch nichts. Dazu meine ich sagen zu können: Diese Länder haben es erfolgreich und wider die historischen Belege vermocht, sich ausschließlich als Opfer Deutschlands darzustellen. Sie haben nicht ernsthaft begonnen, ihre eigene Verstrickung in die Terrorherrschaft der Deutschen aufzuarbeiten. Kaum jemand kennt überhaupt noch die Namen der Tiso, Horthy, Pétain, Badoglio. Die verbündeten oder kollaborierenden Länder Italien, Slowakei, Rumänien, Ungarn, Frankreich haben sowohl unter dem Kommunismus als auch in der Demokratie ihre eigene nationale Geschichte weitgehend reingewaschen.

Selbstverständlich diente dies auch als Rechtfertigung für die Vertreibung von etwa 12 Millionen Deutschen, aber auch von Hunderttausenden Ungarn nach dem 2. Weltkrieg. Die Botschaft war klar: „Wir waren nicht dabei! Das waren alles die anderen!“

Eine groteske Veranstaltung! Und derartige Grotesken werden mühsam gehegt und gepäppelt, ehe es zum nächsten Knall kommt, wie an dem gespannten Verhältnis zwischen Ungarn und der Slowakei regelmäßig zu bestaunen.

Ungarn hat sich 1989 offiziell bei der damaligen Noch-Tschechoslowakei dafür entschuldigt, dass ungarische Truppen an der Niederschlagung des Prager Frühlings beteiligt waren. Die heutige Slowakei hat derartiges gegenüber Ungarn nicht vermocht, da sie eine Kontinuität zu der deutschlandfreundlichen Tiso-Regierung ab 1940 nicht herstellen will. Die Vertreibung der Ungarn aus dem Gebiet der Tschechoslowakei wird weiterhin verschwiegen.

Ungarn hat offiziell seine historische Schuld an der Vertreibung der Deutschen, aber auch auch an der Niederschlagung des Prager Frühlings 1968 anerkannt. Dennoch gehen die endlosen Streitereien zwischen der Slowakei und Ungarn weiter. Im Zentrum stehen dabei vordergründig Rechte der ungarischen Minderheit in der Slowakei – und ungelöste Fragen der Vergangenheit.

Letztlich wurzeln die ständigen slowakisch-ungarischen Reibereien in der dunklen europäischen Vergangeheit. In diese gilt es Licht zu werfen. Wenn die Europäische Union und ihre Mitgliedsstaaten weiterhin so saumselig und zögerlich sich mit Halbwahrheiten zufriedengeben, kann das gemeinsame Haus Europa nicht gelingen.

 Posted by at 08:29