Slawisches Volk stellt jetzt den Ministerpräsidenten in Sachsen

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Mai 292008
 

Stanislaw Tillich wurde gestern als Ministerpräsident Sachsens vereidigt. Ich sah die Bilder im ZDF heute-journal am Abend. Der Mann ist Sorbe, ist deutscher Staatsangehöriger und bekennt sich offen zur Zugehörigkeit zu dieser ethnischen Minderheit in Sachsen. Er spricht ganz normales Deutsch mit leichtem sächsischem Zungenschlag. Darüber hinaus ist er praktizierender Katholik, auch hierdurch gehört er im Land Sachsen einer kleinen Minderheit an. Ein doppelter Minderheitenvertreter erringt also das höchste Amt im Bundesland Sachsen! Gut!

Wer sind die Sorben? Die Sorben sind das letzte verbliebene autochthone slawische Volk im heutigen Deutschland. Noch bis ins 17. Jahrhundert hinein gab es darüber hinaus zahlreiche andere slawische Volksgruppen im Raum östlich von Elbe und Saale, also die „Elbslawen“, mithin war der gesamte Osten des früheren Deutschen Reiches in der Tat mehrsprachig. Aber die meisten Slawen haben sich dann vollständig – mehr oder minder gezwungen – assimiliert. Die Sorben zählen heute wohl nicht mehr als 70.000 Seelen, eine kleine Minderheit im heutigen Sachsen und in Brandenburg. Kann man Polnisch, versteht man eigentlich auch Sorbisch. „Mit Gottes Hilfe“ (so meine ich gehört zu haben) fügte Tillich auf Sorbisch dem zunächst auf Deutsch geleisteten Amtseid hinzu. Ich war beeindruckt, denn meines Wissens geschah dies zum ersten Mal, dass bei einer Vereidigung in Deutschland eine Minderheitensprache verwendet wurde.

Wie könnte man sich das für Berlin vorstellen? Das wäre so, als würde ein praktizierender Moslem, der einer hier seit Generationen siedelnden ethnischen Minderheit, z.B. den Türken oder Arabern angehört, an den auf Deutsch geleisteten Amtseid auf Arabisch die Wendung „so Gott will“ anfügen. Und wäre dann Regierender Bürgermeister. Werden wir das noch erleben? Alle demographischen Daten sprechen dafür. Ich meine also: Ja. Aber – es ist „in Gottes Hand“. Es wäre etwas Gutes. Wahrscheinlich würde dieser Türke oder Araber deutscher Staatsangehörigkeit dann ein leicht berlinerisch gefärbtes Deutsch sprechen.

Wie selbstverständlich zeigte sich Tillich gestern dann nicht „auf hohem Ross“, und auch nicht im standesüblichen dunkelgetönten Audi, sondern auf dem Fahrrad. Kein Zufall! Er präsentiert sich also von Anfang an als Ministerpräsident zum Anfassen, der auf Bürgernähe setzt. Bóh z vami, knježe Tillich!

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Drei Mal ein klares Votum: Die Deutschen wählen das Lagerdenken ab

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Jan 282008
 

Einer der spannendsten Fernsehabende flimmerte gestern über die Mattscheibe: Erst gab es Berichte zu den Landtagswahlen in Hessen und Niedersachsen, dann den zweiten Aufreger der Woche: „Das Wunder von Berlin“, den großartigen ZDF-Fernsehfilm über den Fall der Mauer. Ein wunderbares Zusammentreffen mit Botschaften, die sich wechselseitig verstärkten! Die rhetorisch matten Generalsekretäre redeten sich den Mund fusslig ob des Wählervotums, „bürgerliche Mehrheiten“, (vulgärsprachlich: Mehrheiten aus CDU und FDP) geisterten durch die Podien – der Wähler hatte sich offenbar nicht eindeutig ausgedrückt. Nicht eindeutig – ist das so?

„So gehst du mir nicht aus dem Haus“, herrschte der Stasi-Oberstleutnant Kaiser seinen Sohn Marco an, als dieser mit aufgegeltem Haar und in schwarzen Punk-Klamotten zu einem Konzert abzog. Der aufmüpfige Marco rebellierte gegen eine ihm verlogen erscheinende, spießige Ordnung. Die Ordnung schlug geballt zurück. Was war die DDR doch für ein ordentlichkeitsbesessener Staat! Solange man die äußeren Formen einhielt, solange man den Führungsanspruch von Staat und Partei nicht infrage stellte, konnte man meist recht geruhsam leben. Die bürgerliche Fassade hielt schlecht und recht bis 1989. Erpressbar wurde Marco durch seinen Wunsch nach privatem Glück und beruflichem Fortkommen. Und so wird er Zugführer der NVA.

Roland Koch ist bestraft worden. Er hatte mit der Jugendkriminalität auf ein Thema gesetzt, das zwar wichtig ist, in dem er sich aber nicht auskannte und bei dem er sachlich nichts zur Lösung beitragen konnte. Er hoffte auf den Angst-Effekt. Die Wähler sind ihm nicht gefolgt. Ich kann mich somit darauf verlassen, dass meine türkischen, arabischen und russischen Mitbürger und Familienmitglieder nicht unter einem bedrückenden Generalverdacht mit mir zusammenleben.

Ganz anders Christian Wulff: Er präsentierte sich als um Ausgleich bemühter, an Problemlösungen arbeitender Manager. Damit hatte er Erfolg. Die Deutschen geben ganz offenkundig – jetzt schon seit vielen Wahlgängen – genau diesem Politikertyp den Vorzug, unabhängig von der Parteizugehörigkeit. Die meisten führenden Politiker unseres Landes fallen mittlerweile unter diesen Leitgedanken: „Zusammenbringen statt spalten“.

Die DDR-Bürger im Film „Das Wunder von Berlin“ waren des dauernden auf sie niedertrommelnden Propagandabeschusses mit der Mär vom feindlichen kapitalistischen Lager, gegen das es sich mit aller Entschiedenheit zu wehren gelte, ebenso überdrüssig wie die Hessen des Kochschen Linksblock-stoppen!-Lagerdenkens.

Das Freund-Feind-Denken ist gestern erneut mit großem Nachdruck abgewählt worden, an den Wahlurnen ebenso wie in dem höchst sehenswerten ZDF-Film über das „Wunder von Berlin“.

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