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Zum Antritt des neuen Jahres 2024

 Eigene Gedichte, Freude  Kommentare deaktiviert für Zum Antritt des neuen Jahres 2024
Jan 012024
 

Du blick dich um von deines Insulaners Gipfel!
Das neue Jahr beginnt verhalten,
Es übernimmt so manche Last vom alten,
Und gibt die Sicht frei über kahler Bäume Wipfel.

Da hinterm Gasometer, da wohnst du,
Und da ist deines Daseins kleiner Kreis,
Da wartet auf dich, was noch keiner weiß,
Und dort gärt auch die Stadt, stets ohne Ruh.

Dann sammle dich, erkenne, was du bist, 
Beschränke dich, doch nicht zu sehr,
Der kleinste Fluss fließt ja doch auch ins Meer.
Nun freue dich auf das, was dir erreichbar ist!

Johannes Robert Hampel, Blick vom Insulaner auf das Gasometer Schöneberg, am 1. Januar 2024

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Vom heilenden Blick eines Hundes

 Erosion des Staates, Freude, Liebe, Unverhoffte Begegnung  Kommentare deaktiviert für Vom heilenden Blick eines Hundes
Dez 132023
 

Unverhoffte Begegnung. Langsam setzt sich die S-Bahn in Bewegung. Draußen ziehen streifig die Häuser vorbei, an dunklen Fichtenästen schmelzen letzte Schneereste. Die gesperrte Fußgängerunterführung von Eichwalde wartet seit vielen Jahren auf den Fortgang der Bauarbeiten. Seit sechs Jahren wartet die ebenfalls gesperrte Fußgängerunterführung von Zeuthen auf den Fortgang der Bauarbeiten. Ich spreche eine Mitreisende an. Was ist da los? „Nicht einmal das klappt also in diesem Land!“ – An einer simplen Bahnunterführung scheitert schon die Planungs- und Handlungsfähigkeit der staatlichen Akteure. „Das stimmt mich höchst besorgt über den Zustand unserer Wirtschaft in Deutschland überhaupt“, erklärt mir die mitreisende Eichwalder Bürgerin, mit der ich angeregt in der S-Bahn plaudere. „Dass die Bahn es nicht schafft, unsere Bahnhöfe, die eigentlich Schmuckstücke sind – damals, im 19. Jahrhundert gebaut in wenigen Monaten! – oder sein könnten, in einigermaßen zugänglichem Zustand zu halten! Die Kioskbetreiber kämpfen um das nackte Überleben.“

Ich suche beim Heimfahren einen festen Halt in der Umgebung. Da – eine Frau mit Hund steigt ein. Der Hund legt sich unter die Bank mir gegenüber, betrachtet mich unverwandten Blicks. Ich merke auf: Die Augen dieses treuen Hundes strahlen etwas zutiefst Menschliches aus, dem kein noch so hartes Menschenherz widerstehen kann! Seine Herrin weiß und fühlt das. Sehen kann sie es nicht. Denn sie ist ja blind. Unverhofft strahlt mich dieses Wunder in der S46 an, irgendwo zwischen Eichwalde und Johannisthal. Und vertreibt alles Grämen und Barmen ob der Handlungs- und Planungsunfähigkeit staatlicher oder staatsnaher Akteure selbst bei kleinen Projekten.

Danke, du lieber Hund!

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Nov 232023
 

Wie sehen uns Deutsche die anderen? Um diese Frage zu beantworten, ist es immer gut, die Auslandspresse zu lesen, so etwa heute die Neue Zürcher Zeitung! Besonders zu empfehlen ist der folgende Kommentar:

René Höltschi: Besoffen von den Staatshilfen. Milliarden für Chipfabriken und Wasserstoffprojekte, eine Ermässigung der Stromsteuer für Teile der Wirtschaft, eine Bürgschaft für Siemens Energy: Deutschland hat sich in einen Rausch der Subventionen getrunken. Nun erwacht es mit einem bösen Kater. Neue Zürcher Zeitung. Internationale Ausgabe, 23.11.2023, S. 13

Hier wird der Deutsche als glücklich schlummernder Kater dargestellt, der immer wieder einen Schluck aus der Pulle der staatlichen Subventionen nimmt. „Doch Subventionen sind wie Drogen: Sie machen süchtig.“

Zum Hintergrund:

Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Urteil 2 BvF 1/22 vom 15. November 2023 entschieden, „dass das Zweite Nachtragshaushaltsgesetz 2021 mit Art. 109 Abs. 3, Art. 110 Abs. 2 und Art. 115 Abs. 2 Grundgesetz (GG) unvereinbar und nichtig ist“.

Wesentliche Teile des staatlichen Handelns – die Hoheit über die staatlichen Haushaltsgesetze ist nun einmal die Kerndomäne der Parlamente – erweisen sich somit als grundgesetzwidrig und nichtig.

Wie kam es dazu? Der Autor der Zürcher Zeitung meint, die tieferen Ursachen dieser verfassungswidrigen Staatsverschuldung Deutschlands in allzu freigebiger Ausreichung von staatlichen Beihilfen, Zuschüssen, Vergünstigungen, Erleichterungen zu erkennen. Seien diese im Haushaltsjahr 2023 mittlerweile auf 208 Milliarden angestiegenen Finanzhilfen früher zum Teil noch durch die Ausrufung von Krisenzuständen zu rechtfertigen gewesen, so müsse spätestens jetzt eine Besinnung auf die verheerenden Auswirkungen des staatlich gelenkten, wesentlich auf Subventionen beruhenden Wirtschaftens einsetzen. Höltschi zitiert den Präsidenten des Kiel-Instituts für Weltwirtschaft, Moritz Schularick, mit folgender pointierter Aussage:

„Der Staat ist zwar nicht gut darin, die Gewinner von morgen zu finden, aber ganz sicher finden die Verlierer von gestern den Staat.“

Welchen Ausweg schlägt der Schweizer René Höltschi uns Deutschen vor? Er schreibt:

„Statt einzelne Unternehmen und Branchen zu fördern, sollte der Staat die Standortbedingungen für alle verbessern.“

Das hieße: Ordnungspolitik für alle statt Begünstigungspolitik für einige.

Das ist ein höchst bedenkenswerter Ratschlag, wie ich finde! Wir Bürger Deutschlands sollten uns – sofern ich René Höltschi richtig verstehe – weniger als am staatlichen Geld nuckelnde „Kater“, sondern mehr als „Füchse“, als gewitzte, selbständig handelnde Menschen sehen, die jederzeit bemüht sind, aus eigenen Kräften Nahrung zu finden.

(2) René Höltschi auf X: „#Deutschland hat sich in einen Rausch der #Subventionen getrunken. Nun erwacht es mit einem bösen Kater. Das Haushalts-Urteil aus #Karlsruhe böte Anlass zum Entzug. Ein Kommentar. https://t.co/fesI7hOJrX via @NZZ“ / X (twitter.com)

Bild: Ein Fuchs auf Nahrungssuche, gesehen vorgestern am S-Bahn-Gelände beim Hans-Baluschek-Park in Berlin-Schöneberg

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Vom Wagnis des Übersetzens

 Griechisches, Liebe, Philosophie, Platon, Sprachenvielfalt  Kommentare deaktiviert für Vom Wagnis des Übersetzens
Sep 302023
 

δάκρυα μὲν Ἑκάβῃ τε καὶ Ἰλιάδεσσι γυναιξὶ
Μοῖραι ἐπέκλωσαν δή ποτε γεινομέναις
σοὶ δέ Δίων ῥέξαντι καλῶν ἐπινίκον ἔργων
δαίμονες εὐρείας ἐλπίδας ἐξέχεαν
κεῖσαι δ᾽ εὐρυχόρῳ ἐν πατρίδι τίμιος ἀστοῖς
ὦ ἐμὸν ἐκμήνας θυμὸν ἔρωτι Δίων

Tränen spannen der Hekabe und den Troerinnen
Moiren schon gleich bei der Zeugung zu;
Dir aber Dion, siegreich nach all deinen herrlichen Taten,
Dämonen verwirbelten weitflatternde Hoffnungen,
Ruhest du nun, geehrt von den Bürgern der Heimat,
Hast du mich rasend gemacht vor Liebe zu dir, Dion!

(Übersetzung aus dem Griechischen: Johannes Hampel)

„Nirgends im Dialogwerk gibt es eine Stelle, an der Platon mit so viel persönlicher Wärme von Sokrates reden würde wie er an den besprochenen Stellen von Dion spricht.“ Mit diesen Worten würdigt Thomas Alexander Szlezák die große, ein halbes Leben umspannende leidenschaftliche Liebe, die – nach allem, was wir den Zeugnissen insbesondere im Siebten Brief entnehmen dürfen – ein entscheidender Antrieb für die in tiefer Enttäuschung mündenden beiden sizilianischen Fahrten des Philosophen war. „Eine Frau hat in Platons Leben nie eine Rolle gespielt“, stellt Szlezák zutreffend fest, sehr wohl aber einige Männer, und unter diesen kam die schicksalhaft, ja dämonisch entscheidende Rolle wohl jenem Dion zu.

Am heutigen Hieronymustag, dem Internationalen Übersetzertag, versuche ich mich an einer neuen deutschen Übersetzung eines Gedichtes aus der Anthologia Graeca, das von alters her Platon zugeschrieben wird. Ich strebte danach, das Weh-Zerrissene, das Quälend-Unabgeschlossene dieser Liebesbeziehung zweier Männer schärfer, schroffer wiederzugeben als dies alle mir bekannten Übersetzungen in verschiedenen Sprachen bisher gewagt haben.

Quellen:
Anthologia Graeca VII.99, zitiert nach Codex Palatinus 23:

Epigram 7.99 — Anthologia Graeca

Thomas Alexander Szlezák: Platon und der Sturz der Tyrannis in Syrakus. In: ders., Platon. Meisterdenker der Antike. 2., durchgesehene Auflage, C.H.Beck, München 2021, S. 73-88, bsd. S. 86 und S. 84

Bild: Statue eines jungen Mannes (Kouros). Aufgefunden im Heiligtum des Apollon Ptoos, einer Orakelstätte im Nordosten Böotiens. Entstanden wohl etwa 520 v. Chr. Archäologisches Nationalmuseum Athen. Aufnahme des Verfassers vom 30.12.2019

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Deutsche Angst und deutsche Unfähigkeit zu echter Trauer. Die nüchterne Diagnose Miki Sakamotos

 Angst, Fukushima, Was ist deutsch?  Kommentare deaktiviert für Deutsche Angst und deutsche Unfähigkeit zu echter Trauer. Die nüchterne Diagnose Miki Sakamotos
Sep 272023
 

Ihr Befremden über deutsche Ängste, deutsche Tatenarmut drückt die japanisch-deutsche Autorin Miki Sakamoto in ihrem schönen Gedichtband „Lichtwechsel“ aus, der während der Alpenüberquerung in meinem Rucksack mitwanderte.

Sie führt folgende Tatsachen aus:

Etwa zwanzigtausend Japaner kamen am 11. März 2011 durch einen Tsunami ums Leben, eine jener Naturkatastrophen, jener Stürme und Erdbeben, die für die Japaner von Kindestagen an zur Lebenswirklichkeit gehören. Und eben weil dies so ist, bauen die Japaner heute ihre Häuser nach den höchsten Normen der Erdbebensicherheit, so dass gleich starke Erdbeben in anderen Ländern viel verheerendere Folgen haben als in Japan.

In Deutschland schwappte infolge der durch den Tsunami verursachten Reaktorhavarie von Fukushima, die bekanntlich keine Menschenleben forderte, eine riesige Woge der Angst vor den Atomkraftwerken hoch, und so beschloss die Bundesregierung eiligst „aus diesem Anlass“, bereits drei Tage später, am 14. März 2011 das Atommoratorium, also die Rückkehr zum 2002 erstmals beschlossenen Atomausstieg. Es kam zum Ausstieg aus dem am 5. September 2010 beschlossenen Ausstieg vom 2002 beschlossenen Atomausstieg.

Die Angst vor einer ähnlichen Havarie eines deutschen AKW überwog also bei weitem die Trauer um die japanischen 20.000 Opfer des See- und Erdbebebens, die bekanntlich nicht durch das AKW von Fukushima, sondern durch das Erd- und Seebeben ums Leben gekommen waren.

Miki Sakamoto erwähnt auch in ihren Betrachtungen die Flutkatastrophe im Ahrtal vom 14. und 15. Juli 2021, die 134 Menschen das Leben kostete. Auch dies war eine Naturkatastrophe mit Ansage, denn bereits am 21. Juli 1804, 24. Juni 1888, am 12./13. Juni 1910, am 16. Januar 1918 und am 11. Januar 1920 sowie an zahlreichen anderen Tagen der vergangenen Jahrhunderte hatten sich ähnlich heftige Überflutungen im Ahrtal ereignet.

Heute wissen wir, dass die Ahrtal-Flut des Jahres 2021 vorhersehbar war und dass die Todesopfer bei rechtzeitigen Maßnahmen des Hochwasserschutzes, bei rechtzeitiger Warnung und Evakuierung der Bevölkerung hätten vermieden werden können.

Sakamoto drückt ihr Befremden über diese vollkommen irrationalen Ängste der Deutschen bei gleichzeitiger Vernachlässigung der konkreten Gefahrenabwehr so aus: „Denn die politischen Reaktionen auf die großen Hochwasser, die hier so viele Schäden anrichteten und mehr Menschen das Leben kosteten als die Reaktorhavarie von Fukushima, fielen so schwach aus, als ob es sich doch bloß um Versicherungsfälle handelte.“

Miki Sakamoto: Lichtwechsel. Gedichte und Miniaturen. Deutsch / Japanisch. Weissbooks, Berlin 2021, S. 68-69

Liste der Hochwasserereignisse an der Ahr – Wikipedia

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Urzeugung des Lebens – Metamorphosen der Form im Strandbad Wannsee

 Freude, Knaul, Nahe Räume, Natur, Wanderungen  Kommentare deaktiviert für Urzeugung des Lebens – Metamorphosen der Form im Strandbad Wannsee
Sep 242023
 

Heute Vormittag besuchte ich als erster und längere Zeit all-einziger Badegast das riesige Strandbad Wannsee, ein herrliches Gefühl! Zumal ich dann auch zwei Mal in dem brackigen, von reichlich Grünalgen besiedelten See umherschwamm und anschließend auch kalt duschte. Um mich herum als Badegast die etwa zehn Bediensteten, Sicherheitsleute, Badewärter, Aufsichtspersonen! Ich plauderte ein bisschen mit dem einen oder anderen und fühlte mich rundum behütet und betreut! Ein Betreuungsschlüssel von 10 Betreuern für einen einzigen zu betreuenden Schwimmgast, davon können sie in Schönebergs oder Neuköllns Sommerbädern, in Berlins Kitas und Schulen nur träumen!

Ein wunderbarer Tag – schaut hin! Dieses Wasser der Havel lebt und wimmelt, Milliarden von grünen Zellen verknäueln sich hier ineinander; unter dem kraftvoll anregenden Sonnenlicht blühen die winzigen, gallertartig verklumpten Lebewesen schimmernd auf! Wenn man so will, – dies ist die Urzeugung des Lebens aus der unbelebten Materie – dem Wasser!

Nach allerlei sportlichen Übungen und sorgsamem Abduschen des Körpers mit Schwällen klaren, kalten aus geometrisch geformten Duschköpfen spritzenden Wassers blieb mir Zeit, die einsam daliegende, anmutig gestaltete Landschaft zu betrachten, in die ich sozusagen als kleiner König des Augenblicks versetzt war. Und siehe, sogar an ein Kunstwerk haben die Planer gedacht, denn um ein Kunstwerk muss es sich zweifellos handeln bei diesem archaisch hingewuchteten, wie von Zyklopen aufgestellten Felsgebilde! Ein Besinnungsgeviert, eine Art Begräbnisstätte, ein Menhir für einen Abwesenden – gewidmet dem einzigen hier Anwesenden, wer vermöchte das zu entscheiden?

Und wie lieblich, wie ansprechend ist doch diese Hausfassade, der ich beim Verlassen des weitläufigen Geländes meine Aufwartung macht! Man möchte an das Gartenhaus Goethes denken, das ich vor Jahr und Tag in Weimar besuchte. Wie sorgfältig haben die Architekten und Ausführenden (Martin Wagner, Richard Ermisch) in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts hier jedes Detail entworfen und gestaltet! Jeder Fensterladen, jeder Blumenkasten, jedes Gebüsch, jedes Gitter, die Farben, die unverputzten, in Rot und Ocker spielenden Backsteine – alles tritt hier zu einem harmonischen Ganzen zusammen, das dem müßigen Wanderer Bewunderung und Entzücken abverlangt!

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Harte Fügung auf ödem Feld: Strauss und Schostakowitsch

 Einladungen, Musik  Kommentare deaktiviert für Harte Fügung auf ödem Feld: Strauss und Schostakowitsch
Sep 222023
 

Die Metamorphosen von Richard Strauss und die Kammersinfonie von Dimitri Schostakowitsch, op. 110 a, dargeboten in einem einzigen Konzert! Morgen, 23.09.2023, um 19 Uhr in der Silaskirche in Schöneberg. Ich selbst habe die Einladung erhalten mitzuspielen. Und das werde ich tun.

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Bioturbation: das immerwährende Sich-Umschaffen der Natur

 Kultur oder Natur?, Natur, Naturwissenschaften, Ökologie, Ukraine  Kommentare deaktiviert für Bioturbation: das immerwährende Sich-Umschaffen der Natur
Sep 162023
 

Wasserbüffel beweiden die Pfaueninsel in der Havel im Südwesten Berlins. Aufnahme des Verfassers vom 3. Juli 2019.

Schaut hier hin: Großtiere wie diese Weidetiere schufen und schaffen durch Betreten, Äsen, Scharren, Wühlen, Absondern von Dung eine Vielzahl an kleinräumigen Habitaten für eine Unzahl an Lebewesen, von den humusbildenden Mikroben, den Asseln, Würmern, Insekten, den Kleinsäugern wie Mäusen, Hamstern bis hin zu den Beutegreifern wie Fuchs, Wolf, Habicht und Fischadler. Auch die vielgerühmte Schwarzerde der Ukraine, der Kornkammer der Welt, wie wir sie nennen dürfen, ist so entstanden!

Über diesen einst die Landschaften Europas und aller Kontinente prägenden Wirkzusammenhang schrieb Jan Haft im Jahr 2023:

„Unterirdisch lebende Tiere wie Regenwürmer, Käferlarven, Maulwürfe, Hamster, Ziesel und andere verfrachten den Humus beim Wühlen in immer tiefere Erdschichten. Dabei bringen sie Gesteinsbrocken und damit Mineralien an die Oberfläche und machen sie für die Pflanzen verfügbar. Hierfür gibt es sogar einen eigenen Fachbegriff: „Bioturbation“. Auf diese Weise sind überall auf der Welt mehrere Meter tiefe Braun- und Schwarzerdeböden entstanden, voller Humus und voller Kohlenstoff. Die Existenz dieser Böden beweist ihrerseits, dass es die offenen, von Großtieren dominierten Savannen gab. Sei es in der amerikanischen Prärie und Pampa oder den Steppen in Afrika, Asien, Australien und Europa.

Die wichtigsten Getreideanbaugebiete befinden sich heute im Bereich dieser Schwarzerden, von denen ein Drittel in der Ukraine liegt. So könnte man sagen dass die Menschheit ihre Nahrung zu einem beträchtlichen Teil den von ihr ausgerotteten Weidetieren zu verdanken hat.“

Zitatnachweis:
Jan Haft: Wildnis. Unser Traum von unberührter Natur. Penguinverlag, München 2023, Seite 66

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Noch ein Buchtipp zur Alpenüberquerung Tegernsee-Sterzing

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Aug 222023
 

Ein stilles unergründliches Mar am Wegesrand. Aufstieg zum Sidanjoch, Aufnahme vom 28. Juli 2023

Thomas Striebig: Alpenüberquerung Tegernsee-Sterzing. 9 Etappen und eine Variante, 2. Aufl., München 2021

Dieser Wanderführer verdient höchstes Lob und hat uns bei der eigenverantwortlichen Planung unserer Tour beste Dienste geleistet! Wir haben die Streckenführung leicht verändert, insbesondere nach dem Pfitscher Joch abgewandelt und uns den genussreichen Tiroler Höhenweg (bzw. Landshuter Höhenweg) statt des direkten Abstiegs ins Pfitscher Tal gegönnt sowie noch den Kraxentrager (2998 m) draufgesattelt. So dehnten wir den ausgewiesenen Tourenvorschlag um eine Etappe aus und hatten dementsprechend einen Tag länger Freude.

Für nicht ganz so erfahrene Bergsteiger ist die Alpenüberquerung Tegernsee-Sterzing als erste Fernwanderung sehr empfehlenswert! Nur Mut, ihr schafft das auch!

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Etappe 10: Kematen – Ried – Tulfer – Wiesen – Flains – Sterzing (Abschluss)

 Alpenüberquerung, Barfuß  Kommentare deaktiviert für Etappe 10: Kematen – Ried – Tulfer – Wiesen – Flains – Sterzing (Abschluss)
Aug 202023
 

Dienstag, 1. August 2023. Die heutige letzte Etappe stand unter dem Vorzeichen einer 100%-Regenvorhersage für den gesamten Tag. Als Alternative hätte sich ab Kematen (1440m über NN) die Fahrt mit dem Bus nach Sterzing (945m über NN) angeboten. Aber wir wollten laufen, – laufen mit der Kraft der eigenen Beine! Das war ja schließlich der Sinn unserer kühnen Unternehmung. Wir genossen ein sehr gutes Frühstück in der Alpenrose und unterhielten uns dabei angeregt mit zwei anderen Bergsteigern, einem Südtiroler und einem Regensburger. Kurz nach neun Uhr brachen wir auf. Der 100%-Regen ließ – unhöflich wie der Regen eben ist – beharrlich auf sich warten, das Wetter hielt! So wanderten wir vorerst trockenen Fußes und Leibes auf abwechslungsreichen Wegen talauswärts.

An einem Naturstein-Verarbeitungswerk, das wir durchquerten, bestaunten wir die herrlich bunten Gneis-Bruchsteine von der Art, wie wir sie in riesigen Blöcken auf dem Pfitscher Joch in natura gesehen hatten.

Wir kommen an der artenreichen Burgumerau, einem Altarm des Pfitscher Baches, an regentriefenden Wiesen und dem Rieder Stausee vorbei.

Später queren wir den reißenden Pfitscher Bach; hier verengt sich das Pfitscher Tal zu einer Klause, die Bergwände treten nahe aneinander heran, das Wasser stürzt rauschend zu Tale.

Nach etwa 2 Stunden Gehzeit setzt der angekündigte Regen ein, und wir legen das bereitgehaltene Regenzeug an. Eine gute Stunde marschieren wir unverdrossen in strömendem Regen weiter, bis wir schließlich die Ortschaft Wiesen erreichen. Wir suchen und finden Unterschlupf vor den Wassermassen in der Wiesener Pfarrkirche Zum heiligen Kreuz, die uns zunächst mit ihrem schlichten romanischen Äußeren beeindruckte und dann durch eine üppige Innenausstattung in bairischem Barock fesselte.

Ich las stumm und summte aus dem Gotteslob einige besonders schöne Gebete und Lieder aus dem regionalen Eigenteil der Diözese Bozen-Brixen – in der Hoffnung, dass der strömende Regen endlich aufhören möge, der uns zusehends Harm und Ungemach zuzufügen drohte … und siehe da, als wir die Kirche verließen, hatte der Regen aufgehört, die güldene Sonne brachte Leben und Wonne zurück.

Nach einigen weiteren Minuten lag plötzlich Sterzing zu unseren Füßen.

Wir hatten also fast den Endpunkt unserer Alpenüberquerung erreicht, und prompt fing es auf den letzten Metern unserer 123 km langen Route wieder zu regnen an, als wir eben ein mit 19% Gefälle steil abschüssiges Sträßchen hinabtippelten. Wir unterquerten Bahngeleise, dann standen wir auch schon vor dem berühmten Zwölferturm in der Sterzinger Altstadt.

Wir schossen stolz einige „Alpenüberquerer-Beweis-Selfies“ und checkten in unserem vorausgebuchten Hotel ein. Wir wechselten in trockene Kleidung und trockene Turnschuhe und strebten zur Belohnung gleich die Bäckerei Häusler an, wo wir uns mit Buchweizentorte und Apfelstrudel sowie einer Tasse Kaffee stärkten.

Dann gingen wir weiter ins Multscher- und Stadtmuseum, das sich in der ehemaligen Deutschordenskommende befindet. Besonders bestaunten wir die Altartafeln, die der aus Ulm stammende Hans Multscher 1457-1459 geschaffen hat. Mit tat es besonders die Darstellung des barfüßigen Josef an, der – vielleicht nach einer langen hochalpinen Wanderung – die ermüdeten Füße aus den engen Wanderstiefeln zieht und sie erst einmal pflegt und frei atmen lässt, ehe er sich dem neugeborenen Menschenkind zuwendet.

O Josef, wie gut verstehe ich dich! Unbeschuht sollst du dich dem Heiligsten nahen – das wusste Hans Multscher sehr genau; das Barfußgehen war und ist von alters her ein Zeichen höchster Achtung vor dem Wahren, dem Lebendigen, wie ein kurzer Blick in das Buch Exodus (2. Mose 3,5) lehrt.

Ein absolutes Highhlight war aber das Spielzimmer, das mit Trompe-l’œil-Wandmalereien gerahmter Kupferstiche ausgeschmückt war. Wirklich spannend und ungewöhnlich!

Nach einer angenehmen Unterhaltung an der Kasse über neue Impulse der Museumsarbeit setzten wir uns noch eine Weile in den gefälligen Innenhof vor der Stadtpfarrkirche und füllten einige Blätter in unseren Skizzenbüchern mit Architekturzeichnungen.

Den Abend ließen wir im Kolpinghaus ausklingen. Eine Pizza S’Platzl und eine Pizza Sterzing mundeten uns vortrefflich, ein Viertel Grauburgunder gönnten wir uns auch, und zum Abschluss verwöhnten wir uns mit Eis vom Laden „Il Ghiottone“, bei dem ein wahrhaft meridionaler Eiskünstler aus Lecce das Edelste, was Pistazien und weiße Schokolade darbieten können, nach geheimen Rezepten in eine phantastische, Trompe-le-palais-Eisskulptur vermischt hatte. Zum Hinschmelzen gut schmeckte das!

Und so fand unsere Alpenüberquerung 2023, bei der wir in 10 Tagen eine Strecke von 123 km durch drei europäische Staaten mit der Kraft der eigenen Beine gewandert waren, einen glücklichen, fröhlichen Abschluss. Es wird nicht unsere letzte Fernwanderung bleiben!

Dies hier unten war ein letzter Blick, ein Abschiedsblick auf Sterzing, ehe wir dann Tags darauf den Flixbus nach München bestiegen.

 Posted by at 16:17

Etappe 9: Landshuter Europahütte – Pfitscher Tal – Platz -Kematen

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Aug 192023
 

Unsere Rucksäcke, diese treuen Begleiter, liegen zum Aufbruch in der Europahütte bereit.

Montag, 31. Juli 2023. Mitten in der Nacht versuchte sich die prachtvolle schwarze Hüttenkatze einen Platz in unserer Kammer zu erschleichen, doch im hellen Mondenschein blieb dies unseren wachsamen Augen nicht verborgen. Pünktlich um 6.30 Uhr erschienen wir zum Frühstück in der Stube, packten alles zusammen und verabschiedeten uns von unseren lieben Wirtsleuten in der Landshuter Europahütte (2693 m). Vor uns lag heute ein steiler direkter Abstieg ins Pfitscher Tal, bei dem es in einem Rutsch immerhin 1260 Höhenmeter zu bewältigen galt.

Dieser Blick bot sich uns beim Aufbruch von der Europahütte.

Aus der nur karg bewachsenen hochalpinen Zone ging es talwärts in immer üppigere Vegetation. Erst tauchten einzelne Büsche, Latschenkiefern und Zirben auf, doch bald umgab uns immer dichter werdender Fichtenwald.

Die Baumzone beginnt, einen letzten Abschiedsblick schicken wir auf die Europahütte.

Das ständige Absteigen ging in die Knie, und so legten wir nach 2 Stunden eine Erholungspause ein. Wir genossen hart neben einem Ameisenhaufen sitzend die Aussicht und verputzten eine Packung Studentenfutter. Dank unserer Teleskopstöcke und der dick besohlten schweren Bergstiefel bewältigten wir jedoch die Strecke insgesamt ohne Zwischenfall und ohne übermäßige Erschöpfung.

Einige Schilder am Wegrand wiesen nun die ganze Gegend als „Landschaftsschutzgebiet/Zona di tutela paesaggistica“ aus. Dies bedeutet, dass Totholz, entwurzelte oder vom Sturm gefällte Bäume nicht mehr entfernt werden dürfen und sogar quer über dem Weg liegenbleiben. Wir entwickelten nach mehreren gescheiterten Versuchen des Baumstamm-Unterkriechens eine geschickte Technik des Baumstamm-Übersteigens, da insbesondere unsere gut bepackten Rucksäcke oft nicht unter den Bäumen hindurchpassten.

Dann ging unser Wanderpfad in einen sehr abschüssigen, gerölligen Forstweg über, der uns zu einer großen Wiese führte. Wir wähnten uns schon am Talgrund angelangt, doch erst wurden wir noch durch ein trockenes Bachbett auf und ab geführt. Um 11 Uhr erreichten wir schließlich den Ort Platz. Nun lag nur noch der Weg nach Kematen vor uns. Zu unserem Etappenziel liefen wir auf einer kaum befahrenen Landstraße, die uns herrliche Blicke ins Pfitscher Tal bot.

Die letzten Schritte noch – dann ist Kematen erreicht!

Wir erreichten unseren Gasthof Alpenrose in Kematen (1440 m) nach einer Dreiviertelstunde, bezogen das Zimmer, stärkten uns mit Schlutzkrapfen und frischem üppigem Salat. Nach einer wohltuenden Mittagsrast erkundeten wir das Dorf Kematen, skizzierten, aquarellierten, notierten das heute Gesehene und Genossene. Das Abendessen nahmen wir im Gasthof in Gesellschaft anderer Pensionsgäste ein, mit denen wir sehr angenehme Gespräche teils auf Italienisch, teils auf Deutsch führten. So erfuhren wir auch, dass die administrative Ausweisung des Landschaftsschutzgebietes im wesentlichen den Zweck verfolgte, die Zerstörung des herrlichen Landschaftsbildes durch den angedrohten großräumigen Bau von Windkraftanlagen zu verhindern.

Ein kleiner abendlicher Gang um das Haus führte uns zu den hauseigenen Wachteln, die quirlig herumwuselten und möglicherweise etwas Angst vor uns hatten.

So endete der Tag in bestem Einvernehmen mit den Menschen, den Bäumen, den herrlichen gesehenen Bildern – und die Mühen des recht langen, steilen Abstieges waren schon fast vergessen.

 Posted by at 16:15

Etappe 8: Pfitscher Joch – Tiroler Höhenweg – Kraxentrager – Landshuter Europahütte

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Aug 182023
 

Sonntag, 30. Juli 2023. Auch heute gilt unser erster Blick nach dem Aufwachen wie stets dem Wetter. Nachdem es in der Nacht kräftig geregnet hat, überrascht uns in der Früh der Himmel mit immer neuen, spektakulären Wolkenfetzen, die über das Joch, diesen deutlich erlebbaren Kamm der gesamten Alpenkette hinweg getragen, geblasen, getrieben werden.

Nach dem Frühstück schreiten wir stracks und stark, froh und gut gestimmt auf den Landshuter Höhenweg, einen Abschnitt des Tiroler Höhenweges, der uns heute bis zur Landshuter Europahütte (2693 m) führen wird. Er führt beständig in sanftem Auf und Ab allmählich höher – das ist echtes Genusswandern!

Doch je höher wir kommen, desto unwirtlicher wird das Gelände. Das Wetter zieht sich zu, immer wieder fällt feuchtkalter Wind vom mächtigen Massiv der Urbanscharte, der Grawand, der Hohen Wand (3289 m) auf uns herab. Nicht immer ist der Weg sofort erkennbar, von der Europahütte haben wir noch keinen einzigen Dachschindel gesehen! Kein Strauch, kein Baum kann sich hier halten; nur wenige winzige Blümchen sind zu sehen. Wir sind oberhalb der üblichen Vegetation, im Hochgebirge, im Schrofengelände!

Doch nach einer weiteren Stunde erreichen wir die nebelverhangene Landshuter Europahütte, wo wir unser Nachtlager beziehen und uns Lage und Geschichte dieser wahrhaft europäischen Bergsteigerzuflucht (dieses rifugio, wie man auf Italienisch sagt) erzählen lassen.

Die Hütte liegt nämlich genau auf der heutigen Staatsgrenze zwischen Österreich und Italien und wird gemeinsam von der Sektion Landshut des DAV und der Sektion Sterzing des Italienischen Alpenvereins (CAI) betrieben.

Wir stärkten uns im Gastraum auf italienischem Territorium grenzüberschreitend bei Kaspressknödel und spaghetti al ragù bolognese, die aus dem benachbarten nordtiroler Küchenterritorium zollfrei dampfend über die Landesgrenze (die Küche und Gastraum trennt) auf den Tisch serviert wurden.

Nächstes Jahr wird dies so leicht nicht mehr möglich sein, denn die Hütte wird zu Sanierungsarbeiten vorübergehend ganz geschlossen: der Boden auf Südtiroler Seite senkt sich ab, wohl wegen des auftauenden Permafrostbodens – aber sicher auch deshalb, weil die gesamte Europahütte nicht auf einer tragenden Fundamentplatte errichtet worden ist.

Nun sind wir satt vom Essen, aber noch sind wir nicht satt vom Bergsteigen! Wir beschließen, ohne Rucksack den etwa 1-stündigen Aufstieg zum Kraxentrager, dem „Hausberg“ der Europahütte in Angriff zu nehmen. Mit 2998 m ist er fast ein Dreitausender. Den lassen wir uns nicht entgehen! Nach einiger Kraxelei und Emporklimmen an mit Stahlseilen gesicherten ausgesetzten Quergängen erreichen wir den Gipfel.

Vom Gipfel des Kraxentragers bietet sich ein wunderbarer Rundblick in die majestätisch-abweisende Hochgebirgswelt. Hier hält sich der Schnee an einigen Stellen über das ganze Jahr.

Mit fast 3000m über dem Meeresspiegel haben wir hier die höchste Stelle unserer gesamten Alpenüberquerung erreicht! Doch für ausgiebiges Feiern und Schulterklopfen bleibt keine Zeit, denn der Himmel bewölkt sich stärker und stärker.

Wir steigen zur Europahütte ab und erreichen bei nun wieder klarem Himmel unsere Zuflucht, dankbar und zufrieden. Rechts unten im Bild, das ist sie, die Landshuter Hütte!

Das Zimmer in der Europahütte bietet alles, was Bergsteiger brauchen, um tiefen, erquickenden Schlaf zu finden – nur die Hüttenschlafsäcke muss man wie überall selber mitbringen.

Mitten in der Nacht jagen die Winde den Himmel wieder frei, der Mond schaut in unendlicher Gelassenheit über die düstere Bergwelt – er lächelt strahlend und milde. Doch könnte es sich hier auch um eine Einbildung handeln, – in der dünnen Hochgebirgsluft laufen die Gedanken, wohin sie wollen.

 Posted by at 15:31

Etappe 7: Schlegeisspeicher – Zamser Grund – Lavitzalm – Pfitscherjochhaus

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Aug 172023
 

Samstag, 29. Juli 2023. Wir verlassen in froher Stimmung die Dominikushütte. In der Morgenfrühe treten gleich beim Aufbruch die Farben und Konturen des Schlegeisspeichers mit metallischer Deutlichkeit hervor.

Auf guten breiten Wegen durchwandern wir den Zamser Grund; immer wieder hören wir die gellenden Pfiffe von Murmeltieren und sehen jenseits des Baches die putzigen Kerlchen, die buchstäblich „wie aus dem Häuschen“ wirken.

Vom Unterschrammachkar stürzt mit lautem Getöse in kräftigem Schwall ein Wasserfall herab. Aus mehreren solchen Zuflüssen speist sich der hinter uns liegende Schlegeisspeicher.

Auf der Lavitzalm besuchen wir die feine kleine Ausstellung, „Pfitscher Joch grenzenlos“. Thema: Die Welt der Arbeit, seit 10.000 Jahren eingeritzt in diese Berge hier am Hauptkamm der Alpen!

In zwölf Schaukästen werden zehn Jahrtausende Geschichte des Arbeitens eingefangen; zum Beispiel sehen wir Klingen und Pfeilspitzen aus der Steinzeit.

Wir lernen, wie im frühen Mittelalter auf der Lavitzalm Töpfe aus Speckstein, auch Lavez genannt, gedreht wurden.

Ein besonders düsteres Kapitel der Heimatkunde: Zwangsarbeit unter dem Kommando der deutschen Wehrmacht. Von Sommer 1941 bis März 1945 wurden im nahegelegenen Valsertal erst Kriegsgefangene aus Serbien und Frankreich, dann italienische Zivilarbeiter und ab Frühjahr 1942 Zwangsarbeiter aus der Sowjetunion beim Bau umfangreicher, nie in Betrieb genommener Bergwerksanlagen eingesetzt. Abgebaut werden sollte dort das kriegswichtige Element Molybdän, ein Metall, das zur Härtung von Stahl verwendet wird.

Viele der jeweils bis zu 300 eingesetzten Arbeiter erlagen den harten Strapazen oder starben aus bis heute nicht geklärten Ursachen, so etwa der am 15.10.1911 geborene Franzose Robert Leroy, zu Tode gekommen am 15.08.1944 an der Bergstation Alpeinerscharte.

Bis zuletzt wurde übrigens an diesem Ort der Vernichtung menschlicher Arbeitskraft kein Molybdän gefördert.

Hier zwei nützliche Links:

Das Molybdän-Bergwerk im Valsertal

Viehauftrieb in der warmen Jahreszeit/Transumanza del bestiame durante l’estate! Seit Jahrtausenden und bis zum heutigen Tage werden die Alpen hier als Weiden genutzt.

Nach weiterem Anstieg von etwa einer Stunde Dauer erreichen wir unseren Zielpunkt der Etappe 7, das Pfitscher Joch mit dem Pfitscherjochhaus (2276 m). Wir haben somit Südtirol erreicht und überschreiten zugleich die Linie, an der die heutige Staatsgrenze zwischen Italien und Österreich verläuft. Wir beziehen Quartier in einem sehr ansprechenden Zimmer und fertigen draußen noch einige Skizzen an.

Beim Abendessen beobachten wir zwei noch recht junge, unerfahrene Kühe, die von ihrer Herde losgewandert sind und offenbar rings um das Pfitscherjochhaus besonders saftiges Gras vermuten.

Hier sind wir wirklich am Hauptkamm der Alpen angelangt. Die Felsen bestehen am Ort überwiegend aus Gneisen, also erdgeschichtlich sehr altem metamorphem Gestein. Sehr ins Auge fallen mir bei den überall umherliegenden riesigen Felsblöcken die mächtigen Parallelstrukturen, in denen noch das schiefrige Schichtgefüge erscheint, zu denen der unter sehr hohem Druck umgeformte Gneis gepresst wurde.

Und überall sprießt Leben, selbst hier, auf über 2200 m Seehöhe, finden sich am Gneis wurzelnde Blümchen in erstaunlicher Üppigkeit und Farbenpracht!

Ein herrlicher Lohn sind diese Blicke rings um das Pfitscherjochhaus für einen insgesamt unschweren Anstieg!

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