März 302011
 

„Was für eine dumme Frage!“, werdet ihr mir antworten! „Sie tun es, wenn sie es wollen. Der Staat soll sich gefälligst heraushalten aus der Lebensplanung.“ Etwa 50% aller Haushalte in Berlin sind heute Single-Haushalte. Die Familie mit Kindern wird zum Ausnahmemodell, die WGs sind allenfalls eine Zwischenlösung. Der Staat übernimmt dank Sozialhilfe, Wohngeld, Hilfen zum Lebensunterhalt jede Garantie dafür, dass jeder so leben kann, wie sie oder er will. Es herrscht keinerlei wirtschaftlicher Druck mehr, zu Familien zusammenzuziehen oder in Familien zusammenzuwohnen. Das Single wird zur entscheidenden Größe der Wohnungspolitik, der Baupolitik, der Stadtplanung! Die Nachfrage nach kleinen Wohnungen wird zunehmen, das Geschrei von Wohnungsnot hebt schon an, da nicht mehr alle Wünsche nach Single-Wohnungen befriedigt werden können.

Mich stimmen solche Befunde eher nachdenklich. In dem Maße wie Familien zum Ausnahmemodell werden, werden Kinder zur Störgröße! Kinder, so meine ich, gedeihen am besten, wenn sie mit Vater und Mutter und mit anderen Kindern zusammenwohnen. Ökologisch gesehen sind Single-Haushalte kontraproduktiv, da besonders teuer.

Eine Stadtgesellschaft wie die unsrige, die de facto das Single zum Leitbild erhebt, lebt auf Kosten ihrer eigenen Zukunft. Sie fördert Egoismus und Einsamkeit. Ich finde das sehr problematisch – in jedem Sinne: psychologisch, ökologisch, ökonomisch und moralisch. Die Alten und die Kranken vereinsamen in der Single-Gesellschaft fast notwendigerweise.

Single-Boom: Deutschland wird zur Republik der Mini-Haushalte – SPIEGEL ONLINE – Nachrichten – Wirtschaft

Besonders gering ist der Anteil der Haushalte mit drei oder mehr Mitgliedern in den Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen. Bereits 2009 lebte dort in jedem zweiten Haushalt nur eine Person. Bis 2030 steigt voraussichtlich der Anteil der Single-Haushalte in Bremen auf 54, in Hamburg auf 55 und in Berlin sogar auf 58 Prozent

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„Hier kommen eure Njuhs.“ Das hat mich aber sehr erschrocken

 Anbiederung, Deutschstunde  Kommentare deaktiviert für „Hier kommen eure Njuhs.“ Das hat mich aber sehr erschrocken
März 052011
 

28022011395.jpg Immer wieder erschrecke ich angesichts der – in meinen Augen auffälligen – Grammatik- und Rechtschreibschnitzer, die – wie mir scheint – beständig an Zahl zunehmen. Auch Karl Kraus hatte vor etwa 100 Jahren diesen Eindruck. Die Deutschen lernen nicht mehr richtig Deutsch!, dieser Seufzer entfährt mir immer wieder. Das sind zwar nur subjektive Empfindungen oder auch Empfindlichkeiten, aber sie lassen sich empirisch durch Längsschnitt-Tests erhärten. Die Vera-Deutschtests etwa zeigen dies wissenschaftlich. Die Lehrer in Berlin werden es vielleicht bestätigen.

Infas&Allensbach! Fragt bitte 1000 Deutschlehrer mit mindestens 10 Jahren Berufserfahrung: „Haben Sie das Gefühl, dass die Kinder durchschnittlich mit immer schlechteren Deutschkenntnissen in die Schule kommen?“ Die Antworten würden mich sehr interessieren!

„Hier kommen eure Njuhs: Nach neuen Untersuchungen verbringen Kinder super viel Zeit am Fernsehen: im Durchschnitt über zweieinhalb Stunden pro Tag.“ So ungefähr vorgestern die Kinder-Nachrichtensendung logo im öffentlich-rechtlichen KIKA. „Eure Njuhs„, „super viel Zeit„? Ich empfinde das nicht als gutes Deutsch. Ich finde, KIKA biedert sich oft mit allerlei Verrenkungen und schiefen Bildern sprachlich an die Kinder (die berühmten Kids) an, statt Vorbilder zu setzen.

„Da hin gehen, wo andere fliehen – das ist Mut.“ Überlebensgroß auf einem Misereor-Plakat auf unserem Schulweg – leider falsch geschrieben, sowohl nach alter wie nach neuer Rechtschreibung.

„Arbeit für Alle“, „Wohlstand für Alle“, „Wir bleiben Alle“, so etwas ist tausendfach zu lesen, selbst bei Liebig-14-Unterstützern! Spannend: Noch Hegel schrieb alle in der Erstauflage seiner Phänomenologie des Geistes von 1806  groß. Aber seit 1900 wird „alle“ klein geschrieben. Das kleingeschriebene „alle“ wurde nie ernsthaft in Frage gestellt.

Ich frage euch alle: Wieso sollen Kinder noch Rechtschreibung und Grammatik lernen, wenn sogar die Großen von Liebig 14 sich nicht daran halten?

Unser heutiges Rätsel kreist aber um den Dauerbrenner aller Deutschlehrer: Erschrocken oder erschreckt? Von Lessings und Goethes Zeiten bis zu meiner Schulzeit galt als eherner Unterschied:

Das Gespenst  erschreckt michdas hat mich erschrecktdas erschreckte mich gestern, als ich es hörte. Transitiver Gebrauch von erschrecken mit Akkusativ-Objekt – schwach gebeugt, also ohne Ablaut!

Umgekehrt der intransitive Gebrauch:

Ich erschrecke angesichts des deutschen Sprachgebrauchs unserer Medienelite.  – Ich bin erschrocken angesichts des schlechten Sprachgebrauchs. Ich erschrak gestern angesichts des Sprachgebrauchs.

Intransitiver Gebrauch von erschrecken verlangte im Hochdeutschen von den Zeiten Lessings und Goethes bis Ende des letzten Jahrtausends die starke Beugung mit Ablaut. Auch Karl Kraus sah dies so. In vielen deutschen Dialekten ist es anders, ebenso auch in vielen regionalen Varianten des Deutschen.

Ja, so war das früher!

Heute ist alles anders! Lest hier ein Interview mit einem deutschen Fernsehregisseur:

Interview: „Ich weiß nicht, was mit Merkel los ist“ – Medien – Tagesspiegel
Der türkische Premier Erdogan hat diese Woche gesagt, türkische Kinder in Deutschland bräuchten sich nicht zu assimilieren.

Das hat mich sehr erschrocken. Auch dieser fast schon enthusiastische, fehlgeleitete Applaus, den man im Fernsehen sehen konnte bei seiner Rede in Düsseldorf.

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Rot-Grün reloaded or black-green ventured for the first time?

 Anbiederung, Friedrichshain-Kreuzberg  Kommentare deaktiviert für Rot-Grün reloaded or black-green ventured for the first time?
Feb. 102011
 

Well, we must call a spade a spade! That’s why I like people like Hans-Christian Ströbele or Franz Schulz so dearly! You always know what they will come up with next. They are clear, crisp and outspoken in their statements. „I can’t imagine that scenario“, replied recently Schulz, Friedrichshain-Kreuzberg’s mayor, when asked about any coalition of the Greens and the Christian Democrats.

So, the big question looming on the horizon seems to be now: Red-green – or green-red?

I would rather venture to say: Why not talk about schools? Why not talk about children? What is good for our children? Why not talk about better road conditions for bicycle-riding mothers and fathers? Why not talk about how we can make Friedrichshain-Kreuzberg into a better place, with more green, more growth, more peace, more love, more rule of the law, more understanding among the 1001 communities?

After all, that is what people care about. Let’s talk to people about things that matter – not about coalitions!

Counterpoint: Red-green reloaded – Viewpoint – Daily Mirror
In eher links gestrickten Kreisen der Grünen, also zum Beispiel in Kreuzberg und Friedrichshain, erhebt sich prompt Protest, personifiziert durch Hans-Christian Ströbele, notorischer Fahrradkurier in eigener Sache, und Franz Schulz, der für verwirrte Hausbesetzer so viel Sympathie zeigt, dass er vor ihnen geschützt werden muss.

 Posted by at 16:34
Feb. 062011
 

Spannendes Thema! Bürgermeister Franz Schulz sagt klar: ja, der Staat soll sich kräftig ins Privatleben einmischen.

Der Staat soll bestimmte private Lebensentwürfe auf Kosten öffentlicher Aufgaben fördern, also zum Beispiel Hausprojekte auf Kosten der staatlichen Schulen. Mehrere Hunderttausend Euro sind in Hausprojekte geflossen, die Auseinandersetzungen um Räumungen verschlangen riesige Summen, die in den Bereichen Bildung, Soziales und Umweltschutz bitter benötigt würden.

Der Staat, hier vertreten durch Bürgermeister Schulz, fördert also private Lebensentwürfe einiger weniger Hausbewohner auf Kosten seiner Kernaufgaben.

Ich sage nein. Ob die Bürger in Hausprojekten oder in Familien oder als Single leben – es ist zunächst einmal die Entscheidung der Menschen.  Ob die Menschen Latzhosen oder Anzug mit Krawatte tragen, der Staat hat dies nicht zu beurteilen, ebenso, ob sie den Mietvertrag allein, zu zweit oder zu dritt unterschreiben.

Sollen die Menschen doch alternative Formen ausprobieren – aber nicht auf Steuerzahlerkosten. Irgendeine Gemeinnützigkeit ist bei den Projekten nicht erkennbar.

mobil.morgenpost.de
Schulz: Ja. Die Hausprojekt-Szene in Friedrichshain ist sehr beunruhigt. Der Eigentümer der Liebigstraße14 ist auch der Eigentümer der Rigaer Straße 94, 95 und 96, und da stehen die Bewohner auch unter Druck. Ich befürchte, dass sich das Szenario wiederholen wird.

Was genau ist an einem alternativen Wohnprojekt schützenswert?

Schulz: Die Projekte stehen ja nicht unter Artenschutz, mit solchen Begrifflichkeiten habe ich Probleme. Für mich sind diese Projekte wie Laborsituationen. Dort probieren junge Leute andere Formen des Zusammenlebens, der Nachbarschaft und der Solidarität aus. Gerade in Berlin, wo der Trend Richtung Singlehaushalt geht – mit allen Begleiterscheinungen der Vereinsamung und Isolation – sind solche Laborsituationen wichtig, und sie tragen zur Vielfalt und Dynamik der Stadt bei.

Kann man denn trennen zwischen den jungen Leuten, die in so einer Laborsituation leben und denen, die Steine werfen?

Schulz: Wir und auch die Polizei sind in der schwierigen Lage, viel zu wenig zu wissen. Bei der Liebig14 wurde den Bewohnern von der linken Szene vorgeworfen, nur eine Partytruppe zu sein – das macht das Ganze noch verwirrender. Von außen ist es schwierig zu beurteilen, wo die Grenzen verlaufen. Aber man kann den Hausprojekten nicht anlasten, was in ihrer Unterstützerszene passiert.

 Posted by at 11:07

Die Frühpensionäre vom Liebig 14

 Anbiederung, Angst, Sozialadel, Sozialstaat, Verwöhnt  Kommentare deaktiviert für Die Frühpensionäre vom Liebig 14
Jan. 252011
 

Extreme Staatsabhängigkeit, Verharren in Unmündigkeit, eine grenzenlose Anspruchshaltung gegenüber dem mütterlichen Staat, der alle Geselligkeitswünsche unterstützen muss: das ist die Haltung, die sich die butterweichen, gluckenhaften Regierungen unseres Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg, unserer Stadt Berlin über die Jahrzehnte herangezüchtet haben. Bezeichnend für diese Anspruchshaltung: Wenn eine Wohnmöglichkeit ausläuft, weil der Hauseigentümer gekündigt hat, wird sofort vom Staat, in diesem Fall vom Berliner Senat, eine wärmende Mutterhöhle verlangt. „Fein sein – beinander bleibn!“, heißt es im Bayrischen Volkslied.

Die Bewohner der Liebig 14 hinterlassen den Eindruck von kleinen Kindern, die von ihren Eltern verlangen, sie sollten ihnen eine wärmende Höhle – also eine „Wohnalternative“ – auf Lebenszeit bereitstellen. Und wenn Mutti und Papi nicht wollen, wie es die Kiddies verlangen, wird Rabatz geschlagen. Wenn Mami und Papi vom SPD/Linke-Senat sagen: „Dafür sind wir nicht zuständig, ihr seid erwachsene Menschen, sucht euch einen Platz, arbeitet dafür!“, wird losgeplärrt: „Wie könnt ihr so böse, so gleichgültig sein, uaah! uaghh!“ Und dann werden die Buben und Mädchen richtig, richtig BÖSE! Lest:

Hausprojekt Liebig 14: Politik zofft sich vor der Räumung – taz.de
„Der Senat hat keine einzige Wohnalternative für das Projekt im Friedrichshain angeboten“, kritisierte die Grünen-Abgeordnete Canan Bayram. Auch habe sich die SPD an keinem runden Tisch beteiligt. „Da herrscht Gleichgültigkeit.“

Was hätte Alexander Mitscherlich dazu gesagt? Wahrscheinlich dies:

Alexander Mitscherlich – Auf dem Weg zur vaterlosen Gesellschaft
»In der unübersichtlichen Massengesellschaft«, schrieb Mitscherlich 1963, »hat diese autoritäre Form der Eingewöhnung in das soziale Feld aber eine unerwartete Antwort gefunden, nämlich eine Stärkung der Abhängigkeitsbestrebungen und eine Bejahung der Unmündigkeit. Das faktische Gegenbild zu den für unsere Zeitläufte charakteristischen Helden der Massen sind die ‘initiativarmen” Frühpensionäre, die in ihren Wohlfahrtsstaaten nie flügge werden wollen.«

 Posted by at 10:24
Jan. 152011
 

12102008003.jpg „Wir vertrauen dem Menschen“ – das wäre die Ansage, die ich mir für die Abgeordnetenhauswahl wünschen würde. Ich höre sie aber von keiner Partei.

Die Ansage der Berliner Parteien lautet bisher im Wettstreit: „Vertraut uns, den Parteien – wir machen das für euch Bürger. Wir, die Partei xy, schaffen für euch 100.000 Arbeitsplätze. Wir, die Partei xy, schaffen für euch Chancengleichheit. Wir, die Partei xy, räumen für euch auf, räumen euch hinterher. Wir, die Partei xy, lenken das Geld in eure Taschen um. Wir retten für euch das Weltklima, bitte gebt uns euer Geld dafür her. Wir, die Partei xy, kümmern uns um euch.“

Das gefällt mir nicht. Das haut mich alles nicht vom Hocker.

Wir brauchen einen Wahlkampf der Ermunterung, des Vertrauens.

Vertrauen in den Menschen setzen statt Misstrauen in den jeweils anderen Mitbewerber säen!

Vertrauen aussprechen statt Versprechungen machen. Eigene Fehlsteuerungen eingestehen, das wäre das Mindeste, was die Bürger Berlins von den in den letzten Jahrzehnten regierenden Parteien erwarten dürften.

Am Menschen arbeiten, den Menschen arbeiten lassen, statt ihn abzuspeisen mit unbezahlbaren Wohltaten, wie das die Berliner Parteien in den letzten Jahrzehnten getan haben.

Das wär’s.

Drei konkrete Themen wünsche ich mir im Abgeordnetenhaus-Wahlkampf:

1) Richtig gutes Deutsch lernen. Warum? Die nachwachsende Generation hier in Berlin lernt nicht richtig Deutsch. Eines der Riesenprobleme der Stadt! Es reicht oftmals nicht für Aufgaben, wie sie das Berufsleben stellt. Die Kinder sollen erzählen können, sollen singen können, sollen schreiben können. Was willst du, Partei A, dafür tun?

2) Richtig gut Radfahren lernen. Warum? Die Förderung des Radverkehrs ist eine der simpelsten Maßnahmen, mit denen man mehrere Fliegen auf einmal schlagen kann: Die Menschen werden gesünder, fröhlicher und lebenslustiger. Sie aktivieren ihre Eigenkräfte. Nebenbei wird auch die Umwelt entlastet und das Stadtklima verbessert sich. Und wenn’s der Rettung des Weltklimas dient – warum nicht?

Was willst du, Partei B, dafür tun?

3) Richtig gut erziehen lernen!  Die meisten sozialen Probleme Berlins rühren aus der Familie her. Es fehlt den Kindern an Geborgenheit, es fehlt an guten Vätern, es fehlt an Vorbildern, es fehlt an der engen Verzahnung von Familie und Schulgemeinde. Was willst du, Partei C, dafür tun?

Es wäre ein Wahlkampf des Lernens, den ich führen würde.

DER LERNENDE WAHLKAMPF für eine LERNENDE GESELLSCHAFT!

Huch! Parteien, die Idee könnt ihr euch schnappen, sie ist frei!

Mein Vertrauen würde ich der Partei, derjenigen Kandidatin oder demjenigen Kandidaten schenken, die mir diese drei Prüfstein-Fragen am überzeugendsten beantworten können.

Ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben.

 Posted by at 19:55
Jan. 102011
 

Die Landespolitik Berlins krankt an einer falschen Staatsauffassung: für alle gesellschaftlichen und persönlichen Übel wird stets der Staat, die Politik verantwortlich gemacht. „Ich bin ja auch nur ein Opfer der verfehlten Berliner Schulpolitik“, gestand mir ein türkischer Bekannter, der jetzt Taxi fährt, weder richtig Deutsch noch richtig Türkisch gelernt hat, keinen Schulabschluss geschafft hat.

Abschiebung der Verantwortung auf den Staat! Man kann diese überhöhte Schätzung des Staates an zahlreichen Debatten, etwa zur Erziehung der Kinder, zum Religionsunterricht, zur Staatsverschuldung, zur sozialen Sicherheit, aber nicht zuletzt auch an den zahlreichen Skandälchen und Skandalen festmachen, die die Berliner Landespolitik seit Jahrzehnten immer wieder erschüttern und auch erschüttern werden. Gerade heute wird ein Strafprozess entschieden, der darauf angelegt war, einzelnen Verantwortlichen eine individuelle Schuld, individuelle Untreue nachzuweisen – während des extrem staatsgläubige Politikverständnis des Bundeslandes Berlin ungeschoren davon kommt.

Besonders erbarmungswürdig: das Reden von „sozialer Kälte“ – nur weil nicht jeder genug Geld hat, um Ferien im Ausland zu machen, um ins Kino zu gehen. Junge Teilnehmer der Rosa-Luxemburg-Konferenz vom Wochenende fassen es im Deutschlandfunk heute kurz vor 9 Uhr so zusammen:

Theoretisch will ich die Mauer zurück.“ – „Was nützt einem die ganze Reisefreiheit, wenn ich keine Kohle habe, um ins Ausland zu fahren?

Er meinte wohl: Wenn der Staat mir keine  Kohle gibt … denn es ist kaum anzunehmen, dass irgendjemand ihn hindert, soviel Geld zu verdienen, dass es für eine Reise ausreicht …

Der Staat, in Form des Sozialstaates, der alle Menschen restlos glücklich machen soll, ist für viele Menschen heute zu DEM großen Fetisch geworden, den früher, in unseligen Zeiten, das Militär darstellte.

Woher kommt diese überspannte, diese mythisch überhöhte Erwartung, der Staat müsse die Bürger glücklich machen? Mehr oder minder zufällig stieß ich heute auf eine Rede Konrad Adenauers, die er am 24. März 1946 in der Aula der Universität Köln hielt. Ich kannte sie vorher nicht. Sonst hätte ich sehr gerne schon früher aus ihr zitiert. Sei’s drum … „Was du ererbt von deinen  Vätern, …“  Zum Thema „Was soll der Staat leisten“ sprach er folgendes:

Das deutsche Volk krankt seit vielen Jahrzehnten in allen seinen Schichten an einer falschen Auffassung vom Staat, von der Macht, von der Stellung der Einzelperson. Es hat den Staat zum Götzen gemacht und auf den Altar erhoben. Die Einzelperson, ihre Würde und ihren Wert hat es diesem Götzen geopfert. Die Überzeugung von der Staatsomnipotenz, von dem Vorrang des Staates und der im Staat gesammelten Macht vor allen anderen, den dauernden, den ewigen Gütern der Menschheit, ist in zwei Schüben in Deutschland zur Herrschaft gelangt. Zunächst breitete sich diese Überzeugung von Preußen ausgehend nach den Freiheitskriegen aus. Dann eroberte sie nach dem siegreichen Krieg von 1870/71 ganz Deutschland.

Der Staat wurde durch den von Herder und den Romantikern aufgedeckten Volksgeist, vor allem durch Hegels Auffassung vom Staat als der verkörperten Vernunft und Sittlichkeit, in dem Bewusstsein des Volkes zu einem fast göttlichen Wesen. Mit der Überhöhung des Staates war zwangsläufig verbunden ein Absinken in der Bewertung der Einzelperson. Macht ist mit dem Wesen des Staates untrennbar verbunden. Die Einrichtung, in der sich staatliche Macht am sinnfälligsten und eindruckvollsten äußert, ist das Heer. So wurde der Militarismus zum beherrschenden Faktor im Denken und Fühlen breitester Volksschichten.

 Posted by at 16:41

Gibt es „staatslastige“ und „bürgerlastige“ Parteien?

 Anbiederung, Person, Staatlichkeit  Kommentare deaktiviert für Gibt es „staatslastige“ und „bürgerlastige“ Parteien?
Dez. 112010
 

Sowohl in den Wirtschaftsdaten wie in den Bildungsdaten bei den internationalen Vergleichstests stehen fast immer die unionsgeführten Bundesländer besser da als die SPD- bzw. durch die linken Parteien geführten. Wer ist schuld? Was kommt zuerst? Die Henne oder das Ei? Wählen erfolgreiche Menschen eher Union? Oder macht die CDU bzw. die CSU die erfolgreichere Politik? Schwierig, schwierig!

Der sächsische Kultusminister Roland Wöller kann oder will im Interview im heutigen Tagesspiegel auf S. 4 auch keine überzeugende Antwort geben, räumt sogar einen gewissen Nachholbedarf seiner Partei ein.

Ansonsten halte ich das Interview aber für äußerst beachtlich und lesenswert.

Ich selber meine: Die CDU/CSU kann und sollte sich vorrangig über ein unterschiedliches Staatsverständnis von allen anderen Wettbewerbern absetzen. Demnach gründet sich christdemokratische Politik auf der überragenden Rolle der Person, auf der unbeschränkten Würde und der Freiheit jedes einzelnen Menschen, während SPD, Linke und Teile der Grünen von der überragenden Lenkungsrolle des Staates ausgehen.

Was heißt das? Beispiel Integration: Für SPD, Linke und einen Teil der Grünen ist Integration eine Leistung des fürsorglichen Lenkungsstaates. Bester Beleg: das gestern verabschiedete Integrationsgesetz Berlins. Integration ist nach Absicht des Gesetzes vorrangig eine Von-oben-Leistung des Staates, der übergeordneten Einheiten also, da die Menschen prinzipiell ungleich sind und ungleich bleiben. Ungleichheit ist ungerecht. Diese Ungerechtigkeit muss der Staat beseitigen, indem er die strukturell Benachteiligten gezielt fördert. Da die Migranten über Generationen hinweg „strukturell benachteiligt“ sind, werden sie auch über Generationen hinweg eine „strukturelle Förderung“ benötigen.

Die letzte Verantwortung für das Gelingen des individuellen Lebens lastet auf dem Staat.  Die SPD, die Linke und Teile der Grünen würde ich deshalb gerne als staatslastige Parteien bezeichnen. Der Staat muss Integration leisten!

Anders die CDU. Für die CDU ist Integration vorrangig eine Von-unten-Aufgabe der einzelnen Menschen, der Familien, der Gemeinden, da die Menschen prinzipiell gleich frei und mit gleicher Würde begabt sind. Ungleichheiten kann der Staat von oben her nicht abschaffen. Jeder Mensch soll seinen Weg finden, um vorhandene Startnachteile wettzumachen.  Ungerechtigkeiten sind weniger im System bedingt als im Fehlverhalten einzelner Menschen, einzelner Teile des Systems. Letzte Verantwortung lastet bei den Bürgern, nicht bei den staatlichen Strukturen. Insofern sehe ich die CDU und die FDP als bürgerlastige Parteien. Die Bürger sind es selbst, die vorrangig Integration leisten müssen. Bester Beleg: Alles, was Badr Mohammed zur Integration in der taz geschrieben hat (siehe dieses Blog: Mohammed hat recht).

Beide Sichtweisen haben etwas für sich. Letztlich muss jede Bürgerin und jeder Bürger seinen Interessen, ihren Überzeugungen und Einsichten folgen. Es lässt sich wissenschaftlich nicht nachweisen, ob die linken Parteien oder die CDU „recht haben“, ob man eher dem Staat oder eher dem Bürger „über den Weg traut“.

Und die Grünen?  Sind irgendwo dazwischen! Richtig wütend wurde vor kurzem eine grüne Politikerin, als ich gezielt stichelnd in die Runde warf: „Ach ihr Linken seid doch alle soo staatsfixiert!“ Aber hallo! Da bekam ich aber was zu hören!

Ich würde sagen: Die CDU und wohl auch die FDP haben einen personalen Begriff der Verantwortung, die linken Parteien und Teile der Grünen legen einen strukturellen Begriff der Verantwortung zugrunde.

Beide Ansätze haben was für sich.

Sachsens Kultusminister Roland Wöller: „Noch immer entscheidet Herkunft über Chancen“ – Politik – Tagesspiegel
Unionsregierte Länder sind in der Regel Pisa-Sieger, in der Bildungsdebatte aber ist die Union eher defensiv. Gibt es so etwas wie christdemokratische Bildungspolitik?
Es stimmt zumindest eines: Wer nach unserem bildungspolitischen Markenkern fragt, bekommt nicht eine, sondern sehr viele Antworten. Da muss die Union noch ein paar Hausaufgaben machen. Der Bildungsbundesparteitag, zu dem die Kanzlerin nach Leipzig eingeladen hat, wird sicher spannend.

 Posted by at 14:57
Dez. 082010
 

 05112010045.jpg … bemängelte dieses Blog bereits am 05.11.2010 an dem berühmten Bestseller „Das Amt“ bereits wenige Tage nach Erscheinen. Dieses Blog stand wochenlang völlig allein da. Kein Rezensent hat unseres Wissens das Buch so direkt angegriffen wie dieses Blog. Wie konnte dieses Blog zu einem derart vernichtenden Urteil kommen? Antwort: Aufgrund des bramarbasierend-bräsigen Tones. Aufgrund der Einseitigkeiten, aufgrund der Ausblendung der anderen, der östlichen Hälfte Europas.

Nunmehr gelangen auch renommierte Historiker deutscher Universitäten zu diesem Urteil. Wohlfeile moralische Empörung ersetzt eben nicht solide historische Forschung. Daran haben es die 4 Autoren des von Joschka Fischer bestallten Teams fehlen lassen. Schade. Sie haben der an sich löblichen Sache einen Bärendienst erwiesen.

Hab ich’s doch gesagt!

Hans Mommsen, der deutsche Altmeister unter den NS-Forschern, erklärte vergangene Woche, das Buch löse bei ihm „Entsetzen“ aus, es sei voller „massiver Fehler“. Fachleute wie Johannes Hürter vom renommierten Institut für Zeitgeschichte in München finden Passagen des Werks „bodenlos“. Sein Mainzer Kollege Sönke Neitzel wirft Kommissionssprecher Conze sogar „Geschichtspornografie“ vor, weil er das Amt als „verbrecherische Organisation“ bezeichnet hatte. Conze sei es offenbar nur darum gegangen, öffentliche Aufmerksamkeit zu erregen.

Andere Wissenschaftler sprechen von „Oberflächlichkeit“ (Henning Köhler), „Unkenntnis oder Ignoranz der Aktenlage“ (Gregor Schöllgen), „Einseitigkeit“ (Christian Hacke) oder sehen in Teilen „schlichtweg Unsinn“ (Daniel Koerfer).

Zeitgeschichte: Unkenntnis und Ignoranz – SPIEGEL ONLINE – Nachrichten – Politik

 Posted by at 18:44
Dez. 062010
 

„Haargenau“ dieselben Probleme, die Schulleiterin Rita Schlegel aus Neukölln berichtet, hatte ich auch als Elternvertreter in Kreuzberg. Ich weiß noch genau, wie ich mich selbst einmal in der GEV der damaligen Schule dagegen aussprach, Einladungen und Mitteilungen ins Türkische und Arabische übersetzen zu lassen. Ich war der Meinung, Eltern sollten nach 20-30 Jahren Deutschland Deutsch gelernt haben. Pustekuchen. Besonders bitter war es für mich, mit den meisten Eltern nicht sprechen zu können, da ich trotz vieler Jahre Kreuzberg fast kein Arabisch und nur wenig Türkisch kann.

Es tut einfach gut, wenn jemand mal mit Einfühlung und mit unverschnörkelter Sprache die Lage anspricht. Hochachtung, Frau Schlegel!

Interview: „Ich kann nicht alle Kinder retten“ – Schule – Berlin – Tagesspiegel
Ich kann ja nicht zu den Eltern gehen und sagen: Ihr müsst sofort Deutsch lernen – und wenn ihr das aus irgendwelchen Gründen nicht könnt oder nicht wollt, dann spreche ich nicht mit euch. Ich will schließlich das Positive für jedes Kind.

Heute, meine ich, muss die Frage lauten: Was dient dem einzelnen Kind? Die Kinder müssen richtig gutes Deutsch lernen und würden dies ja auch gerne tun.

Die Eltern sind durch eine geschickte Bedienung der mannigfachen Knöpfe und Hebel des deutschen Sozialrechts „aus dem Schneider“. Sie werden kein Deutsch lernen, wenn sie dies nicht wollen – wozu sollten sie?

Im Gegenteil: Man wird sagen: „Es gibt nicht genug Sprach- und Integrationskurse, die Kurse sind zu groß, wir haben kein Geld und keine Zeit für den Sprachkurs. Ihr müsst uns dafür bezahlen!“ Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Es gibt tausend Gründe, weshalb es angeblich unzumutbar ist, aus eigener Kraft Deutsch für Deutschland zu lernen. Ich habe sie alle mindestens 100 Mal gehört.

Ich habe einmal grob nachgerechnet: Wenn man wirklich wie bisher und mit den bisherigen Ansätzen mit staatlichem Geld die Integration der türkischen, kurdischen und arabischen Mitbürgerinnen und Mitbürger befördern will, müsste man  – zusätzlich zu den etwa 300.000 bis 400.000 Euro Sozialhilfe und Kindergeld, die monatlich pro Schule an die Eltern ausbezahlt werden – für jede der bekannten Brennpunktschulen folgendes finanzieren:

1) mehrstündige intensive tägige Beschulung, Betreuung und Bespaßung ab Lebensalter 2 Jahre in Kleingruppen von bis zu 5 Kindern durch besonders ausgebildetes Personal

2) Klassenstärken bis 12 Kindern ab Lebensalter 6 Jahre, durch je 2 Lehrkräfte zu betreuen, darunter  1 Mann und 1 Frau

3) Umwandlung aller Brennpunktschulen in Ganztagsschulen

4) 4 festangestellte Sozialarbeiter pro Brennpunktschule, zur Hälfte mit Türkisch-, zur Hälfte mit Arabischkenntnissen

5) verpflichtende Elternkurse in  türkischer, arabischer und deutscher Sprache, Dauer etwa 2 Monate, abzuhalten jedes Jahr

6) 2-3 fest zugeordnete Polizeibeamte mit Türkisch- und Arabischkenntnissen als ständige Ansprechpartner in direkter Nähe der Schule

7) Je zwei festangestellte, staatlich vereidigte Dolmetscher für Arabisch und Türkisch pro Schule, einer jeweils männlich, eine weiblich

8 ) 1 Heim pro Schule für alle Kinder, die durch die Eltern nicht betreut und nicht erzogen werden.

9) Eine schweinfleischfreie Küche, die an 7 Tagen der Woche nach islamischem Kalender 3 warme Halal-Mahlzeiten für alle Kinder und Eltern anbietet, die zuhause nicht kochen

Rechnet man diese – wie ich meine – vernünftigen Maßnahmen durch, so ergibt sich, dass eine vernünftige, anständige Integrationspolitik, die Integration als wichtige Aufgabe des Staates begreift, den gesamten Berliner Landeshaushalt beanspruchen und zusätzlich eine weitere Neuverschuldung verlangen würde. Es bliebe kein Geld für andere Aufgaben wie etwa Straßenbau oder Kultur  übrig.

Das gesamte Steueraufkommen Berlins würde also in die Integrationspolitik umgeleitet, wenn man wie bisher den Ansatz „Integration ist Querschnittsaufgabe des Staates“ verfolgt.

Wir Steuerzahler würden uns nicht wie bisher nur teilweise, sondern komplett in den Dienst der Integration unserer migrantischen Mitbürgerinnen und Mitbürger stellen – sofern diese dies wünschen oder es nicht doch vorziehen, sich zu unabhängigen Exklaven der Türkei oder Libanons zu erklären und eines Tages von den wenigen verbleibenden Deutschen mehr Integrationsleistungen zu verlangen.

In dieser Situation würde der Druck auszuwandern so stark anwachsen, die Abwanderung in andere Länder würde so stark, dass der Staat nicht mehr finanzierbar wäre.

 Posted by at 15:11
Nov. 102010
 

„… die meisten sind ausgewandert, viele in die USA, andere nach Europa. Fast alle sind etwas geworden.  Einige sind Rechtsanwälte, andere Ärzte, andere studierten in Harvard und wurden Firmenchefs.“

So berichtete es mir kürzlich ein Palästinenser, der seit langem in Berlin lebt.

Berlins Bildungspolitiker stochern fleißig im Nebel. Einer der Gründe mag darin liegen, dass sie beruflich und privat keinen Kontakt zu den ganz normalen, nichtorganisierten Arabern und Türken und Russen und Polen haben.

Die organisierten Migranten quatschen unsere deutschbiederen Politiker dumm und dusslig: „Wir sind benachteiligt, fördert uns, ihr müsst uns mehr Geld geben, ihr müsst kleinere Klassen bilden …!“

Resultat: Klassen mit 12 Schülern und zwei Lehrerinnen, etwa an der Rütlischule. Eine horrende Verschwendung!

Wieso ist bloß die palästinensische Grundschule mit 55 Kindern und einem Lehrer vor der ersten Intifada besser gewesen  als die Berliner Grundschule mit 12 Kindern und zwei Lehrerinnen und einer Erzieherin? Warum lernten sie dort Arabisch UND Englisch und Hebräisch bis zur Berufsreife?

Antwort meiner palästinensischen Bekannten: „Wir hatten Persönlichkeiten als Lehrer. Sie glaubten an uns. Sie waren sehr streng. Es wurde viel im Chor gelernt. Es gab auch Strafen. Die materielle Ausstattung war im Vergleich zu Berlin spartanisch.“

„Und die Berliner Grundschule?“ „Erleben wir als chaotisches Durcheinander, als unverständlich. Geld wird reingeschüttet ohne Ende. Aber es fehlt an starken Persönlichkeiten. Und  ab und zu hören wir zur Entspannung: „Mit dem Hauptschulabschluss könnt ihr nichts anfangen. Aus euch werden eh Hartz-IV-Empfänger.“

Ich meine: Verheerende Botschaften! Bitte Vorhang zu in diesem Schauspiel! In Berlins staatlichem Schulwesen fehlt es an Vertrauen in die Persönlichkeit. Alle wohlgemeinten Versuche – jetzt werden händeringend arabische Lehrer gesucht – werden scheitern, solange man nicht den direkten Kontakt mit den arabischen und palästinensischen Vätern und Familien sucht, und zwar außerhalb der organisierten, staatlich hochgepäppelten Organisationen.

Berliner Zeitung – Aktuelles Berlin – Berlin sucht arabischstämmige Lehrer
Im Gegensatz zu Lehrern mit türkischem Wurzeln unterrichteten bisher kaum Pädagogen mit arabischem Hintergrund in Berlin, teilte Bildungssenator Jürgen Zöllner. Er erhofft sich von den drei neuen Kräften, dass sie auch einen besseren Zugang zu arabischen Eltern finden. Unterrichtssprache bleibe Deutsch.

 Posted by at 10:34

Soll Politik ein sozialer Wärmestrahler sein?

 Anbiederung, Geld, Solidarität, Sozialstaat, Verwöhnt  Kommentare deaktiviert für Soll Politik ein sozialer Wärmestrahler sein?
Nov. 072010
 

Einen guten Punkt spricht Eberhard Diepgen an:

Eberhard Diepgen: „Schwarz-Grün muss reale Chance werden“ – Politik – Tagesspiegel

So sind grün-bürgerliche Wähler prinzipiell sehr offen für langes gemeinsames Lernen von leistungsstarken und schwachen Schülern, sie schwärmen vom kulturellen Austausch in einer Migrationsgesellschaft. Für ihre eigenen Kinder verlassen sie aber die Problembereiche oder gründen Privatschulen.

Da ist was dran! Ich gehöre selbst einer hübschen kleinen Familie mit Migrationshintergrund an, ich bin ein echter Verfechter von Vielsprachigkeit, vom europäischem Konzert der Stimmen, ich lese gern den Koran, ich lese gerne jetzt zum Beispiel die 1970 in Beirut geborene Joumana Haddad.

Aber hier in Friedrichshain-Kreuzberg beobachte ich einen ganz starken Anpassungsdruck an die wabernde linksgrüne Mehrheit, die sich – so jedenfalls mein Eindruck – herzlich wenig für das interessiert, was etwa die Russen, die Polen, die Christen, die Juden und – schlimmer noch! – die Muslime so tun und treiben, was sie so denken und fühlen.

Die gesamte osteuropäische Völkerlandschaft scheint in den Köpfen der braven deutschen Menschen nicht vorzukommen.

Man wirft sich heldisch in die Bresche, wenn es wieder einmal ein Privileg für die ach so benachteiligte arme Migrantenschar zu erstreiten gilt – man plappert von Partizipation und Teilhabe.  Und dann schmeißt man noch einmal ein paar Millionen für die „soziale Stadt“ unters Volk, schmeißt noch eine Schippe Mietbeihilfe für die Sozialschwachen unters Volk – etwa bei uns im Fanny-Hensel-Kiez.

Die vielbeschworene soziale Wärme, die Solidarität kommt bei uns so nicht an. Die sogenannte soziale Wärme wird mit Sozialleistungen, also mit Geld gleichgesetzt! Ein Riesenirrtum, den ich gerade auf dem linken Flügel der Grünen, bei der Linkspartei und der SPD beobachte. Soziale Wärme wird mit Geld, mit Sozialhilfe abgegolten. Aber: „Niemand spricht mit uns, niemand interessiert sich so richtig für uns!“ Tja, tut mir echt leid, so erzählen mir das „unsere Ausländer“ bisweilen.

Ich verwende übrigens bewusst den Ausdruck „Ausländer“, denn unsere Mehrheit verleiht uns Migrantenfamilien gerne dieses Gefühl, nicht dazuzugehören. Ich hoffe sehr, dass alle, die dies lesen, sich sehr darüber ärgern, dass ich den Ausdruck Ausländer zu verwenden wage!

Das ist natürlich das genaue Gegenteil dessen, was mit Solidarität gemeint ist.

Was wäre besser? Ganz einfach! Man schicke die eigenen Kinder zu uns Sozialschwachen, zu uns Migranten, und wenn es Probleme gibt, dann benenne man diese offen und furchtlos, statt endlos rumzueiern und noch einmal eine Schippe Geld zur eigenen Gewissensberuhigung draufzuwerfen.

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Okt. 062010
 

Immer wieder spreche ich mit polnischen, russischen, italienischen Eltern und Eltern anderer Herkunftsländer über die Situation an Berlins staatlichen Schulen. Die meisten kommen aus dem Staunen nicht mehr heraus, was bei uns alles geht und nicht geht an deutschen Schulen. Ich fasse meine Eindrücke so zusammen:

Das Berliner Schulwesen gilt als  außerordentlich schwer durchschaubar, hochkomplex, teilweise dysfunktional und teilweise chaotisch. Die Anforderungen und der Leistungsstand sind weit niedriger als in Polen oder Russland, China oder Korea.

Die ausländischen Eltern erleben Berlins Lehrer häufig als zu vertraulich im Umgang mit Schülern, zu wenig autoritär, zu unbestimmt.

Die starke Präsenz von Kindern aus muslimischen Ländern wird nicht als Bereicherung erlebt. Das Verhalten des deutschen Staates gegenüber den türkischen und arabischen Zuwanderen wird von den anderen in Deutschland vertretenen Nationen meist als eine Art kriecherische Anbiederung oder Kapitulation vor der zahlenmäßigen Übermacht erlebt.

Typisch sind etwa folgende Kommentare ausländischer Eltern: „Und DAS lasst ihr Deutsche mit euch machen? Ihr und euer Sozialstaat werdet doch mit allen legalen und illegalen Mitteln ausgenommen wie eine Weihnachtsgans. Merkt ihr das denn nicht? Dann braucht ihr euch nicht zu wundern, wenn man vor euch auf den Boden spuckt!“

Soll man von „Deutschenfeindlichkeit“ sprechen? Ich meine dazu: Das beschriebene „Exklusionsverhalten“ oder „Mobbing“ richtet sich nicht gegen Deutsche als Deutsche, sondern gegen alle, die deutlich anders sind als die muslimische Schülermehrheit, also auch gegen Schüler aus anderen nichtmuslimischen Ländern.

Ich selbst erlebe derzeit, wie das gesamte Berliner Schulwesen auf die Bedürfnisse der neuen Schülermehrheiten hin umgekrempelt werden soll – freilich ohne dass dies jemand so eingestünde. Wenn an den Problemschulen wie etwa der Rütlischule zur Abwehr der Angst vor den Schülern jeweils mindestens 2 Lehrer (ggf. mit 2-3 Sozialarbeitern, Projektmitteln in Hülle und Fülle) pro Miniklasse verlangt werden, fehlen diese Lehrer, diese Mittel anderswo.

Denkbar ist, dass allein aufgrund der Etatzwänge die Klassenfrequenzen in den wenigen verbleibenden Schulen, etwa den Gymnasien, auf 50-60 Schüler hochgehen werden. Das muss so kommen. Denn wie anders sollte man all die erforderlichen Schulstationen, Mensen, Bewährungshelfer usw. bezahlen?

Insgesamt ist das beschriebene Problem eher ein „kulturell muslimisches Problem“. Ich stimme den Äußerungen des Neuköllner Bürgermeisters Buschkowsy (Tagesspiegel heute, Seite acht ) im Wesentlichen zu.

Buschkowsky im Interview: „Das ist ein kulturell muslimisches Problem“ – Berlin – Tagesspiegel

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