Nov. 022009
 

„Wir wollen, dass die Menschen verbunden, nicht getrennt werden“, in diesem Sinne äußerte sich gestern unser neuer Außenminister. Aus diesem Grund gab er durch die Blume zu verstehen, dass die Wünsche unserer östlichen Freunde bei der Besetzung einer nationalen Stiftung berücksichtigt werden. Er gab den Freunden nicht in der Sache recht, er widerlegte auch die Argumente der Freunde nicht. Er forderte die Freunde nicht auf, eine Gewissenserforschung zu versuchen. Mit einem Wort: Der Außenminister zeigte ein Beispiel diplomatischer Toleranz. Toleranz bedeutet in diesem Sinne: Man nimmt die Bedenken und Vorwürfe des Freundes so entgegen, wie sie kommen. Man streitet nicht mit ihm, sondern lässt ihn in seinem Glauben. Man lässt alles, wie es ist, und vermeidet die Konfrontation. Eine gute Beziehung ist in diesem Fall wichtiger als die Suche nach einer gemeinsamen Wahrheit. Man vermeidet die Auseinandersetzung in der Sache. So ist es über viele Monate hinweg zwischen Deutschland und Polen geschehen. Da ich Polnisch kann, immer wieder mit Polen zusammentreffe, kann ich nur sagen: Deutsche und Polen sind von einer gemeinsamen Wahrheitssuche noch weit entfernt.

Die großartige Chance, die sich mit den Jahren 1989/1990 eröffnete, ist bisher erst ansatzweise genutzt worden.  Wir könnten heute ohne Unterjochung durch diktatorische Regimes versuchen, im gemeinsamen schmerzhaften Dialog eine Aufarbeitung der Vergangenheit zu erreichen.

Konfrontativ wäre es, wenn man Argumente für oder gegen eine Position abwöge und dann versuchte, eine gemeinsame Lösung zu suchen.  Man würde – auch im Verhältnis zwischen Freunden – den Widerstreit unterschiedlicher Positionen aushalten.

Ich meine: Ein übermäßiges Entgegenkommen, ein ständiges Eingehen auf die Wünsche der Beziehungspartner ist Zeichen mangelnden Selbst- und mangelnden Fremdvertrauens. Die Beziehung ist nicht belastbar genug für eine Konfrontation. Der Psychologe Jeffrey Young spricht hier von einem zum Schema erstarrten Unterwerfungsgebaren: Starke eigene Unsicherheit führt uns dazu, uns den anderen gewissermaßen anzudienen. Wir halten dann größere Meinungsunterschiede nicht aus. Wir übernehmen die Sichtweise der anderen, ohne deren Wahrheitsgehalt zu prüfen. Wir bleiben im Bann einer nicht durchschauten, unaufgelösten traumatischen Erfahrung. Wir sind dem Trauma verhaftet, wagen es nicht anzurühren aus Angst, der andere könnte böse werden, wenn wir ihn auf verschwiegene Wahrheiten aufmerksam machen.

Eine solche Toleranz gegenüber den anderen, ein bloßes Akzeptieren und Hinnehmen aller Übergriffe und Behauptungen des anderen halte ich für äußerst gefährlich. Denn es führt zu einer Leugnung von Erkenntnissen, zu einer künstlichen Beziehungsrealität, die zum Schema erstarrt. Der eine Partner wird ständig versuchen, mit dem anderen „Schlitten zu fahren“. Die Geschichte der Diplomatie ist angefüllt mit Beispielen dafür.

Ich meine: Zu jeder echten Freundschaft, zu jeder echten Beziehung gehört auch ein gewisses Maß an Konfrontation. Konfrontativ ist ein Verhalten, das unbequeme Meinungen ausspricht und aushält. Das Gerichtsverfahren zwischen zwei Zivilprozessgegnern  ist ein Beispiel dafür. Im streitigen Für und Wider werden die unterschiedlichen Standpunkte vorgetragen, bewertet und entschieden.

Freunde können, ja müssen einander auch unbequeme Wahrheiten sagen. Es ist gerade Zeichen einer echten Freundschaft, wenn Meinungsunterschiede zugelassen werden. Sich-Andienen, Sich-Unterwerfen ist auf Dauer schädlich für jede Beziehung zwischen gleichberechtigten Partnern. Echte Freunde, Partner einer guten, gesunden, entwicklungsfähigen Beziehung finden den rechten Mittelweg zwischen Konfrontation und Toleranz.

Das Ideal der Toleranz allein führt in Gleichgültigkeit, in Erstarrung und Unterhöhlung von Beziehungen. Das Ideal der Konfrontation allein hingegen führt zu Streit, es kann – wenn dem anderen zuviel zugemutet wird – zum Beziehungsabbruch führen. Gleichgültigkeit und Beziehungsabbruch sind gefährlich.

Erneut verwenden wir einen Ausdruck aus der Welt der Psychotherapie: Eine gesunde Beziehung hält die Spannung zwischen polaren Positionen aus.

324 Jahre nach dem berühmten Toleranzedikt von Potsdam gilt es zu bedenken, dass Toleranz allein nicht der Goldstandard des Zusammenlebens sein kann. Falsch verstandene Toleranz vereinzelt. Das rechte Maß an Toleranz und Konfrontation ist unerlässlich für eine gelingende Partnerschaft. Das gilt sowohl für zwischenmenschliche als auch für zwischenstaatliche Beziehungen.

Leseanregungen:

1) Eckhard Roediger: Praxis der Schematherapie. Grundlagen – Anwendung – Perspektiven. Schattauer Verlag, Stuttgart 2009, hier insbesondere: S. 63 und S. 200

2) Potsdamer Toleranzedikt – Start
Am 324. Jahrestag der Verkündung des Ediktes von Potsdam gründet sich in der Französischen Kirche Potsdam dieser Verein. Er betrachtet als seine Zielsetzung, die Ergebnisse des Potsdamer Toleranzediktes des Jahres 2008 aktiv fortzuführen. „Der Verein setzt sich ein für die Förderung von Toleranz, Meinungsfreiheit und Demokratie im Sinne einer offenen und toleranten Stadt der Bürgerschaft“. Ziel ist es, das zivilgesellschaftliche Engagement im Sinne einer Stadt der Bürgerschaft anzuregen und zu fördern. Die stadtweite Toleranzdiskussion soll hierbei konkret durch Unterstützung bestehender Projekte, Bündnisse, Gruppen, Vereine, Aktivitäten und Ideen aufgegriffen und fortgeführt werden.

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Okt. 192009
 

Jetz laß-tsas doch endlich ausreden!„, so fiel meine bayrische Mama uns drei kernigen Buben ins Wort, wenn wir mal wieder unserer kleinen Schwester das Wort abgeschnitten hatten. Leider ist es so: Wie den meisten Männern, so fällt es auch mir schwer, den Mund zu halten! Das habe ich gestern wieder bemerkt, als ich die Anne-Will-Sendung mit Güner Balci und dem Herrn Özcan Mutlu ansah und hörte. Gleich zwei Mal fiel ich dem Herrn Özcan Mutlu, dem Sprecher oder besser Ins-Wort-Faller und Unterbrecher einer Berliner Abgeordnetenhausfraktion ins Wort. Immer wenn ich wohlbestallte Migrationsforscher und Bildungspolitiker wie etwa Heiner Bielefeldt oder Özcan Mutlu höre, schießen mir Zeilen Heinrich  Heines in den Sinn:

Ich kenne die Weise, ich kenne den Text,
Ich kenn auch die Herren Verfasser.

Zum Glück saß ich nur gebannt vor dem heimischen Bildschirm und trank Wasser, statt wild herumzufuchteln. Niemand hörte mich. Aber man sollte sich die Aufzeichnung der Anne-Will-Sendung ruhig bei einem Gläschen Federweißen zu Gemüte führen – und dabei besonders beobachten, wie Güner Balci immer wieder das Wort und das Thema abgeschnitten wurde, namentlich vom bildungspolitischen Sprecher der Grünen, Herrn Mutlu.

„Jetzt lass sie doch endlich ausreden!“, so fiel ich dreist dem Herrn Mutlu ins Wort. Dieser Herr gefiel mir nicht. Gut gefielen mir hingegen Wolfgang Bosbach und Otto Schily. Sie fielen den anderen kein einziges Mal ins Wort, sondern antworteten nur, wenn sie gefragt wurden. Sie warteten geduldig, bis ihnen das Wort erteilt wurde. Vorbildlich! Ich werde mich am Riemen reißen.

„Ich bin seit 10 Jahren in der Bildungspolitik!“ Und deshalb habe ich recht. So sinngemäß Herr Mutlu. Ein trefflicher Beleg dafür, dass die längere Arbeit in der Politik blind und taub machen kann für alles, was nicht dem eigenen Machterhalt, dem eigenen Fortkommen dient. Der Herr Mutlu ist ein wandelndes Beispiel dafür. „Haben Sie eine wissenschaftliche Untersuchung?“, fragte er Güner Balci. Hatte sie natürlich nicht, die bewundernswerte mutige Frau. Ausdrücklich berief sie sich auf ihre jahre- (besser: jahrzehntelange) Erfahrung. Als Tochter türkischer Eltern, als Frau, als Sozialarbeiterin, als Journalistin. Ich fragte Herrn Mutlu vor dem Bildschirm sitzend:  Was wollen Sie eigentlich, Herr Mutlu? Wissen Sie denn nicht, dass wissenschaftliche Untersuchungen systematisch getürkt werden? Sie können in der Migrationsforschung nahezu jedes beliebige Ergebnis wissenschaftlich belegen und bestellen. „Fremdenfeindlichkeit der Deutschen“, „Rassismus der Deutschen“, „Ausländerfreundlichkeit der Deutschen“, „antirassistischer Konsens der Deutschen“, „Anfälligkeit für extremistische Hetze“, „Resistenz gegen extremistische Hetze bei den Deutschen“ – für alle diese Befunde lassen sich im Internet mit wenigen Mausklicks wissenschaftliche Untersuchungen herbeizaubern. Und wenn es keine Untersuchung gibt, dann GIBT MAN EINE IN AUFTRAG. Voilà! Der Kunde zahlt, der Kunde schafft an.

Was sie nicht ersetzen und nicht türken können, das sind die Erfahrungen und Berichte der Menschen vor Ort, wie etwa die einer Güner Balci, eines Heinz Buschkowsky, eines Hamed Abdel-Samad, eines Badr Mohammed, oder auch – in aller Demut – des hier bloggenden Kreuzberger Vaters mit jahrzehntelanger Erfahrung mit türkischen und arabischen Zuwanderern und deren Kindern.

Und da muss ich einfach meine Freude darüber ausdrücken, dass ich endlich einmal auch im deutschen staatlichen Fernsehen die schlichte Wahrheit aussprechen hörte, die ich seit einem Jahr immer wieder in diesem Blog vertrete: Erfolg in dieser Gesellschaft ist möglich. Für alle. Eine seit Generationen von Sozialhilfe oder Hartz-IV lebende arabische Sippe ohne deutsche Sprachkenntnisse verkörpert aus der Sicht der Betroffenen ebenso einen Integrations-Erfolg wie eine studierte und perfekt deutsch sprechende Tochter türkischer Einwanderer.

So stellte klipp und klar Güner Balci fest: Alle, die hier in der Bundesrepublik Deutschland leben dürfen, sind gegenüber den Verwandten und Freunden in den Herkunftsländern stark privilegiert. Und das wissen sie alle. Deshalb holen sie ja ihre Verwandten und Freunde, Bräute und Bräutigame gerne nach.

Sie genießen alle Vorzüge dieses Landes, sie leben in Wohlstand und ohne materielle Sorgen – und sie werden vom Staat weitgehend in Ruhe gelassen und können systematisch ihre „Netzwerk-Migration“ (so Kenan Kolat) fortsetzen und ihre geschlossenen Siedlungsgebiete ausbauen.

Gut auch, dass Cem Gülay die systematische Urkundenfälschung beim Nachzug innerhalb dieser breit angelegten Netzwerk-Migration zur Sprache brachte! Jeder weiß doch, wie man die bürokratischen Vorschriften zum Zuzug umgehen und „zurechtdeuten“ konnte und kann. Dafür gibt es Tipps, dafür gibt es staatlich finanzierte Beratungsstellen. So hat ja eine stichprobenhafte Überprüfung im Berliner Bezirk Mitte vor wenigen Wochen amtlich ergeben, dass etwa 10.000 Anmeldungen fehlerhaft waren. Sie dienen dazu, Sozialleistungen zu erschleichen und kriminelle Handlungen zu decken.

Das bisschen Integrationspolitik fällt dabei nicht so stark ins Gewicht. Es wird an der Gesamtlage wenig ändern. Es wird immer einige Özcan Mutlus geben, die hier laut von „Zwang“ und „Strafe“ schreien. Huch, die Deutschen, die da sitzen auf ihren Lehrstühlen und Mandaten, zucken zusammen. Zwang und Strafe, das sei weit uns!

Der Chat mit Güner Balci  zur Sendung Anne Will sei euch wärmstens empfohlen, und auch die insgesamt sehr lehrreiche Sendung!

DasErste.de – [Anne Will] – Keine Chance für Ali und Ayse – Gemüse verkaufen statt Karriere machen?

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Aug. 272009
 

Ein zufälliger Beleg dafür, wie einseitig, wie blind, wie germanozentrisch das weltweit vorherrschende Geschichtsbild immer noch ist, zeigen die Vorgänge um die geplante Berliner Ausstellung „Die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg“. Sie kann nicht wie vorgesehen stattfinden, weil die Leitung der Werkstatt der Kulturen drei Schautafeln über die Komplizenschaft arabischer Führer mit Hitlers Deutschland ablehnt. Wie bei unseren europäischen Nachbarländern, so wird auch in der gesamten arabischen Welt die Komplizenschaft mit Deutschlands kriminellem Verbrecher-Regime weiterhin großzügig unterschlagen. In tausenden von Dokumentarfilmen und Spielfilmen, Ausstellungen und politischen Reden wird weiterhin eine bequem monokausale Weltsicht gehätschelt. Sie lässt sich in drei Merksätzen zusammenfassen: „Deutschland war in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts  der Dreh- und Angelpunkt der Weltgeschichte – alles Böse wurzelt letztlich in Deutschland. Alle anderen Länder sind Opfer Deutschlands. Alles Gute kommt von außerhalb Deutschlands.“ Eine groteske Verzeichnung, die aber in der Popular- und Trivialkultur von Cinecittà Rom bis Hollywood, von den Mosfilm-Studios bis zur BBC weit verbreitet ist!  Es erleichtert das Leben, wenn alles sehr einfach zurechtgeschnitten werden kann. Wer spricht heute noch etwa über die 15 bis 25 Millionen Todesopfer der belgischen Kolonialherrschaft in Kongo? Niemand. Denn Belgien ist ein Opfer. Über die Kolonialkriege und Konzentrationslager des faschistischen Italien? Über die Hungersnöte in der Ukraine der 30er Jahre? Über das ab 1918 eingerichtete Lagersystem der bolschewistischen Sowjetunion? Über das Lagersystem Kubas? Niemand außer einigen wenigen Fachkreisen.

Kaum bekannt ist auch, dass nach dem Zweiten Weltkrieg ein schwunghafter Handel mit hochrangigen NS-Militärs einsetzte. Sie setzten sich zu Hunderten in andere Länder ab, boten ihre Dienste als Militärberater an – und wurden gerne in Sold genommen. Südamerika war das wichtigste Hauptaufnahmegebiet für Militärs der Nationalsozialisten, aber gleich danach kamen die arabischen Unabhängigkeitsbewegungen. Viele deutsche Militärs mit tiefbrauner Vergangenheit wurden – oft unter Verschleierung ihrer Identität – Militärberater und Ausbilder in den arabischen Ländern.

Der blühenden Feindseligkeit gegenüber den Juden, dem sogenannten „Antisemitismus“, welcher heute gerade bei deutsch-arabischen Jugendlichen zu beobachten ist, wurde nicht zuletzt durch die deutschen Generäle und Militärs nach dem Zweiten Weltkrieg Vorschub geleistet. Wir re-importieren also gerade die braune Saat aus den arabischen Ländern nach Deutschland. Wer spricht davon in Deutschland? Eigentlich fast niemand. Der Skandal um die Werkstatt der Kulturen der Welt ist ein zufälliger Anlass für das Aufreißen der gewaltigen Gedächtnislücken. Aber in Frankreich und Algerien ist dieser Vorgang – also die Verquickung von Nationalsozialismus und arabischem Integralismus – immerhin ein Thema, so etwa in den Schriften von Boualem Sansal.

Lest hier einen Auszug aus dem Tagesspiegel von gestern:

Kritik an Arabern unerwünscht
Der Palästinenserführer Hadj Amin el-Husseini war eine umstrittene historische Figur. 1933 gratulierte er dem deutschen Generalkonsul von Jerusalem zur Machtergreifung der Nationalsozialisten, später warb er muslimische Freiwillige für die Waffen-SS und propagierte die „Endlösung“. Nach dem Krieg wurde er zum obersten Repräsentanten der Araber Palästinas. Die Verstrickungen el-Husseinis sind bekannt. Aber jetzt führte unter anderem eine Schautafel mit diesen Informationen dazu, dass die Ausstellung „Die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg“ nicht wie geplant in der Neuköllner Werkstatt der Kulturen ab dem 1. September gezeigt werden kann, sondern in die Uferhallen in Wedding ausweichen musste.

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Opel-Retter – Warum habt ihr auf uns Warner nicht gehört?

 Anbiederung, Opel  Kommentare deaktiviert für Opel-Retter – Warum habt ihr auf uns Warner nicht gehört?
Juli 162009
 

Seiner selbstauferlegten Berichtspflicht muss dieses Blog immer wieder nachkommen, indem es ab und zu von der Opel-Front berichtet. Es macht mir zwar keinen Spaß mehr, es hat mir nie Spaß gemacht zu sehen, wie sich meine düsteren Mutmaßungen und Warnungen bewahrheiten. Trotzdem muss ich ab und zu Berichte aus der Presse hier herein bringen. Nicht zuletzt, damit endlich klar wird, welch verhängnisvoll-abschüssige Bahn die Bundesregierung beschritten hat, als sie sich auf Opel-Rettungsgespräche überhaupt einließ. Dies war ein großer Fehler, den ich allerdings damals auch schon so nannte.

Jetzt leidet auch noch das Ansehen der Politik insgesamt. Ein Scheitern der Opel-Verhandlungs-„Lösung“ wird unweigerlich der Bundesregierung angelastet werden.

Si tacuistis philosophi mansistis!

 „Wir ballen die Faust in der Tasche“
„Es ist ein einziges Gezocke“, schimpft Biaggiotti. So wie er sind viele bei Opel enttäuscht, dass die Versprechungen sich nicht zu bewahrheiten scheinen, die die Politik in der Nacht zum 29. Mai gegeben hat. Präsent ist das Bild des Finanzministers, wie er abgekämpft und zu später Stunde verkündet, man sei mit Magna handelseinig geworden. Vergessen ist auch nicht der Satz, den Magna-Vorstandschef Siegfried Wolf Ende Juni sprach: „Wir wollen am 15. Juli zum Abschluss kommen“. Das war am gestrigen Mittwoch, noch immer ist nichts beschlossen.

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Juli 112009
 

Das Wort Migration und Migranten wird immer wieder auf die alteingessessene türkische und arabische Bevölkerung in den Westberliner Bezirken angewandt. Das ist Unfug. Sie sind echte, klar abgegrenzte Volksgruppen geworden, die neben den Deutschen und in scharfer Abgrenzung zu den neuen Zuwanderergruppen, wie etwa den Russen, den Juden, den Vietnamesen vor sich hinleben. Diese türkischen und arabischen Familien sind in dritter oder vierter Generation hier, sie haben mich als Deutschen, seit ich – nach ihnen – vor 25 Jahren erstmals in Kreuzberg zuwanderte, stets mit offenen Armen willkommen geheißen. Die Geburtenzahlen sind hoch, die Herkunftsländer sind ein unerschöpfliches Reservoir, aus dem jeder heiratsfähige Jungmann eine Braut gestellt bekommt. Die deutschen Sozial- und Krankenversicherungssysteme bieten einen unvergleichlich höheren Lebensstandard als die höchst prekäre Beschäftigungssituation in der Türkei und im Libanon.

Konflikte zwischen den Volksgruppen gibt es keine: Die deutschen Familien machen bereitwillig Platz. Sie werden verdrängt. Ab und zu schreien die Massen, angeheizt von ihren Führern, in Ägypten oder in der Türkei: „Die Deutschen sind die Feinde Gottes„, „Wir sind in Deutschland die Juden der heutigen Zeit!“, „Jetzt verbrennen sie uns wieder„. Derartige Negativschlagzeilen über Deutschland, die sich in der Presse des Nahen Ostens und der Türkei beliebig abrufen lassen, verschrecken die armen Deutschen. Sie legen nach mal eine Schippe drauf auf das herrlich geschnürte Wohltätigkeitsbündel namens Migrantenförderung. Sie machen noch etwas bereitwilliger Platz. Dadurch wird Straßenzug um Straßenzug Wohnraum frei, in den dann die beständig wachsende türkische und arabische Volksgruppe einziehen kann.

Über Probleme wird ab und zu gesprochen – und dann werden noch mal weitere Gelder ausgereicht.

So heißt es heute im Tagesspiegel über den Politiker Özcan Mutlu (S. 7): „Er hofft, dass auch künftig ausreichend Geld für Angebote bereitsteht, die die Entwicklung aus seiner Sicht begünstigen …“ Denn: Die Schulen sollen sensibler mit dem Thema Gewalt umgehen, wie es Schulsenator Zöllner so einfühlsam ausdrückt (auch S. 7). Diese Forderung nach öffentlichen Geldern  kommt wie ein gebetsmühlenhafter Reflex. Immer wieder. Ich habe selbst öfters mit Vertretern von Migrantenverbänden gesprochen, die hier geboren sind, hier die Schulen besucht haben, und die mir trockenen Auges versichern: „Ihr wollt, dass wir Türken uns hier in Berlin integrieren? Ja, dann müsst ihr uns aber erst einmal ausreichend Geld geben …“ Es ist unfassbar! Es ist eine vollständige Kapitulation der Vernunft vor den unaufhörlich wiederholten Jammer- und Klagerufen der ach so benachteiligten, in Wahrheit materiell privilegierten Türken und Araber, denen es hier finanziell weit besser geht als ihren zuhause gebliebenen Verwandten.

Die Russen, die Chinesen, die Juden aus der früheren Sowjetunion, die vor wenigen Monaten oder wenigen Jahren erst zugewandert sind – das sind unsere echten Zuwanderer! Sie verdienen, so meine ich, für etwa 1 Jahr echte Eingliederungshilfe. Dann muss Schluss sein. Dann müssen sie angekommen sein in Deutschland. Diese echten Zuwanderer schlagen in meinen Gesprächen wieder und wieder die Hände über dem Kopf zusammen, wenn sie sehen, wie sich der deutsche Staat von den alteingesessenen türkischen und arabischen Volksgruppen ausnutzen und an der Nase herumführen lässt: „Ja, was lasst ihr Deutschen da mit euch machen! Ihr habt euch da eine wachsende Schar von dauerhaft Hilfsbedürftigen herangezogen! Wann werden sie erwachsen?“

Es hat die perfekte Entmischung der Volksgruppen stattgefunden! Bündnisgenossen in meiner derzeitigen Heimat Friedrichshain-Kreuzberg: die linksautonome Szene. Obwohl die Linksautonomen sich scharf ihrerseits von den Türken und Arabern absondern und keinerlei Anstrengungen unternehmen, etwas zur heiß ersehnten Vermischung mit der türkisch-arabischen Wohnbevölkerung zu tun, verfolgen sie ein Ziel: Beibehaltung der Entmischung, Abwehr der zuwanderungswilligen deutschen Familien, auch mit Brandanschlägen. Die linksautonome Szene in Kreuzberg befolgt das gestern zitierte Rezept des Herrn Gregor Gysi aufs Wort: „Wir Deutsche wehren uns zu wenig – Also wehrt euch gegen die deutschen Zuwanderer! Kämpft für unser üppiges Sozialghetto! Baut Mauern der Abschreckung auf! Schafft Freiräume, in denen der Staat nichts zu sagen hat! Eine neue Mauer muss her!“

Der deutsche Staat macht sich nunmehr in törichter Verkennung seiner Möglichkeiten anheischig, den arbeitslosen türkischen Müttern und Vätern nach und nach die gesamte Erziehungsarbeit abzunehmen. Türkisches und arabisches Satellitenfernsehen lässt erst gar keine Langeweile aufkommen. Dank fehlender deutscher Sprachkenntnisse droht auch kein Zwang, Arbeit aufnehmen zu müssen. – Dadurch ist der Bestand und das weitere, vom türkischen Staat ausdrücklich begrüßte Wachstum der separaten türkischen Volksgruppe in Deutschland auf Jahrzehnte hinaus gesichert. Lest hier noch einen weiteren Abschnitt aus der scharfen Analyse des Tagesspiegels vom 08.07.2009:

Kein Ende in Sicht
Als Bildungssenator Zöllner sein neues Amt in Berlin antrat, schlug sich sein Optimismus auch darin nieder, dass er von „Migration als Chance“ sprach. Davon ist in letzter Zeit wenig zu hören. Wenn es heute in der Schulpolitik um Migration geht, dann meistens in Zusammenhang mit versickernden Mitteln für die Sprachförderung, mit großen Grundschulklassen oder Schülern ohne Abschluss. […]

Hinzu kommt, dass in der Türkei noch längst nicht überall die achtjährige Schulpflicht durchgesetzt werden kann: Immer wieder tauchen bei den Mütterkursen Frauen auf, die nur vier Jahre zur Schule gegangen sind. Sie beherrschen ihre eigene Sprache nur primitiv, sodass es ihnen doppelt schwer fällt, eine neue Sprache zu adaptieren.

Die Heiratspolitik der Türken, dazu das frühere Heiratsalter und die höhere Geburtenrate auch bei anderen problematischen Migrantengruppen wie den Libanesen führt dazu, dass der Migrantenanteil in den Schulen Jahr für Jahr steigt. So lag er in Nord-Neukölln bei den Erstklässlern noch vor kurzem bei 75 Prozent, ist aber jetzt laut Bildungsstadtrat Wolfgang Schimmang SPD bei 83 Prozent angekommen. Selbst in Süd-Neukölln – Britz, Buckow, Rudow – sind nur noch 60 Prozent der Erstklässler deutscher Herkunft.

Rot-Rot reagiert auf diese Zuspitzung kaum. Vielmehr sind die Stellen für die Sprachförderung seit Jahren bei rund 1000 Stellen gedeckelt: Die finanziell klamme Stadt gebe doch schon 50 Millionen Euro aus, wird argumentiert. Mehr sei eben nicht da. Allerdings wird kaum kontrolliert, was mit diesen 50 Millionen passiert: Allgemein bekannt ist vor allem, dass die Stellen als Vertretungsreserve beliebt sind.

Noch einmal hervorzuheben: der reflexhafte Ruf nach noch mehr Förderung – und das völlige Ausbleiben von irgendwelchen Forderungen an die türkische und arabische Volksgruppe.

Meine Bitte an alle Leser dieses Blogs: Sucht das Gespräch mit Türken und Arabern über die Dauermisere, in der sie es sich mit kräftiger Hilfe des Staates und der Migrantenverbände bequem gemacht haben. Hört euch ruhig und gelassen an, wie sie alle Schuld den Verhältnissen, dem deutschen Sozialstaat und der deutschen Restbevölkerung geben. Wie sie nie auch nur die geringste Schuld bei sich selber suchen. Sprecht mit türkischen und arabischen Jugendlichen über ihre Träume, ihre Verzweiflung! Was wollen sie? Wollen sie ein Fahrrad – oder einen tiefergelegten BMW mit Heckspoiler? Einen Hochschulabschluss – oder eine Frau aus der alten Heimat und zahlreiche Nachkommen?

Sucht bitte auch das Gespräch mit echten Zuwanderern aus Russland, aus Vietnam und China, fragt sie, was sie von der deutschen Integrations- und Schulpolitik halten. Euch werden die Ohren abfallen! Fragt deutsche Familien mit Kindern, weshalb sie aus Kreuzberg oder Neukölln oder Mitte weggezogen sind und weiterhin wegziehen. Ladet die Türken zu euch nachhause ein. Lasst euch einladen. Reist in die Türkei und nach Libanon, um die ärmlichen Verhältnisse kennenzulernen, denen die durch familiäre Netzwerke vermittelten zuwandernden Bräute entkommen.

Lernt Türkisch und Arabisch, lest ausführlich die deutschlandfeindlichen Kommentare in der türkischen und arabischen Presse!

Redet mit deutschen Erzieherinnen und Lehrerinnen, mit den Schulleitern und Schulleiterinnen in den Berliner Innenstadtbezirken. Sucht das Gespräch mit Bezirksstadträten für Bildung und mit Gefängnisdirektoren! Setzt euch in die Schulklassen, hospitiert!

Gestern las ich über die Rütlischule: Vieles ist besser, in vielen Klassen sind jetzt zwei Lehrer, der eine passt auf, während der andere sich zur Tafel dreht. Das ist gut, die Lehrer haben keine Angst mehr vor den Schülern. Das lässt nur einen Schluss zu: Die türkischen und arabischen Jungmänner fahren Schlitten mit unserem Schulwesen, ganz wie es ihnen beliebt.

Und noch eine Bitte, die ich immer öfter äußere: Bitte nicht glauben, dass sich mit noch mehr Geld die Probleme lösen lassen. Wir brauchen einen schärferen, deutlich strengeren Ton gegenüber den jungen Türken und Arabern. Wir brauchen ein grundlegendes Umdenken im Umgang der verschiedenen Volksgruppen miteinander.

Seit Jahrzehnten sehe ich türkische Hinweisschilder in Berlins Bädern – so als könnte man es nicht verlangen, dass die Türken nach 40 Jahren Leben in Deutschland deutsche Hinweisschilder lesen. Sind sie wirklich so dumm? Wo bleiben die russischen, die arabischen, die englischen Hinweisschilder in Berlins Bädern? Wollen wir ein weiterhin mehrkulturelles, auseinanderfallendes Gemeinwesen mit kultureller Apartheid wie jetzt – mit einer fortschreitenden und sich unaufhörlich weiter verstärkenden Entmischung der Volksgruppen? Dann sollte man ehrlicherweise Türkisch, Arabisch und Russisch – ähnlich wie dies die Schweiz oder Belgien mit ihren Sprachen gemacht haben – als gleichberechtigte Amts- und Staatssprachen einführen, und Deutschland klar definieren als hochkomplexes, multiethnisches, staatenähnliches Gebilde ohne eine gemeinsame  Landessprache, ohne eine gemeinsame Leitkultur. Das wäre dann die Festschreibung des Status quo. Darauf läuft es derzeit zu. Seien wir doch ehrlich: Diesen Zustand haben wir doch längst in ganzen Stadtvierteln Berlins erreicht! Die monoethnischen türkischen und arabischen Straßenzüge nehmen zu, ein Aufbrechen der Grenzen ist bisher nicht erkennbar.

Oder setzen wir uns zusammen und erarbeiten ein Ideal einer Bundesrepublik Deutschland, zu der jeder Zugang gewinnen kann, der sich hier wirklich beheimaten möchte? Das würde voraussetzen, dass jede und jeder Verantwortung für sich und andere übernimmt. Wie es Henning Wehland von den Söhnen Mannheims gestern sagte:

„Leute, seht zu, dass jeder einzelne Verantwortung hat und es nicht darum geht, zu sagen, ich kann ja eh nichts ausrichten. Jeder Move macht was aus. Jeder einzelne kann für sich Verantwortung übernehmen.“

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Zum Kinde wird der Mann: „Ich möchte das … und zwar sofort!“

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Juni 212009
 

Einer der für mich wichtigen Philosophen ist – Ludwig Wittgenstein. Von ihm habe ich gelernt, „Sprachspiele“ zu untersuchen. Wie gehen Menschen mit Worten um? Was tun sie damit? Welchen Spielregeln folgen sie? Nehmen wir den Satz:

„Ich möchte x, und zwar sofort!“

Wer so spricht, beschreibt etwas über sich selbst: Er weist darauf hin, dass ihm im jetzigen Zustand etwas fehlt. Er begehrt einen Zustand, den er noch nicht hat. Damit drückt er aber letztlich aus: Gebt mir x, und zwar sofort! Er versucht, unser Verhalten in der von ihm gewünschten Richtung zu beeinflussen.

Beispiel:

„Ich möchte einen Apfel, und zwar sofort!“

„Ich möchte  die Flasche, und zwar sofort!“

„Ich möchte die Brust, und zwar sofort!“

Diesen Satz wird ein Baby kaum aussprechen können. Durch lautes Geschrei und Toben macht der hungrige Säugling aber darauf aufmerksam, dass ihm etwas fehlt.

Die Mutter wird dem Kind üblicherweise die Brust geben, um das mitunter unerträglich laute Schreien zu stillen. Eine sinnvolle Handlung! Die Evolution hat es weise eingerichtet. Denn in der Tat gibt es für das Neugeborene fast nichts wichtigeres als ausreichend das Bestmögliche zu trinken – und das ist nun einmal die Muttermilch. Erst im Laufe vieler Monate wird das Kind lernen, dass es kein Unglück bedeutet, wenn seine dringenden Bedürfnisse nicht sofort erfüllt werden. Das Kind lernt schmerzhaft, seine Wünsche aufzuschieben. Es lernt: Ich kann nicht immer alles sofort haben.

„Ich möchte auf das Gelände. Und zwar sofort!“ Wieder einmal fand unser Wahlkreiskandidat Hans-Christian Ströbele den richtigen Ton. Mit dieser klassischen Formulierung trifft er erneut das Grundgefühl, das die fröhlich-feiernde Truppe am Tempelhofer Zaun beseelt. „Das Gelände gehört uns“, „wir wollen da rein“, diese und andere Sätze drücken unwiderleglich das kindhafte Grundgefühl aus: „Was ich will, müsst ihr machen. Sonst schrei ich laut!“Das ist natürlich emotionale Erpressung, wie sie die Säuglinge in ihren Betten nicht besser hinkriegen könnten.

Man wird das verspielte Treiben nur begreifen, wenn man die sogenannten Autonomen mit den Mitteln der Kinderpsychologie analysiert. Sie haben es nicht gelernt, ihre Wünsche aufzuschieben. Sie haben nicht die Erfahrung gemacht, dass die Welt nicht untergeht, wenn sie nicht das sofort bekommen, was sie sich wünschen. Was sie bei solchen Aktionen durchleben, ist im Grunde eine über Jahre oder Jahrzehnte hinweg aufgeschobene Auseinandersetzung mit dem, was ihnen fehlt: eine neinsagende, klare Grenzen ziehende und dennoch gütige Instanz, wie es gute Eltern sind. Die Auseinandersetzung mit der Staatsmacht ermöglicht es ihnen, nicht ausgetragene infantile Konflikte unter großer Anteilnahme der Öffentlichkeit zu inszenieren. Das klingt wie ein absurdes Theater, das die Chaoten da veranstalten? Richtig, es ist in gewissem Sinne ein absurdes Theater, auch darin ist Ströbele zuzustimmen. Der Applaus für die Darsteller besteht in der medialen Aufmerksamkeit – es ist wie Klatschen.

Das haben mir erfolgreiche, gut verdienende Künstler immer wieder bestätigt: „Der Applaus, die Bewunderung, die ungeteilte Aufmerksamkeit – das ist das Wichtigste – nicht das Geld.“

Kaum ein anderer Akt ist bezeichnender für diese Grundhaltung des „Ich möchte das … und zwar sofort!“ als das Anstecken der Autos, wie es seit Monaten die Stadt Berlin in Atem hält. Besonders hervorzuheben ist, dass diese Anschläge besonders rasch und ohne Vorbereitung erfolgen. Der Täter muss also keinen Wunschaufschub üben, sobald es dunkel geworden ist.  Es sind Verbrechen, die keiner ökonomischen, sehr wohl aber einer psychologischen Gesetzlichkeit folgen – im Gegensatz zu einem Bankraub etwa, der sorgfältiger Planung bedarf und bei bei dem der Täter einen dauerhaften wirtschaftlichen Nutzen davonträgt. Diese scheinbar spontanen Verbrechen wie etwa Brandstiftungen sind allerdings die gefährlichsten, denn sie verschaffen einen nichtmateriellen Gewinn, ein Lustgefühl, das nach Wiederholung schreit wie etwa der Zustand des High-Seins: „Denen habe ich es aber gezeigt!“ Es sind Racheakte unglücklicher Kinder, die sich so ausdrücken.

Wenn junge Erwachsene sich im Grunde wie Kleinkinder benehmen und das Ganze Politik nennen – sollte man sie nicht einfach lassen? Nein, dies wäre nicht nur hochgefährlich. Es ist hochgefährlich. Denn Babys können nur schreien, um uns zu erpressen. Sie können keine Autos anzünden. Sie würden es aber tun, wenn man sie ließe.

Dem Bundestagsabgeordneten Hans-Christian Ströbele gebührt Dank und Anerkennung, dass er die zutiefst infantile Logik, die hinter den Anschlägen, hinter all den pseudo-revolutionären Umtrieben steckt, in eine geradezu klassisch einfache Formel gegossen hat:

„Ich möchte … und zwar sofort.“

Er greift damit den alten Sponti-Spruch auf, wie er (glaube ich) in der Frankfurter Hausbesetzerbewegung der 1970-er Jahre zuerst aufkam: „Wir möchten alles – und zwar sofort.“

Ihnen allen möchte man entgegenrufen:

„Es wird schon gut. Und jetz schlaf schön. Gleich kommt der Sandmann. Mama ist ja da. Sie wird dich vor den bösen Polizisten beschützen.“

Tempelhof-Besetzung: Katz- und Maus-Spiel um den Flughafen – SPIEGEL ONLINE – Nachrichten – Panorama
Viele halten die massive Polizeipräsenz deshalb für übertrieben. So auch der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele, der mit dem Fahrrad über den Columbiadamm fährt. „Was die Polizei hier veranstaltet, ist ein absurdes Theater“, sagt Ströbele. Und fügt hinzu: „Ich möchte auf das Gelände, und zwar sofort.“

 Posted by at 09:25
Mai 062009
 

So erscholl das hübsche Gedicht reklame von Ingeborg Bachmann in meine Gymnasialtage hinein. Wer dächte nicht an derlei Beschwichtigungsrufe, wenn er das neueste Ohnsorg-Kabinettstückchen vernimmt! Aber lest selbst, welch frohe Kunde Spiegel online heute bringt:

Kürzungsverbot: Bundesregierung beschließt Rentengarantie – SPIEGEL ONLINE – Nachrichten – Politik
Der Rückgang von Löhnen und Gehältern soll künftig nicht zu Rentenkürzungen führen: Das Bundeskabinett hat dafür am Mittwoch die erweiterte Rentenschutzklausel beschlossen. Das erfuhren mehrere Nachrichtenagenturen aus Regierungskreisen. Mit der Entscheidung soll sichergestellt werden, dass die Renten für die rund 20 Millionen Ruheständler auch bei rückläufigen Löhnen nicht sinken.

Freunde, Partnerinnen und Partner im Generationenvertrag! Ich gönne den Rentnern jeden Euro doppelt und dreifach, aber eine derartige Blanko-Zusage halte ich für einen weiteren jener zahlreichen ungedeckten Schecks, die unsere hochgeehrte Bundes-Obrigkeit ausstellt. Wie lange wird dieser Scheck halten? Oder wird er uns mit Wucht auf die Füße fallen wie etwa die Abwrackprämie?

Ich meine: Die Koppelung der Rentenzahlungen an die Löhne und Gehälter ist sinnvoll und muss unbedingt beibehalten werden. Man kann und muss selbstverständlich hin und wieder die Rentenformel anpassen und im Blick auf den demographischen Faktor nachjustieren. Dies ist ja auch beispielsweise 2001 geschehen. Ich halte die modifizierte Bruttolohnanpassung, wie sie im Gesetz zur Sicherung der nachhaltigen Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung eingeführt wurde, für richtig. Mit der Rentenformel werden die Generationen unauflöslich aneinander gekoppelt, im Guten wie im Schlechten.

Man sollte daran nicht zugunsten von Reklame drehen.  Oder will die Bundesregierung noch mehr Wähler in die Arme der FDP treiben? Ist das ihre Absicht? Keine Sorge, es wird schon hinhauen!

 Posted by at 12:14

„Kopf aus. Motor an. Geld her.“ Oder: Die Abwrackung der Vernunft

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März 312009
 

Bei der heutigen Aktion Kopf an. Motor aus. stand auch das Bundesumweltministerium als Pate auf den Pappschildern, die ich lächelnd in die Kameras hielt. Ich machte also irgendwie Werbung für – die Bundesregierung! Hier seht ihr den schreibenden Blogger in der grünen Jacke:

Die Bundesregierung fordert die Bürger auf, das Auto bei Kurzstrecken stehenzulassen und lieber zu Fuß zu gehen oder mit dem Rad zu fahren. Ein guter Ratschlag, denn jeder weiß: Kurzstrecken verschlingen besonders viel Kraftstoff, sie tragen besonders viel zur Belastung der Atmosphäre bei. Außerdem verringern häufige Kaltstarts die Lebensdauer eines Motors.  Wer nachhaltig wirtschaftet und auch auf die Umwelt achtet, wird sein Auto nicht für Kurzstrecken verwenden. Dann hält es länger bis zur Abwrackung.

Womit wir beim Thema wären: Denn  zeitgleich mit dem Aufruf: „Lasst das Auto stehen!“ fordert uns die Bundesregierung auf: „Kauft Autos, zerstört mittelalte Autos, wir schenken euch den Gegenwert eines etwa 10 Jahre alten Autos – ohne Bedingungen.“

Thomas de Maizière, Fritz Kuhn und einige wenige Politiker, die noch ihre fünf Sinne beisammen haben, und obendrein der einhellige Chor der Wirtschafts- und Finanz-Fachleute bezeichnen die Abwrackprämie öffentlich als Unfug (Der Spiegel, 14/2009, 30.03.2009, S. 61). Fällt der CDU und der SPD wirklich nichts Gescheiteres mehr ein?

Doch belehrt uns ein Blick in die Türkei eines Besseren, sofern wir am Verstand der Politik zu zweifeln begannen: Es gelang letztes Wochenende der AKP im kurdischen Osten, mit dem Verschenken von Kühlschränken, die gleich per LKW herangekarrt worden waren, die Kommunalwahlen zu gewinnen. Wir können uns also beruhigen: Wahlgeschenke, ob sie nun als Kühlschrank oder Auto daherkommen, wirken – die Zeche zahlt die nächste Generation.

Wie passt nun die von der Bundesregierung getragene Kampagne „Kopf an. Motor aus“ zur von derselben Bundesregierung getragenen Abwrackkampagne „Kopf aus. Motor an. Geld her“?

Antwort: gar nicht. Es ist erneut ein großer Un-fug, beide Kampagnen gleichzeitig laufen zu lassen. Daraus spricht – wie de Maizière richtig erkennt – die „Feigheit“ der Politiker vor dem Volk. Ein höchst gefährliches Spiel! Es ist, als wollte man unartigen Kindern sagen: „Ich schenke Dir ein herrliches Spielzeug, damit du mich liebst. Aber spiele nicht damit. Und wisse: Deine Kinder werden dieses Spielzeug mit Zins und Zinseszins zurückzahlen.“ Das Kind wird die Eltern für verrückt halten – oder es wird selber verrückt.

Der Psychiater spricht von „Doppelbindung“ – einer in sich widersprüchlichen Haltung, mit der das Kind nicht fertigwerden kann. Diese Haltung kann auf Dauer zur emotionalen Abhängigkeit oder zur psychischen Störung führen. Man wird sehen, ob die Wähler-Kinder die Bundesregierung-Eltern von ihrem gefährlichen Irrweg abbringen.

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Füllen Sie Wasser in den Tank der Marktwirtschaft, oder: Wer kann schon etwas gegen den Weihnachtsmann haben?

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März 262009
 

Eine sprudelnde Quelle von staatlichen Beihilfen für einzelne Branchen bleibt Italien. Das Land ist deshalb mittlerweile in der Rangliste der Volkswirtschaften weit nach hinten gefallen, der Produktivitätszuwachs liegt weit unter dem anderer EU-Staaten.  Und als eine der Ursachen dafür benennen Fachleute den allzu ungehinderten Umgang mit staatlichen ‚aiutini‘.  Selbstverständlich gibt es in Italien auch die Verschrottungsprämie – sie wird noch bis 31.12.2009 weiterlaufen. Allerdings hat man sich in Italien mindestens bemüht, einen Umweltanteil einzubauen; wer sein Auto bloß verschrottet, ohne ein neues zu kaufen, erhält immerhin 80 Euro auf die Hand und ein Jahres-Abo im öffentlichen Verkehr:

Incentivi e rottamazione senza segreti Ecco la guida per avere i vari bonus – Motori – Repubblica.it
INCENTIVI CON ROTTAMAZIONE DI AUTO EURO0 O EURO1
Se si distrugge una vecchia auto e non si compra nulla (la famosa „rottamazione pura“ voluta dai verdi) si ottiene un micro bonus di 80 euro che copre i costi di rottamazione dell’auto e un abbonbamento ai mezzi pubblici, ma per avere la tessera „intera rete“ per un anno non bisogna essere intestatari di altre auto).

Ansonsten gilt: Das jahrzehntelange Beihilfewesen, die innige Verquickung zwischen Brancheninteressen und Politik hat die italienische Autoindustrie zurückgeworfen, der Konzentrationsprozess hat stark zugenommen, der Wettbewerb ist massiv beeinträchtigt, die italienischen Autos werden außerhalb des Landes kaum gekauft. Mit einem Wort: Wenn Staaten gezielt Branchen aufpäppeln und verwöhnen, füllen sie Wasser in den Tank der Marktwirtschaft. Sie spielen Weihnachtsmann und Osterhase. Worüber sich natürlich alle Wähler-Kinder freuen.

Was Italien kann, kann das Land Berlin ebenfalls:  Die Frankfurter Allgemeine Zeitung bringt heute im Finanzteil auf S. 20 einen Rückblick auf die Bankgesellschaft Berlin. „Das Berliner Bankendesaster war bis zum Scheitern der IKB das größte in der deutschen Nachkriegsgeschichte.“ Und dem damals bereits hoch verschuldeten Bundesland Berlin gebührt das zweifelhafte Verdienst, einen Banken-Schutzschirm in der damals noch gigantischen Höhe von 21,6 Milliarden Euro aufgespannt zu haben. An den Folgen wird das Land noch jahrzehntelang zu tragen haben. Berlin macht’s vor!

Die FAZ kommentiert: „Parallelen zur aktuellen Finanzkrise sind unverkennbar: Es wurden Kredite vergeben, die nicht hätten vergeben werden sollen, die Risiken wurden in anderen Finanzprodukten versteckt.“

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Schweden sagt Nein zur GM-Tocher, oder: Wie machen’s die anderen?

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März 232009
 

Es war wieder einmal herzergreifend gestern bei Anne Will.  „Wollen Sie diese tüchtige Familie, die seit 100 Jahren für und bei Opel arbeitet, wirklich herzlos in ein schwarzes Loch fallen lassen, Frau Bundeskanzlerin?“ Diese Rede schwebte unausgesprochen im Raum, Gefühle wogten hin und her. Ohne Gefühlszeugen geht es offenbar nicht mehr ab im guten deutschen Bekenntnisfernsehen. Von Vertrauen war viel die Rede, von Krise sowieso, von Opel auch – ein herrlicher Dauerbrenner! Opel stellt also tatsächlich mit dem Insignia Autos her, die ohne zusätzlichen Treibstoff 6 Monate lang durch die Zeitungen, Fernsehsendungen und Blogs fahren: das ist Weltrekord, Öko-Effizienzklasse AAA!

„Wir hängen alle von der Firmenmutter ab!“ Dieser Satz wurde gesagt.  Ach Mutti! Ach Vati Staat, lass uns nicht hängen!

Merkel zog sich den Schuh der herzlosen Mutter gar nicht erst an, sondern wehrte geschickt alle Versuche ab, mit denen die Moderatorin Anne Will ihr ein schlechtes Gewissen einzuflößen versuchte. Sie zeigte Einfühlung: „Wir werden als Staat auch helfen, das ist klar.“ Na bitte, das ist doch schon was.

Ansonsten:  Erneut das Bekenntnis zu Wohlstand und Sicherheit. Kein Politiker ist so herzlos dem Volk zu sagen: Unser Wohlstand wird wegen eines erwarteten Minuswachstums Einbußen erleiden, wir werden weniger Geld in der Tasche haben, es wird weniger soziale Sicherheit geben.

Wie machen es die anderen? Ach, so herzlos sind die Schweden! Sie haben ein klares Nein an die GM-Tocher Saab ausgesprochen. Jetzt wissen alle, woran sie sind, es wird noch einmal ein paar Tage heftigst geklagt, und dann werden sich die Arbeiter und Angestellten etwas Neues suchen, etwas Neues aufbauen. Das Meer ist groß und breit – die Welt steckt voller Möglichkeiten!

Buck up, we’ll get along! So Charlie Chaplin am Ende des Films Modern Times.

Über das endgültige Nein des schwedischen Staates zu Beihilfen für Saab berichtet der International Herald Tribune heute:

Sweden says no to saving Saab – International Herald Tribune
[…] the Swedish government has responded to Saab’s desperate financial situation by saying, essentially, tough luck. Or, as the enterprise minister, Maud Olofsson, put it recently, „The Swedish state is not prepared to own car factories.“

Such a view might seem jarring, coming as it does from a country with a reputation for a paternalistic view of workers and companies. The „Swedish model“ for dealing with a banking crisis — nationalizing the banks, recapitalizing them and selling them — has been much debated lately in the United States, with free-market defenders warning of a slippery slope of Nordic socialism.

[…]

„I’m being optimistic, because I can’t envision a time when Saab doesn’t exist,“ Mr. Andersson said in an interview in City Hall.

His son worked at Saab for a decade; his daughter’s boyfriend works there now. „Saab is our identity,“ he said. „We have lived with it for many years, and it’s very important to all of us.“

Saab was always known for its innovative engineering. But analysts say that in recent years, with General Motors’s emphasis on volume rather than individuality, it has lost its edge.

„Under G.M.’s ownership, they denuded the intellectual content behind the brand,“ said Peter Wells, who teaches at Cardiff Business School in Wales and specializes in the automotive industry. „Its products are not exciting enough, and Saab doesn’t have a strong brand identity anymore.“

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März 222009
 

conze_sicherheit.jpg Am Ruhetag des Herrn beschränken wir uns darauf, das zu lesen, was offen auf dem Tisch liegt. Heute: einer der besten Buchprospekte, die ich je las: vorne werden Bücher  wie das gestern gepriesene „Kultur, um der Freiheit willen“ oder Helmut Schmidts „Außer Dienst“ angezeigt, hinten Bücher mit äußerst beredten Titeln wie etwa „Der Aufstieg der Anderen“, „Kalte Heimat“ oder „Klang ist Leben“. Aber mein Auge bleibt haften an einem ganz besonders klangvollen, in ausgepicht-raffinierter Art bebilderten Buchtitel: „Die Suche nach Sicherheit. Eine Geschichte der Bundesrepublik Deutschland von der Gegenwart bis zu den Anfängen.“ In wenigen Worten fasst der Flugzettel den Inhalt des Buches in folgenden Worten zusammen:

„Historisch erklärbare, kollektive Erwartungen an ein friedliches,  sozial gesichertes Gemeinwesen haben seit 1949 sowohl innen- als auch außenpolitisch die Entwicklung Westdeutschlands entscheidend geprägt. Eckart Conze spürt in seiner umfassenden Geschichte der Bundesrepublik Deutschland dem prägenden Konzept von Sicherheit nach und erhellt in einer spannenden Erzählung den Hintergrund gegenwärtiger Reformdiskussionen und Reformblockaden.“

Den Buchtitel ziert der glänzend-weiß verhüllte Reichstag. Straff überzogen ruht das Geschichts-Paket, abgeschirmt gegen die Fährnisse der Außenwelt.  Es ist, als wollte man mit diesem gigantischen Überzieher den Kern des politischen Entscheidens für einen Augenblick dem Tagesbetrieb entziehen: Absicherung vor dem Draußen, Verhütung des Wandels, Stillstellung der Gegenwart – der Anschein der Sicherheit. Eine Illusion gewiß, aber eben doch ein schöner Schein, dem Tausende damals zujubelten.

Die Suche nach Sicherheit – ist dies das Grundthema der Geschichte der Bundesrepublik? Suche nach „sozialer Absicherung“, nach Einbettung in eine „Sicherheitsarchitektur“, nach dem abgezirkelten Ausbalancieren der Gegensätze?

Wir werden für das Verständnis der neuesten politischen Geschichte viel gewonnen haben, wenn wir die gegenwärtige Ratlosigkeit als Zeugnis eines nicht hinreichend bedachten Gegensatzes zwischen den beiden Polen Sicherheit und Freiheit begreifen.  Die gesamte akademische Elite, und ebenso die politische Klasse unseres Landes scheuen mit saumseliger Zögerlichkeit davor zurück, sich zu diesen beiden einander bedingenden Polen ins Verhältnis zu setzen.

Nur die Partei Die Linke setzt ganz klar auf den Pol Sicherheit: Erhöhung der Grundsicherung auf 500.- Euro, möglichst weitgehende Absicherung der einzelnen Bürger gegen alle Widrigkeiten des Daseins. Man geht nicht fehl, wenn man die Linke als die im engeren Sinne konservative Kraft in Deutschland bezeichnet: Das vorherrschende Sicherheitsdenken, ererbt aus dem Kaiserreich, weitergetragen in den realen Sozialismus, wird nunmehr noch um eine Drehung verfestigt: Während es in der DDR-Verfassung und auch in der gelebten Wirklichkeit noch eine echte  Arbeitspflicht gab,  fällt dieses letzte Merkmal einer Beziehung auf Gegenseitigkeit ganz weg: die Grundsicherung nach den Vorstellungen der Linken wird ohne Bedingungen gewährt, der Staat übernimmt eine Letztgarantie für das Wohlergehen der Bürger und erkauft sich so wie in der Vergangenheit die absolute Unterwerfung. Denn man täusche sich nicht: Je stärker der Staat die Verantwortung für Wohl und Wehe der Bürger insgesamt übernimmt, desto mächtiger wird er, desto unhintergehbarer wird er. Es gibt dann irgendwann kein Außerhalb des Staates mehr – der Schritt zum totalitären Staat ist getan.

Der andere Pol – die Freiheit – ist nahezu verwaist. Ich sehe niemanden in der Landschaft, der klar, entschieden und mutig sich für die Freiheit ins Feld würfe. In einem Land, das Denker der Freiheit wie Friedrich Schiller, Hegel, Schelling, Fichte, Hölderlin, Hannah Arendt und Ludwig Erhard hervorgebracht hat, gibt es keinen einzigen maßgeblichen Politiker, der in der gegenwärtigen Krise noch einen emphatischen Begriff von Freiheit verträte. Nur einzelne, ganz vereinzelte Stimmen wie etwa der Historiker Christian Meier oder die Politikerin Vera Lengsfeld begehren gegen die Vorherrschaft des Sicherheitsdenkens auf. Sie sind noch eine kleine Minderheit.

Aber insgesamt reihen die Politiker sich verzagt und verstummend in die Reihen derer ein, die den Staat vor allem und zunächst als Bürgen der Sicherheit sehen – nicht als Ausdruck der Freiheit.

Den Journalisten, Soziologen und Politologen hat es – bei allem beredten Getöse und Geraune – die Sprache verschlagen: Man lese, als ein Beispiel von Hunderten, doch nur etwa das Interview des Soziologen Ulrich Beck im heutigen Spiegel online – es ist ein Offenbarungseid: Jahrzehntelange Forschungen zum Thema Risikogesellschaft entpuppen sich als Makulatur, weil versäumt wurde, Freiheit und Sicherheit als einander bedingende Pole zusammenzudenken. Ziel der Risikosoziologie, der Risikopolitik, der Risikoanalyse, der Risikowirtschaft war es ja, das Risiko einzugrenzen, zu managen, beherrschbar zu machen.  Das ist der Grundgedanke der Futures und Hedgefonds – der Terminobligationen und Warenterminkontrakte. Und darauf beruhte zuletzt im wesentlichen der gigantische Finanzkreislauf der Erde – was für eine planetarische Verirrung!

Die Freiheit – war das große andere zur Sicherheit, das geradezu panisch ausgespart wurde.

Es ist kein Zufall, dass ausgerechnet im Banken- und Versicherungswesen die gegenwärtige Krise ausgebrochen ist: verkörpern Banken und Versicherungen doch wie keine andere Institution das Streben nach Sicherheiten, Bürgschaften, Garantien. Die „Besicherung“ der Hypothekenkredite war in den USA nicht mehr gegeben – so geriet das ganze Kartenhaus ins Wanken. Sicherheiten, Sicherheiten, Sicherheiten – das verlangte der Chor der Makler und Banker – „Wir geben euch Sicherheiten!“ so erschallte es aus dem Munde der Politiker zurück. Und gerettet ward die Hypo Real Estate und viele andere dazu.

Es ist kein Zufall, dass ausgerechnet im Automobilbereich derzeit die meiste Energie, die eigentlich zum Lösen der Probleme benötigt würde, sinnlos verheizt wird: Denn kein anderes Gerät verkörpert so sehr wie die großen massigen Geländewagen, die GM an den Bettelstab gebracht haben, den übermächtigen Wunsch nach Sicherheit: Sicherheit für die Insassen vor den Unebenheiten der Fahrbahn, vor all dem Widrigen des Daseins. Übertriebenes Streben nach Sicherheit und Komfort, das die allzu großen Wagen der GM bedienen und verstärken sollten, riss die GM-Tocher Opel in den Abgrund.  Die Politik steht staunend und verzagt vor diesem Abgrund und ruft hinterher: „Welche Sicherheiten verlangt ihr? Und im Gegenzug: Was ist die Sicherheit, die ihr uns gewährt?“

Ihr seht: Sicherheit gegen Sicherheit, do certitudinem ut des certitudinem,  Bürgschaft als Gegenleistung für politisches Wohlverhalten, Sicherheitsversprechen im Tausch für Wählerstimmen, das ist das betrübliche Spiel, das in einer Endlosschleife derzeit aufgeführt wird.

Aber Sicherheiten, die nur auf Sicherheiten begründet sind, werden zuletzt zur Lähmung: denn Sicherheit ohne Vertrauen in die Freiheit führt zur Blockade, führt zum Stillstand. Und genau das geschieht – Stillstand im Fall Opel seit über 5 Monaten, wie auch in vielen anderen Fällen – im Sozialbereich, in der Außen- und Verteidigungspolitik.

Vieles gäbe es hierzu zu sagen.

Für heute abend bleibe ich jedoch bei meiner mittlerweile gefestigten Überzeugung: Die deutsche und die europäische Politik leidet insgesamt an einem zu starken Sicherheitsbedürfnis. Der Gegenpol Freiheit wird vernachlässigt, es gibt keine namhafte politische Kraft in Europa, die diesen Pol besetzt hat. Das ist ein Schaden für das Ganze.

Was wir brauchen, ist eine Öffnung der Herzen und Geister zum frischen Wind der Freiheit, zum Ausgesetzten, zum Offenen – zur Einsicht in den grundsätzlich ungesicherten Zustand der Gesellschaft und des Einzelnen. Aus diesem Ungesicherten heraus erwächst Freiheit. Vertrauen in das eigene Vermögen, das Strebensglück zu erlangen. Freiheit bedeutet: Anerkennung, dass es im Politischen keine letzte Sicherheit gibt – keine letzte Sicherheit geben soll. Nur so kann aus der Freiheit-von, etwa der Freiheit von generationenübergreifenden Staatsschulden, eine Freiheit-zu, eine Freiheit etwa zur Gestaltung einer neuen Finanzordnung entstehen.

Wie kann dies geschehen? Dieser Frage werden wir uns in den nächsten Wochen widmen. Unsere nächste „Bürgin“ wird Hannah Arendt sein, deren Büchlein „Was ist Politik?“ wir nach dem hier angedachten Freiheitsbegriff durchforschen werden.

Wird die Kanzlerin Angela Merkel heute abend ihrer Gesprächspartnerin Anne Will etwas zu ihrem Verständnis der Freiheit sagen? Wir werden sehen und sind gespannt!

Mittlerweile empfehle ich den hier beigezogenen Faltprospekt des Siedler Verlags zum eifrigen Nachsinnen und Nachdenken.  Der Prospekt ist kostenlos in die Bücher des Verlages eingelegt.

 Posted by at 22:16

Zeigen Sie Rückgrat, Herr Minister!

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März 172009
 

Unser Blog-Dauerbrenner „Staatsknete für Opel“ geht in den fünften, den hoffentlich entscheidenden Monat. Was die Therapeuten „paradoxe Intervention“ nennen, das könnte man in diesem künstlich hochgebauschten Verhandlungsmarathon „Umschalten von Bitten auf Angreifen“ nennen. Die CDU/SPD-Regierung hatte wegen einer bunten  Gemengelage an Machterhaltungsinteressen nicht die Kraft, beizeiten mit einem heilsamen „Nein!“ an die Öffentlichkeit zu treten, obwohl doch genug Argumente seitens der Fachleute bereitlagen, ja selbst das Wahlvolk bereits zu 50% sich gegen staatliche Hilfe für Opel ausgesprochen hatte. Man muss es den Leuten nur erklären, dann werden sie schon einsichtig sein, mindestens in diesem Fall. Davon bin ich überzeugt.

Ich hoffe sehr, dass in dieser Nachspielzeit ein klärendes, abschließendes Wort fällt. Es ist noch nicht zu spät.

Gespräche mit GM: Guttenberg schaltet auf Angriff – SPIEGEL ONLINE – Nachrichten – Politik
Der Frust darüber saß tief in der deutschen Delegation. Es sei „unglaublich“, was man in den Verhandlungen mit dem Auto-Giganten in den vergangenen Wochen erlebt habe, sagte ein Vertreter. Man traue generell den Zahlen nicht mehr, mit denen GM in Verhandlungen hantiere.

„Seit Monaten stellt Berlin in Washington und Detroit die gleichen Fragen“, klagte Guttenberg selbst in New York. „Seit Monaten bekommt man keine Antworten.“ Das lasse am Willen der Amerikaner zweifeln, das Problem zu lösen. Oder ist das nur Verhandlungstaktik von GM? Guttenberg lachte: „Ich kann vor Pokern nur warnen.“ Was auch ein wenig drohend klang.

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„Warum soll ich ins Saarland umziehen? Hier hab ich doch alles!“

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März 172009
 

„Das Arbeitsamt hat mir eine Stelle in meinem Beruf  im Saarland angeboten. Hab ich abgelehnt. Warum soll ich umziehen? Hier hab ich doch alles. Meine Eltern und meine Kinder leben hier. Ich bin hier in Kreuzberg geboren, mit Hartz IV kommen wir gut hin, wir fahren einmal im Jahr zu den Verwandten in der Türkei. Es geht uns gut hier.“  So erzählte mir ein in Berlin aufgewachsener und ausgebildeter Kreuzberger Handwerksmeister vor einigen Monaten. Das Gespräch fällt mir heute wieder ein.

Finanzsenator Sarrazin verabschiedete sich gestern mit einigen klaren Aussagen aus seinem Amt. Und siehe da – er behauptet dasselbe, was ich in diesem Blog schon seit einigen Wochen vertrete, nämlich: „Mit mehr Geld ist den sozialen Problemen Berlins nicht beizukommen.“ Es ist ein Fass ohne Boden. Wie üblich unterfüttert Sarrazin seine Aussagen mit einem sorgsam zusammengetragenen Zahlenwerk. Wir zitieren aus dem Tagesspiegel:

 Jeder fünfte Berliner lebt von Sozialhilfeleistungen. Der Anteil der Hilfeempfänger ist doppelt so hoch wie im gesamten Bundesgebiet, auch die soziale Grundsicherung für alte Menschen nimmt nach Darstellung des Finanzsenators Thilo Sarrazin (SPD) „explosionsartig zu“. Und in den Bezirken Mitte, Neukölln und Friedrichshain-Kreuzberg stammten etwa 50 Prozent der Kinder und Jugendlichen unter 18 Jahren aus Familien, die Hartz-IV- Empfänger sind. Sarrazin findet das alarmierend. „Wir haben in Berlin eine abgenabelte Unterschicht, die stetig wächst.“

Was der Finanzsenator so zahlengespickt aufführt, entspricht weitgehend meiner weitaus beschränkteren Wahrnehmung. Mein einziger Einwand: Er spricht von „abgenabelt“ – ich würde eher sagen: dauerhaft „angenabelt“ – auf Dauer an die lebenserhaltenden Finanzströme unserer Hilfesysteme angeschlossen. Ich erkenne bei den Eltern keine Bemühungen, sich abzunabeln, die erlernte Hilfsbedürftigkeit zu überwinden. Wieso sollten sie? Mit jeder erlernten neuen Fertigkeit droht die Gefahr, dass man den Lebensunterhalt selbst verdienen müsste.

Die Aussagen Sarrazins stoßen sich natürlich am in Berlin prachtvoll blühenden Versorgungsdenken: SPD, CDU, die GRÜNEN und neuerdings auch die LINKE wetteifern darin, eine möglichst breite Klientel an Wählern heranzuzüchten und bei Laune zu halten. Die Lobbyverbände der Erzieher, der Lehrer, der Eltern, nicht zu vergessen der Migranten überschlagen sich – um das Glück der Einheit vollkommen zu machen – darin, noch mehr Geld und staatliche Liebe für ihre Schäflein zu verlangen.

Die echten Fachpolitiker, die die Lage vor Ort kennen, wie etwa der Neuköllner Bürgermeister Buschkowsky oder eben Thilo Sarrazin, müssen, um überhaupt gehört zu werden, manche Aussage zuspitzen. Aus schierer Verzweiflung lassen sie ab und zu Aussagen vom Stapel, die allzusehr ins Schwarze treffen. Der Wahrheitsgehalt ist dann zu hoch, die pure Wahrheit erträgt der Mensch nur schwer. Ebensowenig wie das reine Sonnenlicht. Und das bekommt den zarteren Gemütern in den Parteien und der Öffentlichkeit nicht. Also schwingt man gleich die Keule von „sozialer Kälte“ und was dergleichen wohlfeile Sprüche mehr sind.

Mehrheitsfähig sind Buschkowsky oder Sarrazin noch nicht. Dazu brauchte es – einen Bankrott des Landes Berlin (der grundgesetzlich auszuschließen ist), oder aber ein entschiedenes Umdenken. Hin zur Freiheit von staatlicher Versorgung, zur Selbständigkeit. Dieses Umdenken kommt allerdings erst allmählich in Gang.

Berlin wird Thilo Sarrazin noch schmerzlich vermissen. Ich tue dies jetzt bereits, denn er war mir ein Verbündeter in dem, was ich selbst in diesem Blog und in der Öffentlichkeit vertrete.

Ich bin für das, was Psychotherapeuten eine „paradoxe Intervention“ nennen: Wenn die Klienten oder Patienten oder die Gruppen und Verbände allzusehr herumjammern, ständig mehr Liebe und Aufmerksamkeit fordern – muss man sie enttäuschen. Man muss sie an die heilsame Wirkung des Neins gewöhnen. Man kann sie dazu vor den Kopf stoßen: „Steht auf! Nable dich ab! Nimm dein Bett und geh!“

 Posted by at 12:19