Apr. 082011
 

Und wieder einmal werden die Tränendrüsen arg strapaziert. Bitte kräftig weinen! Als ob es den Kindern an Geld und Kleidung, an Essen und Obdach, an medizinischer Versorgung und an kostenlosem Schulbesuch fehlte!

Wir haben 800 Millionen Menschen weltweit, denen es an Kleidung und Essen, an Trinkwasser, an medizinischer Versorgung und an kostenlosem Schulbesuch fehlt. DIE sind arm.

Sozialstudie – Berlin ist trauriger Spitzenreiter bei Kinderarmut – Brandenburg Aktuell – Berliner Morgenpost – Berlin

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Apr. 082011
 

384,89 Euro beträgt der aktuelle Mindestlohn in der Türkei. Die Mehrzahl der Arbeitnehmer in der Türkei bezieht diesen Mindestlohn. Der gesetzliche türkische Mindestlohn beträgt somit etwa ein Viertel bis ein Drittel dessen, was ein Arbeitsloser in Deutschland Monat für Monat an finanziellen Zuwendungen, etwa für Wohnen und Versicherungen sowie an Barauszahlungen erhält. Die Lebenshaltungskosten der Türkei sind unterschiedlich, in Istanbul liegen sie etwa so hoch wie in Deutschland, im Durchschnitt des Landes etwa auf halber Höhe oder etwas darunter. In Istanbul selbst beträgt der aktuelle Durchschnittslohn etwa € 850/Monat.

Ein Sozialhilfeempfänger in Deutschland steht also weit besser da, kann sich weit mehr leisten als ein durchschnittlicher Arbeitnehmer in der Türkei, von den arabischen Ländern ganz zu schweigen.

Ein Blick auf diese simplen Zahlen vermag etwas von der faszinierenden Sogwirkung des deutschen Sozialsystems auf die anderen Länder dieser Erde zu erklären.

Dennoch wird unausrottbar von „Armut“ gesprochen.  So schreibt heute etwa Gilbert Schomaker in der Berlin-Ausgabe der WELT auf S. 30: „Von Armut betroffen sind laut Bildungsbericht 36 Prozent aller Kinder in Berlin, sogar 46 Prozent aller Jungen und Mädchen in Brandenburg. Als vom Risiko Armut betroffen gelten Familien, die bei zwei Kindern nicht mehr als 1550 Euro im Monat haben.

Es ist haltloser Unsinn, den uns die Statistiker da immer wieder auftischen. Es gibt in Deutschland keine statistisch nennenswerte Armut. Das ständige Gerede von Armut verstellt den Blick auf die wahren Ursachen von scheiternden Bildungskarrieren. Eine der Hauptursachen von scheiternden Bildungsverläufen liegt meines Erachtens darin, dass es zu wenige Anreize gibt, aus dem System der Sozialhilfe aus- und aufzusteigen. Denn alle denken und viele sagen: „Ich krieg ja eh Sozialhilfe.“ Umgekehrt bestehen stärkste Anreize, Familien bewusst ins deutsche Sozialsystem hineinzugründen und die Lebensplanung darauf abzustellen.

Und so entfällt jeder materielle Anreiz, wirklich gutes Deutsch zu lernen oder beruflich verwertbare Qualifikationen zu erwerben.

Minimum Wage in European countries – Google public data

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Immerwährendes Wachstum oder Armut an irdischen Dingen?

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Apr. 052011
 

„Wir leben im Kapitalismus. Kapitalismus funktioniert nur unter der Voraussetzung immerwährenden Wachstums.“ So höre und lese ich es im meinem tiefroten, leidenschaftlich linken Berlin-Kreuzberg immer wieder.

„Immerwährendes WACHSTUM“ als ehernes Gesetz? Behaupten die Marxistinnen, viele Sozialisten, Kapitalismuskritikerinnen und viele Politikerinnen bei Grünen, CDU, FDP, SPD und den Linken. Ich halte das für nachweislich falsch. Das gölte in Marktwirtschaften wie der unsrigen nur, wenn man nicht bereit wäre, Einbußen an Wohlstand und Umverteilungsmasse hinzunehmen. Schrumpfungen, relative Verarmung und Krisen gehören im Markt dazu, sie geschehen auch immer wieder, ohne den Markt zu zerstören. Man denke nur an Großbritannien in den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, als weite Teile der Bevölkerung massive reale Einkommensverluste erleiden mussten.

Entscheidend ist meines Erachtens: Unsere sozial eingehegte Marktwirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland ermöglicht – wie die Erfahrung lehrt – auf Dauer allen Bürgerinnen ein Leben in Menschenwürde und Freiheit – und seit Jahrzehnten und wohl weiterhin auf absehbare Zeit sogar frei von Armut, also in relativem Wohlstand. Es gibt keine Armut in Deutschland – eine gute Botschaft! Jeder hat ein Dach über dem Kopf, jeder hat genug zu essen, es herrscht Frieden, alle Kinder bekommen eine kostenlose Schulausbildung, alle Menschen bekommen eine gute medizinische Versorgung – und zwar alle hier wohnenden Bürgerinnen unabhängig von der Staatsangehörigkeit, unabhängig davon, ob sie arbeiten oder nicht arbeiten. Eine riesige Leistung!

Der riesige Schritt, den leider unsere allermeisten Politiker nicht bereit sind zu gehen, bestünde darin zu sagen: Wir können euch keinen gleichbleibenden Wohlstand garantieren. Ihr müsst euch den gewünschten Wohlstand Tag um Tag erarbeiten, für euch selbst, für die Gemeinschaft, für eure Kinder. Und selbst Wohlstandseinbußen sind kein Unglück! Wenn wir alle im Durchschnitt wieder so wenig Haushaltseinkommen wie in den 50er Jahren hätten, also etwa ein Viertel des heutigen Wertes, wäre dies kein echter Schaden für Leib und Leben!

Über die Jahrhunderte hin gab es immer wieder starke Bewegungen, die aus dem „Immer mehr“ ausstiegen. Ich denke da z.B. an die ökonomisch sehr erfolgreichen christlichen Klöster, an die Stadtrepubliken der frühen Neuzeit in den Niederlanden und der Schweiz (Den Haag, Genf), die den Bürgern Sparsamkeit und relative Armut in der Lebensführung aufzwangen.

Mancher mag auch an die Botschaft des Mannes aus Nazaret denken: „Verschenke alles, was du hast, den Armen.“ Der Mann aus Nazaret  meinte vermutlich: Es gibt Wichtigeres als irdischen Besitz. Beziehungsorientierte Werte wie Gemeinschaft, Gemeinde, Nächstenliebe, tätige Hinwendung zum anderen Menschen standen für ihn ganz oben. Darin sah er die Sinngebung irdischen Reichtums.

Teile der heutigen Grünen und der Autor Tim Jackson, Verfasser des Buches Prosperity without Growth, fügen sich in diesen jahrtausendealten Strom nahtlos ein. Auch Jackson fordert eine Abkehr vom Imperativ des wirtschaftlichen Wachstums, um bleibenden, also geistigen Wohlstand im Sinne eines werte- und beziehungsorientierten Miteinander zu erreichen:

Prosperity Without Growth by Tim Jackson | Book review | Books | The Guardian
The last chapter of the book looks at opportunities for achieving „a lasting prosperity“. They are many and varied, and most of them – unsurprisingly – start from the grassroots.They are many and varied, and most of them – unsurprisingly – start from the grassroots. High on the list is the need for us all to consume less „stuff“ and to seek a type of prosperity outside the conventional trappings of affluence: within relationships, family, community and the meaning of our lives and vocations in a functional society that places value on the future.

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März 122011
 

12032011414.jpgWeltweit scheint der Frontalunterricht – Lehrer lehrt, Schüler hören zu und lösen die vom Lehrer gestellten Aufgaben – die vorherrschende Unterrichtsform zu sein.  Bei uns in Berlin freilich nimmt der Anteil des Frontalunterrichts ab – also müssten nach Meinung vieler Didaktiker auch die Lernergebnisse sich verbessern. Das Gegenteil ist der Fall.

Manche modernen Didaktiker in Deutschland schreiben den Frontalunterricht fast völlig ab. Ich selbst habe jahrelang Sprachen mit einer Mischung aus Fontalunterricht, Gruppenarbeit, kreativen Arbeitsformen, Medienarbeit, Stillarbeit usw. unterrichtet.

„Der Frontalunterricht ist passé.“ So sagen es manche Schulleiter, wenn sie das moderne, multimedial hochgepuschte  „Lernzentrum“, früher Schule genannt, der Presse vorführen. Ich halte dies für falsch.

Öfter lerne ich erfolgreiche Menschen aus armen Ländern kennen. Dann frage ich: „Was hat Sie geprägt? Warum haben Sie so viel gelernt, obwohl doch bei Ihnen die Schulen im Vergleich zu Deutschland miserabel schlecht ausgestattet sind?“

Antwort: „Es waren Lehrerpersönlichkeiten, die an uns glaubten, die uns forderten, die gerecht, streng und liebevoll waren.“

Die Persönlichkeit des Lehrers entscheidet ganz offenkundig in hohem Maße über den Erfolg des Unterrichts – mehr als die Methode und die Ausstattung, ganz sicherlich mehr als die Klassenfrequenz! Man kann – so meine ich – ruhig die Klassengröße erhöhen. Solange der Lehrer mit Autorität, Strenge und Glauben an die Schüler arbeitet, wird er erfolgreich sein.

Der Wissenschaftler Gerhard Roth, Autor des Buches „Bildung braucht Persönlichkeit“, hat einige Einsichten von der überragenden Wichtigkeit der Persönlichkeit auf sehr überzeugende Weise sehr frontal ausgesprochen:

Der erste Eindruck zählt – Hirnforscher rät Lehrern auf ihr Auftreten zu | Campus & Karriere | Deutschlandfunk

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Feb. 172011
 

Jeder schwäbische Hausmann weiß: KaDeWe und Edeka sind viel teurer als NP! Gemüse der Saison, also derzeit Kohl in allen Variationen, ferner Obst der Saison in großen Gebinden kaufe ich persönlich bei Niedrigpreis (siehe Foto) oder bei Aldi. Das ist genauso gut, genauso schmackhaft und genauso gesund. Nur gibt es halt nicht immer alles zu jeder Jahreszeit. Statt Joghurt gibt es oft nur Quark, auf Gebäck verzichten wir meist.

Denn ich habe als Angehöriger der „Sandwich-Generation“ kein Geld und auch keine Zeit, um mir und meiner Familie täglich im Kadewe oder bei Edeka frisches Obst, Joghurt oder Gebäck zu kaufen. Sind wir deshalb arm zu nennen? Nun, wenn man die Nase in die heutige Berliner Zeitung, S. 25, steckt – ja!  Lest die neueste Erbarme-dich-Arie (Nr. 49) aus dem Lokal- und Sozialteil:

Besuch bei einer florierenden Branche – Berliner Zeitung
Einem der gut 600 000 Hartz-IV-Betroffenen in Berlin, die oft zu wenig Geld haben, um sich und ihrer Familie täglich im Kadewe oder bei Edeka frisches Obst, Joghurt oder Gebäck zu kaufen? Muss sich einer, der vom Steuerzahler sein Arbeitslosengeld II finanziert bekommt, mit einem Apfel zufrieden geben, der schon etwas runzelig ist?

Was tun, wenn man – wie dieser arme Blogger – nie genug Geld hat, um sich und seiner Familie täglich im Kadewe oder bei Edeka frisches Obst, Joghurt oder Gebäck zu kaufen? Nun, man kann Geld sparen, indem man

a) zur Berliner Tafel geht. Allerdings braucht man dafür Zeit, die ich als arbeitender Familienvater nicht habe.

b) sich vorwiegend von Gemüse der Saison ernährt, ergänzt um reichlich Kartoffeln, ferner Obst je nach Saison und je nach Angebot in großen Gebinden kauft und Joghurt beispielsweise durch Quark (500 g) ersetzt und auf Süßwaren weitgehend verzichtet. So mache ich das. Es geht uns gut damit. Beklage ich mich? Nein.

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Jan. 302011
 

Wie so viele anderen sozialen Probleme, so deute ich auch die Gewalttaten, die Sachbeschädigungen und Körperverletzungen der Autonomen als Ausfluss einer verhängnisvollen Bündelung von materieller Überversorgung und ideellem Peilungsverlust in unserer ökonomisch übersättigten, moralisch ausgehungerten bürgerlichen Jugend.

Schaut euch das Video an:

YouTube – Liebig14 verteidigen

Ihr seht und hört einen sympathischen jungen Mann, der ein recht beachtliches Bratschensolo hinlegt, dazu mannhaft-markige Sprüche von sich gibt, die in dem Schlusswort gipfeln: „Stürzen wir Berlin ins Chaos!“

Wer so gut und mit sehr guter Bogentechnik – bei gewissen Schwankungen in der Intonation – Viola spielt, muss aus reichem Hause stammen! Das Erlernen eines Streichinstruments bis zu dem hier gezeigten Grad der Spielfertigkeit setzt einen finanziellen Hintergrund voraus, der nur in gut abgesicherten Elternhäusern vorstellbar ist. Das Instrument klingt gut – es ist keine Billigbratsche!

Auch die gepflegte Sprache und der leicht rebellische Gestus des jungen Chaoten verweisen eindeutig auf die Herkunft aus der bürgerlichen Mittelschicht – der nette junge Mann könnte etwa Sohn eines Gymnasiallehrers oder Arztes in Süddeutschland sein.

Die meisten Autonomen scheinen vor allem an ihrer eigenen Herkunft aus dem wohlsituierten Bürgertum zu leiden – wie Rosa Luxemburg, Che Guevara oder Friedrich Engels auch. Sie scheinen verstecken zu wollen, dass sie nie materielle Not gelitten haben, dass sie nie für ihren Lebensunterhalt zu arbeiten brauchten.

Wie können sie diese Herkunft aus den reichen, übersättigten Wohlstandsfamilien am besten vergessen lassen? Einfach: Indem sie sich mit den hypothetischen Opfern einer hypothetisch unterstellten Verarmung solidarisieren. Da es keine echten Armen mehr gibt, bildet man sich den Popanz einer neuen, prospektiv gefühlten Armut heran: der Popanz der Gentrifizierung ist geboren!

Dadurch, dass die verlorenen Söhne des Bürgertums sich bewusst als arme Proletarier ausgeben – was sie objektiv nicht sind und niemals waren – überwinden sie den Makel ihrer privilegierten Abkunft. Mit den wirklich Armen dieser Erde haben sie nichts, gar nichts gemeinsam. An den wirklich Benachteiligten unserer Gesellschaft – etwa den migrantischen Kindern, den Beamten im unteren Polizeidienst, deren Gesundheit die Autonomen bedenkenlos gefährden – zeigen sie keinerlei Interesse.

Es sind letztlich verlorene Söhne wie die Kiffer, die halbwüchsigen Drogenkuriere, wie die Intensivtäter mit ihren tiefergelegten BMWs, wie die RAF auch. „Wir waren alle verrückt, wir waren nicht zurechnungsfähig“, diesen Satz des Autors Peter Schneider über sich und die 68er-Bewegung habe ich mir gemerkt. Peter Schneider hat recht.

Es geht ihnen, den verrückten Autonomen, letztlich darum, die Aufmerksamkeit der Gesellschaft zu erringen, sich abzusetzen von  ihren bürgerlichen Elternhäusern, ihren Erlebnishunger zu stillen und durch den bewusst herbeigeführten Gesetzesbruch die Auseinandersetzung mit der nie erlebten und schmerzlich vermissten elterlichen Autorität zu beginnen. Der in Kauf genommene Schädelbruch eines Polizisten, die verletzte Kniescheibe eines Journalisten sind ihnen dabei egal.

Wie sollte der Staat reagieren? Das Falscheste, was überhaupt möglich ist, hat sicherlich jahrelang die Bezirksregierung Friedrichshain-Kreuzberg unter grüner Führung getan: Sie meinte, ein politisches Anliegen fördern zu müssen, das die Autonomen mit großem Geschick und unter Täuschung der Öffentlichkeit auf ihre Fahnen schrieben. Unsere Bezirksgrünen haben immer wieder die Hand hingereicht, haben das Bethanien geöffnet, nur damit die nimmersatten Hausbesetzer eine Bleibe finden konnten.

Die gütige, quasi-elterliche Autorität des Bezirksamtes ließ sich auf die eskalierenden Wünsche der verlorenen Söhne ein, statt ihnen eine Grenze zu setzen. Die feste Grenzsetzung wäre das einzig Richtige gewesen: „Bis hierher – und keinen Zentimeter weiter!“ „Räumung? Ja, aber sofort!“ Stattdessen lässt der Staat, hier mehr schlecht als recht gespielt durch das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg, mit sich Schlitten fahren. Ein Schaupiel, wie es gerade aus vaterlosen Familien mit tyrannischen Kindern bestens bekannt ist.

Genau so reagierte der Staat zunächst auch auf die Pöbeleien eines Andreas Baader mit beschwichtigenden Therapieversuchen.

Das mütterlich-fürsorgliche Entgegenkommen gegenüber den aufsässigen, verwöhnten Jungmännern ist der Kardinalfehler. Ein verheerender Fehler! Der weiche, der entgegenkommende Staat wird verachtet, wird – wie stets voraussagbar – selbst zum Gegenstand der Angriffe – etwa in Gestalt der Polizisten, etwa in Gestalt des Friedrichshain-Kreuzberger Bezirksbürgermeisters. Mit beiden, sowohl mit den Polizisten wie auch mit dem Bezirksbürgermeister erklärt sich dieser Blogger hiermit solidarisch!

Die Geister, die sie – die Entgegenkommer und Kümmerer – riefen und heranpäppelten, werden sie nun nicht los!

 Posted by at 23:23
Jan. 262011
 

„Kinderarmut“ wegen Hartz IV, spielsüchtige Väter in Neuköllner Spielhallen, „staatliche Jungenförderung“ … was brauchen Jungen, die armen Jungen wirklich? Was brauchen Kinder?

Ich meine: Die größte seelische Verarmung erleiden – insgesamt gesehen und statistisch gewertet – die Berliner Kinder, vor allem die Berliner Jungen, durch die abwesenden Väter.

Nicht materielle Armut benachteiligt die Kinder, sondern das Fehlen des guten Vaters. Die geradezu schrankenlosen Glückserwartungen, die in Berlin und in Deutschland überhaupt auf den versorgenden, den pervers-mütterlichen Staat gerichtet werden, entspringen meist dem Fehlen einer tatkräftigen Vorbildgestalt, wie sie üblicherweise der Vater ist.

Die Bestätigung liefert in aller Deutlichkeit Walter Kohl in seinem neuen Buch:

Altkanzler: Der Kampf um Helmut Kohl – SPIEGEL ONLINE – Nachrichten – Politik
Jeder Junge wünscht sich einen Vater, mit dem er gemeinsam die Welt erkunden kann, der mit ihm zelten geht oder Fußball spielen. Jeder Junge wünscht sich einen Vater, der auch für ihn da ist.“

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Jan. 222011
 

Die Antwort, wie sie der neue Soziatlas Berlins vorlegt, lautet: Ja! Kinder, die in Hartz-IV-Haushalten aufwachsen, gelten definitorisch als arm. Armut von Kindern gilt als Skandal, als unerwünscht. Man muss etwas tun, um Kinderarmut zu beseitigen! Was? Nun, man muss Geld so einsetzen, dass die Kinder nicht mehr arm sind. Die große Geld-Verteilungsmaschinerie kommt in Gang. Ziel der Transferzahlungen soll es sein, Kinderarmut zu beseitigen. Dann wird zum Beispiel ein Projekt aufgelegt, in dem eine Ausstellung über Satellitenschüsseln mit Geldern bezuschusst wird, so dass etwas Geld zur Linderung der Armut in die Armutsquartiere fließt. Dies ist KEIN WITZ, sondern es geschieht in Berlin tatsächlich.

Allein – das hehre Ziel wird nicht erreicht. Denn weiterhin gelten Kinder, die in Hartz-IV-Haushalten aufwachsen, als arm.

Stimmt das? Sind diese Kinder arm? Nein. Diese Kinder sind nicht materiell arm. Sie haben materiell und finanziell alles, was ein Kind zum Gedeihen gebraucht.  Bitte glaubt es mir. Ich kenne doch Dutzende von Hartz-IV-Familien. Ich lebe in einem der sozialschwächsten Gebiete von ganz Berlin. Nicht die materielle Armut bedrückt die Menschen. Es bedrückt sie überhaupt recht wenig. Sie sind nicht unglücklich. Warum sollten sie unglücklich sein? Aus der Perspektive des einzelnen spricht nichts dagegen, das ganze Leben von staatlichen Versorgungsleistungen zu leben. Die Hartz-IV-Existenz ist weder menschenunwürdig, noch ist sie ein gesellschaftlicher Makel, noch ist sie im entferntesten als Armut zu bezeichnen. Im Gegenteil, sie sichert ein bescheidenes, beschauliches Auskommen für alle Familien, und häufig kann man sogar noch Geld an arme Verwandte schicken.

Allein die Gesellschaft insgesamt, allein die Volkswirtschaft insgesamt muss ein Interesse daran haben, die Familien aus der Arbeitslosigkeit, die Jugendlichen aus der Abhängigkeit von Transferzahlungen herauszubringen. Denn wir – also die Gesellschaft – wissen: Beim jetzigen Wachstum des Anteils der Sozialleistungen am Staatshaushalt wird – bei der jetzigen demographischen Entwicklung – die gesamte Volkswirtschaft in vielleicht 20 oder 25 Jahren zusammenbrechen. Bereits heute sind es vor allem die unverdienten Gratifikationen des Staates, die einzelne Länder wie etwa Griechenland oder Portugal an den Rand des Bankrotts bringen: Frühpensionierungen, aufgeblähte Beamtenschaften, Steuerhinterziehung, Versorgungsleistungen, Subventionen des Staates.

Die Verschuldenspolitik der Staaten stellt die große ernsthafte Bedrohung für die Stabilität der Sozialsysteme dar.  Es sind nicht so sehr die Fehler, die Selbstbereicherung der Manager, die „Umverteilung von unten nach oben“. Diese Selbstbereicherung der Oberschicht auf Kosten der Allgemeinheit gibt es, aber sie ist das kleinere Problem. Das Problem der Ausplünderung der Staatsfinanzen durch die Reichen existiert zwar – siehe Bankenskandale, siehe Bürgschaften – , aber es ist lösbar durch kluge, effiziente, harte Maßnahmen der Finanzpolitik.

Das Problem der Überbelastung der Staatsfinanzen durch die anteilmäßig wachsenden Sozialleistungen ist das größere Problem.

Bereits heute sind viele deutsche Kommunen vor allem durch die Sozialausgaben an den Rand der Handlungsfähigkeit gedrängt.

Mehr Ehrlichkeit ist angesagt! Zunächst einmal sollte man das Reden von Kinderarmut ganz schnell einstellen. Die Kinder sind nicht im materiellen Sinne arm, sondern arm an Vorbildern, denn ihnen fehlt die Grunderfahrung, dass die Eltern für den Lebensunterhalt arbeiten gehen. Die Kinder sind arm an Sinnhorizonten, da der Staat ihnen absolute Versorgungssicherheit verspricht.  Wenn die Eltern oder ein Elternteil arbeiten ginge, stünden die Kinder – bei gleicher finanzieller Ausstattung – sofort besser da: Sie hätten Orientierung in einem verlässlich gegliederten Alltag. Sie erführen, dass man sich im Leben anstrengen muss. Jetzt erfahren sie die Botschaft: Wozu sich anstrengen? Das Geld kommt sowieso.

Die Kinder brauchen vor allem Sinnhorizonte!

 Posted by at 22:41
Jan. 212011
 

09012011258.jpgWeiterhin in den 10 sozial schwächsten (von 434) Vierteln ganz Berlins bewegt sich dieser Blogger Tag um Tag, Woche um Woche. Morgenpost bringt heute eine ganze Seite (S.12) über den neuen Sozialatlas. Ob man aber ständig von Kinderarmut reden sollte? Ich sehe keine armen Kinder. Ich wehre mich gegen diesen unbedachten, KRUDEN Gebrauch des Wortes Kinderarmut. Es gibt in den letzten 10 von 434 Berliner Sozialräumen keinen Anlass, von Kinderarmut zu reden.

Ich sah soeben wie so oft beim Niedrigpreis wieder Kinder, die wunderbare Dinge wie die Riesenflaschen Mezzomix oder die berühmte Capri-Sonne kaufen. Nur eine Riesenflasche Mezzomix, sonst nichts. Die armen Kinder sind vielleicht vernachlässigt, orientierungslos, ohne Peilung, aber nicht arm.

Unser Bild: typische Szene in der Großbeerenstraße, gleich beim Niedrigpreis.

Wie wenig die dürren Zahlen allein aussagen, belegen allerdings die folgenden Zitate, an denen jeder, der daran glaubt, seine helle Freude haben muss:

mobil.morgenpost.de
„Die Dresdener Straße und der Oranienplatz sind geradezu aufgeblüht“, sagt Lampendesignerin Catherine Grigull, die ihr Ateliergeschäft direkt am Oranienplatz hat. In den letzten Jahren seien viele junge Familien und Kreative in diesen Teil Kreuzbergs gezogen. Das merke man auch an den steigenden Mieten. Für ihr Geschäft sei diese Entwicklung durchaus von Vorteil: „Früher hat die Nachbarschaft meine Arbeit nicht verstanden. Heute ist die Akzeptanz viel größer“, sagt die 45-Jährige. Das sieht Angela von Tallián ähnlich. „Man sieht in der letzten Zeit deutlich mehr Kinder auf den Straßen. Das war früher nicht der Fall“, sagt die Chocolatière und Inhaberin des Geschäfts „Art en chocolat“ am Oranienplatz. „Ich habe den Eindruck, dass noch vor einigen Jahren junge Familien in den Speckgürtel gezogen sind, sobald ihre Kinder ins schulfähige Alter gekommen sind.“ Dieser Trend sei mittlerweile gestoppt.

„Wir wohnen seit 26 Jahren in derselben Straße und sind sehr glücklich hier“, sagen die Zwillingsschwestern Stefanie und Geraldine Wühle. Auch die nächste Generation werde in diesem Kiez aufwachsen, sagt die Auszubildende Stefanie, die ihren Sohn Oskar fest an sich drückt. In Kreuzberg herrsche ein mediterranes Lebensgefühl, es gebe ein herzliches Zusammenleben mit vielen unterschiedlichen Nationalitäten. Auch ihre dreijährige Tochter Emma fühle sich wohl. „Das Kita-Angebot hier an der Oranienstraße ist super“, sagt ihre Mutter.

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Jan. 082011
 

Und wieder mal redet man um den heißen Brei herum – spricht von „Armutsverhältnissen„, aus denen die Kinder in die „Schulen im sozialen Brennpunkt“ strömten. Nun, ich kenne doch die Verhältnisse aus eigenem Miterleben. Ich kenne auch  die Sandkastengespräche aus eigenem Miterleben. Ich sage: Von Armut kann überhaupt keine Rede sein. Dieses dauernde Gerede von Armut macht mich jetzt wütend. Denn es bedeutet, dass materielle Gründe – also zu wenig Geld – eine Ursache für die schwierigen Verhältnisse im sozialen Brennpunkt seien.

Das Gegenteil ist richtig! Es wird viel zu viel Geld aus verschiedenen Töpfen an Menschen gezahlt, die es von Anfang an auf genau dieses Geld angelegt haben. Sie flüchteten manchmal aus echter Armut  in ihren Herkunftsländern und finden hier von Amts wegen Reichtum ohne Eigenverantwortung vor. Niemand sollte es ihnen verdenken. Deutschland ist das Land, in dem man Geld von der Straße essen kann.

Genau dieser Mechanismus führt zur Bildung von „sozialen Brennpunkten“. Nicht relative Armut, sondern unverhoffter relativer Reichtum ist der Grund.

Ich selber habe übrigens monatelang getrommelt an die deutschen Miteltern: „Kommt zu uns – kommt in die soziale Brennpunktschule! Was habt ihr gegen uns arme Unterschichtler mit Migrationshintergrund?“

Vergeblich. Die Schere zwischen „uns Unterschichtlern mit Migrationshintergrund“ und „euch Dazugehörenden ohne Migrationshintergund“ öffnete sich weiter und weiter.

Mein Vorschlag bleibt bestehen: umfassende Sozialrechtsreform, kategorischer Wegfall der Sozialhilfe für Zuwanderer und Ausländer in den ersten 5 Jahren nach Einreise, mehr Leistungsansprüche an die Väter und Mütter, bessere Einbeziehung der Eltern in die Schularbeit, Deutschlernpflicht für Mütter und Väter, Anwesenheitspflicht für alle Eltern bei Schulveranstaltungen und Elternabenden —  und vieles andere mehr. Fortfall aller Leistungen, wenn das Kind oder die Familie oder der Leistungsbezieher sich über mehr als vier Wochen im Ausland aufhält.

Stets nach dem Motto: Kein Verwöhnen mehr, weniger Förderung, zielgenau und vertraglich festgelegt fordern. Individuelle Leistungen fordern. Vertrauen in die Menschen setzen! Misstrauen in den Sozialstaat setzen!

Die Datenveröffentlichung  bringt wenig oder nichts. Die Missstände sind bekannt, über die Ursachen sollte nicht geschwiegen werden.

Brief an Zöllner: Brennpunktschulen befürchten, abgehängt zu werden – Schule – Berlin – Tagesspiegel
Um zu veranschaulichen, wie stark Eltern schon jetzt gegen Brennpunktschulen entscheiden, hat die Initiative die Anmeldezahlen an Grundschulen in Schöneberg Nord aufgelistet. Aus ihnen geht hervor, dass die Familien aus Schulen „flüchten“, die einen hohen Anteil an sozial benachteiligten Kindern haben: Bis zu zwei Drittel der potenziellen Erstklässler, die im Einzugsgebiet wohnen, werden von ihren Eltern an anderen Schulen angemeldet, wenn die eigentlich zuständige Schule überwiegend Kinder aus „Armutsverhältnissen“ hat.

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Unvergänglicher, bannender Zauber des deutschen Sozialsystems!

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Jan. 042011
 

40,37 Millionen Erwerbstätige leben in Deutschland – soviele wie nie zuvor! So meldet es die WELT heute auf Seite 12. Das bedeutet, dass Deutschland genug Arbeitsplätze hat, um die Bevölkerung von etwa 84 Millionen zu ernähren und zu versorgen. Ein großer Erfolg!

Armut gibt es in Deutschland nicht, alle Kinder erhalten genug zu essen, erhalten kostenlose Schulbildung, haben ein Dach über dem Kopf. Es gibt in Deutschland keine Kinderarmut. Alle Kinder in Deutschland haben ein materiell besseres Leben als die Kinder in Rumänien, Bulgarien oder Tunesien – obwohl es laut OECD in jenen Ländern deutlich weniger Kinderarmut als in Deutschland gibt. Es wäre Sache der Redlichkeit, dies in aller brutalen Eindeutigkeit endlich zuzugeben.

Obdachlos wird in Deutschland nur, wer dies so will, sich mit den Eltern verkracht hat und aus allen Hilfesystemen aussteigt.

Die weit überdurchschnittliche materielle und soziale Absicherung durch den deutschen Staat erklärt auch, weshalb es in keinem anderen Land soviele Langzeitarbeitslose gibt wie in Deutschland. Denn in allen anderen Ländern besteht – im Gegensatz zu Deutschland – ein starker Anreiz, Arbeit anzunehmen – selbst wenn der Verdienst weit unter dem Niveau deutscher Sozialhilfe liegt. Die Bertelsmann-Stiftung wertet dies in ihrer neuen Studie zu Recht als Ungerechtigkeit – denn es ist ungerecht, dass man in Deutschland als Arbeitsloser weit besser dasteht als ein Arbeitender in Ungarn, Polen, Slowakei, Libanon oder Rumänien:

Ungerechtes Deutschland – Berliner Zeitung
Einmal arbeitslos, immer arbeitslos – in dieser brutalen Eindeutigkeit gilt dies sonst nur in der Slowakei. Allen anderen Ländern gelingt es besser, Erwerbslose relativ schnell wieder in den Arbeitsmarkt zurückzuführen.

Warum faseln die Stiftungen dann doch ständig von „Kinderarmut“? Nun, gemeint ist entweder das in sich sinnwidrige amtliche Armutskriterium der ILO oder EU (weniger als 50% des Durchschnittseinkommens) oder die kulturelle Verödung und Verarmung in den Familien, die aber nichts mit Geld zu tun hat.

Das muss ich in aller brutalen Eindeutigkeit so sagen.

 Posted by at 11:21

Wäre Wolfgang Amadeus Mozart je erfolgreicher Komponist geworden … …

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Jan. 032011
 

31122010224.jpg … wenn sein Urgroßvater Franz Mozart nach dem heutigen Hartz-IV-System versorgt worden wäre? Der aktuelle SPIEGEL bringt ab Seite 16 ein schönes Kontrastmittel zu unserer gestern entwickelten Röntgenaufnahme der Fuggerei in Augsburg, in deren bergende Arme sich unbescholtene katholische Bürger der Stadt samt Familie begeben konnten, ehe sie wieder auf eigenen Füßen standen.

Das Verhältnis des Sozialhilfeempfängers und des Stifters der Fuggerei nutzte und frommte beiden, es erwies sich als vertraglich festgelegte, kündbare Vereinbarung.

Demgegenüber ist das Verhältnis des heutigen Sozialhilfeempfängers zum Staate ein gesetzlich verbriefter Anspruch,  über dessen konkrete Ausgestaltung sich der Staat und der Leistungsempfänger sehr oft vor Gericht auseinandersetzen. Der Staat ist der „Anspruchsgegner“ des Fürsorge-Mündels, der möglichst weit in die Haftung für das Glück des Mündels genommen wird.

Politische Parteien treten als Dritte im Streit der beiden Seiten hinzu.  Eine umfangreiche Hartz-Industrie lebt von der Verstetigung der Notlage. Die linken Parteien arbeiten systematisch daran, das Leben in Hartz IV so angenehm und so erträglich wie möglich zu gestalten.  Dabei legen sie es darauf an, der Bundesregierung nachzuweisen, dass sie bei den Berechnungen der Regelsätze unsauber oder fehlerhaft gearbeitet habe. Und selbstverständlich lässt es sich in Hunderttausenden Fällen nachweisen, dass die Sätze nicht bedarfsdeckend sind. Man braucht nur einen findigen Anwalt.

Das heute bestehende System lädt zu Missbrauch und Betrug ein. Das System der Fugger hingegen beruhte auf Redlichkeit und auch auf scharfer sozialer Kontrolle innerhalb einer überschaubaren Gemeinde. Zu Fuggers Zeiten drohte echte Armut, echter sozialer Abstieg, echte Obdachlosigkeit. So ergriffen viele Verarmte den rettenden Strohhalm der mildtätigen Stiftung.

Heute dagegen muss in Deutschland niemand hungern, niemand ist von Obdachlosigkeit bedroht, niemand ist von den grundlegenden Versorgungssystemen ausgeschlossen nur weil er keinem Erwerb nachgeht. Es fehlt das Schreckgespenst echter Armut, wie es sich beispielsweise in Libanon, Ägypten, Côte d’Ivoire, in der Türkei, in China, in Russland oder selbst in den USA findet.

Es fehlt in Deutschland der Anreiz, das Hartz-IV-System zu verlassen. Gestritten wird meist über die unterschiedliche Ausgestaltung von Ansprüchen.

Ich bin überzeugt: Franz Mozart hätte den Weg aus der Fuggerei heraus nicht mehr geschafft, wenn damals das SGB gegolten hätte. Sein Urenkel Wolfgang hätte sich nicht die Finger krummgeschrieben, um den Lebensunterhalt durch Musik zu bestreiten. Die Zauberflöte wäre nicht geschrieben worden. All diese ach so „unsterblichen“ Werke sind ja aus der Not entstanden, aus der Nötigung, durch irgendetwas Geld zu verdienen.

Wir müssen uns die Mozarts trotz fehlender sozialstaatlicher Absicherung als glückliche Menschen vorstellen.

 Posted by at 23:06
Jan. 022011
 

Freiheit und Fürsorge – mein Willkommen gilt jedem Menschen.

Unter dem Eindruck meiner Begegnungen mit Kranken, Alten und Armen in Augsburg fand ich gestern in der Kirche Maria Birnbaum die Worte, die ich als meine persönliche Jahreslosung darbringe und an der ich mich messen lasse.

Fürsorge, das heißt Für-Sorge. Sorge für jemanden Bestimmten, Sorge für etwas Bestimmtes, nicht Versorgung, nicht Entsorgung eines Problemfalles. Fürsorge verstehe ich personal als Akt der Zuwendung zum Nächsten, der Ermächtigung des anderen, des Vertrauens in die Kräfte des anderen.

Der Baumeister Franz Mozart, ein Urgroßvater von Wolfgang Amadeus Mozart, verbrachte einen Teil seines Lebens in Armut und Not. Er zog in die älteste bestehende Sozialsiedlung der Welt, in die Augsburger Fuggerei ein. Er war ein echter „Sozialfall“ geworden. Er zahlte einen holländischen Gulden Jahresmiete (heute etwa 0,88 Euro) und verpflichtete sich, einen anständigen Lebenswandel zu führen und täglich drei Gebete für den Stifter Jakob Fugger und seine Familie zu sprechen.

Ein ausführlicher Besuch führte uns vorgestern durch diese Anlage. Wie lohnend ist ein Vergleich mit heute bestehenden Sozialsiedlungen, etwa den IBA-Bauten im Fanny-Hensel-Kiez, den Sozialbauten am Kotti in Kreuzberg, den riesigen Sozialquartieren in Neukölln oder im Märkischen Viertel.

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Die gesamte Außendarstellung der Fuggerei hat sich seit meinem Volksschulunterricht im Fach Heimatkunde sehr gewandelt – zum Besseren. Spannend, spannend! Es gelingt den äußerst geschickten Kuratoren, die gesamte Sozialstaatsdebatte unsere Tage in der Beschreibung dieses Schmuckkästchens einfließen zu lassen! Ich fasse die Neuigkeiten, die ich bei unserem Besuch der Fuggerei las und hörte,  wie folgte zusammen:

1. Fordern und Fördern. Es wurde erwartet, dass die Bewohner der Stiftung  sich bemühten, einen auskömmlichen Lebensunterhalt zu erzielen und die Siedlung dann wieder zu verlassen. Dies gelang auch sehr oft. Franz Mozarts Nachkommen lebten und wohnten schon wieder auf dem freien Wohnungsmarkt. Sie „bissen sich durch“. Einer der Enkel wurde Musikus und wanderte aus nach Salzburg, da er in Augsburg für seine Kunst nicht genug Entfaltungsmöglichkeiten sah.

2. Leistung und Gegenleistung! Die Bewohner verpflichteten und verpflichten sich vertraglich beim Einzug, jeden Tag drei Gebete für die Stifter zu sprechen. Sie erbrachten und erbringen also für die Sozialhilfe eine wertvolle kulturelle Gegenleistung. Ob wir heute das noch als echte messbare Gegenleistung empfinden, ist völlig unerheblich. Dass Beten zum Seelenheil hilft, war damals, 1521, als die Stifung gegründet wurde, eine allgemein geteilte Ansicht. Das Sozialmodell der Fugger war also zum wechselseitigen Nutzen angelegt.

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3. Sittliche Pflichten. Alle Bewohner verpflichteten sich vertraglich, einen sittlich einwandfreien Lebenswandel zu führen. Grobes Fehlverhalten konnte nach einer einzigen Abmahnung jederzeit zur Ausweisung aus der Sozialsiedlung führen. Dies galt bis ins 20. Jahrhundert, wie eine ausgestellte Hausordnung aus dem Jahr 1955 belegt. Das Recht, in der Siedlung zu leben, hing von Gesetzestreue und Anständigkeit ab.

Was folgt für uns daraus? Was folgt für die große Hartz-IV-Debatte am 7. Januar im Deutschen Bundestag? Ich meine folgendes:

1. Sozialhilfe sollte wie bei der Fuggerei grundsätzlich als befristete Lösung gesehen werden. Grundsätzlich sollen die Familien ihren Lebensunterhalt durch legale Erwerbsarbeit bestreiten.

2. Soziale Leistungen, ob von einer mildtätigen Stiftung oder vom Staat erbracht, sollten stets unter der Auflage kultureller oder gemeinnütziger  Gegenleistungen erbracht werden. Die Fürsorge der Fugger wurde als kündbares Vertragsverhältnis auf Gegenseitigkeit ausgestaltet! Genau dies wird im jetzigen SGB immer noch sträflich vernachlässigt. Folge: Der Empfänger wird entmündigt, zum passiven Objekt herabgewürdigt. Er wird „befürsorgt“ statt „ermächtigt“, wie dies Joachim Gauck vor wenigen Minuten so treffend in der ZDF-Sendung „Berlin direkt“ bemerkte.

3. Die Grundeinheit der sozialen Sicherung ist die Familie, nicht der Staat! Die Familien, also die „Bedarfsgemeinschaften“, wie sie heute heißen, sind das Gewebe der sozialen Sicherheit, das die Gesellschaft als ganzes zusammenhält und dem Einzelnen in Kindheit und Greisenalter ein würdiges Leben sichert. Der Staat tritt nur dann ein, wenn und solange die Familien als ganze nicht das Fortkommen aller Mitglieder sichern können.

4. Soziale Hilfe sollte den Empfänger mit der klaren Erwartung konfrontieren: „Lebe anständig. Schummle nicht.“

5. Aber am allerwichtigsten scheint  mir die Botschaft an die Familien mit arbeitsfähigen Menschen zu sein: „Wir glauben, dass ihr es schaffen könnt, die Sozialsiedlung wieder zu verlassen. Wollt den Wandel! Hartz IV ist ein Übergang, kein Dauerzustand.“

In einer trefflichen Formulierung Bert Brechts, die ich ebenfalls vorgestern in Augsburg las:

Wenn das so bleibt was ist
seid ihr verloren.
Euer Freund ist der Wandel.

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