Salviamo l’Europa – Retten wir Europa!

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Dez. 082011
 

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Das Buch von Jürgen Habermas las ich gestern. Mit vielem trifft Habermas den Nagel auf den Kopf, etwa wenn er bewusst eine neue, nach den Prinzipen der repräsentativen Demokratie, der Subsidiarität und der Rechtsstaatlichkeit ausdiskutierte Verfassung der Europäischen Union fordert. Hier schlägt er völlig zu recht eine in den europäischen Gesellschaften erst noch zu führende, ausführliche Debatte vor.

Die bestehenden intergubernativen Verträge erfüllen diesen Zweck der Verfassung nicht.

Anderes in dem Buch  ist grob irreführend, etwa wenn Habermas immer wieder vom „Imperativ der Märkte“ spricht, der die Regierungen handlungsunfähig mache. Das ist wirklich falsch gesehen von Habermas. Das Problemgefüge, das seit etwa 15 Jahren konsequent auf unsere seit 2008 herrschende Finanz- und Währungskrise hingeführt hat, liegt ursächlich in der übermäßigen Verschuldung der öffentlichen und privaten Haushalte, und dafür sind die europäischen Regierungen und die von den Regierungen übermäßig verhätschelten europäischen Bürger verantwortlich zu machen – nicht die Märkte, und schon gar nicht der vielbeschrieene „Neo-Liberalismus“!

Diesen kausalen Zusammenhang beschrieben übrigens gestern in der FAZ die Verfasser der „Bogenberger Erklärung“ mit großer Überzeugungskraft.

Das Gespenst des Neo-Liberalismus, die Vogelscheuche des „Diktats der Märkte“ ist eine durchs europäische Dorf getriebene Chimäre, die davon ablenken soll, dass die Bürger und die von ihnen gewählten Regierungen nicht sorgfältig und solide gewirtschaft haben. Hätten europäische Bürger und europäische Regierungen in den vergangenen 15 Jahren stets sorgfältig und nachhaltig gewirtschaftet und ihr Tun und Lassen redlich erklärt, wären wir nicht in der Lage, in der wir heute sind.

Lärmender Meinungskampf – Jürgen Habermas zur Verfassung Europas – Märkische Allgemeine – Nachrichten für das Land Brandenburg

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Quel avenir pour l’Union européenne? Für welche Zukunft der Europäischen Union entscheiden WIR uns?

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Dez. 072011
 

L’Europe, c’est comme une bicyclette, lorsqu’elle n’avance pas, elle tombe.“ Dies hat der ehemalige Kommissionspräsident Jacques Delors einmal gesagt, der türkische Regierungschef Erdogan hat ihn bei seinem jüngsten Deutschlandbesuch zustimmend zitiert. Europa ist wie ein Fahrrad, wenn es nicht voranfährt, fällt es um.

Trefflich gesagt.

Das Fahrrad verkörpert den Geist des aus sich schwingenden Rads, den Geist des Kindes, den Geist der Freiheit, den Geist der freiwillig gewählten Armut, den Geist der Subsidiarität und der Eigenverantwortung. Du schaffst es aus eigener Kraft zu fahren! Das ist die großartige, wahrhaft bewegende Botschaft des Fahrradfahrens.

Eine zweite Botschaft gehört dazu: Du musst das Fahrrad lenken. Entscheide dich. Nehmen wir etwa das obenstehende Bild, gestern aufgenommen!

Wir sehen einen europäischen, vielleicht einen deutschen türkischen Radfahrer am Scheidewege – wohin wird er fahren? Zum Finanzministerium in der Wilhelmstraße oder rechts abbiegend in die Kochstraße zum Checkpoint Charlie und in die Rudi-Dutschke-Straße? Antwort: Wir wissen es noch nicht. Der Radfahrer hat die Freiheit der Wahl. Er ist ein freier Mensch. Aber er muss sich entscheiden. Beides geht nicht. Zur Freiheit gehört der Zwang, sich entscheiden zu müssen.

Ein zweites Fahrrad tritt zu unserer Betrachtung hinzu: Am Bildrand seht ihr das Fahrrad des armen Kreuzberger Bloggers mit der fröhlich lachenden Klingel. Es fährt nicht, und dennoch fällt es nicht um! Warum? Hatte Jacques Delors unrecht? Nein! Er hat recht unter der Voraussetzung, dass ein Fahrradfahrer auf dem Fahrrad sitzt und vorankommen möchte. Man kann aber ein Fahrrad auch abstellen. Es wird dann gestützt durch eine mechanische Vorrichtung.

Wir lernen daraus: Ab und zu muss man innehalten. Man kann nicht immer nur besinnungslos auf die Eigenkräfte vertrauen. Ab und zu bedarf es der Stütze. Das ruhende Fahrrad fällt um, sofern es keine Stütze erhält. Ein lateinisches Wort für Stütze lautet subsidium. Subsidiarität bedeutet also, dass die jeweils nächsthöhere Ebene stützend und helfend eingreift, wenn und solange aus eigener Kraft keine Bewegung möglich ist.

Europa muss sich in dieser Woche entscheiden, wohin es fahren will. Möge es sich für die Freiheit entscheiden!

Quel avenir pour l’Union européenne après le référendum français du (…) – États membres
L’Europe, c’est comme une bicyclette, lorsqu’elle n’avance pas, elle tombe.

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Dez. 052011
 

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Zielstrebig und beharrlich bohre ich mich in diesen Tagen durch das Europarecht, suche in diesem „System vernetzter Ordnungen“ die Brüche und Pass-Ungenauigkeiten. Eines wird mir immer klarer: Nicht alles an der seit 2008 andauernden Finanz- und Europa-Krise haben die Regierungen der EU-Länder oder die ominösen Märkte zu verantworten. Einiges an der Vertragskonstruktion ist schlechterdings nicht kohärent. Manches mutet bei geduldiger Lektüre als „windschief“ an. Gerade die wirtschafts- und finanzpolitischen Steuerungsmechanismen des Vertrags über die Europäische Union (EUV) und des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) scheinen mir sehr bedenklich. In vielfacher Hinsicht schränken sie die Handlungsfreiheit von Parlamenten und Regierungen unnötig ein.

Diese damals politisch gewollten Festlegungen der Lissabonverträge erweisen sich in unseren Tagen zunehmend als Danaergeschenk, zumal sie auch in nationales Recht, etwa in das Recht der Bundesrepublik Deutschland eingeführt werden, ohne dass hierüber auch nur der Ansatz einer ausreichenden Debatte stattgefunden hätte.

Dafür nur ein Beispiel:

Der 1992 eingefügten Art. 88 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) setzt eindeutig die Sicherung der Preisstabilität als vorrangiges Ziel der Bundesbank fest und widerspricht damit klar dem „magischen Viereck“ der klassischen Volkswirtschaftslehre, wie es etwa in das Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft (StWG) Eingang gefunden hat.   Höchst problematisch!

Art. 88 Satz 2 GG schränkt meines Erachtens die Freiheitsrechte des Bundestags und der Bundesregierung übermäßig ein. Wieso sollte Preisstabilität auf einmal wichtiger als hoher Beschäftigungsstand, außenwirtschaftliches Gleichgewicht und angemessenes Wirtschaftswachstum sein? Was nützen den spanischen Jugendlichen stabile Preise, wenn 48% Jugendarbeitslosigkeit herrscht?

Ich bemerke mangelndes Vertrauen in die Freiheit, wenn ich mir die Rechtsproduktion der Europäischen Union ankucke.

Was meint Ihr dazu? Kommentare erwünscht!

Literatur:

Art. 119 Abs. 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEU)

Matthias Herdegen, Europarecht, 13., überarbeitete und erweiterte Auflage, C.H. Beck Verlag, München 2011: § 23: Wirtschafts- und Währungspolitik: die Wirtschafts- und Währungsunion S. 358-390, hier insb. S. 373.

Europa-Recht. 24., neubearbeitete Auflage, Textausgabe mit einer Einführung von Prof. Dr. Claus Dieter Claussen, Stand 1.1.2011, Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2011

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Dez. 012011
 

Einen herausragenden Beitrag zur Europa-Debatte liefert der amtierende polnische Außenminister. Große Klasse! Dass die Berliner Rede vom 28.11.2011 ausgerechnet vom Vertreter eines Landes gehalten wurde, das noch nicht Mitglied des Euro-Raumes ist, macht sie in der Krise des Euro-Raumes, die auch eine Krise der gesamten Europäischen Union ist, um so wertvoller.

Das Entscheidende ist offenkundig, dass Sikorski Europa nicht vorrangig als Wirtschaftsraum betrachtet. Nicht die Sicherung und Mehrung des materiellen Wohlstands sieht er als Ziel der Europäischen Union, sondern die Bewahrung von Freiheit und Demokratie, von Menschenrechten und Verantwortung füreinander.

Die Wirtschaftsordnung, die gemeinsame Währung, aller materielle Wohlstand dienen nach Sikorskis klaren Worten diesem überragenden Ziel der Sicherung der Freiheit. Sie sind kein Selbstzweck. In letzter Konsequenz muss dies meines Erachtens heißen: Die Europäer, vor allem auch die Deutschen müssen bereit sein, um des übergeordneten Ziels der Freiheit und Solidarität willen materielle Einbußen zu erleiden. Die Europäer müssen bereit sein, einen Teil des Wohlstandes, nämlich den durch Staatsschulden finanzierten Teil ihres privaten Wohlstandes aufzugeben.

Die Rede strahlt ferner dadurch, dass sie den weiten Atem der europäischen Geschichte spüren lässt. Sikorski erzählt Europa neu. „Nie pozwalam“, das Liberum Veto der Staatenunion Litauen-Polen, die dadurch bewirkte Uneinigkeit der Unionspartner erkennt Sikorski zu recht als den Keim des Zerfalls der polnisch-litauischen Staatlichkeit. Der durch Uneinigkeit geschwächte Staat konnte durch die mächtigeren Nachbarn Russland, Preußen bzw. Deutschland und Habsburg mehrfach geteilt und schließlich zerstört werden – mit verheerenden Folgen für das gesamte Europa.

Ferner ist an der Rede zu rühmen, dass sie die Frage nach der Verknüpfung von Macht und Freiheit stellt. Sikorski bejaht Macht unter der Bedingung, dass sie der Freiheit in Verantwortung dient. Politik, die die Freiheit sichern will, bedarf der Macht. Macht stützt sich in Friedenszeiten vor allem auf in Wahlen errungene Mehrheiten und auf wirtschaftliche Stärke. Die wirtschaftliche Stärke Deutschlands, die maßgeblich durch den Euro-Raum, durch die Europäische Union ermöglicht worden ist, bringt höhere Macht und eben deshalb auch eine größere Verantwortung für das Wohl des Ganzen mit sich.

Nur aus diesem Grund fordert Sikorski Deutschland auf, eine führende Rolle innerhalb der EU bewusst anzunehmen. Weder redet er einem Vierten-Reich-Gedanken das Wort noch verlangt er eine Unterordnung der kleineren Länder unter  die größte Volkswirtschaft der Europäischen Union. Sein Appell richtet sich an Deutschland, weil Deutschland die Schlüssel zur Lösung der Euro-Krise in der Hand hält, wenn es die eigene Stärke zum Wohl des Verbundes einsetzt und dabei nachhaltig um die Unterstützung der anderen Länder wirbt.

Mein vorläufiges Gesamturteil über die polnische Europa-Politik der letzten Jahre lautet: Die polnische Politik hat sich immer wieder als zielführend und wegweisend im Konzert der europäischen Stimmen erwiesen. Ebenso wie schon nach dem Beitritt zur EU, als Polen bewusst auf großzügige Einkommenszuwächse durch EU-finanzierte Strukturprogramme verzichtete, ebenso wie nach der Wahl Donald Tusks zum Ministerpräsidenten, als die Polen allem nationalistischen Wortgeklingel eine Abfuhr erteilten, ebenso wie während der 2008 einsetzenden Wirtschafts- und Finanzkrise, die Polen dank einer klugen, weitsichtigen Finanz- und Wirtschaftspolitik fast unbeschadet überstand.

In Anlehnung an den Wortlaut der polnischen Nationalhymne dürfen wir sagen:

Solange es treue, überzeugte Bündnispartner wie Polen gibt, ist Europa, ist die Europäische Union nicht verloren.

Polens Außenminister: Am Rande des Abgrunds muss Deutschland führen – Nachrichten Debatte – Kommentare – WELT ONLINE.

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Der verborgene Schatz, oder: Europa neu erzählen!

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Nov. 282011
 

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Einen dauerhaften Aufbruch aus der europapolitischen Stagnation kann nur vermitteln, wer die Kunst der großen Deutung behrrscht.“ Den heutigen Nachmittag verbrachte ich mit dem systematischen Durchforsten verschiedener EU-Standardwerke von Juristen, Historikern und Politologen, die in diesem Jahr erschienen sind. Wie bewerten sie  die gegenwärtige Krise des Euro und der EU? Antwort: Alle von mir eingesehenen wissenschaftlichen Werke kommen mehr oder minder überein, dass es heute in der EU mehr als an allem anderen an einem großen, überzeugenden Deutungsmuster fehle. Es gebe niemanden, der Europa und die Europäische Union als ganzes erzählen wolle und könne, weder unter den Politikern noch unter den Schriftstellern, geschweige denn unter den Wissenschaftlern selbst.

Das einleitende Zitat stammt übrigens aus der Feder des Münchner Politikwissenschaftlers Werner Weidenfeld.

Is this really the end?, fragt der doch sonst so nüchtern und trefflich analysierende britische Economist auf seinem aktuellen Titelblatt, das einen kometengleich abstürzenden Euro zeigt. 

Kein Zweifel: Europa hat den Faden verloren. Die Europäische Union und Europa scheinen in einer nahezu unlösbaren Krise zu stecken. Ich meine deshalb: Ähnlich wie nach dem Scheitern der geplanten Europäischen Verteidigungsgemeinschaft 1955 (EVG) und nach dem Versagen des Völkerbundes ab 1933 gilt es heute mehr denn je, Sinn und Ausgestaltung der EU neu zu bestimmen. Ich bin überzeugt: Finanztechnische, währungspolitische und volkswirtschaftliche Erwägungen allein reichen bei weitem nicht aus, um das torkelnde europäische Fahrrad wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Not tut vielmehr eine entschiedene Besinnung auf das, was Europa zusammenhält: die Freiheit der Person, die Nächstenliebe, die Gerechtigkeit und die Weisheit, vor allem aber ein verborgener Schatz an kleinen und großen Erzählungen. Es wird deshalb einen ersten Abend zu dieser Thematik bei der CDU Kreuzberg-West geben: 

 Europa neu erzählen!

Donnerstag, 08.12.2011, 19.30 Uhr, Wirtshaus Stresemann, Stresemannstraße 48, Berlin-Kreuzberg

An diesem Abend werden wir zunächst den neuesten Stand der währungspolitischen und volkswirtschaftlichen Debatte analysieren und in groben Zügen geordnet darstellen. Wir werden dann stotternd und zaudernd versuchen, von den großen Erzählungen der Europäer, insbesondere der Weihnachtsgeschichte der Evangelien her, Europa neu zu erzählen. Abschließend werden wir verschiedene Vorschläge zur Lösung der Krise bewerten. Jede große Erzählung beginnt mit einer Anrufung!

Zitat: Werner Weidenfeld: Die Europäische Union. Unter Mitarbeit von Edmund Ratka. 2., aktualisierte Auflage [= UTB 3347], Wilhelm Fink Verlag München, 2011, hier S. 214

The euro zone: Is this really the end? | The Economist

Das Foto zeigt europäische Kinder verschiedener Länder beim Graben nach einem verborgenen Schatz, aufgenommen gestern beim Wandern im Tegeler Forst, hart am Gipfel des Ehrenpfortenberges, mit 69 m ü.NN einer der höchsten Erhebungen Berlins

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Okt. 262011
 

So hört man es immer wieder bei Sonntagsreden: Frieden und Wohlstand sind die großen Errungenschaften der Europäischen Union.

Eine falsche Akzentsetzung, wie ich meine. Ein Missverständnis. Frank-Walter Steinmeier brachte sie soeben wieder im Bundestag. Ich meine: Die EU ist – entgegen den Erwartungen der egoistischen Nationalstaaten – vorrangig keine Veranstaltung zur Mehrung des Wohlstandes. Sehr wohl soll sie zwar der Friedenssicherung dienen. Und das hat sie bisher mehr schlecht als recht geschafft. Denn die EU ist militärisch zahnlos, und sie konnte weder die Kriege in Jugoslawien noch die jahrzehntelange Gewalt am eigenen Südsaum, also in den Mittelmeerländern verhindern.

Neben das Ziel des Friedens tritt aber für die EU gleichberechtigt nicht der Wohlstand, sondern das Ziel der Freiheit. Nur in Freiheit ist der Frieden sinnvoll und dauerhaft zu sichern.

Der große Irrtum der EU-Politik ist die Verengung auf das Wirtschaftliche, auf das Monetäre und das Finanzielle. Niemand – außer vielleicht Beethovens Hymne „An die Freude“ und einzelnen Stimmen wie etwa Navid Kermani  – vermag heute einen starken, leidenschaftlichen Sturm zum Sinn der Europäischen Union zu entfachen.

Geld regiert die Welt der EU. Dadurch wird die Freiheit der künftigen Generationen bedroht, und der Frieden ist zumindest in Griechenland bereits jetzt gefährdet.

Regierungserklärung im Live-Ticker – Steinmeier sieht Europas Zukunft in höchster Gefahr – Inland – Berliner Morgenpost – Berlin

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„Scheitert die EVG, scheitert Europa!“

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Okt. 252011
 

Riesige Hoffnungen knüpften sich 1955 an das gemeinsame Projekt der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG). Ein Europa, das durch wirtschaftliche Interessen begründet wurde, war nicht Sinn und Absicht der Gründerväter. Vielmehr wollten sie vor allem die Abfolge verheerender Kriege endgültig unterbechen, die etwa ab 1905 den gesamten europäischen Kontinent erschüttert hatten.

Von diesen zahllosen Kriegen und Bürgerkriegen weiß heute kaum mehr jemand etwas. Um nur ein Beispiel herauszugreifen: Fast niemand weiß, dass Griechenland, bis 1940 ein enger Verbündeter Italiens, nach dem kriegerischen Überfall  der Italiener auf ihr Land und der anschließenden Eroberung und Besatzung durch die Deutschen in einen mörderischen Bürgerkrieg hineingeriet, der erst 1949 beendet wurde: Grieche kämpfte damals gegen Grieche, faschistische Griechen, die mit den Italienern und Deutschen zusammenarbeiteten, kämpften gegen kommunistische Griechen, die von Moskau unterstützt wurden. Der Widerstand gegen die Besatzung war auch ein Bruderkampf zwischen Griechen, der sich jahrzehntelang fortsetzte in griechischer Obristen-Diktatur und rotem Terrorismus.

Aus jenen Jahren stammt auch das Muster der Geld-Umverteilungspolitik, von dem die griechische Volkswirtschaft sich offenbar bis heute nicht befreit hat. Woher das Geld kommt – ob nun aus Steuerverkürzung, Steuerhinterziehung, Subsidien, Wohltaten und Subventionen des griechischen Staates oder der Europäischen Union – ist zweitrangig. Stets geht es bei der Umverteilungspolitik darum, möglichst viel von dem durch den Staat verwalteten und verteilten Geld für sich, für die eigene Familie, für die eigene Sippe herauszuschlagen.

Die Europäischen Gemeinschaften, etwa die Montanunion EGKS oder EWG waren gedacht als Bollwerk gegen die jahrzehntelang aufflammenden Kriege und Bürgerkriege der europäischen Staaten. Eine starke wirtschaftliche Verflechtung der Wirtschaft, insbesondere der Schwerindustrie, würde weitere Kriege, als wirtschaftlich sinnlos, verhindern.

Neben diese wirtschaftliche Verflechtung sollte auch eine gemeinsame Verteidigungspolitik treten.  An diese „Europäische Verteidigungsgemeinschaft“ glaubte insbesondere Konrad Adenauer mit großer Leidenschaft. Immer wieder beschwor er seine Partei und auch die anderen Parteien, dem Projekt zuzustimmen. Mehrfach knüpfte er sein politisches Schicksal an das Gelingen der EVG. „Scheitert die EVG, scheitert Europa!“ Dass die französische Nationalversammlung die EVG bereits vor dem Entstehen zu Fall brachte, war für Adenauer die bitterste Enttäuschung, die größte Niederlage seines Politikerlebens, wie er selbst im Gespräch mit Günter Gaus einmal ohne Umschweife einräumte.

Es ist  unüberbietbar spannend  nachzulesen, wie sehr Adenauer damals an der militärischen Verflechtung Europas interessiert war. Er glaubte einige Jahre lang, dass nur eine gemeinsame europäische Streitmacht den Krieg dauerhaft aus Europa verbannen würde.

Zurück ins Jetzt! Navid Kermani hat gestern in der Süddeutschen Zeitung den Begriff der Freiheit, als des entscheidenden Tragewerkes der europäischen Einigung, herausgearbeitet. Weder die Wirtschafts- noch die Militärunion, so Kermani, machen den Sinn und Zweck der Europäischen Union aus. Vielmehr ist es die emphatische Berufung auf die zentralen Werte der Freiheit jedes einzelnen Menschen, der Brüderlichkeit unter den Menschen aller Herkünfte, der gleichen Rechte für alle Bürger der Europäischen Union, die dieses großartige Unternehmen zusammenhält.

Was würde Adenauer sagen, wenn er uns zusähe? Ich meine, er würde uns ermuntern und ermahnen: „Lasst euch nicht entmutigen! Besinnt euch auf das, was euch stark macht!  Haltet zusammen – aber seht die EU nicht vorrangig als Raum der Wirtschaft, sondern als Raum der Freiheit. Die Wirtschaft soll der Freiheit des Menschen dienen! Die Europäische Union stand und fiel nicht mit der EVG, wie ich damals annahm. Sie steht und fällt auch nicht mit den wirtschaftlichen Kennziffern. Sie ist aber auch keine Geld-Umverteilungsmaschinerie! Nichts ist alternativlos, solange ihr Sinn und Inhalt der Europäischen Union nicht aus den Augen verliert. Haltet an den Begriffen der Freiheit fest, kämpft für den Frieden. Haltet zusammen!“

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„Üb immer Treu und Redlichkeit!“, oder: Europa gelingt gemeinsam

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Sep. 292011
 

Sehr gute, hochklassige Debatte im Bundestag zu Euro-Abstimmung! Gut, dass auch die Abweichler reden durften. Gut aber auch, dass die führenden Unionspolitiker seit Tagen die Tonlage heruntergenommen haben! Die deutschen Unternehmen haben volle Auftragsbücher, die Griechen, Väter und Mütter der europäischen Ratio, sind doch überwiegend vernünftige Menschen.

„Wir schaffen das, wir packen das, wir steuern das.“ Das muss die Grundlinie sein.

Die Finanzpolitik muss in die Vorhand gehen, darf sich nicht so viel von den Medien und den Finanzmärkten treiben lassen.

Üb immer Treu und Redlichkeit!“ Was alle wünschen, alle sehnen, ist heute Mangelware: Rechtschaffenheit, Festigkeit, Treue! Bürgerliche Tugenden werden heute ausdrücklich von den Neo-Bürgerlichen  beschworen: Verlässlichkeit, Verantwortung, Berechenbarkeit. Dies tat soeben Jürgen Trittin im Bundestag, ähnlich seine Parteifreundin, die Schulstadträtin Monika Herrmann in der Morgenpost heute S. 14: „Wir wissen, was ein Wort der SPD wert ist, wenn es interpretationswürdig ist. Da verlasse ich mich auf gar nichts.“

Erneut ist zu sehen: die Menschen – und auch Politiker sind Menschen – verlangen Redlichkeit und Beständigkeit, Sparsamkeit und Anstand.

Meine Bezirksgrünen sind im Aufruhr: Jetzt haben sie jahrelang sehr viel Kraft auf das Bekämpfen einer Autobahn gelegt, mit allen Mitteln DAGEGEN gekämpft und dabei mit viel Idealismus sogar die bezirklichen Hausaufgaben, den Ausbau der bezirklichen Fahrrad-Infrastruktur, den Umfeld- und Umweltschutz innerhalb des Bezirks grob vernachlässigt, und jetzt zieht der Wowereit sie über den Tisch! Bürgermeister Schulz droht mit Parteiaustritt, wenn die Grünen beim Bau der A 100 helfen. Dem ist Respekt zu zollen.

Treue und Festigkeit stehen hoch im Kurs. Glaubwürdigkeit ist das A und O.

Im Extrem führt dies dazu, dass Prinzipien mehr zählen als Resultate politischen Handelns. Und das wäre gefährlich. Denn was zuletzt zählt, sind die Ergebnisse. Hat das politische Handeln eine Verbesserung bewirkt oder nicht? Gute Absichten allein reichen nicht aus.

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Sep. 242011
 

Entspringt die gegenwärtige Finanzkrise einem falschen Wachstumsglauben?  Manche reden so. Da unsere Volkswirtschaften zur Wahrung des Wohlstandes auf Wachstum angelegt seien, müssten sie sich zunehmend verschulden, um bei sinkender Beschäftigung den Wohlstand für alle zu sichern. Ich widerspreche.

„Falscher Wachstumsglaube“ oder „falsches Staatsverständnis?“

Die gesamte europäische Schuldenkrise ist meiner tiefen Überzeugung nach aus einem falschen, im Grunde uneuropäischen Staatsverständnis entsprungen. Die Staaten und mit ihnen die Europäische Union ließen sich in die Haftung für das wirtschaftliche Wohlergehen der Bürger, der Unternehmen und der Banken nehmen, statt die Bürger, die Unternehmen und die Banken zu ermuntern, ihr eigenes Wohlergehen zu besorgen.

Die europäischen Staaten haben auf verderbliche Weise über ihre Verhältnisse gelebt, weil sie dem Staat einerseits zu viele Haftungspflichten übertrugen und andererseits die Aufsichtspflichten des Staates vernachlässigten.

Sie laufen folglich Gefahr, den allgewaltigen Versorgungsstaat zu schaffen.
„Der Euro ist die Grundlage der Europäischen Union, ohne den Euro bricht Europa auseinander.“ So kann man es sinngemäß oder wörtlich auch aus dem Munde namhafter Politiker hören. Ich halte diese Aussage für falsch und für gefährlich. Der Euro ist nie und nimmer die Grundlage der Europäischen Union, noch weniger die Grundlage Europas. Weder Europa noch die Europäische Union sind auf dem Euro oder auf dem europäischen Wirtschaftsraum begründet. Wer so redet, hat die eigentliche Klammer Europas und auch der Europäischen Union nicht hinreichend bedacht.

Warum?

Nicht der Euro, nicht die Wirtschaft sind der Sinn und Zweck der Europäischen Union. Die unterscheidenden Merkmale Europas und auch der heutigen Europäischen Union sind meines Erachtens  die folgenden:

1) Ein stark entfalteter Freiheitsbegriff, nachzuweisen in Griechenland ab etwa dem 6. Jahrhundert v. Christus:

Wir sind selber der Staat, wir sind selber die Macht.“ So sprechen und denken die Bürger der griechischen Gemeinden, die dem Druck des allgewaltigen Versorgungsreiches, dem Druck der Perser standhalten und sich ihm widersetzen.

Bis zum heutigen Tag gibt es diese beiden klar entgegengesetzten idealtypischen Staatsbegriffe: Im  Osten und Süden des Mittelmeeraumes bestimmt noch weitgehend der herrschaftliche, von oben herab verfügende und lenkende Alleinherrscher mit seinen wenigen Getreuen die Geschicke der Bürger. Das antike Perserreich ist die idealtypische Ausprägung, die heute noch bestehenden Diktaturen des Ostens und Südens tragen diese Erbschaft weiter.

Im Norden und Westen des Mittelmeerraumes wollen überwiegend die kleineren Einheiten, die Bürger, die Gemeinden, die kleineren und größeren Nationen ihr Schicksal selbst bestimmmen. Jeder übergeordneten Macht wird mit zunehmender Zurückhaltung, Skepsis und auch Widersetzlichkeit begegnet. Das galt jahrhundertelang für das Römische Reich, das gilt heute für die Europäische Union.

2) Als zweites unterscheidendes Merkmal Europas kann die tiefe kulturelle Prägung durch das Christentum gelten. Alle europäischen Völker sind zwischen dem 4. und dem 11./12. Jahrhundert kollektiv zum Christentum übergetreten. Mindestens bis ins 19. Jahrhundert hinein haben alle europäischen Völker sich als christliche Nationen definiert. Die vorherigen paganen Religionen sind vollständig unterdrückt worden. Judentum und Islam hingegen galten durchweg als Randerscheinungen, die nicht zum Kernbestand Europas gehörten, sondern eher dessen Außengrenzen bestimmten. Judentum und Islam wurden teils verfolgt und unterdrückt, teils als Ausnahmen geduldet, teils vollständig assimiliert. Abwehr des islamischen Unterwerfungsverlangens bestimmte jahrhundertelang Europas Außengrenzen.

3) Als drittes Merkmal für Europa kann die Prägung durch das römische Recht gelten. In allen europäischen Staaten hat sich das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit durchgesetzt, ausgehend vom kodifizierten Recht des Römischen Reiches. Die Macht setzt das Recht. Umgekehrt wird Macht durch „gesetztes“, also durch „positives“ Recht kontrolliert.  Macht übt Herrschaft aus und wird durch positives Recht gesichert. Gesetztes Recht wird durch Macht gesichert.

Ein Gegenmodell zur staatlich gesicherten Herrschaft des römisch geprägten Rechts ist zweifellos die Ausübung des Rechts durch geistliche Herrschaft, idealtypisch zu finden in der Scharia. Die islamischen oder sich aktuell  islamisierenden Staaten wenden sich gerade in diesen Monaten erneut der Scharia, nicht dem römischen Recht, als der Grundlage des neu zu definierenden Rechtsrahmens zu. Bezeichnend dafür die Aussage des libyschen Übergangsrates: „Libyen soll ein gemäßigt islamischer Staat werden, in dem die Scharia die Grundlage des Rechts wird.“

Drei Städtenamen stehen für die beschriebene, dreifach ineinander verwobene Prägung Europas:

Athen steht für Freiheit und Selbstverantwortung der Bürger, aus dem letztlich auch der Gedanke des Nationalsstaates hervergegangen ist.

Jerusalem steht für den scharfen Geltungsanspruch der drei monotheistischen, orientalisch-abramitischen Religionen Judentum, Christentum, Islam, von denen das Christentum sich in Europa durchsetzen konnte.

Rom steht für Recht. Durch Rom wird staatliches Leben zur Spielfläche unterschiedlichster, häufig widerstreitender Ansprüche und Gegenansprüche. Kein europäischer Staat verzichtet auf diesen langfristig angelegten Rahmen der Auseinandersetzung, in dem Absolutheitsansprüche sowohl der Religionen wie auch Machtansprüche der wirtschaftlich Mächtigen ihre Einhegung finden.

Mangelnde Einhaltung von Rechtsnormen auf staatlicher Seite, also Korruption, führt zu Misswirtschaft, Klientelismus und Staatsbetrug: Betrug des Staates an den Bürgern, Betrug der Bürger am Staate.

Hochverschuldete Staaten führen, wie man in diesen Tagen auf niederschmetternde Weise in Griechenland sehen muss, nahezu zwangsläufig zur Entmündigung der Bürger. Sie führen zur Lähmung der Politik.

Athen, Jerusalem, Rom. Die alleinige Konzentration auf die Finanzverfassung wird keinen Ausweg aus der Krise des Europa-Gedankens weisen können.

Athen, Jerusalem, Rom.

Nur in Rückbesinnung auf das Erbe dieser drei symbolisch hochbeladenen Städte wird Europa, wird die Europäische Union sich als kulturell und politisch ernstzunehmende Größe behaupten können.

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„Wir sollten uns mehr abstrampeln!“

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Sep. 202011
 

Aufmerksam verfolge ich die Presse-Berichterstattung über den Besuch des türkischen Präsidenten Abdullah Gül. Seine Heimatstadt Kaisery, das antike Caesarea/Καισάρεια in Kappadokien, kenne ich gut, dort habe ich einige schöne Urlaubstage verbracht. Die Bewohner der Region gelten als die „fleißigen Schwaben/Preußen/Deutschen“ der Türkei.

Mehr Fleiß, mehr Anstrengung verlangt Gül von den Menschen. Das halte ich für richtig. Auch der Vergleich mit dem fleißig sich abstrampelnden Radfahrer gefällt mir:

Türkischer Staatschef: Gül trumpft in Deutschland mit neuer Stärke auf – SPIEGEL ONLINE – Nachrichten – Politik
Die EU hingegen sei derzeit schwach und verhalte sich wie ein Fahrradfahrer, der nicht mehr in die Pedale trete.

„Wer hier lebt, soll akzentfrei Deutsch lernen!“ Diese Forderung des Präsidenten geht mir allerdings zu weit. Sie schlösse ja all die vielen Menschen aus, die eben nicht ganz akzentfrei sprechen – wie mich selbst etwa. „Sie kommen aber nicht aus Berlin, oder?“, werde ich wegen meines Akzents immer wieder gefragt.

Das Problem ist, dass viele Türken und andere Zuwanderer nur sehr gebrochen oder überhaupt kein  Deutsch reden, weil sie keine Notwendigkeit sehen, hier anzukommen. Sie leben in ihren türkischen Verbänden, wollen nicht allzu viel mit der nichttürkischen deutschen Umwelt zu tun haben. Viele glauben weiterhin, dass sie „irgendwann“ zurückkehren.

Insgesamt meine ich, wir sollten uns alle bemühen, auch Hochdeutsch zu lernen, nicht nur den Berliner Dialekt oder das brandneue „Kiezdeutsch“ („Isch mach dich messer“). Akzentfrei?  – Brauchen wir nicht, im Gegenteil, ich mag Akzente, das Treffen der vier türkischstämmigen Kandidaten von CDU, Linke, Grünen und SPD vor der Abgeordnetenhauswahl im Kreuzberger Café Südblock hat mir große Freude bereitet! Spräche ich nur halb so gut Türkisch, wäre ich schon froh!

Viele Deutschtürken haben ein Problem. Sie meinen, sich entweder für Deutschland oder die Türkei entscheiden zu müssen.  Folge: Sie haben sich weder für Deutschland noch für die Türkei entschieden. Wenn sie sich für oder gegen Integration in Deutschland entschieden hätten, hätten sie auch schon längst Deutsch UND Türkisch, oder Türkisch UND Deutsch  gelernt, nicht akzentfrei, aber doch so weit, dass sie einen Berufsabschluss erreichen würden. Ihnen standen und stehen hier alle Türen offen.

Die Türkei hat lange Jahrzehnte diese Illusion auf eine Rückkehr genährt und war froh, dass Millionen ihrer Staatsbürger in Deutschland ein Auskommen fanden und dringend benötigte Devisen nachhause überwiesen. Über die staatliche Ditib konnte die Türkei weiterhin Einfluss auf die deutsche Innenpolitik nehmen und ihre Schäflein einigermaßen im Zaum halten.

Mein Kreuzberger Mitbürger Özcan Mutlu MdA wird sicherlich von der Bundesregierung stärkere Einhaltung muslimischer Werte und die Abhaltung von Id- oder Iftar-Festen im Kanzleramt einfordern, worauf dann sicher die verschiedenen christlichen Konfessionen eine Ostermette im Kanzleramt verlangen werden (pro Konfession eine).

Ansonsten „hat die Türkei derzeit einen Lauf“, wie man sagt. Die militärische Drecksarbeit in Libyen haben westliche Mächte erledigt. Denn „ein Moslem schießt nicht auf Muslime.“  Danach fliegen die Türken ein, lassen sich als neue Führungsmacht feiern und sammeln den Applaus und den Jubel der Massen ein. Die Briten, Franzosen und Amerikaner stehen erneut als Kriegsherren da, als der Westen, der auch unschuldige Menschen getötet hat.

Die Türkei agiert derzeit mit kraftvollem Selbstbewusstsein, verhätschelt – sehr im  Gegensatz zur EU – ihre Bürger nicht, sondern setzt auf Fleiß, auf Demokratie, auf Zusammenhalt und Bürgersinn, und zeigt sich nach außen hin als das, was Staaten sind: Machtgefüge, die selbstverständlich im internationalen Verkehr vor allem eigene Interessen verfolgen.

Genau dasselbe sollte die EU ebenfalls tun. Ich halte es für einen großen Fehler, wenn die EU ihre Außenbeziehungen – etwa gegenüber dem arabischen Raum oder der Türkei –  stets vor allem und ausschließlich unter dem Vorzeichen der humanitären Verpflichtungen sieht. Das ist Unsinn. Die Türkei hat nicht Arbeiter geschickt, um Deutschland beim Wiederaufbau oder beim Wirtschaftswunder zu helfen. Es ging um einen Vertrag zum beiderseitigen Nutzen. „Wir schicken euch Arbeiter, die Arbeiter verdienen Geld und schicken einen Teil nachhause.“

Umgekehrt hat heute die Bundesrepublik keinerlei Verpflichtung, türkische Staatsbürger mit viel Geld und guten Worten zu beknieen und zu umwerben, sich doch endlich zu integrieren und bitteschön Deutsch zu lernen. Sie könnten es längst, wenn sie es denn wollten.

Die Türkei kann in der Tat einer sich selbst lähmenden EU als Vorbild dienen. Kraftvoll, fordernd, nicht unterwürfig, sondern zukunftsgewiss, selbstbewusst!

Es lebe die starke, die kraftvolle, die neue Türkei!

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Beethoven oder Schubert?, oder: Welche Musik spielt Europa?

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Aug. 272011
 

Als Liebhaber der Musik aus deutschen Landen präsentiert sich heute in Rimini Giulio Tremonti. „Die offizielle Hymne an die Freude läuft Gefahr, durch Schuberts „Unvollendete“ ersetzt zu werden.“

Ue: Tremonti, rischia di passare da ‚Inno alla Gioia‘ a ‚Incompiuta‘ | Parma la Repubblica.it
Ue: Tremonti, rischia di passare da ‚Inno alla Gioia‘ a ‚Incompiuta‘
Rimini, 27 ago. (Adnkronos) – „L’inno ufficiale dell’Unione europea rischia di passare da ‚L’Inno alla Gioia‘ di Beethoven a ‚L’Incompiuta‘ di Schubert…“. Con questa battuta, pronunciata nel corso del suo intervento al Meeting di Rimini, il ministro dell’Economia Giulio Tremonti ammonisce a „non andare avanti su un crinale pericoloso, come qualcuno pare voglia fare. Altrimenti -avverte- forse nella Ue bisogna cambiare musica“.

(27 agosto 2011 ore 14.16)

Ein anderer Online-Dienst berichtet soeben von der klaren Ansage Tremontis zugunsten der Eurobonds, die er als Instrumente für die steuerliche Konsolidierung, für die Einheitswährung und für zukünftige, wachstumsorientierte  Entwicklung sieht. Klare, eindeutige Kritik an Deutschland! Ich lese aus den in der Presse zitierten Worten Tremontis heraus: Deutschland darf sich nicht verweigern, es muss den Eurobonds zustimmen.

Il ministro nell’intervento ha ribadito che la crisi non è finita, il „game over“ non è ancora arrivato. Per Tremonti dunque la soluzione deve e può essere negli Eurobond, strumento per gestire il futuro fatto di rigore e disciplina. Di qui il monito alla Germania a non arroccarsi su una posizione nazionalista. „Se si va avanti su un clinale pericoloso – ha detto il ministro – il rischio è che bisognerà cambiare musica e passare dall’Inno alla gioia all’Incompiuta di Schubert“. Gli Eurobond, ha detto il ministro, non sono „un’idea che non può andare perchè conviene solo alla Spagna e all’Italia. E‘ un commento non appropriato. Gli Eurobond sono strumenti per il consolidamento fiscale, per la moneta comune e per i finanziamenti futuri nella prospettiva di crescita“.

Freunde, amici miei, hier stoßen vollkommen unterschiedliche Staatsaufassungen aufeinander! Der Italiener Tremonti denkt sozusagen von oben herab: Die europäische Ebene ist vorgelagert, das Gelingen des europäischen Einigungswerkes ist ein übergeordnetes Ziel, dem sich nationale oder „nationalistische“ Interessen (hier Deutschlands) unterzuordnen haben. Deutschland darf sich nicht in einer „nationalistischen“ Position verschanzen, es muss um des europäischen Aufbauwerks willen den verschuldeten Partnern grundsätzlich beispringen. So deute ich Tremontis Bezugnahme auf Ludwig van Beethoven und Franz Schubert in Rimini.

Die Deutschen (und auch die Slowaken, die Polen, die Schweizer, die US-Amerikaner) spielen eine andere Melodie: Für uns (mindestens für diesen armen Kreuzberger Blogger) gilt der Vorrang der unteren Ebene: Staatliches Leben vollzieht sich zunächst in der Gemeinde, dann im Bundesland, dann im Nationalstaat, der sich in den Europäischen Staatenverbund einfügt. Eine Gemeinde allein kann nicht überleben. Um stark zu sein, muss sich die untere Einheit verbünden, zusammenschließen und gewisse Rechte an die höhere Ebene abtreten. Die höhere Ebene existiert „von Gnaden“ der unteren Ebene. Die untere Ebene ist vorrangig. Kommt die höhere Ebene in eine finanzielle Schieflage, kann sie von der unteren Ebene Hilfe verlangen. Wenn der EU, der oberen Ebene, das Geld ausgehen sollte, könnte sie von den Mitgliedsstaaten Hilfe verlangen. Aber die EU, die obere Ebene muss wissen, dass sie auf Gedeih und Verderb vom Wohlergehen aller unteren Ebenen abhängt!

Kann aber ein Land von einem anderen Land Hilfe verlangen, wie es jetzt durch Griechenland und Italien verlangt wird – wo von Deutschland, den Niederlanden, der Slowakei  und einigen wenigen kleinere Ländern verlangt wird, anderen Ländern beizuspringen? Ich würde sagen: nein. Dies widerspricht der Architektur der Europäischen Verträge! Dies widerspricht auch dem Grundsatz der Subsidiarität.  Die Länder – also die unteren Ebenen – müssen nach dem Grundsatz der Subsidiarität ihre Wirtschaft selbständig verantworten und in Ordnung halten, solange wir trotz des Euro noch europäische Volkswirtschaften mit eigener Steuer-, Geld- und Finanzpolitik haben.

Ich bin felsenfest überzeugt: Haushaltspolitische Subsidiarität und europäische Solidarität bedingen einander.  Worauf Tremonti hinauswill, ist aber offenkundig ein europäischer Zentralstaat, hierarchisch verfasst wie etwa Frankreich, Italien, Griechenland oder Spanien. Die Eurobonds sind zum jetzigen Zeitpunkt ohne eiserne, geharnischte Klauen und Zähne, ohne verfassungsmäßig aufgezwungene Sparsamkeitsvorschriften das Einfallstor des Zentralstaates. Ist Italien, ist Griechenland, ist Spanien dazu bereit?  Waren sie je in den letzten Jahrzehnten dazu bereit?

Was eine deutsche Ministerin ausgerechnet heute – am selben Tag! – gefordert hat, nämlich Ursula von der Leyen, ist offenkundig etwas anderes als ein europäischer Zentralstaat: ein europäischer Bundesstaat, subsidiär verfasst nach dem Vorbild der USA, Deutschlands oder Schweiz.

In gegensätzlichen, ja geradezu unvereinbaren Staatsauffassungen begründet ist meines Erachtens die zur Zeit fast ausweglos scheinende Debatte über die europäische Finanzkrise, also etwa über die berühmten Eurobonds.

Es geht hier nicht um Demokratie oder Nicht-Demokratie. Selbstverständlich können auch Zentralstaaten durch und durch demokratisch sein, auch Bundesstaaten können diktatorische Züge annehmen.

Entscheidend ist jedoch die Frage: WER GIBT DIE TONART VOR? Die höhere, die zentrale Instanz, also BEETHOVEN, der Gran Maestro, der stabführende Dirigent wie etwa Arturo Toscanini, oder die untergeordnete, die subsidiäre Ebene, der Kammermusiker und Liedersänger Franz Schubert?

Auffällig für mich als ehemaligen Gastarbeiter in Italien: Ausgerechnet jetzt besinnt sich Italien auf den erstrebten europäischen Zentralstaat als Quell aller überschäumenden finanzpolitischen Freuden, nachdem über 2 Jahrzehnte lang der bundesdeutsche finanzpolitische Föderalismus als vorbildlich für eine Reform der eigenen Finanzverfassung hingestellt wurde! Che ironia! Hier schnürt sich gerade vor unseren Augen ein Knäuel an ungelösten Fragen!

Amici, Freunde: Dobbiamo stare attenti, molto attenti!

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Was hätte Friedrich Schiller über die EU gesagt?

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März 082011
 

„Großartiger, glänzender Friedrich Schiller, o trefflicher Mann!“ So etwa würde ich ihn in seinem hochgespannten Ton anreden, wenn ich denn eins jener bei den Alten so beliebten Geistergespräche, also einen erfundenen Dialog mit einem Verstorbenen,  mit ihm führen wollte! Man lese doch nur etwa seine Antrittsrede: „Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte?“

In der Netzausgabe des  heutigen Tagesspiegels unternimmt Rüdiger Schaper ein bemerkenswertes derartiges Geistergespräch mit Friedrich Schiller und fördert Erstaunliches zutage! Schillers zentraler Gegenstand war die Freiheit des Menschen – und die Unfreiheit, welche ihm die Tyrannen auferlegen. „Der Mensch wird überall frei geboren, und er findet sich überall in Ketten!“ So Rousseau. Der Mensch ist von Natur aus frei – durch Herrschaft, durch Politik wird er geknechtet. Die große Aufgabe zu Schillers Zeit war es, politische Herrschaft und Freiheit zu versöhnen. Schiller selbst konnte vielleicht gerade noch bis zur heutigen parlamentarischen Demokratie vorausdenken. Dass man jedoch das Königtum abschaffen sollte, durfte er damals noch nicht laut sagen. Was Schiller über Wohlstand und Selbstliebe der Staaten sagt, bleibt heute so gültig wie damals. Man könnte diese Sätze geradezu als Erklärung von Staatenbündnissen wie etwa der Europäischen Union samt ihrer mannigfachen Beziehungen zu auswärtigen Staaten wie etwa Libyen deuten:

Friedrich Schiller: Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte?
Endlich unsre Staaten – mit welcher Innigkeit, mit welcher Kunst sind sie in einander verschlungen! wie viel dauerhafter durch den wohlthätigen Zwang der Noth als vormals durch die feierlichsten Verträge verbrüdert! Den Frieden hütet jetzt ein ewig geharnischter Krieg, und die Selbstliebe eines Staats setzt ihn zum Wächter über den Wohlstand des andern. Die europäische Staatengemeinschaft scheint in eine große Familie verwandelt. Die Hausgenossen können einander anfeinden, aber hoffentlich nicht mehr zerfleischen.

Zum Nachlesen: Friedrich Schiller: Sämtliche Werke. Vierter Band. Historische Schriften [=Lizenzausgabe des Hanser Verlags], Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt, 1987, S. 749-767 („Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte? Eine akademische Antrittsrede“), hier S. 757

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Von Bismarck über Stresemann zu Adenauer …

 Bismarck, Der Westen, Europäische Union, Gustav Stresemann, Sezession, Vorbildlichkeit  Kommentare deaktiviert für Von Bismarck über Stresemann zu Adenauer …
Dez. 262010
 

Wir begingen (begingen?) heute fröhlich radelnd den zweiten Weihnachtstag. Das Fahrrad fährt seine Überlegenheit gegenüber dem Auto gerade bei Schnee und Eis noch deutlicher aus, was man an diesem Foto sieht: auf schön geräumtem Radweg sind meine Lieben schon davongehuscht, ehe ich meine Handy-Kamera in Anschlag gebracht habe. Wir kommen gerade von der Plamannschen Erziehungsanstalt her, an der Bismarck seine Grundschulzeit verleben musste (musste?): Stresemannstraße 30. Das Foto zeigt die Stresemannstraße, die ehemalige Königgrätzer Straße, weiter oben, Richtung Deutschlandhaus, neben dem ALDI, der immer so gute Sonderangebote an Xenion-Computern bereithält.

In guter Stimmung ließ ich mich bei Madame Toussaud zusammen mit dem eisernen Kanzler ablichten, den ich wegen seiner mitunter knorrig-unsympathischen, dennoch diplomatisch-verbindlichen  Art schätze. Wie öfters schon angedeutet, hege ich eine gewisse Vorliebe für unsympathische Politiker. Ein knorriger Charakter kann Ausweis lauterer Gesinnung sein!

Noch höher in meiner Achtung als Fürst Bismarck stehen Gustav Stresemann und  vor allem Konrad Adenauer. Hans-Peter Schwarz hat sicherlich eines der Erfolgsgeheimnisse Adenauers erfasst, wenn er über ihn sagt:

„Deutschland, so hämmert er der Öffentlichkeit ein, versteht sich nicht mehr als autonomer Akteur, sondern nur noch als Teil eines größeren Ganzen – Europas, der freien Welt  westlicher Demokratien, der atlantischen Staatengemeinschaft! Die Akzente mögen wechseln, an der Grundorientierung selbst ist kein Zweifel erlaubt.“

Zitat: Hans-Peter Schwarz: Adenauer. Der Staatsmann: 1952 – 1967. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1991, S. 526

Adenauer war ein Meister der Kunst, zerrissene oder scheinbar zerrissene Tischtücher wieder zusammenzunähen. Wie er etwa die widerborstigen Saarländer durch geduldiges Hinhalten, durch Abwarten wieder hereinholte, das ist wahrhaft vorbildlich gewesen!

„Meine Herren, nun wollen wir aber nicht das Tischtuch mit den Saarländern zerreißen … wir müssen uns wieder zusammenraufen … “ So oder so ähnlich begann einer seiner meist kürzeren Wortbeiträge im CDU-Bundesvorstand, als man wieder einmal über eine notorisch zerstrittene Parteigliederung verhandelte. Adenauer wusste: Parteienstreit gehört zum Wesen der Demokratie dazu, und er wusste, dass Streit auch innerhalb der Parteien zum täglichen Brot gehören kann, aber nicht gehören muss.

 

 Posted by at 23:13