Juni 302009
 

Gestern verfolgte ich das Endspiel der U21-Europameisterschaft am Fernsehen. Klasse herausgespielt, dieser Sieg! Die Verteidigung stand verlässlich, sie war einfach herausragend eingestellt. Sie hielt Özil den Rücken frei, er konnte so seine spielerische Klasse entfalten. Völlig richtig, dass Hrubesch ihn endlich wieder zum echten Stürmer machte und nach links vorne stellte. Das 4-1-4-1-System hat mich überrascht, wahrscheinlich ebenso sehr wie die Engländer!

Wer hätte das gedacht, dass wir Deutschen einen derart klug disponierten Gesamtansatz hinbekommen. Das muss doch auch in der A-Mannschaft möglich sein.

„Er staucht uns zusammen und holt uns gleich danach wieder aus dem Dreck.“ So rühmen die Spieler ihren Trainer. „Wir machen das, was der Trainer sagt, und deshalb haben wir Erfolg.“ Fleiß und Gehorsam in Kombination mit Selbstbewusstsein und Mannschaftsgeist – diese alten Tugenden werden durch Spieler wie Özil, Boateng, Dejagah, Khedira, Castro und Aogo nach Deutschland gebracht. Es sind importierte Werte, oder re-importierte?

Özil, Boateng, Dejagah, Khedira, Castro, Aogo sind unsere Vorzeigedeutschen – sie verkörpern den Willen zum Erfolg. Und dieser Erfolgswille bringt den Erfolg hervor.

Mesut Özil ist der Star der Deutschen. Völlig richtig, dass er zum Spieler des Tages gewählt wurde.

Mein Bruder Muck, langjähriger A-Spieler beim TSV Firnhaberau (Augsburg), kommentierte bei der Geburtstagsfeier am Sonntag, als wir über Migranten in Kreuzberg diskutierten: „Im Fußball klappt Integration schon lange.“ Er hat recht: Der Fußball ist ein Paradebeispiel, dass jeder seine Chance erhält. Fleiß, Disziplin, Einsatzfreude, Teamwork, Einordnung in eine Gruppe, Identifikation mit einem gemeinsamen Ziel: diese Tugenden kann man kaum so gut vermitteln wie im Sport.

„Wir haben Erfolg.“ So betitelte Kerstin Finkelstein ihr Buch über erfolgreiche muslimische Frauen.

Wann kommt ein solches Buch auch über Männer?

Lest hier einiges über unsere bunt zusammengewürfelte Multi-Kulti-Truppe aus der Süddeutschen Zeitung:

U-21-Nationalelf – Multi-Kulti ist normal – Sport – sueddeutsche.de
Andreas Beck wurde in Sibirien geboren, Sebastian Boenisch in Polen, Ashkan Dejagah in Teheran und Marko Marin in Bosnien, Jerome Boateng hat einen ghanaischen Vater, Sami Khedira einen tunesischen und Dennis Aogo einen nigerianischen, Mesut Özil hat türkische Eltern und Gonzalo Castro spanische. Die deutsche Nachwuchsmannschaft ist so international wie noch nie, aber das ist intern nicht mal ein großes Thema. „Wir kennen es aus unseren Klubs nicht anders“, sagt Dennis Aogo.

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Mai 072009
 

Aha, jetzt wissen wir mehr. Der SPD-Austritt von Canan Bayram  war offenbar doch nur die Spitze eines Eisbergs. Die Morgenpost bringt heute einen Artikel, aus dem wir einen Auszug zitieren:

Regierungskrise – SPD-Frauen meutern gegen Klaus Wowereit – Berlin – Berliner Morgenpost
Insofern ist der Übertritt der frauenpolitischen Sprecherin Canan Bayram zu den Grünen, der die rot-rote Mehrheit auf nur noch eine Stimme schrumpfen lässt, ein Zeichen für ernste Zerwürfnisse in einer Partei, die Klaus Wowereit und sein Getreuer Michael Müller seit Jahren mit harter Hand führen. Nun drohen die inzwischen gut organisierten Frauen, den Plänen der Partei- und Fraktionsspitze ernsthaften Widerstand entgegenzusetzen. „Man kann nicht den Anspruch formulieren, Frauen zu fördern, und dann kommt nur heiße Luft“, sagt eine Spitzengenossin, „das merken die Leute.“ Das Image der SPD als aufgeschlossener Partei nehme Schaden.

Derartige Akte, dass eine Volksvertreterin öffentlich jene Mauer des Einverständnisses durchbricht, welche normalerweise politische Vorgänge umgibt, halte ich für lobenswert, ja unverzichtbar. Jeder weiß doch, dass ein solcher Parteiwechsel auch das Ende der politischen Karriere bedeuten kann.  Oswald Metzger ist ein derartiger Fall, der mir jetzt gerade in den Sinn kommt.

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Ich grolle nicht

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März 082009
 

Heinrich Heine und die Frauen – das war das Thema, dem am Freitag ein ganzer Salon bei Marie-Luise gewidmet war.  Ort: In der Rosa-Luxemburg-Straße zu Berlin, ausgerechnet!

Die Sängerin Irina Potapenko trug, begleitet durch Uwe Streibel, fünf Lieder Heines in der Vertonung durch Robert Schumann vor. Großartig! Schumann schafft es, den tändelnden Texten Heines einen Gegen-Wortlaut anzuhängen. Dadurch werden sie schwer, bitter, widerständiger als sie es sind. Besonders das herrliche „Ich grolle nicht“ steht mir jetzt noch in Ohr und  Gedächtnis.

Ich grolle nicht, und wenn das Herz auch bricht,
Ewig verlornes Lieb! ich grolle nicht.
Wie du auch strahlst in Diamantenpracht,
Es fällt kein Strahl in deines Herzens Nacht.

Das weiß ich längst. Ich sah dich ja im Traum,
Und sah die Nacht in deines Herzens Raum,
Und sah die Schlang, die dir am Herzen frißt, –
Ich sah, mein Lieb, wie sehr du elend bist.

Schumann komponiert das Lied im Grunde über das eine Wörtchen „nicht“. In den Oktavschlägen der linken Hand, hervorgehoben im subito forte, wird das „nicht“ aufgehoben, ins Gegenteil verkehrt. Es ist, als hörte man: „Aber ja, ich grolle“ doch so sehr! Selten ward Freuds Einsicht, dass das Unbewusste kein „Nein“ kennt, so sinnfällig bewahrheitet wie in dieser Vertonung Schumanns. Und welche Wende steckt in diesem Wort elend!

Bei den Damen kam Heine erneut sehr gut an. Keine empörte sich, dass Heine die Frauen etwa nur benutzt habe als Muse, Stichwortgeberinnen – oder Vorwände, um unglücklich zu sein. Anderes hörte ich allerdings danach im Salon-Geplauder. Ein aufmerksam lauschender Iraker äußerte sich kritisch gegenüber Heine: „Er hat Frauen geschlagen. Deswegen mag ich ihn nicht.“ Mehrere der anwesenden Frauen verteidigten Heine mit dem Bedenken, dass auch er von Frauen geschlagen worden sei. Es müsse Waffengleichheit herrschen, diese sei auch einem gebildeten Manne wie Heinrich Heine unbedingt zuzubilligen.

Mir fiel die Rolle zu, Gedichte, Briefe und Prosatexte von Heinrich Heine vorzutragen. Dieser Aufgabe entledigte ich mich mit der mir eigenen Zungenfertigkeit. Im Wechsel dazu erklangen Musik, eine geraffte Erzählung der Heine’schen Frauenbeziehungen, deren es etliche gab – und Ausschnitte aus den allerlei Fehden und Bittgängen, die der deutsch-jüdische Dichter durchgefochten.

Madame Potapenko erklärte sich auch bereit, vor dem Auftritt mit mir zu posieren, was mich sehr gefreut hat. Das Portrait seht ihr oben.

Als Vorklang auf den heutigen Frauentag nahm ich aus der Küche in der Rosa-Luxemburg-Straße den bildlich-eindrücklichen Aufruf mit: „Auch du hältst die Küche sauber, Genosse!“

Was ich mir zur Verpflichtung nahm. Mindestens heute.

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Jan. 272009
 

Mit großer Erleichterung stelle ich fest: Niemand behauptet, dass Frauen grundsätzliche bessere Politiker sind. Aber sie gelangen anders nach vorne, behauptete ich am 25.10.2008 in diesem Blog. Ich stellte damals die Behauptung auf,

dass für die allermeisten Frauen in der Politik Macht nicht in dem Sinne obersten Rang einnimmt, wie dies für die meisten männlichen Politiker gilt. Das bedeutet jedoch, dass diese hochbegabten Politikerinnen nur in Ausnahme- und Krisensituationen nach oben gelangen können. Sie putschen sich nicht an die Macht, sondern sie erweisen sich in Zeiten der Krise als die glaubwürdigsten Anwärterinnen auf die freien Plätze. Nur dann, wenn die männlichen Mitbewerber sich gegenseitig lähmen und jeder für sich in seinen Machtstrategien gescheitert sind, kommen diese eigentlich besser qualifizierten Frauen zum Zug. Das ist häufig dann der Fall, wenn Korruption, Ämtermissbrauch und Kriminalität in die Politik hineinwirken.

Und heute, an dem Tag als vor 90 Jahren Frauen erstmals wählen durften, werden einige Politikerinnen mit ganz ähnlichen Einsichten zitiert. Ich werte dies als Beweis dafür, dass auch wir Männer manchmal ohne weibliche Vorleistung zu belastbaren Einsichten gelangen können. Herzlichen Glückwunsch – an uns Männer, dass wir seit 90 Jahren die Suppe nicht allein einbrocken und auslöffeln müssen!

 90 Jahre Frauenwahlrecht – Damenwahl – Seite 2 – Politik – sueddeutsche.de
Die Politikerinnen teilen, wie deutlich wurde, heutzutage vor allem ein Problem: In eine Spitzenposition kommen sie zumeist dann und unverhofft, wenn die männlichen Kollegen den Posten für unattraktiv, aussichtslos oder beides halten.

So widerfuhr es der SPD-Bürgermeisterin von Wismar, Rosemarie Wilcken, die 1990 als Spitzenkandidatin bei der Kommunalwahl antrat, weil sich kein anderer Bewerber fand. Als sie den CDU-Kandidaten schlug, meldeten sich plötzlich doch Interessenten, die meinten, als Spitzenkandidatin müsse man ja nicht unbedingt Stadtoberhaupt werden. Wilcken ließ sich nicht abschrecken, wurde Bürgermeisterin und 2002 im Amt bestätigt. „Frauen zu wählen ist nicht das Problem. Die Hürde ist, nominiert zu werden“, sagt sie am Montag im Kanzleramt.

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Die Reinemachefrauen, oder: Soll oder kann es eine Frauenpartei geben?

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Nov. 232008
 

man_und_frau.jpg Sind Frauen in der Politik anders? Kann es eine Frauenpartei geben? Was will das Weib in der Politik?  Mehrfach diskutierten wir in diesem Blog solche bewegenden Fragen. Nach Einträgen am 21., 27., und 28.10.2008 gelangten wir zu folgenden Schlüssen: „Mann dreht seine Runden, Frau putzt hinterher“. Frauen fehlt fast immer der Wille zur Macht als Selbstzweck, deshalb gelangen sie nur zur Macht, wenn die Männer sich vor aller Augen als unfähig oder unhaltbar erweisen. Eine Frauenpartei erklärten wir für unwahrscheinlich. Wir haben uns geirrt. Denn Berlins CDU schickt sich an, eine Frauenpartei zu werden! So jedenfalls berichtet der Tagesspiegel heute:

Die Demontage
Vom Hinterzimmer-Herrenclub zur Frauenpartei in nur zweieinhalb Monaten: So lässt sich zusammenfassen, was die Berliner CDU in diesem Herbst mit sich erlebt hat. Frauenpartei? Klar, so viele Frauen wie jetzt haben noch nie auf den besten Plätzen der Landesliste für den Bundestag kandidiert. Monika Grütters auf dem ersten Rang, Stefanie Vogelsang, Stadträtin aus Neukölln, auf dem dritten, die ehemalige DDR-Dissidentin Vera Lengsfeld auf dem sechsten Listenplatz. Deutlich mehr weibliche Gesichter werden im kommenden Sommer von den Wahlplakaten herunterlächeln.

Ihr seht: Der erste Teil meiner Analyse stimmte – nämlich, dass in besonders schweren Krisen oft der Weg für die Frauen frei wird.

Typisch sind folgende Aussagen: „Wenn ich gewusst hätte, dass ich so deutlich verliere, wäre ich gar nicht angetreten“ – so äußerte sich ein bekannter männlicher Politiker nach seiner Niederlage. „Ich habe nicht damit gerechnet, gewählt zu werden, aber ich war es der Partei schuldig. Ich musste mindestens ein Zeichen setzen.“ – In diesem Sinne äußerte sich eine weibliche Kandidatin nach ihrem Wahlsieg. Typisch Mann, typisch Frau: dem Mann ging es um konkrete Machtperspektiven, der Frau ging es um das Ansehen der Partei, obwohl sie sich keine Macht versprach!

Interessant ist auch, wie Berlins CDU das Thema des Lernens, das Thema des tiefgreifenden Wandels immer wieder elegant vermeidet und umsegelt! „Ja, haben wir denn überhaupt nichts dazugelernt?“ – so eine fassungslose Stefanie Vogelsang, als sie erfuhr, dass auch unter dem neuen alten Landesvorsitzenden munter und fröhlich weitergekungelt wird, als wäre nichts gewesen. „Ihr habt ja nichts dazugelernt!“ Solche und andere Rufe erschollen, als die hinreichend bekannte Landesvorstands-Herrenriege die Landesvertreterversammlung unterbrechen wollte, da die Delegierten sich nicht an die diktierten Listen halten wollten, sondern sich das Recht auf demokratische Wahl herausnahmen. Was für eine Ungehörigkeit!

Ronald Pofalla wiederum sagte am Dienstag zu seiner Berliner CDU: „Sie brauchen keine Belehrungen!“ Ein herrlicher Satz, denn er bedeutet: „Wie Sie aus dem Schlamassel herauskommen wollen, müssen Sie schon selber lernen – niemand kann es Ihnen von außen belehrend vorschreiben.“

Was lernen wir daraus? Ich meine dies: „Lernt selbst – damit ihr euch nicht die Belehrungen anderer anhören müsst!“

Fazit: In besonders schweren, von Männern verursachten Krisen scheinen in der Tat Frauen eher geeignet zu sein, Glaubwürdigkeit zurückzuholen. Leider müssen sie oft, allzuoft gedrängt werden, nach vorne zu treten. Hier scheint mir der Ansatz des gemeinsamen Lernens zum Erfolg zu führen.

Lernen heißt sich wandeln. Gemeinsam lernen heißt, den Wandel mitzugestalten statt ihn über sich hereinbrechen zu lassen. Dazu sollten Männer auf Frauen hören lernen.

Unser Foto zeigt eine glückliche Frau.

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Hier baut die Demokratie

 Bundestagswahlen, Currywurst, Frau und Mann, Habeck  Kommentare deaktiviert für Hier baut die Demokratie
Nov. 162008
 

15112008021.jpg Unser Bild zeigt einen Eindruck von unserem heutigen Besuch bei LOXX am Alex. Alles wird dort winzig klein nachgebaut – sogar der Bundestag. Natürlich waren wir Männer unter uns. Frauen erdulden meist nur Modelleisenbahnen, wir genießen sie. Ebenso wie die Currywurst samt Pom-Mes, wie man hierzulande zweisilbig sagt. Das gönnen wir uns, Mütter!

Noch bleibt ein Rest von gestern zu klären.

Oft, so auch gestern, wird von Lagerwahlkampf gesprochen. Was ist das? Nun, in der Demokratie kann man von einem Lagermodell oder von einem Wettbewerbsmodell ausgehen. Meist ordnen sich die Lager nach klaren Zugehörigkeiten. Das eine Lager versucht dem anderen etwas wegzuschnappen, versucht, das andere Lager kleinzureden und wegzudrängen.  Oben gegen unten, links gegen rechts, konservativ gegen progressiv, bürgerlich gegen proletarisch oder gegen adlig usw. Die Lager stehen einander gegenüber, jeder weiß, wo er steht, im Wahlkampf gräbt man sich in Positionen ein, die man gegenüber dem Gegner zu behaupten versucht. Ein klarer Lagerwahlkampf war es, was Roland Koch letztes Mal in Hessen versuchte: „Linksblock stoppen!“

Ganz anders dagegen das, was ich gerne Wettbewerbswahlkampf nenen möchte. Hier ist alles nicht so eindeutig. Zu gewinnen gilt es die Zustimmung einer vielfältigen, in sich mannigfach gegliederten, schwer überschaubaren Bevölkerung. Programmatische Aussagen sind schwierig, da die Wettbewerber selbst in ständiger Weiterentwicklung sind. Wandel herrscht vor. Lagergrenzen zerfasern, es gibt Überläufer zuhauf, Marketender und Marktschreier eilen hin und her, bieten Versatzstücke feil, die sie aus früheren Lagern aufgelesen haben: Eine eher wirtschaftsliberale Kanzlerin plädiert für strenge Marktaufsicht, ein Linker kämpft für ein unternehmerfreundliches Umfeld, eine Grüne möchte mehr Elektro-Autos, ein CDU-Mann setzt sich aufs Fahrrad. Man versucht den Gegner nicht zu schlagen, sondern man versucht die Wähler zu überzeugen, indem man besser dasteht als der Gegner.

Das Wichtigste: In so einem Wettbewerbswahlkampf verändern sich die Parteien selbst. Sie trainieren sozusagen für die Regierungsarbeit. Sie laufen sich warm, denn sie kennen das Volk, dieses unbekannte Wesen, nur unzureichend. Die Wähler schreiben sozusagen ihre Forderungen in das Wahlprogramm hinein. Und dieses Wahlprogramm liegt zu Beginn des Wahlkampfes noch nicht fertig vor. Es ist ein fortlaufendes Beschäftigungsprogramm. Arbeitstherapie für kranke Parteien gewissermaßen.

„Klingt gut, aber gibt es so etwas“, fragt ihr mich?  Ich meine: ja. Obama hat dies im wesentlichen so gemacht. Aber auch Brandt schaffte dies 1972 einigermaßen. Es war der erste Wahlkampf, an den ich noch persönliche Erinnerungen habe.

Welche Form ist besser? Es gibt keine allgemeine Regel! Wenn alles von vorneherein eindeutig ist, wenn gut und böse feststeht, sollte man auf den Lagerwahlkampf setzen.

In Zeiten beschleunigten Wandels, in denen sich das Neue erst abzeichnet, rate ich in jedem Fall zum Wettbewerbswahlkampf. In einem solchen spielen Persönlichkeiten und kommunikative Darstellung eine wichtigere Rolle als die festen Inhalte. Gefragt ist eine gute Beziehung zwischen Wählern und Kandidaten, die Kandidaten müssen es schaffen, als Ansprechpartner und Projektionsfläche für unbestimmte Erwartungen angenommen zu werden.

Der Wähler muss beim Wettbewerbswahlkampf das Gefühl haben: „Na endlich, dieser Kandidatin möchte ich etwas von mir erzählen! Die wird meine Anliegen weitertragen. Klasse, das gefällt mir, der geb ich meine Stimme!“

Im Lagerwahlkampf sollte sich hingegen das Gefühl einstellen: „Na endlich, da ist jemand, der uns endlich erzählt, wo es langgehen soll! Klasse, das gefällt mir, der geb ich meine Stimme.“

Habt ihr noch Zeit? Dann empfehle ich euch Thukydides, Der peloponnesische Krieg. Das unerreichbare Muster und Vorbild zum Studium des Lager- und Blockdenkens. Innerhalb weniger Jahrzehnte schafften es eigentlich verwandte Stadtstaaten, sich durch ein Lagerdenken reinsten Wassers gegenseitig  in den Abgrund zu stürzen, so dass Hellas leichte Beute eines auswärtigen Aggressors werden konnte.

Thukydides schreibt: „Wer immer schimpfte und mit nichts zufrieden war, galt für glaubwürdig, wer aber widersprach, für verdächtig. Wenn einer mit einem hinterhältigen Schachzug Erfolg hatte, wurde er als klug angesehen, und es war ein Zeichen noch größerer Klugheit, einen Angriff rechtzeitig zu durchschauen.“

Lagerwahlkämpfer aller Parteien, lest Thukydides! Das Zitat heute übrigens abgedruckt auf S. 2 der Süddeutschen Zeitung in einem höchst lesenwswerten Artikel von Stefan Rebenich.

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Müssen immer die Frauen alles ausmisten?

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Okt. 212008
 

Sind Frauen besser im gemeinsamen Handeln, im guten Kommunizieren? Aber schlechter als wir Männer im Erringen von Macht, im Festklammern an Macht?  So fragten wir gestern in diesem Blog. Ich sage: Schaut euch um in den Familien, in den Parteien! Gerade die Boulevard-Presse spielt sehr gerne mit solchen Stereotypen. Hat die Boulevard-Presse da immer unrecht? Ich weiß es nicht. Aber ich glaube, wir Männer können von den Frauen einiges abkucken. Frauen sind ja so gutmütig, sie lassen meist bereitwillig abschreiben. In der Schule wie in der Politik. Wie in den besten Familien.  Heute lesen wir so im Berliner Kurier:

Saustall CDU

Jetzt sollen ihn zwei Frauen ausmisten

Eine Quereinsteigerin und zwei Rebellen wollen die quälenden Intrigen in der […] CDU ersticken und die Union fit fürs Superwahljahr 2009 machen.

[…]  neue Hoffnungsträgerin des zerstrittenen Landesverbandes. Als Nachfolgerin des glücklosen Landeschefs […] soll die bisherige Vizechefin ihre Partei aus dem Jammertal holen. […]

E-Mail-Affäre, endlose Personalquerelen, Intrigen: „Die Partei ist seit Jahren gespalten“ […]  „Statt Sachfragen wurden nur noch Personalfragen diskutiert.“

Die alte Herrenriege hat ausgedient, auch der gescheiterte Generalsekretär […] dankt ab. Dafür […] zwei CDU-Rebellen an ihre Seite […] beide kurz vor den Kommunalwahlen schonungslos attackiert, ihm Führungsschwäche vorgeworfen und einen radikalen Neuanfang eingefordert. Der Mut wird belohnt, nun dürfen sie mit anpacken. „Wir müssen jetzt nach vorne schauen“ […]  Landtags- und Bundestagswahl – ein knappes Jahr bleibt, die ramponierte CDU flott zu machen.

 

Saustall CDU – Berlin – Berliner Kurier

Ihr seht: Wenn man die Namen (die Namen der männlichen Politiker interessieren hier nicht, da dies ein beleidigungsfreies Blog ist) weglässt, erkennt man ein Grundmuster: Die Männer allein können es einfach nicht. Die Frauen müssen den Augiasstall ausmisten. Ich glaube, so ein Grundmuster ist durchaus in unserer Wahrnehmung angelegt. Ich glaube grundsätzlich, dass Parteien, in denen ein „weiblicher“ und „männlicher“ Führungsstil im harmonischen Ausgleich stehen, letztlich glücklicher sind als reine Männerbündnisse.

Reine Frauenpartei? Kann es so etwas geben? Theoretisch ja. Ich vermute aber, dass die meisten Frauen einfach weniger an politischer Macht als Selbstzweck interessiert sind und dass deshalb kein ausreichendes Interesse an einer reinen Frauenpartei bestehen würde.

Interessant ist jedenfalls, dass die derzeit mitgliederstärkste deutsche Partei unter Führung einer Frau steht. Das halte ich für keinen Zufall.

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Hassübung

 Frau und Mann, Haß, Person  Kommentare deaktiviert für Hassübung
März 282008
 

„Wie machst du das?“, fragte heute vormittag ein Vereinskamerad beim Pilates-Training im Fitnessstudio die Trainerin Julia, als diese ihren wohlgeformten Oberkörper wie in einem Scharnier bewegt auf den gestreckten Knien ablegte. „Das ist meine absolute Hassübung. Ich schaffe das einfach nicht.“ Ich schalte mich ein: „Mein Tipp: Werde als Frau geboren … die sind einfach gelenkiger!“ Julia stimmt zu, verweist auf ihr tägliches, jahrelanges Training als Turnerin und Tänzerin. Mir gehen noch ein paar Gedanken im Kopf herum, über die ich nachher auch mit dem Klagenden spreche. Warum „Hass-Übung“? Warum hassen wir das, was wir nicht schaffen, was sich uns entzieht? „Warum soll ich mein Spielzeug aufräumen – ich HASSE das!“ So reden schon die Kinder in der Kita heute. Das habe ich selbst öfters gehört. Sehr oft, sehr schnell sind gerade junge Menschen heute mit diesem Wort Hass zur Stelle. Ein weiteres Beispiel – diesmal von einem anderen Kaliber! Ich entnehme es der Tagesspiegel-Rezension des aktuellen Dokumentarfilms „Deutschstunde“, der den Deutschunterricht in einem Kreuzberger Gymnasium beschreibt:

Aber das Sprachproblem allein ist es ja nicht. Fatima etwa spricht ausgezeichnet Deutsch und hat inzwischen ihr Abitur in der Tasche. Sie ist eine Hauptprotagonistin im Film. Sie lebt für ihren Glauben und besucht Hamas-Solidaritätskundgebungen. An ihrer radikalen Einstellung lässt Fatima zumindest keinen Zweifel. „Ich habe einen Hass entwickelt“, sagt sie in dem Film und meint damit vor allem den Hass auf die USA.

Wie kann man mit solchen Arten des Hasses umgehen? Im leichter zu lösenden Falle der Pilates-Hass-Übung erreichten wir heute in der Nachbesprechung der Trainingsstunde folgende Antwort: „Betrachte doch deinen Körper mit seinen Schwächen nicht als deinen Feind, den es zu besiegen oder zu hassen gilt. Hass ist keine Antwort. Fordere nicht alles auf einmal, nimm dir weniger vor, gehe an die Grenzen deiner Beweglichkeit, aber quäle dich nicht.“

Ich würde ergänzen: Hass ist zwar manchmal eine verständliche Reaktion, aber keine weiterführende Antwort. Er dient niemandem. Hass darf zwischen Personen – aber auch in der Person selbst – nicht das letzte Wort sein. Beim politisch oder ideologisch motivierten Hass wird die Bewältigung schwieriger. Wahrscheinlich um so schwieriger, je weiter entfernt oder unbekannter der Gegenstand des Hasses ist. Da es dann keine Möglichkeiten der direkten Erfahrung mit dem Gehassten gibt, fehlt die Korrekturmöglichkeit.

 Posted by at 16:06
Feb. 132008
 

… bringt heute einige hübsche Einsichten und Auskünfte zutage: über eine gute Ehe, über den Zwiespalt von öffentlich und privat – eine gelungene Fortführung unseres Zitats aus der Autobiographie der Rossanda (wir berichteten vor zwei Tagen). Wir lesen das Interview einer italienisch-französischen Sängerin aus dem aktuellen Express, in dem sie über ihren Ehemann berichtet:

Il ne correspond pas à l’image que vous aviez de lui avant de le connaître?
Je ne me faisais pas vraiment une idée précise de lui en tant qu’homme. Je pressentais simplement une forme de courage et d’énergie. J’ai découvert sa souplesse d’esprit, qui vient peut-être du fait qu’il est sûr de son identité, de ses valeurs. C’est pourquoi il est capable de changer d’avis. Moins on sait qui on est, plus on est dogmatique et sectaire. (Hervorhebung durch dieses Blog).

„Ich habe herausgefunden, dass er innerlich weich ist, wahrscheinlich, weil er sich über seine Identität, über seine Werte im klaren ist. Deshalb hat er die Fähigkeit, seine Meinung zu ändern. Je weniger man weiß, wer man ist, desto dogmatischer und sektiererischer ist man„.

Ich finde, das ist trefflich gesagt – nein – es ist gesungen!

 Posted by at 22:16