Verantwortung ergreifen – den Wandel wollen und gestalten!

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Apr. 222013
 

Am Radio verfolge ich Ereignisse in Rom:

Kraftvolle,  von gesammelter Leidenschaft geprägte Antrittsrede des wiedergewählten italienischen Staatspräsidenten Giorgio Napolitano!  Worte, die nichts offen lassen, die nichts und niemanden verschonen!

Napolitano geißelt unumwunden Korruption, Schlendrian, Selbstbezüglichkeit der italienischen Politiker.

Die anwesenden italienischen Politiker klatschen ihm einmütig Beifall.

An Versäumnissen zählt er auf: Wahlrechtsreform, Verfassungsreform, Kampf gegen die Korruption, Senkung der Politikkosten. Überall beklagt er – Fehlanzeige!

Einen fundamentalen Mangel an Tatkraft, an bürgerschaftlichen Tugenden, die Italien einst zusammengeführt hätten, beklagt er. Dieser Mangel an Tugenden des Gemeinsinns führe zu einer Unterhöhlung der Institutionen, zu einer Lähmung der Reformfähigkeit, zur gegenseitigen Blockade.

Der überschwängliche Beifall der Versammlung – spontan mehr als 30 Mal gespendet – trägt ihn!

Jetzt kommt er zur Wirtschafts- und Finanzkrise, zu Europa! Auch hier stellt er seinem Vaterland kein gutes Zeugnis aus.

Dinamismo e solidarietà! Entfaltung der Kräfte im Geiste der Solidarität! Darin sieht er die Sendung Europas, der auch Italien genügen müsse.

Seine Forderungen: Ungenutzte Ressourcen – Jugendliche, Frauen – nicht zur Untätigkeit, zur Rückständigkeit verdammen! Institutionen des Staates handlungsfähig machen!

Volere il cambio – den Wandel wollen!

Den Süden aus der Rückständigkeit und der Verarmung herausziehen!

Das Internet bietet zahlreich Anknüpfungs- und Beteiligungsmöglichkeiten, aber nur politische Parteien, die endlich auch fähig zur Selbsterneuerung sind, können diese Einflüsse bündeln und artikulieren.

Dem neugewählten Parlament empfiehlt er, sich ein konkretes Programm mit klaren Zielen und Fristen zu setzen.

Napolitano geißelt jetzt die Scheu vor Koalitionen als Rückfall, als Regression in im Grunde politikfremde Radikallösungen, die das Denken in Alternativen unmöglich machen. Ein klares Votum für die Kunst der Vermittlung.

Ergreift die Verantwortung, werdet endlich verantwortlich – das ist letztlich der Dreh- und Angelpunkt seiner gesamten Rede.

Napolitano ist sichtlich getragen, auch mitgenommen von eigenen Emotionen.

Viva il Parlamento, viva la Repubblica, viva l’Italia!
Es lebe das Parlament, es lebe die Republik, es lebe Italien! So die letzten Worte.

Begeisterter Applaus der Versammlung.

Zweifellos eine packende, eine große Rede!

 

 

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Apr. 082013
 

„Rassismus tötet!“ „Rassismus schadet bereits in geringsten Mengen!“ „Rassismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen!“ „Der Autor N.N. ist doch bloß ein Rassist, und ich hasse alle Rassisten!“ „Kein Fußbreit für Rassisten!“

Derartige Äußerungen stimmen nachdenklich. Keinem Zweifel darf unterliegen, dass Rassismus, also die Einteilung der Menschen in biologisch begründete höher- oder tieferstehende Rassen, auf den entschiedensten Widerstand aller aufrechten Demokraten und Menschheitsfreunde stoßen muss. Viele Rechtsordnungen sehen rassistische Motivation als straferschwerend bei der Verurteilung von Straftaten an.

Aber bereits rassistische Äußerungen als solche sind in einigen Ländern strafbewehrt. Der italienische Fußballspieler Paolo di Canio etwa sagte mit Unschuldsmiene zu seiner Verteidigung, nachdem er wieder einmal durch Zeigen des Grußes mit ausgestreckter Hand höchst unangenehm aufgefallen war: „Ich bin Faschist, aber kein Rassist.“ Damit stellte er klar eine Rangordnung her: Der Vorwurf des Rassismus wiegt für ihn weit schwerer als die Selbstbezeichung des Faschisten. Die italienische Repubblica spießt den Fall di Canio auf und führt noch an: „In England kann der Vorwurf des Rassismus nicht nur zur Disqualifikation auf dem Fußballplatz, sondern geradewegs ins Gefängnis führen.

Repubblica vom 15.05.2012 im Original:
„Il Mail ricorda che Di Canio fu punito e multato dalla federcalcio italiana per avere fatto ripetutamente il saluto a mano tesa ai tifosi della Lazio quando giocava a Roma. Il giornale sottolinea che, in passato, Di Canio disse: „Io sono fascista, non razzista“. In Inghilterra l’accusa di razzismo può portare non solo alle squalifiche in campo calcistico, ma dritto in prigione.“

via Di Canio, accuse di razzismo La FA apre un’inchiesta – Repubblica.it.

Um so wichtiger ist es, Rassismus zu erkennen, zu benennen und ihn zurückzudrängen! Rassisten dürfen keinen Platz im Fußball und in der Öffentlichkeit erhalten, in England werden sie mit Fug und Recht gleich ins Gefängnis geworfen.

Wie erkennt man nun aber Rassismus? Teste dich selbst! Wie ist folgende Aussage zu bewerten:

„Schon heute vermehren sich unkultivierte Rassen und zurückgebliebene Schichten der Bevölkerung stärker als hochkultivierte.“

Hier wird mir wohl jeder zustimmen: Das ist eine eindeutig rassistische Aussage. Schlimmer geht’s fast nimmer. Es ist geradezu Rassismus pur, der hier vertreten wird. Denn der Verfasser unterteilt die Menschen in „Rassen“, die er anschließend in „unkultivierte“ und „hochkultivierte“ einteilt. Ferner werden unbewusste Ängste vor Überwältigung und „Überfremdung“ der „hochkultivierten Rassen“ durch die „zurückgebliebenen“ „Rassen“ und Schichten der Bevölkerung geschürt. Jeder wird hier zustimmen: Von dieser Aussage hin zur rassistischen Hetze ist es nur ein kleiner Schritt.

Ist also der Urheber solcher Äußerungen ein Rassist? Ja – oder doch nicht?

Ehe wir zu einem Urteil gelangen, empfiehlt es sich, den zitierten Rassisten den Gesamtzusammenhang herstellen zu lassen, indem wir das ganze Textstück des rassistischen Autors widergeben, aus dem die rassistischen Äußerungen stammen:

„Seit unvordenklichen Zeiten zieht sich über die Menschheit der Prozeß der Kulturentwicklung hin. (Ich weiß, andere heißen ihn lieber: Civilisation). Diesem Prozeß verdanken wir das beste, was wir geworden sind, und ein gut Teil von dem, woran wir leiden. Seine Anlässe und Anfänge sind dunkel, sein Ausgang ungewiß, einige seiner Charaktere leicht ersichtlich. Vielleicht führt er zum Erlöschen der Menschenart, denn er beeinträchtigt die Sexualfunktion in mehr als einer Weise, und schon heute vermehren sich unkultivierte Rassen und zurückgebliebene Schichten der Bevölkerung stärker als hochkultivierte. Vielleicht ist dieser Prozeß mit der Domestikation gewisser Tierarten vergleichbar; ohne Zweifel bringt er körperliche Veränderungen mit sich; man hat sich noch nicht mit der Vorstellung vertraut gemacht, daß die Kulturentwicklung ein solcher organischer Prozeß sei.“

Würde der Verfasser dieser rassistischen Äußerung auch nur einen Tag frei in England herumlaufen dürfen, wenn er seinen Fuß auf die Insel setzte? Zweifel sind angebracht. Nur die Tatsache, dass er seine rassistischen Äußerungen bereits vor einigen Jahren in seiner Mutter- und Arbeitssprache Deutsch zum Druck gegeben hat, würde ihn zunächst vor Verhaftung, Anklage und Gefängnisstrafe schützen. Denn zunächst müsste das Gericht die skandalösen Äußerungen des deutschsprachigen Autors ins Englische übersetzen lassen.

Quizfrage für alle: Wie lautet der Name des zitierten rassistischen Autors, der heute in England sofort bei der Einreise verhaftet und dann verurteilt würde, während in Deutschland immer noch bis zum heutigen Tage ein Literaturpreis nach ihm benannt ist:

a) Sigmund Freud
b) Georg Büchner
c) Heinrich von Kleist
d) Ernst Moritz Arndt
e) August Graf von Platen

Bitte fleißig diskutieren! Die Auflösung des kleinen Rätsels folgt am Donnerstag!

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März 182013
 

Die Süddeutsche Zeitung berichtet:

„Giorgos Katidis vom griechischen Erstligisten AEK Athen ist vom nationalen Fußball-Verband EPO wegen eines Hitlergrußes lebenslang für die Auswahlmannschaften des Landes gesperrt worden.“

via Lebenslange Sperre für Athener Fußballer – Hitlergruß-Aufreger bei Ewald Lienens Klub – Sport – Süddeutsche.de.

Dass in Fußballstadien in südeuropäischen Ländern immer wieder der Mussolini-, Hitler-, oder Metaxas-Gruß gezeigt wird, dass immer wieder rassistische Ausfälle zu beklagen sind, ist eine leidige Tatsache.

Auffallend ist jedoch, dass der sowohl im faschistischen Italien eines Benito Mussolini als auch im diktatorisch regierten Griechenland eines Ioannis Metaxas gebräuchliche sogenannte „römische Gruß“, der „saluto romano“,  heute außerhalb Italiens und außerhalb Griechenlands fast ausschließlich als „Hitler-Gruß“ bezeichnet wird.

Und doch ist es so: Der  nach oben gestreckte rechte Arm galt in den 20-er Jahren des 20. Jahrhunderts als „saluto romano“, also als ein typisch italienisches Gewächs wie heute etwa Pizza margherita, Spaghetti all’arrabbiata und vino rosso toscano. Die deutsch-österreichischen Nationalsozialisten der NSDAP übernahmen den saluto romano mit gewissen Abwandlungen von den Italienern, und ebenso übernahm ihn die griechische Diktatur des Ioannis Metaxas von den Italienern. Mit genau diesem italienisch-deutsch-österreichisch-griechischen Gruß, diesem  Mussolini-Hitler-Metaxas-Gruß, wie man ihn korrekterweise nennen müsste, wird heute üble Volksverhetzung in Stadien betrieben.

Allerdings wird weiterhin das beliebte Feindbild gepflegt, wonach alles Böse – darunter auch der saluto romano – aus Deutschland und  nur aus Deutschland  kommt. Historisch ist dies falsch. Zuviel der Unehre für Deutschland! Europa will partout bis zum heutigen Tage einfach nicht wahrhaben, dass Russland, Italien, Griechenland, Rumänien auf ihrem Boden eigenständige, verbrecherische Regimes hervorgebracht haben – und zwar ohne Geburtshilfe Deutschlands.  Es gab lange vor dem brutalen Überfall des faschistischen Italien Mussolinis auf das diktatorisch regierte Griechenland die Sitte, sich mit dem saluto romano zu grüßen. Die griechische Metaxas-Diktatur  bediente sich des römischen Grußes genauso wie die Mussolini-Diktatur. Auch in Rumänien wurde damals der saluto romano verwendet.

Erst im Nachhinein, erst nach dem 2. Weltkrieg setzte sich in Italien, Griechenland und Rumänien rasch die stillschweigende Übereinkunft fest, dass alles Böse letztlich aus Deutschland und nur aus Deutschland stamme, während die anderen europäischen Diktaturen – namentlich die Sowjetunion Stalins, das Italien Mussolinis, das Griechenland des Ioannis Metaxas, das Rumänien des Ion Antonescu – als unschuldige Opfer zu werten seien. Dass man heute überall nur vom Hitler-Gruß statt vom saluto romano oder vom Mussolini-Hitler-Metaxas-Gruß spricht, ist ein weiterer augenfälliger Beleg für diese eigentümliche Horizontverschiebung des historischen Bewusstseins.

Alles Böse kam letztlich aus Deutschland. Diese vulgäre Out-of-Germany-Theorie des Bösen wurde schon wenige Jahre nach dem Ende der europäischen Diktaturen durchgesetzt und kann heute mittlerweile als die eigentliche Siegerin des 2. Weltkriegs gelten.

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Land grabbing, oder: Woran leidet Afrika?

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Apr. 172012
 

land-grabbing-copertina_liberti.jpg

Soeben rief ich, einen bayrisch-schwäbischen Heimatdichter zitierend, aus: „O Lust des Beginnens! O früher Morgen!“, ich machte Morgengymnastik im morgenfrischen Park, las die heutige taz und Stefano Libertis „Land grabbing. Come il mercato delle terre crea il nuovo colonialismo“ auf dem Kindle for PC! Zitat Liberti: „Die Wahrheit liegt irgendwo in der Mitte – probabilmente la verità è da qualche parte nel mezzo „(Position 2227). Ganz meine Rede!

Liberti schneidet tief hinein in eine zentrale Herausforderung der Gegenwart: Landwirtschaft, Ernährung, Armut, Gerechtigkeit, Bodenverteilung, Lebensstil, Kapitalismus, Neokolonialismus. Alle Begriffe sind mit Fragezeichen zu versehen!

Allerdings gelangt Liberti am Ende seiner langen, scharfsichtigen Analyse mit Hunderten von Gesprächen zu einer mich in dieser Eindeutigkeit überraschenden Schlussfolgerung. Er schreibt:

I responsabili principali di questa svendita indiscriminata di terre sono i governi nazionali, che barattono le risorse del paese per un pugno di valuta forte – o, nel peggiore dei casi, per un bonifico in dollari su un conto domiciliato all’estero (Kindle-Ausgabe, Position 3558).

Das ist zu deutsch: „Die Hauptverantwortlichen für diesen hemmungslosen Ausverkauf der Flächen sind die nationalen Regierungen, die die Ressourcen des Landes für eine Handvoll, eine Faust an Devisen in starker Währung verscherbeln – oder schlimmstenfalls für eine Gutschrift in Dollar auf einem im Ausland geführten Konto.“  

Hört hört! Nicht die Märkte, nicht die Spekulation, nicht der Neoliberalismus, nicht der Neokolonialismus, nicht der Kapitalismus und nicht einmal die EU sind laut Stefano Liberti verantwortlich zu machen für den Ausverkauf des Bauernlandes, sondern unverantwortliche afrikanische Regierungen, die das Land aus dem Staatsbesitz heraus an den Meistbietenden verhökern, um sich die eigenen Taschen zu füllen. So schreibt es schroff und deutlich Liberti!

Ich konstatiere dies hier nur. Man sollte Libertis Buch, das neuerdings unter dem Titel „Landraub“ auch in deutscher Übersetzung im Berliner Rotbuch Verlag vorliegt, sehr genau lesen. Es lohnt sich!

Ich meine: Es spricht in der Tat einiges dafür, dass die Probleme der meisten afrikanischen Staaten – wie Liberti meint – an der Politik dieser einzelnen Länder liegen, an den Machthabern, die vor allem an den eigenen Vorteil denken. Ich gehe einen Schritt weiter:

Gäbe es den funktionierenden Rechtsstaat mit Einhaltung der Menschen- und Bürgerrechte, gäbe es eine echte Marktwirtschaft mit parlamentarischer Demokratie und würden die Regierungen sich vorrangig um die Interessen der Bevölkerung kümmern, sähe die Lage in Afrika anders aus. Sie sähe dann vielleicht etwa so aus wie in dem früher so armen Südkorea oder dem früher so armen Schwabenland.

 

Alexander Knaak (Übers.), Stefano Liberti

Landraub

Reisen ins Reich des neuen Kolonialismus

ISBN 978-3-86789-155-4

256 Seiten
12,5 x 21,0 cm
geb.

sofort lieferbar

Preis 19,95 €

 

   

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Mai 182011
 

Ein Blick in die europäische Presse zeigt in diesen Tagen immer wieder, dass die deutsche Volkswirtschaft und folglich auch die Wirtschafts- und Finanzpolitik der amtierenden Bundesregierung derzeit weithin als vorbildlich gilt.

Hierfür ein beliebig gewähltes Beispiel aus der italienischen Zeitschrift Panorama. Dort wird gefragt: „Wie schaffen wir es, zum deutschen Wachstum aufzuschließen?“

Con le «due Italie» come raggiungere la crescita tedesca? – Economia – Panorama.it
Dopo la pubblicazione dei dati Istat sul Pil del primo trimestre 2011 in molti hanno puntato il dito contro la bassa crescita italiana ( 0,1% rispetto al trimestre precedente e 1% sul primo trimestre 2010) rispetto a quella della Germania ( 1,5% e 4,9% su base annua). Ma c’è una causa precisa della nostra scarsa performance in questi anni. Lo ha ribadito il ministro Tremonti: il problema è nell’esistenza delle «due Italie».

Gut&schön. Eine Fußnote hierzu muss dem rebellischen Kreuzberger Blogger erlaubt sein: Stets schauen die Europäer bei uns nur auf das volkswirtschaftliche Gesamtbild, also die Zunahme der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse, den Rückgang der Jugendarbeitslosigkeit, den Rückgang der Schulabbrecherquote, das Wachstum der Volkswirtschaft, den Abbau der Arbeitslosigkeit, die vertretbare Inflationsrate, den Zahlungsbilanzüberschuss.

Es verschwindet bei den Europäern meist aus dem Blick, dass es auch in Deutschland weite Regionen gibt, die von dem Wachstum nur gezogen werden, statt es mitzutragen. So wie es zwei Italiendue Italie – gibt, so gibt es eben auch due Germanie: Die starken Bundesländer – also die Südstaaten Bayern und Baden-Württemberg sowie die Bundesländer der „Rhein-Main-Schiene“ und dann noch Hamburg sind allein so stark, dass sie die anderen Bundesländer mitziehen. Welches sind nun die gezogenen Bundesländer? An erster Stelle fällt mir dabei natürlich meine jetzige Heimat, das Bundesland Berlin ein. Das Bundesland Berlin gleicht in vielfacher Hinsicht dem italienischen Süden, dem berühmten Mezzogiorno: gewaltig aufgeblähte Staatsquote, Staatsabhängigkeit breitester Bevölkerungskreise, hohe Arbeitslosigkeit, allparteiliche Geldverteilungspolitik, Profillosigkeit der politischen Parteien, Subventionsmentalität, in einem Wort: der berühmte Staatssozialismus, und natürlich – wieder und wieder – der mitleidheischende Klageruf: „Wir sind weiterhin auf die Solidarität der anderen Bundesländer angewiesen.“

Wir müssen also fragen: Sind die anderen Bundesländer, also insbesondere Bayern und Baden-Württemberg  für Berlin uneinholbar? Ich meine: nein. Berlin kann es in 10 Jahren schaffen. Sobald das Bundesland Berlin sich lossagt von der wehleidigen Subventions- und Solidaritäts-Jammerarie, sobald auch in Berlin die soziale Marktwirtschaft eingeführt wird (was jetzt einfach nicht der Fall ist), sobald die 5 Berliner Parteien anfangen, solide zu wirtschaften und ihr Vertrauen nicht in den bis zur Halskrause verschuldeten, allmächtig-ohnmächtigen Staat, sondern in die Kreativität, den Fleiß und die Leistung der Familien und der Bürger zu stecken, kann auch das Bundesland Berlin die Wende schaffen.

Ich trau es dir zu, Berlin! Sei sportlich! Schwimm dich frei!

Bild: ein Blick in das Sportbecken [korrigiere: das Mehrzweckbecken!, 21:42 Uhr] des berühmten heimatlichen Kreuzberger Prinzenbades, derzeit ohne Wasser, da zu Reparaturarbeiten geschlossen. Aufgenommen vor zwei Tagen.

 

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„Bei uns arbeiten alle jungen Migranten“

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Apr. 182011
 

„Bei uns arbeiten alle Immigranten „. So Italiens Wirtschaftsminister Tremonti laut Pressebericht im Corriere della sera am 16.04.2011. Trotz hoher Jugendarbeitslosigkeit herrsche Vollbeschäftigung bei den etwa 4 Millionen Migranten. Tremonti fordert die jungen Arbeitslosen Italiens durch die Blume auf, sich den veränderten Arbeitsbedingungen anzupassen:

«Non mi risulta che tra i giovani immigrati ci sia disoccupazione, è tutta gente che lavora tantissimo», ha aggiunto il ministro. E a chi gli chiede se sia il caso di chiudere all’immigrazione o se i giovani italiani debbano adeguarsi, Tremonti replica secco: «Escludo la prima ipotesi».

Mein Kommentar: In Italien liegen weite Bereiche der Fürsorge mittlerweile überwiegend in den Händen junger Migranten. Die Badanti, die in der Familie wohnenden  Altenpflegerinnen, meist aus Ukraine, Weißrussland, den baltischen oder afrikanischen Ländern stammend, leisten einen Großteil der Betreuung von Demenzkranken und Pflegebedürftigen – zu Bedingungen, zu denen die Italiener selbst nicht mehr bereit sind zu arbeiten. Weitere Bereiche, die überwiegend von Migranten abgedeckt werden,  sind saisonale Arbeiten wie etwa Erntehilfen, ferner Hilfs- und Packdienste an Häfen, Flughäfen oder in großen Umschlagsplätzen.

Der Unterschied zu Deutschland liegt tatsächlich darin, dass die Migranten nicht ins System der Sozialversicherung einwandern. Die berühmte „Einwanderung ins Sozialsystem“ findet nicht statt, und zwar aus dem einfachen Grund, weil Italien kein der deutschen Grundsicherung vergleichbares Sozialwesen kennt.

Tremonti: ma quale disoccupazione, da noi gli immigrati lavorano tutti – Corriere della Sera

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Ist krude alternativlos?

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Jan. 212011
 

18012011289.jpgDas Unwort des Jahres soll „alternativlos“ sein. Gut gemacht. Dieses Blogs bester Beleg dafür – entnommen der Broschüre „Sicher im Sattel“ von unseren durchweg akademisch gebildeten Berliner Grünen (siehe dieses Blog am 25.06.2010):

Die uneingeschränkte Förderung des Radverkehrs ist klimapolitisch alternativlos.

HERR-licher Satz! Alternativlos glücklich macht er den Liebhaber des Radverkehrs.

Ein reines Bildungsbürgerwort ist auch das Wort „krude“. Ich schlüg es gern als Unwort vor, ich grüb es gern in jedes Rindenalbum unfreiwilliger Begriffsduselei ein. Als Gymnasiast las ich eifrig Theodor W. Adorno und schnappte dort das fetischartig als Waffe verwendete Wort „krude“ auf. In den Deutschaufsätzen verwendete ich ich das Wort krude recht fleißig. Mancher Lehrer schalt mich darob: „Verwende nicht so viele Fremdwörter!“

In Italien, während meiner Gastarbeiterjahre, lernte ich geschmäcklerisch zwischen rohem und gekochtem Schinken, zwischen prosciutto crudo und prosciutto cotto zu unterscheiden.

In der Tat: Sowohl das deutsche Wort krude als auch das italienische crudo stammten vom lateinischen crudus ab.

Ist das Wort krude wirklich so alternativlos, dass Hinz und Kunz es auf Schritt und Tritt polternd verwenden müssen? Sarrazins krude Thesen, wie der SPIEGEL einige tausend Mal schrieb, Lötzsch‘ krude Theorien – das Wort hat einen schwindelerregenden Höhenflug hingelegt – möge es jetzt zerplatzen wie ein Meteor am Himmel der Geistesarmut! CSU-General Alexander Dobrindt hat jetzt schnurstracks das typische Salonkommunisten-, Toskanafraktions-  und Bildungsbürgerwort „krude“ postwendend an die Linke zurückgeschickt und damit diesem Unwort ironisch-eifernd das unübertreffliche Sahnehäubchen aufgesetzt! Lest:

Kommunismus-Debatte – „Der Linken ist die eigene Vorsitzende peinlich“ – Politik – Berliner Morgenpost – Berlin
Dobrindt kritisierte die fehlende Bereitschaft der Linken, „ihre kruden Kommunismustheorien“ offen und ehrlich im Bundestag zu diskutieren.

Welche anderen deutschen Wörter bieten sich als Alternativen zu krude an?

Hier kommen einige wenige:

roh, ungeschliffen, grobschlächtig, blutig-anfängerhaft, blutig, unbehauen, tumb, dreist, dumm, tölpelhaft, polternd, grob, unbesonnen, vorschnell, unbedacht, unklug, täppisch, einfältig, grob, holzschnittartig, gewaltsam vereinfachend, bärbeißig, strohdumm, unbeholfen, hölzern, gewaltsam, tolpatschig, ungeschlacht, flach, engherzig, kaltherzig, duselig, dusslig, vorgestanzt, gefühllos, hartherzig, unbelehrbar, unbelehrt, uneinsichtig, sinnfrei

Es hülfe bereits, wenn man in Wendungen wie „Sarrazins krude Thesen“ oder „Lötzsch‘ kruder Theorie“ das Wort krude durch ein anderes Wort ersetzte! Versucht es! Spielt mit Worten! Erkundet die Klangfülle der deutschen Sprache! Schreibt weniger voneinander ab!

Sucht selbst weitere Alternativen zu krude! Bedenkt: Weniges im Leben – außer dem Tod – ist alternativlos.

Bild: Roher Bretterboden, kurz vor dem Auftritt des Artemis-Quartetts im Kammermusiksaal der Berliner Philharmonie, aufgenommen vorgestern


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Dez. 292010
 

28122010191.jpg La famiglia cristiana – dieses erbauliche Familienblatt der italienischen Bischöfe sah ich während meiner 3 italienischen Gastarbeiterjahre immer wieder an den Schriftenständen katholischer Kirchen stehen. Ich griff nie dazu. „Die christliche Familie“ – das klang mir etwas altbacken und muffig. Zu unrecht. Viele meiner italienischen Freunde rümpften wie ich ebenfalls die Nase bei der Wendung „La famiglia cristiana“. Zu unrecht, wie ein Blick auf den Internetauftritt des Blattes sofort belegt. Familie und Christentum scheinen unverbrüchlich zusammenzupassen wie Schloss und Riegel, wie Wald und Wiese, Kind und Kegel.

Eine bohrende Frage drängt sich dennoch auf: Ist das Christentum ursprünglich wirklich die Religion der Familie?

Hans Conrad Zander stellte in einem Hörfunkgespräch am Fest der Hl. Familie zu recht heraus, dass das Christentum, im Gegensatz etwa zum Judentum oder dem Islam, gerade nicht die Familienreligion schlechthin ist.

Deutschlandradio Kultur – Thema – Jesus, der überzeugte Single
Kassel: Wie weit ist denn das gegangen? Im Untertitel nennen Sie Ihr Buch ja tatsächlich auch „Jesus, der Familienfeind“. Hatte er nur Probleme mit seiner eigenen Familie, oder war er wirklich so, wie Sie das herauslesen aus der Bibel, ein Gegner der ganzen Institution Familie?

Zander: Er hat auf die Familienbindungen seiner Jünger nicht die geringste Rücksicht genommen und das in einer Weise, die überaus schockierend war für seine Zeit. Da ist ein Jünger, der ihm nachfolgen will, der ihm aber sagt: Mein Vater ist gerade gestorben, ich möchte meinen Vater begraben. Und bedenken Sie, das ist nicht, wie wenn heute ein junger Deutscher seinen Vater rasch einäschert, das war fürs jüdische Empfinden die wichtigste Verpflichtung gegenüber den Eltern, dass er ihn begräbt. Und Jesus sagt voller Verachtung: „Lass die Toten die Toten begraben.“

Ich selbst sprach öfters mit christlichen Ordensleuten, die selbstverständlich bei jeder, auch bei wichtigen Familienfeiern zuerst die Erlaubnis der Oberen einholen mussten, ehe sie ihre Herkunftsfamilie besuchen und mit ihr feiern durften.

Zanders Belege sind mächtig – und wenn dem Christentum der Titel Familienreligion aberkannt werden muss, welcher Titel ist es dann, der ihm eher zukommt?

Ich sehe das so: Das Christentum ist wohl eher die Religion des Kindes als die der Familie, mehr die Religion des Nächsten als des Fernsten, mehr die Religion der freien Entscheidung als der Institutionen, mehr die Religion der Gemeinde als der Familie. Gemeinde ist fast noch wichtiger als Familie, die freie Entscheidung des Individuums ist wichtiger als die Institutionen. Freie Entscheidung wird geboten, nicht Unterwerfung. Das Wohlergehen des Kindes ist wichtiger als der Zusammenhalt der Familie.

Familie ist gut und gerechtfertigt, weil und solange sie auf unvergleichliche, unübertroffene Weise dem Wohl des Kindes dienen kann. Institutionen sind wichtig, weil und solange sie dem lernenden, wachsenden Individuum ermöglichen, freie Entscheidungen zu treffen – dies gilt etwa für die Schule.

Institutionen „dienen“ dem Einzelnen. Die Familie mit Vater und Mutter „dient“ dem Kinde. Die Einrichtungen der bürgerlichen Gesellschaft  haben „stützende“, nicht aber letztbegründende Aufgaben, wie dies etwa der Soziologe Arnold Gehlen sagte.

Woher kommt aber nun der überragende Siegeszug der Familie? Hierzu meine ich: Die Familie ist das stabilste Modell für das Aufwachsen von Kindern. Es gibt nur sehr wenige Gesellschaftsmodelle, die wirklich die frühe Herauslösung der Kinder aus den Familien verlangen und verkünden. Dazu gehört die staatliche Kleinkind-Erziehung im antiken Sparta und in der Utopie Platons, die osmanische Knabenlese, der Lebensborn der NS-Ordensburgen. Keines dieser Beispiel ist erstrebenswert. Im Gegenteil. Sie sind abschreckend.

Das teure gesellschaftspolitische Ziel eines möglichst flächendeckend vorgehaltenen staatlichen Kleinstkindbetreuungsangebotes für möglichst viele, möglichst immer jüngere und immer kleinere und kleinste Kinder muss hinterfragt werden. Unsere Kommunen ächzen jetzt schon unter drohender Zahlungs- und Handlungsunfähigkeit, muss ihnen dann noch die Last der Kleinstkinderziehung aufgebürdet werden?

Uneingeschränkt befürworten würde ich aber den Grundgedanken einer weitgehenden Zusammenarbeit der Familien und der staatlichen Institutionen. Die Familien und die Schulen sollten viel enger ineinandergreifen, gerade hier in Berlin. Stets unter der einen großen Leitfrage:

Was dient dem Kind? Wie werden die Kinder, unsere geliebten „Zwerge“, zu selbstbewussten, fröhlichen, klugen und glücksfähigen Erwachsenen? Die Familie hat dabei sicherlich nicht ausgedient. Sie bedarf im Gegenteil heute mehr denn früher der Stärkung und der Festigung.

So meine ich, dass die grundlegende Erziehung, das Erlernen der Landessprache, die Einübung von grundlegenden Verhaltensmustern, Erziehung zu Respekt, liebevollem Umgang, das Erlernen von Gehen, Sitzen, Laufen, Springen und Singen weiterhin im Wesentlichen eine Aufgabe der Familien ist und bleiben sollte.

Je älter das Kind wird, desto mehr treten andere, stützende Einrichtungen oder besser „Gemeinden“ hinzu. Familie ist nichts Starres, sie öffnet sich zum unmittelbaren Umfeld, tritt zu anderen Familien, zu anderen Institutionen in Kontakt.

Dazu sollte auch die Gesellschaftspolitik ihr Scherflein beisteuern. „Einbeziehen – nicht ausgliedern!“ lautet das Zauberwort.

Bild: Schlosspark Sanssouci, Potsdam, Blick auf das Chinesische Haus, heute

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„Ich habe keine Zukunft. Denn ich werde nie eine eigene Wohnung haben. Nie ein neues Auto kaufen können.“

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Dez. 172010
 

Saviano e gli studenti, dialogo in diretta „Basta violenza, noi siamo altro“ – Repubblica.it
Io non ho futuro: ho 26 anni e non ne ho già più uno. Non potrò mai comprarmi una casa perché non farò mai un lavoro che mi permetta di accendere un mutuo, i miei genitori non possono aiutarmi economicamente e non so nemmeno se potrò mai comprarmi una macchina nuova.

Gewalttätige Proteste der jungen Erwachsenen erschüttern Griechenland, Italien, London. Auslöser sind stets Sparmaßnahmen der Regierung, Einschränkungen der öffentlichen Ausgaben, Sozialkürzungen, Studiengebühren an den Universitäten und ähnliche Foltermaßnahmen, mit denen sozialistische, konservative, rechtsliberale und linksliberale Regierungen ihre jungen stößigen Untertanen bis aufs Blut reizen.

Die jungen Menschen erkennen, dass sie den Wohlstand ihrer Eltern nicht werden halten können, jedenfalls kann ihnen der ungütige Staat keine Wohlstandsgarantie geben.  Bitterlich beschwert sich ein Protestierender bei dem Abwiegler und Beschwichtiger Roberto Saviano, der sich klar gegen Gewalt, gegen die gewalttätigen Proteste ausgesprochen hat: „Ich bin stinksauer“, schreibt der italienische Student. „Ich werde mir nie eine Wohnung kaufen können! Ich werde mir nie ein neues Auto kaufen können …“ usw. usw. Man muss mithören “ … wie das noch meine Eltern konnten …“

Wer ist schuld? Der Staat! Die Politik! Die Politik soll machen, dass jeder kostenlos studieren kann, sich eine eigene Wohnung und ein neues Auto kaufen kann. Wenn die Politik das nicht macht, dann wird man aber richtig böse. Dann schmeißt man Rauchbomben, geht auf Polizisten los.

Überall eine kindliche Enttäuschung über Vater und Mutter Staat, die das Kinderzimmer nicht auf Staatskosten in ein staatsgarantiertes neues Auto, in eine hübsche Eigentumswohnung  umgestalten.

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Das Leben des Anderen

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Okt. 232010
 

Antonio Tabucchis Erzählung „I morti a tavola“ ist eine bewegende Einnistung in das Leben eines ehemaligen Hauptamtlichen der „Firma“!

 

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März 132010
 

„Er war verloren und ist wiedergefunden worden“, so heißt es in der alten, ewig jungen Geschichte vom verlorenen Sohn. „Jetzt müssen wir uns doch freuen und ein Fest feiern.“

Wenn ich es recht bedenke, müsste diese Geschichte heute ebenso sehr auch als die „Geschichte vom verlorenen Vater“ erzählt werden. Wieviele Söhne und Töchter berichten mir davon, dass sie ihren Vater nie so recht gekannt, nie so recht gefunden hätten. Es ist, als hätte sich die Gestalt des Vaters verflüchtigt und müsste erst mühsam wiedergefunden werden. Der Vater – muss wiederkommen.

Die schönste Fassung dieser Geschichte von der Wiederkehr des Vaters bietet in meinen Augen Giani Stuparich, ein 1891 in Triest geborener, Italienisch schreibender Autor. Erst vor wenigen Tagen las ich seine Erzählung  „Il ritorno del padre – Die Wiederkehr des Vaters“. Ich kenne keinen anderen Autor, dem es so gut gelänge, dem zuhause verlassenen Sohn wie auch dem in der Welt verlorenen Vater Mitgefühl und Gerechtigkeit widerfahren zu lassen!

Der Vater – das ist ein Hallodri und Kneipengänger, ein Herumtreiber – so stellen ihn die Verwandten dar. Der Sohn stellt ihn sich ganz anders vor. Er meint: „Die allermeisten Verurteilungen verwandelten sich in Lobpreisungen.“  Der Vater ist stark, verständnisvoll, erfolgreich, warmherzig. So soll er zumindest sein in den Phantasien des Sohnes.

Und dann beschreibt Stuparich genau, was bei einer tatsächlichen Begegnung in Vater und Sohn vorgeht. Dieses Hin- und Herschwanken, diese Furchtsamkeit, sich auf einen anderen Menschen einzulassen! In der Begegnung mit dem kleinen Sohn erfährt der Vater seine eigene Schwäche und Verletzlichkeit. Er wehrt sich dagegen. Er möchte einfach so gehen, obwohl der Sohn gerade davor große Angst hat.

Dann bleibt er doch. Mit dem Rauch einer Zigarette bläst der Vater zum Schluss dem Sohn buchstäblich den Ruch des großen Lebens ein – im ausgetauschten Atmen ergibt sich etwas, woran so viele Vater-Sohn-Geschichten ein Leben lang sich vergeblich abmühen: die Versöhnung. Angeleitet von diesem „zarten lebendigen Gewicht, das sich in seine Brust hinabließ wie ein Anker in die beruhigt schimmernden Fluten eines stillen Hafens“, oder im Original:

Negli occhi aperti del padre passavano le luci di nuovi sentimenti, che davano alla sua faccia un’espressione di dolorante bontà. Erano stati sotto, in fondo al suo cuore quei sentimenti, repressi e soffocati da altre passioni: ora tornavano a galla, richiamati da quel dolce e vivo peso, che scendeva dentro il suo petto come un’àncora nelle acque riposate e limpide d’un porto in calma.

Ich empfehle diese meisterhafte Erzählung allen Töchtern und Söhnen, die bisher auf die Heimkehr des Vaters vergeblich gewartet haben.

Leseempfehlung: Giani Stuparich, Il ritorno del padre e altri racconti. Con una nota di Arrigo Stara. Verlag Giulio Einaudi, Turin 1961 und 1989, hier S. 18

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La ministro – Ermannt euch, habt Mut zum Maskulinum!

 Donna moderna, Italienisches  Kommentare deaktiviert für La ministro – Ermannt euch, habt Mut zum Maskulinum!
März 102010
 

Frau Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ist der deutsche Justizminister. Oder die deutsche Justizministerin? Oder die deutsche Justizminister? Was ist richtig? Was ist besser? Was hättet ihr Frauen denn gerne?

Im Italienischen hat sich das Blatt gewendet: Viele Frauen wollen keine weiblichen Funktionsbezeichnungen mehr. Gerade linke, progressive, aufgeklärte und emanzipierte Frauen – nehmen wir den Familiennamen Rossi – wollen nicht professoressa Rossi genannt werden, sondern professor Rossi. Nicht la ministra, sondern la ministro.

Gerade linke, progressive, aufgeklärte und emanzipierte Zeitungen folgen diesen selbstbewussten Frauen in ihrem redaktionellen Sprachgebrauch. Hier ein Beleg aus der Repubblica von heute.

Ratisbona, padre Ratzinger si scusa „Anch’io talvolta li ho picchiati“ – Repubblica.it
La situazione per la Chiesa cattolica si fa dunque sempre più difficile nel paese del Papa. Ieri la ministro della Giustizia tedesca, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, ribadendo la richiesta di una urgente Tavola rotonda …

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„Sozialismus“? Oder: Der dritte Weg

 Italienisches, Pflicht, Rosa Luxemburg, Sozialismus  Kommentare deaktiviert für „Sozialismus“? Oder: Der dritte Weg
Feb. 142010
 

In der geltenden türkischen Verfassung ist der Vorrang des ewigen unteilbaren türkischen Staates vor den Rechten der Einzelnen deutlich festgeschrieben. Die Rechte des einzelnen Staatsbürgers sind dem Ewigkeitsrang des namentlich in der Verfassung erwähnten unsterblichen Staatsgründers Kemal Atatürk nachgeordnet. Hieraus ergeben sich für die Bürger eine ganze Reihe von Verpflichtungen, die ausdrücklich auch eine Einschränkung der Grundrechte ermöglichen.

Erst kürzlich las ich im Artikel 4 der italienischen Verfassung: „Jeder Bürger hat die Pflicht, gemäß eigenem Vermögen und eigener Entscheidung eine Tätigkeit oder ein Amt auszuüben, das zum materiellen und geistigen Fortschritt der Gesellschaft beiträgt.“  Die italienische Verfassung enthält also neben dem Recht auf Arbeit auch eine Pflicht zur „gesellschaftlich nützlichen Tätigkeit“.

Das deutsche Grundgesetz kennt demgegenüber weder eine Leistungspflicht des einzelnen gegenüber der Gesellschaft noch eine Arbeitspflicht, wie sie etwa Rosa Luxemburg forderte und die sozialistischen Staaten auch umgesetzt haben. Die deutsche Verfassung schützt vornehmlich die Rechte des einzelnen, und sie regelt zweitens das Verhältnis der staatlichen Organe untereinander. Der Staat hat aber gegenüber den einzelnen fast keine unmittelbar durchsetzbaren verfassungsrechtlichen Ansprüche. Der Staat ist also laut Grundgesetz im Wesentlichen Wahrer und Hüter der Grundrechte des einzelnen, und in diesem Sinne ist er auch „Anspruchsgegner“ des einzelnen. Er ist aber kein „Anspruchsteller“ für den einzelnen. Die Ansprüche des Staates an den einzelnen Bürger ergeben sich nur vermittels einzelner Gesetze, die keinen Verfassungsrang haben!

Die sozialistischen Staaten hatten – soweit ich weiß: alle – die Arbeitspflicht in ihren Verfassungen.

Wenn Guido Westerwelle also unserer Hartz-IV-Debatte sozialistische Züge bescheinigt, so dürfte er fehlgehen. Gerade die sozialistischen Staaten haben es nicht geduldet, dass Bürger sich den Ansprüchen und den Zwängen des diktatorisch geführten Staates entzogen. Dass ganze Familien sich über Generationen hinweg auf die Alimentierung des Staates verlassen, das war meines Wissens im Sozialismus kaum denkbar.

Zwar gab es auch im Sozialismus Nichtstuer, die sich auf ihrer Stellung ausruhten, aber diese fanden sich kaum in den „unteren“ Schichten des Volkes.

Ich meine eher, dass unsere Diskussion sich in Richtung auf den Staat als eine wohlwollende Versorgungseinrichtung hinbewegt. Noch keine Versorgungsdiktatur wie in vielen anderen außereuropäischen Ländern üblich. Allerdings besteht die Gefahr der Diktatur, sobald die Verteilungskämpfe an Heftigkeit zunehmen. Genau das hat sich wiederholt in der Türkei ereignet! Das Militär übernahm in der Türkei wiederholt die Macht, weil die Verteilungskämpfe anders nicht zu regeln waren.

Woher kommen denn die 751 Milliarden Euro, die der deutsche Staat als Bund, Länder und Gemeinden in 2009 als Sozialleistungen ausgereicht hat – diese 31% der wirtschaftlichen Gesamtleistung? Genau das fragt Westerwelle. Diese Frage ist zulässig!

Der Staat wird zunehmend als Hüter und Garant des individuellen Wohlstands angesehen. Gerade die Debatte um die Opel-Rettung lieferte vortreffliche Beispiele.

Neueste Beispiele liefert die Eisschicht-Debatte in Berlin. Wie von uns in diesem Blog scherzhaft vorgeschlagen, ist jetzt eine Art paramilitärische  Rapid Ice Hacking Reaction Force eingerichtet worden. Freunde, ich meinte das als Witz! Aber es gibt sie jetzt. Sie hat sogar – wie vorgeschlagen – einen englischen Namen. Das klingt einfach soo gut! Sie heißt Task Force. Das berichtete gestern der Tagesspiegel:

Die Justizverwaltung will zudem verstärkt Häftlinge zum Eisklopfen einsetzen, vor landeseigenen Gebäuden soll künftig eine „Task Force“ aus Pförtnern und Hausmeistern ackern.

Also – der Staat wird zunehmend als eine Art Eishack- und Watteschicht gegen alle Fährnisse des Daseins in Anspruch genommen. Man denke nur an das beheizte Schwimmbadwasser im Kreuzberger Prinzenbad. Das gab es in meiner armen Kindheit einfach nicht. Aber in Berlin ist es Standard. Ist Berlin eine so reiche Stadt? Offenkundig ja!

Ich halte das für schlecht. Denn diese Watteschicht ist teuer, und sie lähmt auf Dauer die Kräfte des einzelnen. In einem Watteanzug kann man schlecht laufen, schlecht arbeiten, schlecht ackern.

Der Staat soll alle Kümmernisse von den Bürgern fernhalten. Als das schlimmste wird weithin eine Minderung des kollektiven Wohlstands, des individuellen Reichtums gesehen. Niemand traut sich den Bürgern zu sagen: „Wählt mich, dann müsst ihr mehr für euer Glück tun. Ihr müsst mehr arbeiten.“

Der Staat ist der Anspruchsgegner, der Kümmereronkel, der zahlen soll und Erfolg für den einzelnen verbürgen muss. Das ist weder Sozialismus noch Kapitalismus. Das ist – der dritte Weg! Hurra!

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