Feb. 282010
 

Die neuesten Daten, die die Morgenpost heute bringt, belegen es erneut: ich wohne im ärmsten Bezirk Berlins. Doch echte Armut gibt es hier nicht.  Echte Armut beschrieben Dickens, Friedrich Engels, John Galsworthy – und andere. Armut, das sind zerlumpte, hungernde, bettelnde Menschen. Eine typische Armuts-Szene beschreibt John Galsworthy in seinem Roman Beyond:

Beyond, by John Galsworthy
The usual route from the station to Bury Street was „up,“ and the cab went by narrow by-streets, town lanes where the misery of the world is on show, where ill-looking men, draggled and over-driven women, and the jaunty ghosts of little children in gutters and on doorsteps proclaim, by every feature of their clay-coloured faces and every movement of their unfed bodies, the post-datement of the millennium; where the lean and smutted houses have a look of dissolution indefinitely put off, and there is no more trace of beauty than in a sewer. Gyp, leaning forward, looked out, as one does after a long sea voyage; Winton felt her hand slip into his and squeeze it hard.

Also: „Krank aussehende Männer, zerlumpte erschöpfte Frauen, gespenstische kleine Kinder im Rinnstein …“ Ernst Bloch schreibt in seinem „Prinzip Hoffnung“ zu eben dieser Stelle:

„Wenigstens hat der Arme den Vorteil, schmutzig auszusehen. Er bietet keinen schönen Anblick, er wirkt vorwurfsvoll, auch wenn er schweigt. Der Arme darf ans Herz, doch freilich nicht an den Beutel greifen; letzteres tut der Herr, um das Elend, von dem er lebt, zu mildern.“

Bloch, Adorno, Dutschke, Habermas, Gysi  – sie alle kannten und kennen Armut als erlesene Armut nur aus den Büchern. All die Aufrufe zur Revolution, zum Systemwechsel wegen angeblicher Verelendung des Volkes waren erborgt aus diesen und anderen Lesefrüchten. Für Marx und Engels hingegen lag Armut noch vor Augen. Wir haben in der Bundesrepublik jeden Begriff davon verloren, deshalb das sinnleere Gerede von Armut.

Gestern fuhr ich mit der BVG vom Märkischen Viertel über den Hermannplatz Neukölln zurück in mein armes Kreuzberg. Besuche auch du, lieber Leser, Neukölln! Betrachte die jungen Männer in ihren weißen Jeans, ihren Markenklamotten, mit ihren i-pods, ihren gegelten Haaren, ihrem kurzrasierten Haar. Ihrem platzgreifenden, selbstbewussten Gebaren. Sie kennen keine Armut. Die Notwendigkeit zu arbeiten kennen sie ebenfalls nicht. Es macht ihnen keine Mühe, irgendeine Frau, irgendein Mädchen in der U-Bahn anzuquatschen und dreist zu behelligen, solange sie keinen Schleier trägt.  Diese jungen Männer werden die Prozentrechnung am Ende der 10.Klasse und auch die deutsche Rechtschreibung nicht beherrschen, irgendein Unternehmen in Ludwigsfelde oder Fürstenwalde wird sie nicht einstellen. Dennoch sind sie perfekt integriert. Integriert untereinander, in ihren Sippen, in den sozialen Stützungssystemen.

Sie sind nicht arm. Sie leben in vollkommener Freiheit. Hartz IV sei Dank. Sie können tun und lassen, was sie wollen. Über sie und genau sie schreibt Karl Marx im dritten Band des Kapitals:

Das Reich der Freiheit beginnt in der Tat erst da, wo das Arbeiten, das durch Not und äußere Zweckmäßigkeit bestimmt ist, aufhört; es liegt also der Natur der Sache nach jenseits der Sphäre der eigentlichen materiellen Produktion.

Zitat: Ernst Bloch, „Prinzip Hoffnung“, 2. Band, Suhrkamp Verlag, Frankfurt/M. 1977, S. 1045

Bild: Am U-Bahnhof Möckernbrücke, Abendstimmung vor dem Sturm, heute, 28.02.2010, 18 Uhr

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Feb. 162010
 

Sozialismus oder spätrömische Dekadenz? Der Vergleich unserer Sozialstaatsdebatte mit dem marxistischen Sozialismus, mit seiner unerbittlichen sozialistischen Arbeitspflicht, seinen riesigen Lagern, dem GULAG, der oft tödlichen Zwangsarbeit in gewaltigen Infrastrukturprojekten, dieser Vergleich hinkt meines Erachtens gewaltig. Niemand schickt bei uns die Bürger zu Tausenden und Abertausenden zwangsweise auf die Lager-, Kraftwerks- und Kanal-Baustellen, wie dies Lenin, Stalin, Che Guevara, Castro und viele andere sozialistische Führer taten.

Aber der Vergleich mit dem spätrömischen Kaiserreich ist durchaus aufschlussreich! Im spätrömischen Kaiserreich bedienten sich die Macht-Eliten hemmungslos. Sie wirtschafteten in die eigene Tasche. Der Sinn für virtus romana, für die res publica, für die salus publica ging verloren. Selbstbereicherung herrschte. Auch im spätrömischen Kaiserreich wurden weite Teile der Bevölkerung wie heute durch staatliche Wohltaten alimentiert, durch üppige Spiele und Zerstreuung gefügig gehalten. Begüterte Oberschicht und minderbemittelte Unterschicht nahmen den Staat aus wie die sprichwörtliche  Weihnachtsgans (eine Redewendung, die allerdings erst später mit dem Christentum aufkam). Verantwortlich für das Ganze fühlten sich zwar einige der Kaiser, wie etwa Diokletian oder Konstantin, aber die Mehrzahl der Kaiser hatte alle Hände voll zu tun, den eigenen Machterhalt zu sichern, indem sie der einen oder der anderen Klasse oder Teilkategorie einen möglichst großen Anteil am öffentlichen Reichtum zuschanzten. Das Militär wurde zur wichtigsten Stütze der kaiserlichen Macht.

Richtig arbeiten, sparsam wirtschaften, ackern, säen, ernten – das wollten die verwöhnten Römer nicht mehr. Otium cum dignitate, das war das Ideal. Ich übersetze ins Deutsche: Abhängen in lässiger Coolness, Chillen in Tavernen und Bars, nur nicht die Hände schmutzig machen. Dann kamen die Eroberungsvölker aus dem Osten. Reiterstämme, Steppenvölker, Krieger. Und sie nahmen sich ebenfalls, was sie kriegen konnten. Letztlich krachte die Konstruktion zusammen. Die einigende Klammer war verlorengegangen.

Gespannt bin ich darauf, was die Althistoriker und die Volkswirtschaftler zu Westerwelles vermeintlichem „Amoklauf“ sagen werden!  Alle Meinungsforscher, alle Kommunikationsexperten, fast alle Politiker, die meinungsbildenden Zeitungen wenden sich von Westerwelle ab seit seiner leidenschaftlichen, ihm selbst schadenden Tirade, bei der ich mich allerdings als sein skeptischer Zuhörer, ja Unterstützer zu erkennen gab, der Westerwelles Argumentation nachzuvollziehen versuchte. „O wie unfein, Herr Westerwelle! So etwas tut man nicht als seriöser Politiker!“

Sein Fehler war vielleicht: Er griff nicht gleichzeitig mit der alimentierten Schicht auch die begüterte Oberschicht an, die Besserverdiener. Wenn er dies gemacht hätte, und dafür gibt es Gründe, wenn er die reichen Steuerhinterzieher, die überforderten Manager und die Aufsichtsräte angegriffen hätte, dann hätte man ihm kaum an den Karren fahren können.

Ich meine, man sollte Westerwelle nicht einfach so niederbügeln, wie man dies früher mit Sarrazin, mit Buschkowsky, mit Havemann, Djilas, Havel, Trotzkij und wie sie alle heißen, machte. Alle diese absoluten Minderheiten-Meinungsrebellen hatten etwas für sich. Sie legten den Finger in die Wunde. Sonst hätten sich die Mehrheiten ja auch nicht so über sie aufgeregt.

Mit Arnulf Baring bringt der Tagesspiegel heute ein Interview.

„Umverteilung können wir uns nicht leisten“
Brauchen wir denn, wie Westerwelle sagt, eine Neudefinition des Sozialstaats?

Unbedingt. Niemand kann permanent mehr ausgeben, als er einnimmt. Wir müssen unbefangen über unsere Prioritäten nachdenken. Wenn man der FDP jetzt vorwirft, sie sei konservativ oder populistisch, dann ist das Unsinn. Nicht die FDP, sondern zahlreiche Deutsche sind stockkonservativ in dem Sinne, dass sie unbedingt den bestehenden, unmäßigen Sozialstaat verteidigen wollen. Alle Sozialpolitiker machen sich immer nur Gedanken über zunehmende Umverteilungen. Wenn man sie fragt, woher das Geld dafür kommen soll, halten sie sich nicht für zuständig.

Baring übertreibt und verschweigt. Bedenkenswert ist aber zweifellos Barings Befund, dass die anderen vier Parteien in wesentlichen Teilen mit der Umverteilung öffentlicher Gelder beschäftigt seien oder gewesen seien (mal abgesehen von der SPD-geführten Schröder-Bundesregierung mit ihrer heftig angegriffenen Hartz-IV-Reform, von heftig befehdeten Einzelkämpfern wie dem damaligen Finanzsenator Sarrazin, den aber Berlin nicht mehr haben wollte).

Sicher: Wir Berliner können nicht klagen. Ach, Berliner! Ihr habt doch immer noch beheiztes Wasser in den Freibädern. Uns geht es doch sehr gut! Wir in Berlin haben einen Haushalt von jährlich 19 Milliarden Euro, den uns die anderen Bundesländer etwa zur Hälfte schenken! Niemand braucht selber Eis zu hacken, dafür haben wir ja den STAAT.

Also: Berlin ist REICH. UND SEXY!

Wo bleibt die CDU in diesem Circus Politicus Maximus? Die CDU hätte in ihrem programmatischen Grundbestand eigentlich das Zeug dazu, das vorherrschende Selbstbereicherungs- und Umverteilungsparadigma zu durchbrechen. Sie sollte die zaghaften Ansätze dazu, die in der SPD und der FDP zu besichtigen sind, entschlossen aufgreifen und mit ihrer Subsidiaritätslehre zu vereinen suchen, die aus der katholischen Soziallehre stammt. Eherne Voraussetzung dafür wäre, dass endlich einmal eine Partei den Mut aufbrächte zu sagen: Wenn ihr uns wählt, werdet ihr weniger Geld vom Staat bekommen. Der Staat wird euch weniger schenken. Diese Botschaft müsste man den Bankern, den Aufsichtsräten  und Finanzhaien ebenso zurufen wie der wachsenden Schicht derer, die sich vollständig auf staatliche Alimentierung verlassen.

Der Staat müsste also wie ein guter Vater zu seinen volljährig werdenden Kindern sagen: „Ich schenke dir weniger Taschengeld. Lerne, auf eigenen Füßen zu stehen!“

Subsidiarität, das bedeutet: Zunächst einmal ist die untere Ebene verantwortlich: Der einzelne ist verantwortlich, dass er bei Glätte nicht ausrutscht. Nicht der Staat. Wenn es dem einzelnen nicht zuzumuten ist – dann muss die nächsthöhere Ebene einspringen. So ergibt sich die winterliche Räumpflicht der Hauseigentümer für die Gehwege. Da es den Hauseigentümern nicht zuzumuten ist, auch noch die Straßen vor dem Grundstück freizuhalten, muss der Staat einspringen. So ergibt sich die Räumpflicht der öffentlichen Hand für die Straßen. Alle diese Pflichten hat der demokratische Gesetzgeber nach reiflicher Überlegung eingeführt.

Aber nirgendwo hat der demokratische Staat die völlige Fürsorge für Wohl und Wehe der einzelnen Bürger übernommen. Das Wohlergehen, der Wohlstand der einzelnen Bürger ist im Wesentlichen Sache der Bürger selbst. Der demokratische Staat wächst im Gegensatz zum Fürstenstaat von unten auf. Er stützt sich auf den Fleiß der Menschen, auf Gemeinsinn, Redlichkeit, Gerechtigkeit, auf Fürsorge der Menschen füreinander. Auf die Verantwortung aller für das Ganze. Diese Tugenden gilt es wiedezubeleben.

Ich vermute – genau dies wollte Westerwelle sagen. Und genau darin gebe ich ihm recht.

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Der Sozialstaat pumpt Geld und vermehrt die Armut

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Feb. 142010
 

Guter Beitrag von Gunnar Heinsohn in der WELT vom 08.02.2010! Endlich einmal wird anhand von Zahlen nachgewiesen, dass unser Schulsystem nicht die Ursache dafür ist, dass so viele Schulversager den Weg in den Arbeitsmarkt verfehlen, sondern eine völlig verfehlte Setzung von Anreizen in der Sozialpolitik. Inhaltlich treffen Heinsohns Bemerkungen ins Schwarze,  jeder Spaziergang durch unser heimatliches Kreuzberg oder Wedding wird ihn bestätigen.

Jetzt muss die deutsche Politik erst einmal die vorwärts weisende Sozialpolitik eines Bill Clinton studieren. Dann wird man daran gehen, die schweren Fehler der vergangenen Jahrzehnte offen einzugestehen. Und dann wird man durch gesetzliche Reformen den Weg zur Abhilfe schaffen. Den ganzen Artikel von Heinsohn empfehle ich unseren Sozialpolitikern dringend zur Lektüre.

Gesellschaft: Der Sozialstaat pumpt Geld und vermehrt die Armut – Nachrichten Debatte – WELT ONLINE
Weil in Deutschland die Herkunft den Schulerfolg stärker prägt als in anderen Ländern, könne das nun einmal nur an den Schulen liegen. Wenn aber Deutschland überdurchschnittlich vielen Schulversagern aus aller Welt eine Heimstatt bietet, dann könnte auch genau darin der Grund für die unterdurchschnittliche Akademikerquote liegen. Denn es ist zugleich Deutschland, das als erste entwickelte Nation in einer negativen Bildungsspirale steckt, obwohl das Schulsystem ständig reformiert und besser finanziert wird. Abschlüsse werden immer leichter gemacht und dennoch schaffen die 25- bis 34-Jährigen nicht mehr akademische Grade als die 55- bis 64-Jährigen mit ihren damals vergleichsweise ärmlichen Bedingungen und Behandlungen mit Schwarzer Pädagogik.

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Feb. 112010
 

08022010008.jpg Etwa 10% der Bevölkerung des spätrömischen Kaiserreiches – so schätzen Historiker – lebten dauerhaft, über Generationen hinweg auf Kosten des Staates. Ihnen wurden regelmäßig Getreidespenden verteilt, für die Unterhaltung sorgten die zirzensischen Schauspiele in den riesigen Amphitheatern: „panem et circenses“, mit diesem Rezept hielt sich das Kaiserreich Umstürzler und Republikaner vom Leib. Erst die gewaltsame Eroberung einzelner Provinzen durch andere Stämme sowie die gewaltlose Unterwanderung durch die Germanen führten über anderthalb Jahrhunderte hinweg zum Zerfall dieser riesigen Herrschaft. Es gab nichts mehr zusätzlich zu verteilen, der bewohnte Erdkreis war ja schon weitgehend unterworfen, und von außen her sickerten Germanen und andere Stämme ein.

Der Wohlstand, die unermessliche Pracht des Imperiums beruhte auf der Ausbeutung der Provinzen, auf militärischer Eroberung neuer Länder und nicht zuletzt auf der Sklavenhaltung.  Alle drei Optionen – Ausbeutung fremden Landes, Eroberung, Sklavenhaltung – verbieten sich für die Bundesrepublik Deutschland von vorneherein.

Es bleibt nur, den Wohlstand durch Fleiß, Geschick und durch eigene Anstrengung zu erhalten und womöglich zu mehren.

Diese fundamentalen Zusammenhänge rückt zurecht Guido Westerwelle heute in einem Beitrag für die WELT ins Licht.

Guido Westerwelle wirft der Hartz-IV-Debatte zu Recht eine Schieflage vor. Es gehe nur noch darum, wie jeder ein Maximum für sich heraushole. Es werde nicht mehr davon gesprochen, was jeder einzelne für seinen eigenen Wohlstand tun müsse. Ich stimme Westerwelle in seinen wesentlichen Gedankengängen zu, wenn ich auch glaube, dass für Steuersenkungen kein Spielraum da ist.

Ich meine: Die Steuern lassen sich kaum senken. Wir brauchen ein einfacheres Steuersystem (wesentlich gerechter wird es wohl kaum werden). Und die Staatsausgaben müssen gesenkt werden. Die staatlichen Subventionen müssen abgebaut werden, die massive Steuerflucht und Steuerhinterziehung reicher Deutscher muss mit allen rechtsstaatlichen Mitteln gestoppt werden.

Außerdem bin ich für die Volksschule! Ein einheitliches Volksschulwesen, in dem von Anfang an Leistung und Fleiß geachtet wird. Diese ständige Perhorreszierung der „Einheitsschule“ oder gar der „sozialistischen Einheitsschule“ – wie sie leider auch Westerwelle heute bekräftigt – ist Unsinn. Unser Schulwesen ist viel zu zersplittert, zu unübersichtlich, hat zuviele Aussteiger. 16 Bundesländer, in denen dann für dieselbe Altersstufe bis zu 6 verschiedene Grundschultypen nebeneinander bestehen. Nein, gerade in einem einheitlicheren Grundschulwesen kann der Leistungsgedanke besser zur Geltung kommen!

Ein Sparvorschlag: Wir brauchen kein beheiztes Badewasser im Kreuzberger Prinzenbad. Beheiztes Wasser in einem Sommerbad, das halte ich für unnötigen Luxus, den wir uns nicht leisten können. Wir sind keine Prinzen! Und derartige Sparvorschläge kann ich stapelweise liefern.

Durch eine kräftige Erhöhung von Hartz IV wird die fulminante Staubsaugerwirkung unseres Sozialsystems noch einmal zunehmen! Der „Staubsauger“ erzeugt einen trichterartigen Sog, der weit in andere, in ärmere Länder hineinreicht. Wer in dem Trichter lebt, der wird über die Jahre hinweg nach und nach von Lähmung befallen. Es gibt keinen Anlass, den Trichter wieder zu verlassen. „Brot“ und „Spiele“ werden weiterhin zuverlässig ausgespendet.

Dies gilt vor allem für Berlin, für Bezirke wie Kreuzberg oder Neukölln.

Ich verfolge amüsiert die Debatte über die Eisbeseitigung auf Berlins Bürgersteigen! Auch hier wird sofort lautstark nach dem Staat gerufen. Wowereit soll es persönlich richten! Das Ganze trägt bizarre Züge, das Ganze riecht schon sehr stark nach Sozialismus. Der Staat soll den Bürgern alle Kümmernisse, alle Sorgen abnehmen. Auch wenn so eine Eisschicht nur einmal in 20 Jahren vorkommt – der Staat muss angeblich darauf gerüstet sein! Spinnen wir den Gedanken aus: Denkbar wäre die Schaffung einer aus Steuermitteln bezahlten „Schnellen Eishack-Eingreif-Truppe (SEET, englisch: Rapid Ice Hacking Reaction Force), die jederzeit vorgehalten wird. Da ließen sich wieder viele Stellen im öffentlichen Dienst schaffen! So läuft es doch! Bedarf erkannt? Bedarf abgedeckt durch öffentliche Mittel!

Wie sagte doch Goethes Mephisto?

„Nimm Hack und Spaten
grabe selber
dann wirst du deine Sorgen los
und eine Herde goldner Kälber
sie reißen sich vom Grunde los.“

Also, Bürger: Nehmt Hack und Spaten, wenn euch das Eis stört – aber ruft bitte nicht erneut ständig nach Vater Staat.

Das Bild zeigt eine Schuhsohle des Bloggers. Die Stiefel sind von der Marke Lloyd.  Sie haben zwei umklappbare Metalldorne. Ich trage diese Schuhe ständig. Das Eis kann mir nichts anhaben und ich kann sogar alten und jungen Damen den Arm reichen. Ihr seht: Man braucht nicht immer den Staat.

Gastkommentar zu Hartz IV: An die deutsche Mittelschicht denkt niemand – Nachrichten Debatte – WELT ONLINE
Diese Leichtfertigkeit im Umgang mit dem Leistungsgedanken besorgt mich zutiefst. Die Missachtung der Mitte hat System, und sie ist brandgefährlich. Wer dem Volk anstrengungslosen Wohlstand verspricht, lädt zu spätrömischer Dekadenz ein.

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„Klagen, nichts als Klagen“, oder: Dein Klageempfänger: der Staat

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Feb. 102010
 

Geschätzte 31,9 Prozent der gesamten Wirtschaftsleitung unserer Volkswirtschaft, also 754 Milliarden Euro, sind 2009 laut heutigem Berliner Tagesspiegel, S. 2, als staatliche Sozialleistungen erbracht worden. Im Bundesdurchschnitt leben 8 Prozent der Menschen von Hartz IV, in Berlin sind es 17 Prozent. In meiner Wohngegend sind es noch wesentlich mehr. „Wieso soll ich wegziehen? Ich habe hier doch alles!“ So hörte ich es mit eigenen Ohren von einem Kreuzberger Arbeitslosen, dem eine Arbeit in seinem erlernten Beruf im Saarland angeboten worden war. Wir lernen: Niemand muss heute in Deutschland der Arbeit hinterherziehen.

Die 80 oder 100 Euro, die eine gute Arbeitshose kostet, nehmen sich demgegenüber bescheiden aus. Und doch schlagen sich die deutschen Sozialgerichte Tag um Tag mit derartigen Fragen herum wie der folgenden: Darf ein gelernter Konstruktionsmechaniker eine angebotene Arbeit im Garten- und Landschaftsbau mit der Begründung ablehnen, er habe nur zwei Hosen und die dritte Hose müsse ihm deshalb vom Staat gestellt werden, und  da ihm der Staat keine dritte Hose stelle, brauche er auch nicht die Arbeit anzunehmen? Jeder Sozialrichter kann eine bunte Fülle solcher Fälle erzählen! Alle wissen: Die Fälle schwimmen nicht davon, nur weil das Bundesverfassungsgericht das ganze Hartz-IV-System für verfassungswidrig erklärt hat! Im Gegenteil! Lustige, ja bühnenreife Beispiele dafür finden sich heute unter diesem Titel in der FAZ auf S. 3.

Ich meine: Da das Gericht eine noch stärkere Einzelfallprüfung angeordnet hat, statt einigermaßen großzügig berechnete Pauschalierungen zu unterstützen, wird die Klagenflut sogar noch zunehmen! Die Arbeits- und Sozialrechtsanwälte können sich schon mal ins Fäustchen lachen – sie bekommen zusätzliche Arbeit in Hülle und Fülle. Ihnen droht weit über ihr Erwerbslebensende hinaus keine Arbeitslosigkeit. Sie können lachen und klagen, immer nur klagen und lachen – und zwar auf Kosten des Staates. Denn die Verfahrenskosten vor dem Sozialgericht tragen WIR.

Was mir hier missfällt, ist der Einwegbetrieb: Der Staat wird nur noch als Anspruchsgegner wahrgenommen. Dass der demokratische Staat letztlich nur vom Willen und vom Leisten der Bürger zusammengehalten wird, mag fast niemand wahrhaben.

Fast niemand fragt: Was kann im Gegenzug für das soziale Netz die Gemeinschaft von den einzelnen verlangen? Ich sage: Fast niemand, denn es gibt durchaus noch Menschen, mutige Bürgerinnen und Bürger unseres Staates, wie etwa die Neuköllner Richterin Kirsten Heisig, die als Privatperson direkt auf die Hartz-IV-Familien zutritt und sagt: „Ihr müsst mehr für eure Kinder tun. Der Staat, die Gerichte können es nicht schaffen. Schickt eure Kinder mindestens in die Schule! Gebt ihnen was zu essen.“

Der fürsorgliche Sozialstaat soll seine Untertanen, seine Mündel beglücken. Was für ein überholtes Staatsverständnis! Diese Melodie höre ich allzu oft. Für das antiquierte, vordemokratische  Verständnis vom Staat, wonach der Staat in Gestalt des Monarchen „Anspruchsgegner“ oder Klageempfänger ist, der die Untertanen beglücken soll, sei hier der Anfang aus Lessings Emilia Galotti zitiert:

Der Prinz(an einem Arbeitstische voller Briefschaften und Papiere, deren einige er durchläuft). Klagen, nichts als Klagen! Bittschriften, nichts als Bittschriften! – Die traurigen Geschäfte; und man beneidet uns noch! – Das glaub ich; wenn wir allen helfen könnten: dann wären wir zu beneiden.

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Trichtermigration: perspektivlos oder Dauerveranstaltung?

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Feb. 022010
 

26012010005.jpg Seit vielen Jahren lebe ich in der Nähe des Kottbusser Tores. Und eigentlich ärgere ich mich, wenn wieder einmal behauptet wird, das Leben dort sei „perspektivlos“. Nein, das Gegenteil ist richtig! Nehmen wir nur das Prinzenbad! Wo sonst gibt es ein so tolles Schwimmbad, in dem sogar das Badewasser vorgewärmt wird?

Da sich kaum etwas verschlechtert hat und das meiste gleich geblieben ist, kann man sagen: Die Perspektive ist da – es geht so weiter wie bisher. Wieder einmal steckt der Staat zusätzliche 40 Millionen Euro in den Bezirk, auf dass es so bleibe, wie es ist! Und da wir alle Gewohnheitstiere sind, fühlen wir uns da wohl, wo alles bleibt, wie es ist. Der Tagesspiegel schreibt heute:

Leben am Kottbusser Tor – perspektivlos wie immer
Die Außensicht auf den Kotti entspreche nicht dem Lebensgefühl der Menschen, die hier wohnen, sagt Atrache- Younes. Bei einer Befragung hätten 90 Prozent der Anwohner angegeben, sie fühlten sich wohl im Kiez. „Viele Einwanderer haben sich hier ihr Zuhause eingerichtet“, ein Stück Heimatgefühl nach Deutschland geholt. Das könne sie durchaus nachvollziehen, sagt Atrache-Younes, die aus Syrien stammt.

Wer schnöde und kalt das Leben am Kotti perpektivlos nennt, beweist auch seine Ignoranz gegenüber den Herkunftsländern. Denn der deutsche Sozialstaat bietet genau das: eine Dauerperspektive über mehrere Generationen hinweg.

Ich wette: Allen, die hierherziehen, geht es in Deutschland weit besser als etwa in Syrien, Libanon oder Türkei. Es gibt hier in Berlin geschlossene arabisch- oder türkischsprachige Wohngegenden. Und auf Almosen ist man bei uns nicht angewiesen, denn der deutsche Sozialstaat sorgt in vorbildlicher und verlässlicher Weise dafür, dass es zu keiner echten Armut kommt, wie sie die Menschen in Syrien, Libanon oder der Türkei zu gewärtigen hätten. Im Gegenteil: Durch Segnungen wie etwa „Quartiersmanagement“ oder „Die soziale Stadt“ wird den Vätern und Müttern immer mehr Erziehungs- und Bildungsarbeit abgenommen, die Zuwanderer können sich ganz auf die staatliche gewährte  Dauerperspektive verlassen. Echte Anstrengungen werden nicht von ihnen verlangt.

Kenan Kolat MdB sprach einmal von der üblichen Netzwerk-Migration (dieses Blog zitierte ihn am 13.10.2009): Eines Tages beschließen die Dorfältesten, etwa in Anatolien, dass ein ganzes Dorf nach Deutschland übersiedelt. Gesagt – getan!  Den ganzen Papierkram erledigen bezahlte Profis, die Investition hat man schon nach wenigen Monaten wieder hereingeholt.

In Deutschland wartet eine ganze Batterie von Sozialämtern, Helfern, Assistenten, Betreuern und Landsleuten. Niemand ist auf sich allein gestellt, jeder wird mit offenen Armen empfangen und ins Netz eingeführt. Niemand braucht Deutsch zu lernen. Materielle Not gehört der Vergangenheit an. Erwartungen, dass man irgendwann einmal den Lebensunterhalt durch Arbeit verdienen soll, werden nicht gestellt.

Das ist die Perspektive. Es ist eine Dauerperspektive! Um sie zu erhalten, ergießt sich immer wieder ein warmer Geldregen auf diese Gebiete wie etwa den Kotti. Von diesem Geldregen profitieren Wohnungsbauunternehmen, Sozialprofis, Händler und Helfer. Da es so stetig vorwärtsgeht, kommen auch neue Zuwanderer nach Deutschland, die im Heimatland keine Dauerperspektive erarbeiten könnten und auf Almosen angewiesen wären. Hierfür schlage ich in Anlehnung an Kenan Kolats Ausdruck „Netzwerkmigration“ den Ausdruck „Trichtermigration“ vor.

Unter „Trichtermigration“ verstehen wir die Sogwirkung, die in Städten wie Berlin durch die sozialstaatliche Daseinsvorsorge ausgeübt wird. Dieser Sog wirkt in die unterentwickelten Gegenden anderer Länder hinein und erfasst jene Menschen, die dort keinerlei Zugang zum Arbeits- und Heiratsmarkt haben.

Intensive staatliche Fürsorge, finanzielle Bevorteilung der „benachteiligten“ Stadtquartiere verstärkt die Sogwirkung des Trichters. Das Ergebnis: Der „Trichter“ zieht von außen neue Menschen an, die dann die geschlossenen Siedlungsgebiete der einzelnen Volksgruppen verstärken. Es wird mit sozialstaatlicher Hilfe „eine zweite Heimat“ geschaffen, in der ein weitgehend anstrengungsloses Leben möglicht ist: ein nahezu paradiesischer Zustand, den man auf keinen Fall perspektivlos nennen sollte!

Die Menschen, die seit längerem hier wohnen, versuchen, sobald sie sich den geschlossenen ethnischen Gebieten nicht mehr zugehörig fühlen, den Trichter zu verlassen. Sie ziehen vom Kotti oder überhaupt aus Kreuzberg weg. Es ist ihnen – zu paradiesisch.

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Jan. 312010
 

Die deutsche Gesellschaft zerfällt zusehends. Diesen Befund habe ich wieder und wieder in diesem Blog festgestellt, und in meinem persönlichen Leben mache ich immer wieder die bestürzende Entdeckung, dass die verschiedenen Umfelder, in denen ich mich bewege, keinen Kontakt zueinander haben. Das gilt vor allem für Kreuzberg. Die Deutschen, die Russen, die Türken, die Araber, die Linken, die Bürgerlichen  – diese Volksgruppen existieren unverbunden nebeneinander her. Es gibt fast keinen gemeinsamen Nenner, hat ihn nie gegeben. Nur in Familien wie etwa der meinen vermischen sie sich. Derselbe Befund gilt in den politischen Parteien: die Grünen, die am ehesten noch den Anspruch erheben könnten, hier eine Volkspartei zu sein, sorgen für ihre Klientel, die SPD ebenso, die Linke ebenso. Jeder sorgt für sich und seine Schäfchen.

Die Kreuzberger und die Berliner Gesellschaft ist hochgradig zersplittert. Kaum jemand sieht dies.

Ein hochinteressanter Bericht über Befindlichkeitsstudien des Sozialwissenschaftlers Heitmeyer leuchtet soeben auf meinem Bildschirm auf:

Wissenschaftler schlagen Systemalarm
„Menschen verlieren sukzessive die Kontrolle über das eigene Leben“, warnt Heitmeyer. Die Konsequenz: Sie suchen nach Sündenböcken. Je größer das Empfinden ist, in Zeiten sinkender Normalarbeitsverhältnisse und sprunghaft wachsender „Mal-rein/mal-raus-Arbeitslosigkeit“ zum Opfer der Verhältnisse zu werden, desto stärker scheint auch die Bereitschaft zu einer „gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit“ zu sein, die sich gegen „die Banker“ oder „Amerika“, aber auch generell gegen Ausländer oder Muslime richten kann. Ein Drittel der Befragten gab an, in Krisenzeiten könnten nicht länger die gleichen Rechte für alle Bürger gelten, gut 20 Prozent waren der Meinung, Minderheiten dürften keinen besonderen Schutz mehr erwarten.

Liest man diesen Zeitungsartikel genau, so hat erhält man geradezu ein Musterbeispiel dafür, wie Sozialwissenschaften durch geschickte Art der Fragestellungen und subtil gesteuerte Deutung das gewünschte Ergebnis erzielen können. Ein Beispiel dafür? Hier kommt es:

„Menschen verlieren sukzessive die Kontrolle über das eigene Leben“, warnt Heitmeyer.

Das wird man allerdings aus der Studie nie und nimmer folgern können! Denn die Studie kann gar nicht zu Aussagen über die tatsächlichen Verhältnisse gelangen. Keine Meinungsumfrage kann tatsächliche Verhältnisse abbilden. Sie kann nur Meinungen über die tatsächlichen Verhältnisse abbilden.

Eher gilt: Die Menschen haben das Gefühl, sukzessive die Kontrolle über das eigene Leben zu verlieren.Und dieses Gefühl ist – wie jedes Gefühl – weder widerlegbar noch rechtfertigbar. Es ist eben – ein Gefühl.

Letztlich dienen solche Studien dazu, politische Paradigmen zu stützen. Die Menschen werden im Gefühl bestärkt, sich als Opfer zu sehen. Daraus folgert dann die herrschende Umverteilungspolitik die Berechtigung, noch mehr Geld für eigene Zwecke zu vereinnahmen, um den zuvor bewusst geschürten erzeugten Anschein der Ungerechtigkeit zu lindern.

Den Menschen wird eingeredet, nichts an ihrem Schicksal ändern zu können und weitere Wohltaten für sich in Anspruch nehmen zu müssen. Ein verhängnisvoller Zirkel ist in Gang gesetzt: „Ihr seid Opfer!„, sagen die Sozialwissenschaftler und die Politik. „Wir kümmern uns um euch!“ greifen die Politiker den Ball auf. Siehe Opel-Affäre. Da der Opferstatus durch die ausgeteilten Geschenke  nie und nimmer zu beseitigen ist, werden immer neue Ausgleichmaßnahmen, Geld-Umverteilungsmaßnahmen benötigt. So wird zuletzt der Staatshaushalt gesprengt.

Perfektes Beispiel: das frühere West-Berlin und das heutige Berlin.  Schuldenstand heute: 60 Mrd Euro. Erzielt durch eine stillschweigende große Koalition der Umverteiler einschließlich der alten Berliner CDU. Bedarf an Sozialhilfe und kompensatorischer Sozialpolitik: stetig wachsend. Bewusstsein dafür, dass man Opfer ist: ständig wachsend. Zahl der Opfergruppen: stetig wachsend. Zahl derer, die sich nicht als Opfer fühlen: stark fallend.

Ich werde bald meine eigene Opfer-Minderheit aufmachen könne. Wie wäre es zum Beispiel mit: „Schweinefleischverzehrer“? Da wir in der muslimischen Kreuzberger Mehrheitsgesellschaft scheel angesehen werden, weil wir Schweinefleisch verzehren, haben wir doch Anspruch darauf, als Opfer der Verhältnisse anerkannt zu werden? Ich könnte aufschreien: „Mein nichtmuslimischer Sohn ist benachteiligt! Er ist eine ausgegrenzte Minderheit. Helft uns! Wir brauchen eine aktive Schutzpolitik für die Minderheit der schweinefleischessenden Kreuzberger Kinder. Geld her, Sozialhilfe her!“

Die Absurdität der ständig neue Minderheiten, neue Benachteiligtengruppen erfindenden kompensatorischen Sozialpolitik wird an diesem Beispiel deutlich, so hoffe ich.

Was wir vielmehr brauchen, ist ein Bewusstsein der Freiheit. „Es ist dein Leben! Mach daraus, was du willst.“

So sagte es der Imam, der Vater des deutschen Moslems Hamed Abdel-Samad. Der ägyptische Imam hat recht! Hört auf den ägyptischen Imam!

Zitat: Hamed Abdel-Samad: Mein Abschied vom Himmel. Aus dem Leben eines Muslims in Deutschland. Köln 2009, S. 165

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Die auseinanderfallende Stadt – brauchen wir das Umdenken?

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Jan. 212010
 

Schade, dass diese neue Sozialstudie des Soziologen Häußermann erst 5 Tage nach meiner Bewerbung als Kreisvorsitzender vor der CDU Friedrichshain-Kreuzberg erscheint. Mein Leitbild „Die zusammenwachsende Stadt“ hätte ich als die direkte Antwort auf diese sozialen Probleme Berlins an die Wand pinseln können! Und dass es Hamburg besser kann als Berlin, brachte ich schon in dem Begriff Zusammenwachsende Stadt zum Ausdruck, der ja der Wachsenden Stadt Ole von Beusts nachempfunden ist.

Na ja. Statt dessen konzentrierte ich mich in der Bewerbung mehr auf die „hereinholende Volkspartei“. Auch das passte. Nur eine hereinholende Volkspartei kann die Probleme der auseinanderfallenden Stadt glaubhaft meistern.

CDU, FDP und Grüne Berlins – ich frage euch: Wo wart ihr denn die ganze Zeit? CDU, FDP und Grüne! Ihr hättet punkten können! Schaut auf diese Stadt und erkennt, dass ihr sie nicht auseinanderfallen lassen dürft!

Großes geplant, wenig geschehen – Berliner Zeitung
Unterdessen wachsen Zweifel an der Effizienz der Strategie des Senats. Es scheint, als ob die Bemühungen der Politik verpuffen. Die Studie des Soziologen Hartmut Häußermann ist bereits die zweite Untersuchung in dieser Woche, die die Sozialpolitik des rot-roten Senats in keinem guten Licht erscheinen lässt. Nirgendwo sei das Armutsrisiko so groß wie in der Hauptstadt, hatte eine Bertelsmann-Studie konstatiert. Häußermann belegt, dass die Armut sich auf wenige Gebiete beschränkt, in denen die Chancenlosigkeit so verfestigt ist, dass sie selbst vom wirtschaftlichen Aufschwung nicht profitieren.

Die Opposition kritisierte die Versäumnisse des Senats. CDU, FDP und Grüne sind sich einig, dass Geldtransfers in bestimmte Gebiete nicht ausreichen. „Nach elf Jahren des Programms ,Soziale Stadt’ sind keine signifikanten Trendänderungen zu verzeichnen“, sagte CDU-Fraktionschef Frank Henkel.

Mit dem neuen „Aktionsräume“-Programm werde eine neue Verwaltungsebene eingezogen, bemängelten die Grünen. Franziska Eichstätt-Bohlig, die stadtpolitische Sprecherin, äußerte sich besorgt, dass die schon jetzt kaum noch zu koordinierende Programmvielfalt vergrößert wird. Sie wünscht sich eine ressortübergreifende Bündelung.

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Versuch’s mal bei dir selbst. Wage es!

 Armut, Freiheit, Kinder, Sozialstaat, Vorbildlichkeit  Kommentare deaktiviert für Versuch’s mal bei dir selbst. Wage es!
Juli 262009
 

Gute Bestandsaufnahme der Bewusstseinslage im Tagesspiegel von heute durch Gerd Nowakowski. Die Probleme Berlins werden erkannt …

Kinder wagen
Zwar schneidet Berlin beim Punkt Vereinbarkeit von Beruf und Familie wegen des dichten Angebots von Kitaplätzen und Krippen gut ab, doch die sozialen Probleme wachsen. Wer sich in Berlin für Kinder entscheidet, ist keineswegs wirtschaftlich gesichert. Unter migrantischen Familien gibt es eine extrem hohe Arbeitslosigkeit; und auch akademisch gebildete Eltern leben vielfach in prekären Verhältnissen mit Kurzzeit-Jobs oder unterqualifizierten Tätigkeiten. Continue reading »

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Juli 232009
 

Viel zu wenig beleuchtet im Tagesgespräch wurde leider eine große, vielsagende Studie über: Die Unzufriedenheit der Ostdeutschen mit der Bundesrepublik. Also – eine Unzufriedenheitsstudie! Na, das soll uns Deutschen erst einmal einer nachmachen! Auftraggeber: die Volkssolidarität, der führende Wohlfahrtsverband in den östlichen Bundesländern, der seit 60 Jahren dort besteht. Was soll die wichtigste Aufgabe des Staates sein? Darauf antworten die meisten unter allen Befragten, nämlich 47%: Die soziale Sicherheit ist der wichtigste Wert staatlichen Handelns!

Nicht Freiheit, nicht Gerechtigkeit, nicht Wohlstand, nicht “soziokulturelle Teilhabe”, sondern schlicht dies: soziale Sicherheit. Ach Vera, ach Halina, hättet ihr euch das gedacht bei eurer denkwürdigen Diskussion im Café Sybille im Februar 2009, an die ich noch gerne zurückdenke? Continue reading »

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Raub oder klassische Klientelpolitik?

 Sozialstaat  Kommentare deaktiviert für Raub oder klassische Klientelpolitik?
Juli 232009
 

19072009020.jpg„Aber wenn Vorschläge irgendwann Realität werden, wie sie neulich Herr Lindner von der FDP gemacht hat, dass man die Hartz-IV-Empfänger um 30 Prozent ihres sehr bescheidenen Lebensunterhalts beraubt, dann wird es schwierig.“

Ein herrliches Beispiel klassischer Klientelpolitik lieferte der Berliner Innensenator  Körting mit dem im vorigen Beitrag auszugsweise zitierten Interview. Zugleich ein typisches Beispiel für die Verdrehung von Aussagen und Tatsachen, wie sie offenbar zum politischen Tagesgeschäft in der Berliner Landespolitik gehört. Der arme Herr Lindner hatte nur gefordert, man solle solchen Hilfeempfängern, die eine zumutbare Arbeit ablehnten, die Bezüge um 30% kürzen. Ein Teil der Hilfe, nämlich 30%, sollte bei möglicher und zumutbarer Arbeit als Entgelt für erbrachte Leistung gezahlt werden. Na und, was ist so schlimm daran?

Lindner löste mit seinem harmlosen Vorschlag einen Sturm der Entrüstung aus. Nur einige wenige etwas Hellsichtigere – wie etwa eine der 5 vortrefflichen Kandidatinnen in unserem hochbegehrten Wahlkreis 84, nämlich Halina Wawzyniak – erkannten, dass Herr Lindner nichts anderes gefordert hatte, als was ohnehin bereits jetzt im „SGB II“ steht, wie die Fachleute sagen, also im Sozialgesetzbuch II steht.

Lindner hatte also nur die Anwendung geltenden Rechts gefordert. Continue reading »

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Juli 132009
 

Tolles Hoffest am Samstag bei uns in der Obentrautstraße! Hier seht ihr ein Bild von unserem wunderschönen Hofbrunnen! Ich erzählte das „Märchen vom armen Mann, vom Rabenkönig und vom Frettchen.“ Eine Mischung aus ukrainischen Märchenmotiven und eigenen Zutaten: dem Frettchen vom U-Bahnhof Neukölln. Der arme Mann verliert seinen Ochsen, auf dem der ganze Lebensunterhalt beruht. Die Familie hat nichts mehr zum Beißen und geht dem Hungertod entgegen.  Da hilft das Frettchen aus Neukölln dem dritten Sohn des armen Mannes, den geraubten Ochsen aus der Macht des bösen Rabenkönigs zu befreien. Wanja spielte das Beethoven-Lied „Das Frettchen“ auf seiner halben Geige dazu. Alles in Butter, alles toll! Wirklich? Wer ist denn das – ein armer Mann? Wer ist arm? Anlass genug für unsere morgendliche Betrachtung!

14,3% aller Deutschen und etwa 50% meines unmittelbaren Wohnumfeldes in Friedrichshain-Kreuzberg gelten als arm. Sie leben demzufolge unterhalb der von der internationalen Arbeitsorganisation ILO anerkannten Armutsgrenze, denn sie haben weniger als 60% des deutschen Durchschnittseinkommens zum Leben (764 Euro monatlich für Singles oder 1.376 Euro für Paare).

Hierzu erklärt der Politiker Johannes Hampel:

Das international anerkannte Armutskriterium – „weniger als 60% des Durchschnittseinkommens“ – ist willkürlich. Es ist ein lächerlicher Unfug. Es ist eine Verspottung der echten Armen, die es reichlich gibt, und zwar im Kosovo etwa, in Afrika, in der Ukraine, im Libanon, in Teilen der Türkei. Diese Menschen haben weniger als 2 Dollar pro Tag zur Verfügung. Sie sind arm. Mit 1375 Euro ist kein Paar arm. So etwas zu behaupten ist amtlicher Unsinn. Liest man „Die Lage der arbeitenden Klasse“ von dem begüterten Kapitalisten Friedrich Engels, dann erfährt man, was echte Armut war! In den USA kann heute Arbeitslosigkeit unter Umständen eine gewisse Armut bedeuten. Man überlebt dann oft nur noch durch die staatliche oder kirchliche Fürsorge, also durch Notküchen und mildtätige Zuwendungen, und viele verlieren ihr gewohntes Heim und müssen in ärmliche Quartiere ziehen.  In den EU-Staaten hingegen haben Langzeitarbeitslose und Sozialhilfeempfänger durchschnittlich etwa 50% eines Erwerbseinkommens zur Verfügung. Das reicht in Deutschland vollkommen aus, um ohne Armut zu leben. Zugleich liegen die Menschen zuverlässig UNTERHALB des staatlichen Armutskriteriums.  Damit ist gesichert, dass eine Heerschar von ARMUTSBEKÄMPFERN auf Jahrzehnte hinaus Lohn und Brot findet! Mit dem amtlichen Armutskriterium bekämpft man also zuverlässig und nachhaltigst die drohende Arbeitslosigkeit der Armutsbekämpfer. Es wird schon aus mathematischen Gründen immer genug vermeintlich Arme geben, für die die professionellen Armutsbekämpfer kämpfen können. Etwa die Linkspartei. In unserem Wahlkreis 84 gibt es höchstens 1 Prozent echte Arme. Alle anderen, also die etwa 50% der Menschen, die hier im Wahlkreis 084 von Transferleistungen des Staates leben, sind nicht wirklich arm. Die nichtarbeitenden Klassen werden nur künstlich arm gerechnet. Dann sagt man ihnen: „Ihr seid arm, ihr seid arm dran, ihr Armen!“ Damit sie sich einnisten in ihrem behaglichen Opferstatus und nichts tun, um selbständig ihre Chancen und ihren – allerdings bescheidenen – Wohlstand zu mehren. Armes Kreuzberg, armes Friedrichshain, armes Prenzlauer Berg!

Auf, ihr Arme dieses Bezirks, lernt auf eigenen Füßen zu stehen!

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Juli 132009
 

Herrliche Zeiten – der echte Wahlkampf beginnt ja erst etwa zwei Wochen vor der Bundestagswahl am 27.09.2009,  deshalb ist jetzt noch reichlich Zeit, noch einmal das Thema „Rentengarantie“ zu besprechen, in dem sich dieses Blog unter dem Titel ohne sorge, seid ohne sorge bereits am 6.5.2009 eindeutig positioniert hatte. Und zwar gegen das Absenkungsverbot der neuen staatlichen Rentengarantie. In Zeiten fallender Einkommen müssen auch die Renten fallen dürfen – das gilt natürlich insbesondere für Zeiten der Rezession. Finanzminister Steinbrück trat nun ebenfalls gestern hervor und sprach sich mit denselben Argumenten gegen die bereits beschlossene Rentengarantie aus. Steinbrück ist ein guter, ein mutiger Mann! Sollte man seinetwegen in Friedrichshain-Kreuzberg und Prenzlauer Berg Ost SPD wählen? Continue reading »

 Posted by at 07:33