Mach es selbst – çok iyim!

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Feb. 102010
 

Klagen über Eiszeit in Berlin! Alles strauchelt, alles stürzt! Wer ist schuld? Rechtslage eindeutig: Grundeigentümer zuständig für Gehwege. Klappt nicht. Organisierte Verantwortungslosigkeit: Jeder schiebt den Schwarzen (oder weißen?) Peter weiter.

Also – der Staat muss ran.  Tu doch endlich was, Staat! Staaaaat!   HILF UNS! Wir GLAUBEN an DICH! Wir glauben an DIE POLITIK! Die alte Staatsgläubigkeit in Reinkultur.

Ein türkischer Zeitungshändler in meiner heimatlichen Großbeerenstraße berichtet mir, er habe Eis und Schnee vor seinem Laden weggehackt, sodass nun alle unbehindert und ungefährdet gehen können. Ich lobe ihn über den grünen Klee. Der Saarländer sagt: Sou musset sin. Oder wie der Türke sagt: çok iyim!!

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„Klagen, nichts als Klagen“, oder: Dein Klageempfänger: der Staat

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Feb. 102010
 

Geschätzte 31,9 Prozent der gesamten Wirtschaftsleitung unserer Volkswirtschaft, also 754 Milliarden Euro, sind 2009 laut heutigem Berliner Tagesspiegel, S. 2, als staatliche Sozialleistungen erbracht worden. Im Bundesdurchschnitt leben 8 Prozent der Menschen von Hartz IV, in Berlin sind es 17 Prozent. In meiner Wohngegend sind es noch wesentlich mehr. „Wieso soll ich wegziehen? Ich habe hier doch alles!“ So hörte ich es mit eigenen Ohren von einem Kreuzberger Arbeitslosen, dem eine Arbeit in seinem erlernten Beruf im Saarland angeboten worden war. Wir lernen: Niemand muss heute in Deutschland der Arbeit hinterherziehen.

Die 80 oder 100 Euro, die eine gute Arbeitshose kostet, nehmen sich demgegenüber bescheiden aus. Und doch schlagen sich die deutschen Sozialgerichte Tag um Tag mit derartigen Fragen herum wie der folgenden: Darf ein gelernter Konstruktionsmechaniker eine angebotene Arbeit im Garten- und Landschaftsbau mit der Begründung ablehnen, er habe nur zwei Hosen und die dritte Hose müsse ihm deshalb vom Staat gestellt werden, und  da ihm der Staat keine dritte Hose stelle, brauche er auch nicht die Arbeit anzunehmen? Jeder Sozialrichter kann eine bunte Fülle solcher Fälle erzählen! Alle wissen: Die Fälle schwimmen nicht davon, nur weil das Bundesverfassungsgericht das ganze Hartz-IV-System für verfassungswidrig erklärt hat! Im Gegenteil! Lustige, ja bühnenreife Beispiele dafür finden sich heute unter diesem Titel in der FAZ auf S. 3.

Ich meine: Da das Gericht eine noch stärkere Einzelfallprüfung angeordnet hat, statt einigermaßen großzügig berechnete Pauschalierungen zu unterstützen, wird die Klagenflut sogar noch zunehmen! Die Arbeits- und Sozialrechtsanwälte können sich schon mal ins Fäustchen lachen – sie bekommen zusätzliche Arbeit in Hülle und Fülle. Ihnen droht weit über ihr Erwerbslebensende hinaus keine Arbeitslosigkeit. Sie können lachen und klagen, immer nur klagen und lachen – und zwar auf Kosten des Staates. Denn die Verfahrenskosten vor dem Sozialgericht tragen WIR.

Was mir hier missfällt, ist der Einwegbetrieb: Der Staat wird nur noch als Anspruchsgegner wahrgenommen. Dass der demokratische Staat letztlich nur vom Willen und vom Leisten der Bürger zusammengehalten wird, mag fast niemand wahrhaben.

Fast niemand fragt: Was kann im Gegenzug für das soziale Netz die Gemeinschaft von den einzelnen verlangen? Ich sage: Fast niemand, denn es gibt durchaus noch Menschen, mutige Bürgerinnen und Bürger unseres Staates, wie etwa die Neuköllner Richterin Kirsten Heisig, die als Privatperson direkt auf die Hartz-IV-Familien zutritt und sagt: „Ihr müsst mehr für eure Kinder tun. Der Staat, die Gerichte können es nicht schaffen. Schickt eure Kinder mindestens in die Schule! Gebt ihnen was zu essen.“

Der fürsorgliche Sozialstaat soll seine Untertanen, seine Mündel beglücken. Was für ein überholtes Staatsverständnis! Diese Melodie höre ich allzu oft. Für das antiquierte, vordemokratische  Verständnis vom Staat, wonach der Staat in Gestalt des Monarchen „Anspruchsgegner“ oder Klageempfänger ist, der die Untertanen beglücken soll, sei hier der Anfang aus Lessings Emilia Galotti zitiert:

Der Prinz(an einem Arbeitstische voller Briefschaften und Papiere, deren einige er durchläuft). Klagen, nichts als Klagen! Bittschriften, nichts als Bittschriften! – Die traurigen Geschäfte; und man beneidet uns noch! – Das glaub ich; wenn wir allen helfen könnten: dann wären wir zu beneiden.

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Feb. 092010
 

Lebhaftes Gespräch über das heutige Hartz-IV-Urteil in den Medien!  Immer wieder wird behauptet, die benachteiligten Kinder seien „aus Armut“ so benachteiligt. Der Staat müsse für Kinder mehr Geld bereitstellen. Was ist dran? Ich lebe hier in einer stark durch Hartz-IV geprägten Wohnumgebung. Aber echte Armut kann ich nicht feststellen. Alle Kinder können kostenlos zur Schule gehen, fast alle Kinder sind von der Lehrmittelzahlung befreit. Alle sind richtig angezogen, alle werden medizinisch versorgt, alle dürfen am Unterricht teilnehmen, alle sprechen Deutsch.

Ich kenne Armut aus Rumänien, aus Russland, Weißrussland, Afrika, Syrien.

Ist Geldmangel der Grund für mangelnde Teilhabe der Kinder an Bildung, Kultur und Sport? Ich melde Zweifel an!

Über die komplette Schieflage der Debatte gibt der folgende kurze Video-Bericht über die Berliner Arche beste Auskunft:

Video – SPIEGEL ONLINE – Nachrichten

„Mutti kocht nicht so genau, ich muss kochen.“ So ein Mädchen.

„Würden die Familien mehr kochen, wenn es mehr Geld gäbe?“, fragt die Journalistin eine der Köchinnen. Die Köchin antwortet: „Nein.“

Die Kommentatorin sagt dann ganz am Schluss:

„Wo der Staat sich zurückzieht, zieht die Armut ein“.
Freunde, schaut euch den Clip an! Ich meine: Durch nichts, aber auch durch nichts ist dieser Schluss gerechtfertigt! Die Aussagen der Betroffenen geben das einfach nicht her.

Der Film-Bericht besagt eher: Viele Kinder werden nicht versorgt, bekommen kein Frühstück und kein warmes Mittagsessen zuhause. Als Grund dafür wird aber in keinem Fall Geldmangel genannt! Diese Vernachlässigung der Kinder, die in der Tat zu schlimmer Benachteiligung führt, entsteht nicht durch Armut – sondern eben … durch Vernachlässigung. Die Ursachen der Vernachlässigung scheinen aber nicht in zu geringen Geldzahlungen zu liegen.

Schon in diesem 2,5-Minuten-Clip zeigt sich die ganze Löchrigkeit der Argumentation, der Staat erzeuge durch zu geringe Zahlungen die Armut. Er, der Staat, sei letztlich an mangelnder Teilhabe der Kinder schuld.

Ich sehe das heutige Urteil als Auftrag an die Politik, die Regelsätze nachvollziehbar zu berechnen. Das bestehende Hartz-IV-System ist verfassungswidrig. Nicht unbedingt, weil die Zahlungen zu niedrig wären, sondern weil die Berechnungsgrundlagen nicht nachvollziehbar sind.

Wir brauchen eine tiefgreifende Debatte über folgende Fragen:

1) Was brauchen Kinder und Jugendliche?

2) Was müssen die Eltern leisten? Was darf die Gesellschaft von den Eltern verlangen?

3) Was muss der Staat leisten?

4) Wer trägt die Verantwortung für den Lebensweg der Kinder?

5) Wie wichtig ist materielle Ausstattung für das Wohlergehen der Kinder?

 Posted by at 19:09

Fahrrad als Wirtschaftsfaktor stärken!

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Feb. 092010
 

Hans-Christian S. kaufte sein gestohlenes Rad für 15 Euro zurück. Das spiegelt den wahren Wert nicht wider. Ich meine: Ein gutes Fahrrad hat seinen Preis, es hat seine laufenden Wartungskosten. Es kostet Versicherung, daneben lohnt es sich, beim ADFC Mitglied zu werden. Kurzum: Das Fahrrad kann wirtschaftliche Wachstumsimpulse setzen. Allein all die alten Mühlen zu ertüchtigen oder durch neue Velos zu ersetzen, wird Hunderttausende von Euros kosten.

Die sinkenden Krankheitskosten, die höhere Lebensqualität sind weitere Argumente. Und dann die vielen tausenden Fahrradabstellmöglichkeiten, die jetzt noch fehlen! Kreuzberger Bügel, Fahrradparkhäuser, Boxen – alles ist denkbar! Ums Rad herum wird eine Fülle an Infrastrukturmaßnahmen nötig. Das kostet Geld. Geld, das gut angelegt ist. Heute berichtet die Berliner Zeitung:

Berliner Zeitung – Aktuelles Berlin – Fahrradbranche will mit Neuheiten wachsen
Mit Innovationen wie dem Elektro-Bike und hohen Qualitätsstandards will der Fahrrad-Fachhandel seinen Umsatz weiter ankurbeln. Im gehobenen Segment seien die Erlöse 2009 um 10,2 Prozent gestiegen, sagte der Geschäftsführer des Verbundes Selbstverwalteter Fahrradbetriebe (VSF), Albert Herresthal, am Dienstag in Berlin. Insgesamt habe die Branche im vergangenen Jahr rund 4,3 Millionen Räder in Deutschland verkauft. Im Fachhandel liege der Durchschnittspreis bei mehr als 500 Euro, Tendenz steigend.

 Posted by at 17:20
Feb. 092010
 

Die ganze Republik redet sich in klirrender Kälte die Köpfe heiß, ob der Staat zur Erlangung hinterzogener Steuern Hehlerware aufkaufen darf. Da mag ein Blick in die druckfrische RadZeit Nr. 1/2010 für Nachdenklichkeit sorgen. Ein Radfahrer aus dem Berliner Bezirk Tiergarten, Hans-Christian S., berichtet darin, dass sein gestohlenes Rad auf einem Flohmarkt am Moritzplatz wiedergefunden wurde. „Wir wollten dem Händler keinen Schaden zufügen und haben es für 15 Euro gekauft.“

Das bedeutet: Der rechtmäßige Eigner hat sein gestohlenes Eigentum aus dem Besitz des Hehlers zurückgekauft.

„Es ist besser, Unrecht zu leiden, als Unrecht zu tun“, so sprach Sokrates in seiner Apologie, so sprach auch mein Opa, nachdem die ganze Familie von einem Tag auf den anderen in Schlesien von Haus und Hof vertrieben worden war. Diese Worte kamen mir in den Sinn, als ich das Interview mit Hans-Christian S. in der neuen Radzeit las.

Mir wurden auch schon mehrere Räder gestohlen. Ich sage dann trotz allen Ärgers: „Mögen die gestohlenen Räder den neuen Eigner zu einem gerechteren und glücklicheren Menschen machen.“ Und ich erstatte Anzeige. Und ich habe meine beiden neuesten Fahrräder mittlerweile versichert. Ein gutes, sicheres und bequemes Fahrrad hat seinen Preis!

 Posted by at 15:59
Feb. 082010
 

Trotz meiner Liebe zur alten Welt der Märchen vermisse ich zwei unvermeidliche Gestalten der Paläste und Prunkstätten nicht: den Hofberichterstatter und den Schmeichler. Berlins Journalisten, Berlins Tageszeitungen liefern – so meine ich – einen weitgehend unparteiischen Blick auf die Realität. Sie sind keinem Lager, keiner Partei eindeutig zuzuordnen. Dass etwa die Springer-Presse von vorneherein CDU-freundlich sei, trifft heute nicht mehr zu – sofern es denn je zutraf.

Ein schönes Beispiel: die Berliner Morgenpost heute S. 14. Ein Bericht von Stefan Schulz. Zur Erinnerung: Mindestens seit 2004 (!) diskutieren die Fraktionen des Berliner Abgeordnetenhauses schon über eine Vergrößerung des Senats, eine Vergößerung der Bezirksämter. Aber sie können sich nicht einigen. Dass 149 Abgeordnete für einen Stadtstaat reichlich bemessen sind, zumal ja noch der ganze Aufwand der Bezirksvertretungen, der berühmten BVV, hinzukommt, wird kaum jemand leugnen.

Aber wer wollte von den Abgeordneten den Mut erwarten, die eigenen Ansprüche, die eigenen Posten samt Apanage zurückzuschneiden?  Etwa im Gegenzug zu einer Umwandlung in ein „Vollzeitparlament“? Etwa im Gegenzug zur Schaffung eines aufgestockten Senats?

Dadurch würden sich die Parteien eines Teils ihrer Macht, ihrer Einflussmöglichkeiten berauben.

Und nun  geschieht wieder einmal das, was in der Berliner Landespolitik oft zu beobachten ist:  Statt beizeiten Entscheidungen zu treffen, werden brisante Themen in einer Art Umlaufverfahren wieder und wieder besprochen – „Vormerken zur Wiedervorlage“. Die Parteien tun einander und sich selbst nicht weh. In 5 Jahren waren die Fraktionen des Abgeordnetenhauses nicht imstande, ein insgesamt eher überschaubares Thema wie die Vergrößerung des Senats und die Verkleinerung des Parlaments streitig oder auch schiedlich zu regeln. Die Dinge werden hin- und hergeschoben.

Es entsteht für den Außenstehenden der Eindruck der Spiegelfechterei. Und so vergeht wenigstens die Zeit! Und der unparteiische Journalist Stefan Schulz schreibt, was in unserer Stadt die Journalisten öfter zu schreiben Anlass haben: „SPD und CDU schieben sich jetzt gegenseitig die Verantwortung dafür zu.“ Eine treffende Analyse, so scheint mir, die man immer wieder zitieren könnte.

Ich meine: Not tut der Berliner Landespolitik ein neuer Geist. Ein kräftiger Windhauch von draußen! Das Hin- und Herwälzen von Dauerbrennern ermüdet die Bürger. Wo sind die Masterpläne? Wo sind die Leitbilder? Wo sind die Wagnisse?

Parlamentarier aller Fraktionen! Ermannt euch! Wir warten!

 Posted by at 18:16

Der Märchengeiger kam

 Aus unserem Leben, Geige, Märchengeiger, Mären  Kommentare deaktiviert für Der Märchengeiger kam
Feb. 082010
 

Ein schönes Erlebnis war für mich gestern die Märchen-Erzählstunde in der Keramikwerkstatt bei Eva Trenz-Diakité. Noch 1 Stunde vorher wusste ich nicht genau, wie ich das Märchen „Der Kaiser und der Rossknecht“ erzählen sollte. Zu Beginn spielten Ira, Wanja und ich unseren alten Dauerbrenner „Der dreiköpfige Drache“. Dann war ich dran! Der Märchengeiger kam!

Das Motiv entnahm ich der alten spanischen Märchensammlung „El Conde Lucanor“ von 1335, über das ich aus dem Internet Kunde erhalten hatte. Doch kannte ich nur den Titel und ein Motiv. Eine Inhaltsangabe, geschweige denn ein Text lagen mir nicht vor.

Ich hatte mir also kaum mehr als folgendes zurechtgelegt:

Der Kaiser von Spanien ist krank. Das ganze Land leidet. Keiner kann helfen: kein Weiser, kein Arzt, kein Gaukler oder Spielmann. Ganz zuletzt kommt ein Rossknecht, der die rechten Worte trifft. Der Kaiser wird wieder gesund, der Rossknecht verwandelt sich in einen Prinzen und heiratet die Prinzessin.

Das alles kleidete ich in allerlei Einfälle und Melodien, die ich mit der Geige spielte. Während des Spielens überlegte ich mir schon die nächsten Erzählschritte. Die Kinder warfen immer wieder Fragen, Zwischenrufe und Einfälle ein – ich verflocht alles in ein buntes Ganzes.

Und so entfaltete sich das ganze bunte Märchenland … Nachher saßen wir noch bei guten Plaudereien, Gesprächen und einem Topf Borschtsch zusammen.

Danke an alle – insbesondere an Eva, Ira und Wanja! Und an alle großen und kleinen Zuhörerinnen und Zuhörer! Es war ein schönes Gemeinschaftswerk!

Auf dem Foto von links nach rechts: Eva Trenz-Diakité, der Märchengeiger, Irina Potapenko, Wanja Hampel

 Posted by at 17:43
Feb. 052010
 

Zu den spannendsten und schönsten politischen Erfahrungen, die ich bisher machen durfte, gehörte der gesamte Internet-Wahlkampf bei der vergangenen Bundestagswahl. Zwar vermisste man mich (schmerzlich?) bei den traditionsgesättigten Stammtischen, aber die wöchentlichen Wahlkampfbesprechungen und die virtuellen Beratungen im Netz habe ich fast alle besucht. Insgesamt habe ich im Bundestagswahlkampf 2009 sicherlich 250-300 Stunden ehrenamtliche Parteiarbeit geleistet, davon etwa 50% (!) mit dem Rechner im Internet, etwa 30% auf der Straße und in Veranstaltungen, und etwa 20% bei parteiinternen Besprechungen im kleineren Kreis.

Plakatekleben und Stammtischbesuch – das war noch bis vor wenigen Jahrzehnten das Rezept einer erfolgreichen Parteikarriere. „Und bitte nicht anecken!“ Heute hat sich das Bild gewandelt. Plakate werden nicht mehr geklebt, sondern gehängt, getackert, belächelt und nicht ernst genommen. Die politische Auseinandersetzung hat sich verlagert – in mannigfache Medien hinein. Der Straßenwahlkampf mit dem Verteilen von Luftballons und billigem Propagandamaterial verliert noch stärker an Bedeutung, wichtiger wird die direkte Ansprache von Menschen in Kneipen, bei Veranstaltungen, in Schulen, Betrieben und auf Festen.

Professionelle Pressearbeit war immer von überragender Wichtigkeit und bleibt es auch. Neuland betreten die Parteien hingegen noch mit dem Internetwahlkampf.

Ich selber wurde ins Wahlkampfteam der CDU Friedrichshain-Kreuzberg berufen. Meine Aufgabe:  Koordinierung des Internet-Wahlkampfes, verantwortlicher Redakteur im offiziellen Blog der CDU-Bundestagskandidatin Vera Lengsfeld.

Das war er, das ist es, der oder das Blog:

Waehltverablog

Die gesammelten Beiträge, die wir teils ohne Namen, teils auch mit Namensnennung hinterlegt haben, stellen ein einzigartiges Archiv der politischen Debatte dar. Vieles ist haltbar, anderes wird sicher verwehen – es war der Augenblickslage geschuldet. Dieses Archiv ist bis zum heutigen Tag frei zugänglich! Besonders schön war für mich, dass wir Redakteure und schreibende Helfer praktisch freie Hand hatten. Zwar legte ich am Anfang Vera Lengsfeld sicherheitshalber einige Texte „zum Gegenlesen“ vor, aber bald stellte sich ein vollkommenes Vertrauensverhältnis zwischen Kandidatin und Team her. Wir verständigten uns „auf Zuruf“.

Im Netz muss man sehr schnell reagieren, es kommt auf Stunden, ja manchmal Minuten an, um Themen zu setzen, Argumente für sich zu reklamieren, dem Gegner einen Zug voraus zu bleiben.

Besondere Sorgfalt verwendete ich auf den finalen Wahlaufruf, einen Tag vor dem Abstimmungstag am 27. September!  Für drei Akteure galt es einen letzten Appell vom Stapel zu lassen: für die Kanzlerkandidatin, für die Wahlkreiskandidatin, für die Partei. Für diese drei reservierte ich ungefähr gleich viel Platz – es sollte klar werden, dass jede Stimme für Merkel, für Lengsfeld, für die CDU gebraucht wurde. Und das kam nach etwa 30 Minuten Nachdenken ans Tageslicht.

Ist es ein guter Text? Ich weiß es nicht. Ihr könnt es selbst entscheiden – à vous la choix!

Die Bilanz der Kanzlerin Angela Merkel ist herausragend: Sie hat in der Finanzkrise Panik vermieden und somit das Schlimmste verhütet. Sie hat stets auf sozialen Ausgleich geachtet, hat mehr Geld für Hochschulen und Forschung ausgegeben. Unter ihrer Kanzlerschaft wurde die Arbeitslosigkeit zunächst massiv gesenkt. Weltweit werden wir Deutschen um unsere Kanzlerin beneidet. Denn obwohl sie bei den Polen mit großem Abstand die beliebteste ausländische Politikerin ist, gibt sie dem französischen Präsidenten Sarkozy das Gefühl, dass er und nur er der Größte ist. Wer schafft so etwas außer ihr?

Wer Merkel will, muss Merkels Partei, die CDU, wählen. Und nicht  Westerwelles FDP. Denn nur eine mit sehr großem Abstand führende CDU kann die Entstehung nicht gewünschter Koalitionen, nicht gewünschter Notgemeinschaften verhindern. Wenn die CDU nur mit bescheidenem Abstand stärkste Partei wird, besteht die Gefahr, dass nur eine Dreierkoalition die Regierungsmehrheit schafft. Dreierkoalitionen sind derzeit nur die zweitbeste Lösung. Besser sind Koalitionen aus Groß + Klein. Deshalb gilt unumstößlich: Nur eine starke CDU kann auch eine starke Kanzlerin wählen.

Gleiches gilt für die Erststimme. Eine Vera Lengsfeld im Deutschen Bundestag stellt sicher, dass der Bundestag seinen grundgesetzlichen Aufgaben besser nachkommt. Eine Vera Lengsfeld im Bundestag hilft verhindern, dass der Bundestag zum Abnick- und Akklamationsorgan wird. Eine Vera Lengsfeld im Bundestag hilft dabei, dass das goßartige Erbe der DDR-Bürgerrechtler nicht völlig aus dem politischen Betrieb verschwindet. Es ist bitter, dass fast niemand von den aktiven Bürgerrechtlern mehr in den Parlamenten sitzt. Vera Lengsfeld muss deshalb in den Bundestag.

Somit gilt:  Morgen Erststimme für Vera Lengsfeld, Zweitstimme für CDU und ihre Angela Merkel!

Tja, ich selbst muss gestehen: Ich kann zu diesem Aufruf stehen. Ich habe keine Mühe, den zu zitieren. Und wir wissen: Das Netz vergisst nichts.

Eines dürfte klar geworden sein: Mit Frauen, die sich in der CDU engagieren, habe ich keine Probleme. Versprochen!

 Posted by at 21:40
Feb. 042010
 

Mit besonderer Freude reihte ich mich kürzlich in die Schar der Gratulanten ein, als im CDU-Kreisverband Friedrichshain-Kreuzberg Tanja Woywat zur stellvertretenden Kreisvorsitzenden gewählt wurde. Ein guter, ein mutiger Schritt! Die Frauen-Union war auch die erste CDU-Parteigliederung, die mich als Gast zu einem meiner kommunalpolitischen Kernthemen – der von Männern gern belächelten Fahrradpolitik – eingeladen hat. Dafür gebührt ihr mein fortfahrender Dank.

Sicher muss man einräumen: manchen Frauen und Männern reicht das noch nicht. Sie verlangen eine gleichberechtigte Frauenbeteiligung an allen Parteiämtern. Sie verlangen die völlige Gleichstellung, also z.B. die Quotierung. Das haben die Grünen mit ihrer berühmten „Doppelspitze“ so gehalten. Neben Renate Künast stellen sie nominell gleichberechtigt Jürgen Trittin. Dies erinnert an das Kollegialitätsprinzip der alten römischen Senatsrepublik: 2 Konsuln, 2 Quaestoren usw.  Ein Vorbild für die anderen Parteien?

Das könnte bedeuten: Neben die Bundesvorsitzende müsste ein gleichberechtigter Bundesvorsitzender treten. Denn selbstverständlich gölte der Gleichstellungsgrundsatz auch für Männer. Wir bräuchten dann unter Umständen die „Jungenförderung“. Und dann sollten alle Ämter im „Reißverschlussverfahren“ vergeben werden. So schrieb die bekannte, von einer Frau geführte Einrichtung „BMFSFJ“ bereits im Jahr 2008:

BMFSFJ – Politik für Frauen und Männer
Entscheidungspositionen müssen in gleichem Umfang von Frauen und Männern besetzt werden – in der Wirtschaft und in der Politik. Frauen brauchen die gleichen Chancen und die gleichen Möglichkeiten. Sie dürfen nicht länger schlechter bezahlt werden.

Dies ist nur erreichbar, wenn die ungleiche Verteilung unbezahlter Fürsorge- und Hausarbeit zwischen Männern und Frauen überwunden und tradierte Rollenmuster erweitert werden, die vor allem Mütter und Väter daran hindern so zu leben, wie sie es sich wünschen.

Ich habe die Forderung nach mehr Frauen in der Politik immer unterstützt. Ja, ohne das Vorbild einiger bedeutender CDU-Frauen wäre ich wahrscheinlich nicht zu diesem Zeitpunkt (01.05.2007) in der CDU gelandet. Unter Helmut Kohl bin ich und wäre ich – trotz des geeigneten Alters – nicht in die CDU eingetreten. Das ist nun mal so. Im Bundestagswahlkampf habe ich namentlich, ausdrücklich und mit nicht unbeträchtlichem zeitlichem Einsatz zwei Frauen unterstützt, nämlich die Wahlkreiskandidatin in Friedrichshain-Kreuzberg und die Kanzlerkandidatin der Christlich-Demokratischen Union Deutschlands. Ich war aktives Mitglied des Teams.

Trotzdem muss ich sagen: Ich habe diese und andere Frauen nie deswegen unterstützt, weil sie Frauen sind, sondern weil ich ihre politische Arbeit und ihre Ansichten unterstützenswert finde. Ich hege zwar die Vermutung, dass die deutsche und europäische Politik insgesamt von einem höheren Frauenanteil profitieren würde. Aber eine starre Quote? Bisher konnte mich das starre Quotenmodell in der Politik nicht überzeugen. Die Leistung muss zählen. Und dass Frauen oft Wertvolleres leisten als ihre männlichen  Mitbewerber um dieselben Posten, das habe ich mehrfach in diesem Blog zu belegen versucht.

Ich habe bereits bei meinem ersten CDU-Kreisparteitag am 01.12.2007 Kinderbetreuung  gefordert und erhalten. Und ich war der einzige, der sie dann in Anspruch nahm. Nur dank der Kinderbetreuung konnte ich den Parteitag ohne zusätzliche Kosten besuchen und die von mir zahlreich eingebrachten, oft abgelehnten Anträge verteidigen. Die anderen Männer und Frauen brachten keine Kinder und auch keine Enkelkinder mit. Wer passte auf sie auf?

Oh Leserinnen, wenn ihr mir das nicht abnehmt, blättert zurück in dieser neu angelegten Kategorie  „Frauen und Männer in der Polititk“. Diskutiert mit! Streitet euch mit mir!

Also Frauen – ermannt euch doch bitte! Rein in die Polit-Puschen! Wenn ihr besser seid als die Männer, werde ich euch wählen. Allerdings: Wenn der männliche Kandidat mir besser scheint – dann werde ich den Mann wählen.

Einsatz, Leistung, Fleiß, Klugheit, Ernsthaftigkeit, Demut, Sachlichkeit – das sind die Eigenschaften, die ich mir von Politikerinnen und Politikern wünsche. Wie lange einer das Parteibuch hat, ist nebensächlich. Diese genannten Tugenden stehen beiden Geschlechtern offen.

 Posted by at 13:33
Feb. 032010
 

Ich erinnere mich noch dunkel an die Institutsbesetzungen der Studenten während der 68-er Bewegung. An den Aufschrei des Justemilieu, als Professor Theodor W. Adorno die Polizei rief, um das Frankfurter Institut für Soziologie von der widerrechtlichen Besetzung befreien zu lassen. Danach fiel dann aus dem Mund Jürgen Habermas‘ das berühmte Wort von den „rotlackierten Faschisten“. Gemeint war, die linksradikalen Möchtegern-Revolutionäre seien in der Wahl ihrer Mittel auch nicht besser als die rechstradikalen Nationalisten.

Allerdings: Die Politik des gewaltsamen Umsturzes durch Negierung der Staatsgewalt war keine Erfindung der Faschisten – sondern die italienischen Faschisten übernahmen diese Taktik von den Anarchisten, den revolutionären Sozialisten und den Bolschewisten, die sie bereits ab Ende des 19. Jahrhunderts in Russland überreich angewandt hatten. Besser als von „rotlackierten Faschisten“ sollte man also lieber bei den Faschisten von „braunlackierten Bolschewisten“ sprechen. Erst kamen die russischen Bolschewisten – dann die italienischen Faschisten. Das Primat des gewaltsamen Umsturzversuches durch Akte der Besetzung und Zerstörung von Sachen gebührt nicht den Faschisten, sondern den Anarchisten und Kommunisten.

Szenenwechsel! Am vergangenen Montag warfen wir einen Blick auf Teile der FU, die von Studierenden sehr friedlich und idyllisch, aber eben widerrechtlich besetzt gehalten werden.  Alter Sitte sich unterwerfend, unterlassen es die FU-Verantwortlichen, die Polizei zu rufen – das gäbe böses Blut, schüfe Opfer, Heroen und Martyrer. Die FU-Leitung will keine Auseinandersetzung. Der Mut eines Theodor W. Adorno ist nicht ihre Sache. So entsteht ein klitzekleiner staatsfreier Raum, „in den sich die Polizei nicht hineintraut“.

Neuer Szenenwechsel! Über einen etwas größeren staatsbefreiten Raum berichten immer wieder Berliner Polizisten: In gewisse Gebiete Neuköllns, Weddings und Moabits trauen sie sich nicht mehr allein hinein, da bei jeder kleinen Amtshandlung sofort ein Trupp von 15 oder 20 jungen Männern zusammengetrommelt wird, der die Polizisten an der Dienstausübung hindert.  Darüber berichteten gestern die Tagesthemen:

ARD Mediathek: Tagesthemen – tagesthemen – Dienstag, 02.02.2010 | Das Erste

Wer sind diese Männer, die die Polizei allmählich zurückdrängen? Antwort: Das wird natürlich meist nicht gesagt, und es wurde auch gestern im Tagesspiegel-Bericht nur diskret angedeutet. Spricht man aber direkt mit den Polizeivertretern, etwa auf Veranstaltungen, wird schnell klar, wer diese Männer sind: es sind junge Männer türkischer und arabischer Herkunft. Gangs, Brüder, Freunde, Clans, die ihr Territorium abstecken und gewaltsam verteidigen.  „Ihr seid hier nicht in Deutschland, das ist kein deutsches Territorium mehr“, sagen die jungen Männer dann. Das berichten Polizisten auf Podiumsdiskussionen und Veranstaltungen – und auch gestern in den Tagesthemen. So entsteht ein staatsfreier Raum, eine „vom deutschen Rechtsstaat befreite Zone“.

Und noch ein Beispiel fiel mir heute bei meiner laufenden Lektüre auf: Der französische Schriftsteller Boualem Sansal berichtet in seinem Buch „Le village de L’Allemand“ sehr anschaulich, wie ein junger Franzose algerisch-deutscher Herkunft sich nach Algerien auf den Weg ins Dorf seines Vaters macht. Auch dort hat sich der Staat zurückgezogen. Das Dorf liegt in der „staatsbefreiten Zone“ – in einem Wüstengebiet. Dort herrschen seit den Jahren  1990/1994 die islamischen Fundamentalisten des Groupe islamique armé (GIA, الجماعة الإسلامية المسلحة, al-Jama’ah al-Islamiyah al-Musallaha) weitgehend unbehelligt, rauben und töten bei allen, die sich ihrem Oberbefehl widersetzen.

3 Beispiele aus völlig unterschiedlichen Zeiten und Orten, 3 Beispiele ganz unterschiedlicher Schwere und Bedeutung! Aber sie haben eines gemeinsam: Sowohl an der FU wie im migrantischen Wedding wie auch in Algerien wird der Staat – allerdings in ganz unterschiedlichem Ausmaß – zurückgedrängt. Er zieht sich zurück oder hat sich schon zurückgezogen. Ich zitiere vom Klappentext: „À ce train, dit un personnage, la cité sera bientôt une république islamique parfaitement constituée.“

Was wollen wir Deutschen? Meine persönliche Antwort ist klar: Ich bin ein unbedingter Anhänger des Rechtsstaates. Ich vertrete die Meinung, dass unser demokratischer Staat sich aus dem öffentlichen Raum nicht zurückdrängen lassen darf.  In den Tagesthemen hingegen sagte der akademische Experte gestern: „Wir brauchen eine besser ausgebildete Polizei, eine Polizei, die vor Ort verankert ist.“ Das halte ich für ein falsches Argument. Ein solches Argument erweckt den Eindruck, die Polizei mache etwas falsch, wenn sie etwa ein Knöllchen verteilt. Was für ein Unsinn! Die Polizei hat das Recht und die Pflicht, den öffentlichen Raum zu überwachen und dafür auch die Sanktionsmittel anzuwenden, die das Gesetz ihr an die Hand gibt.

Jeder, der diesen Grundsatz in Frage stellt, arbeitet mit an der Schaffung „staatsbefreiter Zonen.“ Und dieser Weg ist ein Weg in das Faustrecht des Stärkeren. Ein winziger Schritt zum Faschismus, zum gewaltdeterminierten Kommunismus. Oder ein Weg in die tribalistische Kultur der vormodernen Willkürherrschaft. Oder ein Schritt zum islamischen Gottesstaat. Das lehne ich ab. Darauf sollten wir uns gar nicht  einlassen.

Wir brauchen die Herrschaft des Rechts und nur diese.

Der Fall Algerien mit seinem blutigen Bürgerkrieg der 90er Jahre ist ein warnendes Beispiel.

Lesehinweis: Boualem Sansal: Le village de l’Allemand, ou le journal des frères Schiller. Èditions Gallimard, Paris 2008

 Posted by at 22:18

Mach den Stimmungstest in der U-Bahn!

 Fahrrad  Kommentare deaktiviert für Mach den Stimmungstest in der U-Bahn!
Feb. 032010
 

Heute war einer der ganz wenigen Tage, an denen ich witterungsbedingt U-Bahn statt Fahrrad fuhr. Es lag zuviel frischer Schnee, und ich musste beruflich bedingt ete-petete auftreten. Ich sah mir die Gesichter der U-Bahnfahrenden an. Versuchte, eine Stimmung herauszulesen. Mir geht es jedenfalls so, dass ich nach dem Radfahren fröhlicher als nach dem U-Bahnfahren bin. Geht es anderen ebenso? Die Morgenpost berichtet heute:

Verkehrszählung – Mehr Radler als Autos in der Kastanienallee – Berlin Aktuell – Berliner Morgenpost
Der Fahrradboom in Berlin ist ungebrochen. Zählungen an acht Orten der Stadt im vergangenen Jahr haben im Vergleich zu 2008 eine Zunahme des Radverkehrs um sechs Prozent ergeben. Das teilte die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung mit. Der Trend halte seit 15 Jahren an, sagte Verkehrsstaatssekretärin Maria Krautzberger.
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An den Zählpunkten in Mitte und Kreuzberg hat die Zahl der vorbeifahrenden Radfahrer sogar um 15 bis 20 Prozent zugenommen. In Kreuzberg Zossener Straße/Blücherstraße wurden in der Zählzeit von 7 bis 19 Uhr rund 7650 und in Mitte Karl-Liebknecht-Straße/Spandauer Straße sogar rund 12.300 Radfahrer gezählt.

 Posted by at 16:16

„als ob man in parteien wirklich was verändern könnte…“

 Staatlichkeit  Kommentare deaktiviert für „als ob man in parteien wirklich was verändern könnte…“
Feb. 022010
 

… so schrieb mir eine teure Freundin heute mitten ins Facebook. Das habe ich mir überlegt – und ich würde so darauf antworten:

Ich kann deine Skepsis nachvollziehen. Die Mitarbeit in den Parteien dauert länger und ist mühseliger als das frisch-fröhliche Drauflos-Demonstrieren.  Dafür verbürgt diese Mühsal, durch noch Ungetanes hinzugehn, eine größere Nachhaltigkeit. Man mag gegen Parteiendemokratie einwenden, was man will – ich selbst kritisiere wie Hans Herbert von Arnim immer wieder die Parteien in aller Schärfe – , aber die Parteien sind wohl doch unverzichtbar. Die Alternative zur Parteiendemokratie wäre – die Vorherrschaft der großen Frauen und Männer, also der Demagoginnen und Demagogen. Würde es unserer Demokratie damit besser gehen? Ich glaube dies nicht!

Niemand hat diese Einsichten besser zu Bildschirm gebracht als ein Parteifreund vorgestern in diesem Blog. Er setzte einen persönlichen Kommentar unter den Eintrag vom 16.01.2010 „Alles paletti?“  Ich nehme mir die Freiheit, diese goldenen Worte als Ermunterung zur demokratischen Partizipation an alle Studierenden hinauszuposaunen. Mein Parteifreund schreibt (und ich nehme mir das sehr zu Herzen!):

Wenn jemand tatsächlich etwas leistet und es ernst meint, hat er /sie alle Chancen. Man muss sich etwas erarbeiten, nichts fällt vom Himmel, […]
Arbeiten Sie mehr mit, sondieren Sie die Lage, wenn Sie eine tolle Idee haben, was man besser machen kann, wird sich keiner verschließen. […]
Nehmen Sie sich in Zukunft vielleicht nicht selbst zu wichtig […]  Immer nur draufhauen bringt gar nichts. Und akzeptieren Sie andere Meinungen, helfen Sie, auch wenn Sie es gerne anders machen würden. Nicht alle eigenen Ideen sind das ultimativ richtige.

 Posted by at 22:22

Trichtermigration: perspektivlos oder Dauerveranstaltung?

 Migration, Sozialstaat, Verwöhnt, Weihnachtsgans  Kommentare deaktiviert für Trichtermigration: perspektivlos oder Dauerveranstaltung?
Feb. 022010
 

26012010005.jpg Seit vielen Jahren lebe ich in der Nähe des Kottbusser Tores. Und eigentlich ärgere ich mich, wenn wieder einmal behauptet wird, das Leben dort sei „perspektivlos“. Nein, das Gegenteil ist richtig! Nehmen wir nur das Prinzenbad! Wo sonst gibt es ein so tolles Schwimmbad, in dem sogar das Badewasser vorgewärmt wird?

Da sich kaum etwas verschlechtert hat und das meiste gleich geblieben ist, kann man sagen: Die Perspektive ist da – es geht so weiter wie bisher. Wieder einmal steckt der Staat zusätzliche 40 Millionen Euro in den Bezirk, auf dass es so bleibe, wie es ist! Und da wir alle Gewohnheitstiere sind, fühlen wir uns da wohl, wo alles bleibt, wie es ist. Der Tagesspiegel schreibt heute:

Leben am Kottbusser Tor – perspektivlos wie immer
Die Außensicht auf den Kotti entspreche nicht dem Lebensgefühl der Menschen, die hier wohnen, sagt Atrache- Younes. Bei einer Befragung hätten 90 Prozent der Anwohner angegeben, sie fühlten sich wohl im Kiez. „Viele Einwanderer haben sich hier ihr Zuhause eingerichtet“, ein Stück Heimatgefühl nach Deutschland geholt. Das könne sie durchaus nachvollziehen, sagt Atrache-Younes, die aus Syrien stammt.

Wer schnöde und kalt das Leben am Kotti perpektivlos nennt, beweist auch seine Ignoranz gegenüber den Herkunftsländern. Denn der deutsche Sozialstaat bietet genau das: eine Dauerperspektive über mehrere Generationen hinweg.

Ich wette: Allen, die hierherziehen, geht es in Deutschland weit besser als etwa in Syrien, Libanon oder Türkei. Es gibt hier in Berlin geschlossene arabisch- oder türkischsprachige Wohngegenden. Und auf Almosen ist man bei uns nicht angewiesen, denn der deutsche Sozialstaat sorgt in vorbildlicher und verlässlicher Weise dafür, dass es zu keiner echten Armut kommt, wie sie die Menschen in Syrien, Libanon oder der Türkei zu gewärtigen hätten. Im Gegenteil: Durch Segnungen wie etwa „Quartiersmanagement“ oder „Die soziale Stadt“ wird den Vätern und Müttern immer mehr Erziehungs- und Bildungsarbeit abgenommen, die Zuwanderer können sich ganz auf die staatliche gewährte  Dauerperspektive verlassen. Echte Anstrengungen werden nicht von ihnen verlangt.

Kenan Kolat MdB sprach einmal von der üblichen Netzwerk-Migration (dieses Blog zitierte ihn am 13.10.2009): Eines Tages beschließen die Dorfältesten, etwa in Anatolien, dass ein ganzes Dorf nach Deutschland übersiedelt. Gesagt – getan!  Den ganzen Papierkram erledigen bezahlte Profis, die Investition hat man schon nach wenigen Monaten wieder hereingeholt.

In Deutschland wartet eine ganze Batterie von Sozialämtern, Helfern, Assistenten, Betreuern und Landsleuten. Niemand ist auf sich allein gestellt, jeder wird mit offenen Armen empfangen und ins Netz eingeführt. Niemand braucht Deutsch zu lernen. Materielle Not gehört der Vergangenheit an. Erwartungen, dass man irgendwann einmal den Lebensunterhalt durch Arbeit verdienen soll, werden nicht gestellt.

Das ist die Perspektive. Es ist eine Dauerperspektive! Um sie zu erhalten, ergießt sich immer wieder ein warmer Geldregen auf diese Gebiete wie etwa den Kotti. Von diesem Geldregen profitieren Wohnungsbauunternehmen, Sozialprofis, Händler und Helfer. Da es so stetig vorwärtsgeht, kommen auch neue Zuwanderer nach Deutschland, die im Heimatland keine Dauerperspektive erarbeiten könnten und auf Almosen angewiesen wären. Hierfür schlage ich in Anlehnung an Kenan Kolats Ausdruck „Netzwerkmigration“ den Ausdruck „Trichtermigration“ vor.

Unter „Trichtermigration“ verstehen wir die Sogwirkung, die in Städten wie Berlin durch die sozialstaatliche Daseinsvorsorge ausgeübt wird. Dieser Sog wirkt in die unterentwickelten Gegenden anderer Länder hinein und erfasst jene Menschen, die dort keinerlei Zugang zum Arbeits- und Heiratsmarkt haben.

Intensive staatliche Fürsorge, finanzielle Bevorteilung der „benachteiligten“ Stadtquartiere verstärkt die Sogwirkung des Trichters. Das Ergebnis: Der „Trichter“ zieht von außen neue Menschen an, die dann die geschlossenen Siedlungsgebiete der einzelnen Volksgruppen verstärken. Es wird mit sozialstaatlicher Hilfe „eine zweite Heimat“ geschaffen, in der ein weitgehend anstrengungsloses Leben möglicht ist: ein nahezu paradiesischer Zustand, den man auf keinen Fall perspektivlos nennen sollte!

Die Menschen, die seit längerem hier wohnen, versuchen, sobald sie sich den geschlossenen ethnischen Gebieten nicht mehr zugehörig fühlen, den Trichter zu verlassen. Sie ziehen vom Kotti oder überhaupt aus Kreuzberg weg. Es ist ihnen – zu paradiesisch.

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