Feb. 172010
 

13022010.jpg Als Quelle zahlreicher Fehler und Irrtümer unserer Sozialpolitik meine ich einen Missstand ausmachen zu können: Die uns regierenden Leistungs-Eliten aus den 5 Parteien, den Gewerkschaften, den Instituten und Behörden kennen die Lebensrealität nicht, über die sie urteilen. Sie wohnen woanders, sie schicken ihre Kinder in andere Schulen, sie verbringen ihre Freizeit woanders als beispielsweise wir armen Kreuzberger.

Lest diese Spiegel-Meldung:

Als armutsgefährdet gilt, wer weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens seines Landes zur Verfügung hat; so hat es die Europäische Kommission festgelegt.

Neue Studie: Zahl der Armen in Deutschland wächst rasant – SPIEGEL ONLINE – Nachrichten – Wirtschaft

Bezeichnend ist das Bild, das diesem SPIEGEL-Artikel beigefügt ist: Wir sehen 2 Schulkinder in einem frisch gestrichenen Treppenflur, die vor verschlossener Tür sitzen und Hausaufgaben machen. Darunter der erbarmenheischende Satz:

Familien mit Kindern sind stärker von Armut betroffen

Was soll denn das? Diese Kinder sitzen auf der Treppe, sie wirken nicht unterernährt, sie sind wohlgekleidet. Offenkundig macht ihnen niemand die Tür auf. Sie sind vielleicht vernachlässigt, weil die Eltern beide sich nicht um die Kinder kümmern. Aber sind sie arm?

Der SPIEGEL-Artikel zeigt, wie subtil die Medien unsere Wahrnehmung beeinflussen. Insbesondere durch die bildliche Darstellung von Kindern lässt sich immer Mitleid, Mitgefühl und Zahlungsbereitschaft herstellen.  „DIE ARMEN KINDER!“, so entfährt es uns, wenn wir dieses Bild sehen. Na, wie geht es euch damit?

Viele von denen, die so vehement für „die Armen“ streiten, dürften noch nie einen ganzen Tag in einem „Armen“-Haushalt verbracht haben. Die professionellen Armutsbekämpfer haben sich durch die willkürliche Festlegung der Armutsgrenze einen Freifahrtschein für lebenslange Arbeitslos-losigkeit beschafft. Denn es ist beim EU-Armutskriterium ausgeschlossen, dass die Armut je ausgehen wird. Das lehrt ein Blick auf die Gauss-sche Normalverteilung!

Jeder sollte wissen, dass ein Arbeitsloser in den EU-Staaten etwa 50% eines Durchschnitts-Einkommens aus Beschäftigung zur Verfügung hat. Mit 3 oder 4 oder auch 10 Kindern und einem Ehepartner lässt sich das Einkommen schnell auf dieselbe Höhe und darüber hinaus bringen. Schwarzarbeit und Täuschung der Behörden ermöglichen es mit ein bisschen Geschick jedem, der effektiven „60%-Armut“ zu entgehen. Das kann man alles lernen, dafür gibt es Beratung in vielen Sprachen.

Dennoch plaudert die EU unablässig weiter davon, dass jeder, der offiziell weniger als 60% eines Durchschnittseinkommens hat, „armutsgefährdet“ oder regelrecht „arm“ sei. Das ist ein logischer Unfug, der schnellstens bendet werden sollte.

Ich selbst wohne in einem der nachweislich ärmsten Quartiere Berlins mit den ungünstigsten Sozialdaten, mit der absolut höchsten Ausländerquote Berlins. Ich wünsche den Experten, die weiterhin von Massenarmut faseln, einen längeren Aufenthalt bei uns in meinem Kreuzberger Quartier  – wir haben hier mit die „schlechtesten“ Sozialdaten ganz Berlins, vielleicht ganz Deutschlands. Dennoch gibt es hier keine Armut! Niemand friert, niemand hungert, alle Kinder können kostenlos zur Schule gehen und haben so alle Chancen zu einem selbstbestimmten Leben. Denn unsere Schulen sind gut. Mit Fleiß und Tüchtigkeit kann jedes Kind es zum Abitur, kann jedes Kind es zum Studium schaffen. Jedem steht hier die Partizipation frei. Alle Haushalte haben TV-Anschluss und die meisten haben Satellitenfernsehen. Jeder kann die kostenlosen BVV-Ausschuss-Sitzungen besuchen und für seine politischen Ziele kämpfen.

Im Vergleich zu den Herkunftsländern Türkei, Syrien, Libanon, Ex-UDSSR schwelgen wir hier alle  – ob nun Deutsche oder Nicht-Deutsche – in üppigem Überfluss. Deshalb wächst die Zahl der „Armen“ auch von Jahr zu Jahr. Durch das jüngste Hartz-IV-Urteil des Bundesverfassungsgerichts wird die Sogwirkung unseres Sozialsystems auf heiratsfähige Menschen in den Mittelmeerländern noch einmal kräftig ansteigen. Und die Lobby der „Armen“ redet uns weiterhin erfolgreich ein, dass ihre Mündel „arm“ seien. Also muss noch mehr Geld ausgeregnet werden.

Das Problem ist nicht die vermeintliche, in Wahrheit nicht existierende Armut. Das Problem ist hier in Kreuzberg und in vielen anderen „benachteiligten“ Wohngebieten, dass es keine Anreize gibt, aus dem Sozialstaats-Kokon herauszuwachsen.  Es gibt keinen Anreiz, der Arbeit hinterherzuziehen, es gibt zu wenig Anreiz, ordentliches Deutsch zu lernen. Es ist alles bestens geregelt.

Ich habe übrigens das volle Recht, mich als einen der Ärmsten zu bezeichnen. Denn: Wir besitzen keinen Flachbildfernseher, keine Satellitenschüssel und kein Auto. Damit gehören wir automatisch zu den ärmsten 20% der deutschen Gesellschaft.

Außerdem wurden uns schon mehrere Fahrräder und ein Schlitten geklaut. „Fahrradklau trifft die Ärmsten“ – wie aus dem obigen Bild mit einer Kreuzberger Verlautbarung zweifelsfrei hervorgeht. Also gehören wir automatisch zu den Ärmsten. Wir sind die Ärmsten! Glaubt es uns!

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Feb. 092010
 

Lebhaftes Gespräch über das heutige Hartz-IV-Urteil in den Medien!  Immer wieder wird behauptet, die benachteiligten Kinder seien „aus Armut“ so benachteiligt. Der Staat müsse für Kinder mehr Geld bereitstellen. Was ist dran? Ich lebe hier in einer stark durch Hartz-IV geprägten Wohnumgebung. Aber echte Armut kann ich nicht feststellen. Alle Kinder können kostenlos zur Schule gehen, fast alle Kinder sind von der Lehrmittelzahlung befreit. Alle sind richtig angezogen, alle werden medizinisch versorgt, alle dürfen am Unterricht teilnehmen, alle sprechen Deutsch.

Ich kenne Armut aus Rumänien, aus Russland, Weißrussland, Afrika, Syrien.

Ist Geldmangel der Grund für mangelnde Teilhabe der Kinder an Bildung, Kultur und Sport? Ich melde Zweifel an!

Über die komplette Schieflage der Debatte gibt der folgende kurze Video-Bericht über die Berliner Arche beste Auskunft:

Video – SPIEGEL ONLINE – Nachrichten

„Mutti kocht nicht so genau, ich muss kochen.“ So ein Mädchen.

„Würden die Familien mehr kochen, wenn es mehr Geld gäbe?“, fragt die Journalistin eine der Köchinnen. Die Köchin antwortet: „Nein.“

Die Kommentatorin sagt dann ganz am Schluss:

„Wo der Staat sich zurückzieht, zieht die Armut ein“.
Freunde, schaut euch den Clip an! Ich meine: Durch nichts, aber auch durch nichts ist dieser Schluss gerechtfertigt! Die Aussagen der Betroffenen geben das einfach nicht her.

Der Film-Bericht besagt eher: Viele Kinder werden nicht versorgt, bekommen kein Frühstück und kein warmes Mittagsessen zuhause. Als Grund dafür wird aber in keinem Fall Geldmangel genannt! Diese Vernachlässigung der Kinder, die in der Tat zu schlimmer Benachteiligung führt, entsteht nicht durch Armut – sondern eben … durch Vernachlässigung. Die Ursachen der Vernachlässigung scheinen aber nicht in zu geringen Geldzahlungen zu liegen.

Schon in diesem 2,5-Minuten-Clip zeigt sich die ganze Löchrigkeit der Argumentation, der Staat erzeuge durch zu geringe Zahlungen die Armut. Er, der Staat, sei letztlich an mangelnder Teilhabe der Kinder schuld.

Ich sehe das heutige Urteil als Auftrag an die Politik, die Regelsätze nachvollziehbar zu berechnen. Das bestehende Hartz-IV-System ist verfassungswidrig. Nicht unbedingt, weil die Zahlungen zu niedrig wären, sondern weil die Berechnungsgrundlagen nicht nachvollziehbar sind.

Wir brauchen eine tiefgreifende Debatte über folgende Fragen:

1) Was brauchen Kinder und Jugendliche?

2) Was müssen die Eltern leisten? Was darf die Gesellschaft von den Eltern verlangen?

3) Was muss der Staat leisten?

4) Wer trägt die Verantwortung für den Lebensweg der Kinder?

5) Wie wichtig ist materielle Ausstattung für das Wohlergehen der Kinder?

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Jan. 162010
 

Klar gegen das Arbeits- und Pflichtgefühl Rosa Luxemburgs spricht sich erneut die Linke aus. Während Luxemburg eine Arbeitspflicht für alle forderte, weist die Linke dies als mittelalterlich zurück. Niemand soll arbeiten müssen.

Arbeitspflicht bei Hartz IV – Linke-Vize findet Kochs Vorstoß „mittelalterlich“ – Politik – Berliner Morgenpost
Linke und Erwerbslosenvertreter haben empört auf die Forderung von Hessens Ministerpräsident Roland Koch nach einer Arbeitspflicht für Hartz-IV-Empfänger reagiert. Linke-Parteivize Klaus Ernst sagte: „Was Koch da absondert, ist mittelalterlich.“ Wer in die Arbeitslosenabsicherung ein Abschreckungselement einbauen wolle, riskiere „mit voller Absicht, dass Menschen auf der Strecke bleiben“.

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Jan. 142010
 

Unter das herrlich doppeldeutige Motto Umdenken werde ich meine Bewerbungsrede am Samstag stellen. Denket um, das ist ja das große Leitwort Johannes‘ des Täufers, meines Namenspatrons.

Schon einige Wochen habe ich aus keiner Rede des Bundespräsidenten mehr zitiert. Aber genau jetzt hat er wieder eine Rede gehalten, die ausgezeichnet zu einem Schwerpunkt meiner Bewerbung passt: zur Umgestaltung des städtischen Raumes. Ich werde fordern, dass Friedrichshain-Kreuzberg zu einem Fahrrad-Modellbezirk entwickelt wird. Johannes der Täufer hätte das zwar abgelehnt. Das Fahrrad wäre ihm als Luxus erschienen. Er ging stets zu Fuß. Aber wir brauchen weiterhin eine hochwertige, flexible und effiziente Mobilität in den Städten. Busse, Taxis und Bahnen allein werden das nicht sichern können. Auch das Fahrrad muss hinzukommen. Und ab und zu ein knallrotes Automobil;-)

Ausgerechnet bei einer Veranstaltung des ADAC fordert er das Umdenken in der Verkehrspolitik – weg vom Auto, hin zu umweltgerechterer Mobilität. Der Bundespräsident beklagt, dass 80% der Arbeitnehmer mit dem Auto zur Arbeit fahren.

Eigentlich würde so eine Rede besser zum ADFC passen, aber eine solche Rede beim ADFC zu halten, hieße ja, den Fischen Wasser predigen.

ADFC-Leser sollten also die folgende Rede nicht lesen, ADAC-Leser schon.

www.bundespraesident.de: Der Bundespräsident / Grußwort von Bundespräsident Horst Köhler bei der ADAC-Preisverleihung „Gelber Engel“ 2010
Unser Planet würde es gar nicht aushalten, wenn die Menschen überall auf der Welt so viel im Auto durch die Gegend fahren würden, wie wir das hier bei uns tun. Dann bräuchten wir schon jetzt mehr als eine Erde. Um in Zukunft mobil zu bleiben – und auch, um die Mobilität von Menschen in ärmeren Ländern zu verbessern – müssen wir umdenken. Und zwar grundlegend.

Einfach ist das nicht. Veränderungen fallen den Menschen erstmal schwer. Wir halten gerne an lieb gewonnenen Gewohnheiten fest. Und trotzdem verändern wir uns fortwährend. Denken Sie ein halbes Jahrhundert zurück. Damals konnten vielerorts die Kinder noch auf der Straße spielen. Heute können sie es meist nicht mal mehr auf dem Bürgersteig – zu gefährlich.

Wir haben allmählich hingenommen, wie sehr wir im Straßenverkehr auf unsere Kinder aufpassen müssen und dass Autoabgase unsere Umwelt belasten. Wir haben unsere Freiheit eingeschränkt, um die Freiheit zu gewinnen, spontan mit dem Auto losfahren zu können, wohin wir möchten.

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Jan. 082010
 

Fassungslos schlagen die russischen Mütter meines Bekanntenkreises immer wieder die Hände über die Berliner Grundschulen zusammen! „Sie lernen fast nichts, wir haben dasselbe Pensum in der multiethnischen Sowjetunion in einem Drittel der Zeit durchgearbeitet.“

Jetzt kamen wir darauf, dass die Kinder in der Tat kaum Bücher haben – keine Lesebücher, keine Sachkundebücher, keine zusammenhängenden Sprachlehrbücher … aus Geldmangel!

„Wir hatten keine Unterhosen, aber jedes Kind bekam sein Exemplar des Lesebuches aus der Schulbibliothek entliehen! Jeder musste darauf aufpassen. Wir wurden gefüttert mit der großen klassischen Literatur, mit der gesamten bürgerlichen und adligen Literatur der vergangenen Jahrhunderte! Bei euch in Berlin herrschen die grauen Herren aus Momo. Alles so fantasielos, so leblos. Wo sind die Bilder, wo sind die Geschichten, wo sind die Phantasien? Kein Wunder, dass die türkischen und arabischen Kinder sich nicht zur deutschen Kultur hingezogen fühlen. Ihr zeigt sie nicht. Ihr lehrt sie nicht.“

Tja, ich schluckte. Die russischen Mütter haben die Erziehung der Berliner Grundschulkinder weitgehend in die eigenen Hände genommen: sie lesen vor, sie üben das Schreiben in beiderlei Sprachen, sie bringen die Kinder zum Klavier- oder Geigenunterricht. Vom Berliner Schulwesen haben sie alle die Nase voll. Sie nehmen es nicht ernst.

Sind wir lächerliche Schrumpfgermanen? Ich muss konstatieren: In Russland hatten sie keine Unterhosen, aber Lesebücher. Bei uns in Berlin haben sie wegen Geldmangels keine Lesebücher, aber Fernseher, Satellitenschüsseln, Handys, Spielekonsolen, Autos und Urlaubsreisen.

Leute, da stimmt was nicht. Da ist was faul! Gewaltig!

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Spendet Lesebücher, ihr reichen Gönner dieser Stadt!

 Antike, Armut, bitte!, Deutschstunde, Leitkulturen  Kommentare deaktiviert für Spendet Lesebücher, ihr reichen Gönner dieser Stadt!
Jan. 052010
 

„Die Kinder lernen die großen, tragenden Texte nicht mehr kennen, mit denen ich noch aufgewachsen bin. Kein Goethe, kein Hafiz, keine in der Tiefe verlorenen Frösche, kein Johann Peter Hebel, keine Fabeln von Äsop oder Nasreddin Hodscha, kein Kästner, keine Momo. Kein Homer. Kaum Gedichte. Sie wachsen in ein kulturelles Vakuum hinein.“ Es gibt ja nicht mal ein Lesebuch mehr! So oder so ähnlich habe ich mich kürzlich auf einer Podiumsdiskussion der Konrad-Adenauer-Stiftung öffentlich geäußert. Niemand rügte mich dafür. Ich bekam sogar Beifall für diese Aussage.

Die Lehrer arbeiten im Literaturunterricht fast nur noch mit fotokopierten Blättern. Es gibt kein Lesebuch. Heute nahm ich mir mein ganzes Herz zusammen und fragte eine Berliner Lehrerin nach dem Grund. Würde sie mir zürnen? Vielleicht widerspricht ja die Idee eines Lesebuches dem vorherrschenden Relativismus? Aber siehe da! Niemand wurde auf mich zornig. Der Grund für das Fehlen von Lesebüchern  ist — und darauf wäre ich nie gekommen: Geld. Da 95% der Schüler unserer Schule von der Lehrmittelpflicht befreit sind (also in der Regel von Sozialhilfe leben), gibt das Lehrmittelbudget nicht genug Geld her, dass alle Kinder ein Lesebuch haben. Das heißt: Alle Texte müssen kopiert werden. Das Schmökern und Vortasten, das beharrliche Sich-Abarbeiten an einem gewissen Grundbestand an Texten, die jede Schülerin (ob kopftuchtragend oder nicht) kennen soll und kennen muss – das gibt es nicht. Die Einführung in das Kulturgut „Buch“ wird beschnitten.

Das ist schlecht. Das muss sich ändern. Deshalb meine herzliche Bitte an alle Leser dieses Blogs: Spendet Klassensätze von Lesebüchern für Berliner Grundschulkinder! Es gibt gute Lesebücher. Dass Berliner Grundschulen aus Geldnot keine Lesebücher im Deutschunterricht verwenden, halte ich für beinahe unerträglich. Darüber sollte man mal was schreiben!

Und ich tue dies ja! Ich schreibe darüber! Also noch einmal: SPENDET KLASSENSÄTZE AN LESEBÜCHERN FÜR DIE BERLINER GRUNDSCHULEN!

Denn jedes Kind soll die die in der Tiefe verlorenen Frösche Goethes, die Späße eines Nasreddin Hodscha oder eines Till Eulenspiegel, ein wunderschönes Gedicht von Mörike, ein wunderschönes Gedicht von Hafis (in deutscher Übersetzung) kennenlernen. Dazu Ausschnitte von zeitgenössischen Autoren wie etwa Michael Ende. Und zwar nicht als lieblose lose Zettelwirtschaft, sondern als schön gebundenes, reich bebildertes Buch.

Wir müssen den Kleinen den reichen Schatz der europäischen Kulturen von Kindesbeinen an weitergeben – selbstverständlich mit einer gewissen Vorrangstellung deutscher Texte, aber doch auch mit Einschluss anderer Texte aus den Herkunftsländern der Kinder. Warum nicht auch eine türkische Geschichte, ein polnisches Gedicht ins Lesebuch für Berliner Kinder abdrucken? Mit deutscher Übersetzung!

 Posted by at 16:59

Versuch’s mal bei dir selbst. Wage es!

 Armut, Freiheit, Kinder, Sozialstaat, Vorbildlichkeit  Kommentare deaktiviert für Versuch’s mal bei dir selbst. Wage es!
Juli 262009
 

Gute Bestandsaufnahme der Bewusstseinslage im Tagesspiegel von heute durch Gerd Nowakowski. Die Probleme Berlins werden erkannt …

Kinder wagen
Zwar schneidet Berlin beim Punkt Vereinbarkeit von Beruf und Familie wegen des dichten Angebots von Kitaplätzen und Krippen gut ab, doch die sozialen Probleme wachsen. Wer sich in Berlin für Kinder entscheidet, ist keineswegs wirtschaftlich gesichert. Unter migrantischen Familien gibt es eine extrem hohe Arbeitslosigkeit; und auch akademisch gebildete Eltern leben vielfach in prekären Verhältnissen mit Kurzzeit-Jobs oder unterqualifizierten Tätigkeiten. Continue reading »

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Wir sind alle Prinzen

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Juli 162009
 

15072009001.jpg Weniger als 2 Dollar am Tag – das steht den meisten Menschen in Ländern wie Niger, Mali, Tschad oder Demokratische Republik Kongo zur Verfügung. Sie sind arm. Nicht unsere ALG-II-Empfänger. Lest auf dem Rücken des hier schreibenden Bloggers die Namen einiger der ärmsten Länder! Das Sportbecken im Prinzenbad ist endlich wieder freigegeben! Allerdings fehlen die Startblöcke, von denen aus die „Prinzen“ ihre Köpper ins Wasser setzten. Wir berichteten über diese Prinzen mehrfach in unserem Blog, so etwa am 07.03.2009.

Wir kaufen den Ferienpass des Berliner Senats für Schulkinder.  Er kostet 9 Euro. Wie lange müsste eine Landarbeiterin in Mali oder Niger dafür arbeiten? Ich glaube: etwa 2 Tage, dann hätte sie genug Geld, damit eins ihrer Kinder kostenlos über die Sommerferien ins Prinzenbad gehen könnte. Übrigens: Badewasser muss Trinkwasserqualität haben! 1,1 Milliarden Menschen etwa weltweit haben nach Angaben des Auswärtigen Amtes keinen Zugang zu Trinkwasser. Sie würden ihren kärglichen Verdienst sicher eher für Trinkwasser als für so einen Ferienpass ausgeben. Zugang zu sauberem Wasser ist eine, vielleicht die wichtigste Hauptforderung der Armutsbekämpfung! Die meisten Kleinkinder sterben nicht an Hunger, sondern an Krankheiten, die sie sich wegen verschmutzten Wassers zuziehen.

Wir schwimmen in dem, was 1,1 Milliarden Menschen fehlt.

Wenn man das bedenkt, muss man sagen: Wir alle sind Prinzen!

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Juli 132009
 

Tolles Hoffest am Samstag bei uns in der Obentrautstraße! Hier seht ihr ein Bild von unserem wunderschönen Hofbrunnen! Ich erzählte das „Märchen vom armen Mann, vom Rabenkönig und vom Frettchen.“ Eine Mischung aus ukrainischen Märchenmotiven und eigenen Zutaten: dem Frettchen vom U-Bahnhof Neukölln. Der arme Mann verliert seinen Ochsen, auf dem der ganze Lebensunterhalt beruht. Die Familie hat nichts mehr zum Beißen und geht dem Hungertod entgegen.  Da hilft das Frettchen aus Neukölln dem dritten Sohn des armen Mannes, den geraubten Ochsen aus der Macht des bösen Rabenkönigs zu befreien. Wanja spielte das Beethoven-Lied „Das Frettchen“ auf seiner halben Geige dazu. Alles in Butter, alles toll! Wirklich? Wer ist denn das – ein armer Mann? Wer ist arm? Anlass genug für unsere morgendliche Betrachtung!

14,3% aller Deutschen und etwa 50% meines unmittelbaren Wohnumfeldes in Friedrichshain-Kreuzberg gelten als arm. Sie leben demzufolge unterhalb der von der internationalen Arbeitsorganisation ILO anerkannten Armutsgrenze, denn sie haben weniger als 60% des deutschen Durchschnittseinkommens zum Leben (764 Euro monatlich für Singles oder 1.376 Euro für Paare).

Hierzu erklärt der Politiker Johannes Hampel:

Das international anerkannte Armutskriterium – „weniger als 60% des Durchschnittseinkommens“ – ist willkürlich. Es ist ein lächerlicher Unfug. Es ist eine Verspottung der echten Armen, die es reichlich gibt, und zwar im Kosovo etwa, in Afrika, in der Ukraine, im Libanon, in Teilen der Türkei. Diese Menschen haben weniger als 2 Dollar pro Tag zur Verfügung. Sie sind arm. Mit 1375 Euro ist kein Paar arm. So etwas zu behaupten ist amtlicher Unsinn. Liest man „Die Lage der arbeitenden Klasse“ von dem begüterten Kapitalisten Friedrich Engels, dann erfährt man, was echte Armut war! In den USA kann heute Arbeitslosigkeit unter Umständen eine gewisse Armut bedeuten. Man überlebt dann oft nur noch durch die staatliche oder kirchliche Fürsorge, also durch Notküchen und mildtätige Zuwendungen, und viele verlieren ihr gewohntes Heim und müssen in ärmliche Quartiere ziehen.  In den EU-Staaten hingegen haben Langzeitarbeitslose und Sozialhilfeempfänger durchschnittlich etwa 50% eines Erwerbseinkommens zur Verfügung. Das reicht in Deutschland vollkommen aus, um ohne Armut zu leben. Zugleich liegen die Menschen zuverlässig UNTERHALB des staatlichen Armutskriteriums.  Damit ist gesichert, dass eine Heerschar von ARMUTSBEKÄMPFERN auf Jahrzehnte hinaus Lohn und Brot findet! Mit dem amtlichen Armutskriterium bekämpft man also zuverlässig und nachhaltigst die drohende Arbeitslosigkeit der Armutsbekämpfer. Es wird schon aus mathematischen Gründen immer genug vermeintlich Arme geben, für die die professionellen Armutsbekämpfer kämpfen können. Etwa die Linkspartei. In unserem Wahlkreis 84 gibt es höchstens 1 Prozent echte Arme. Alle anderen, also die etwa 50% der Menschen, die hier im Wahlkreis 084 von Transferleistungen des Staates leben, sind nicht wirklich arm. Die nichtarbeitenden Klassen werden nur künstlich arm gerechnet. Dann sagt man ihnen: „Ihr seid arm, ihr seid arm dran, ihr Armen!“ Damit sie sich einnisten in ihrem behaglichen Opferstatus und nichts tun, um selbständig ihre Chancen und ihren – allerdings bescheidenen – Wohlstand zu mehren. Armes Kreuzberg, armes Friedrichshain, armes Prenzlauer Berg!

Auf, ihr Arme dieses Bezirks, lernt auf eigenen Füßen zu stehen!

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Juni 072009
 

Gleich am Morgen ging ich zu den Europawahlen in die Nikolaus-Lenau-Grundschule. Ich wurde von den Wahlhelfern freundlichst begrüßt – war ich doch um 9.20 Uhr schon der zwölfte Wähler, der seine Stimme abgab! Den langen Zettel las ich gründlich durch und setzte mein Kreuz bei der Liste eines Mannes, den ich kenne und schätze.

Ich rief aus: „Ich tippe auf 42% Wahlbeteiligung und leiste hiermit meinen Beitrag!“ Gelächter: „Sie sind zu optimistisch!“ – Das habe ich ja auch in diesem Blog geraten. Und so ist es auch gekommen. Der Wahlausgang bedeutet ein klares Votum für mehr Freiheit, für weniger Staatsgläubigkeit. Die niedrige Wahlbeteiligung und ebenso das Erstarken der Rechten in den anderen Ländern finde ich allerdings bedenklich.

Beim Umweltfestival der Grünen Liga, dem Netzwerk ökologischer Bewegungen, erzähle ich das Märchen vom Rabenkönig zweimal. Erst auf der großen Bühne vor dem Brandenburger Tor, dann auf der kleinen Bühne vor dem russischen Panzer. Nur mit einer Stimme und einer Geige vor die Menschen zu treten, das ist schon mehr, als sich in einem Ensemble einzureihen. Ich lasse mich tragen und die Worte strömen sozusagen aus mir heraus. Der Sohn, der sich aufmacht, um seine beiden Brüder und den Ochsen zu befreien, besteht alle Prüfungen: Er kann teilen, denn er gibt sein letztes Brot an ein Tier. Er hört zu, er ist mutig – und er geht sparsam mit den Schätzen der Erde um!

Das Tolle war: ich hatte keinen Text auswendig gelernt, sondern merkte auf die Reaktionen der Zuhörer – was kommt an? Wie alt sind sie? Wie gehen sie mit? Also waren die zwei Fassungen des Märchens heute recht unterschiedlich.

Die große ADFC-Sternfahrt endete hier am Brandenburger Tor. Durchnässt, aber zufrieden trudeln Tausende und Abertausende von Radlern ein. Ich spreche mit einigen ADFC-Freunden, darunter auch der ADFC-Landesvorsitzenden Sarah Stark.  – Es war ein erfolgreicher Tag, etwa 100.000 Teilnehmer folgten dem Lockruf der freien Straßen.

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Mai 192009
 

Ein Blick in die Süddeutsche Zeitung von heute bringt mehr Klarheit: Es gibt Armut vor unserer Haustür. Im Kosovo etwa: jeder siebte Kosovare hat heute weniger als einen Euro am Tag zur Verfügung. Franziska Augstein zieht unter dem Titel „Als die Menschenrechte schießen lernten“ eine insgesamt niederschmetternde Bilanz des Kosovo-Krieges, den die NATO am 24. März 1999 begann und der bis 19. Juni 1999 dauerte. Die Nato unterstützte die schlechter bewaffneten Terroristen der UCK in ihrem Kampf gegen Serbien, agents provocateurs auf beiden Seiten heizten durch tatsächliche und erfundene Massaker sowie massive Falschinformationen die Lage auf, so dass ein bewaffnetes Eingreifen der NATO gerechtfertigt erschien. Der Westen irrte. Er irrte ebenso, als er die Taliban gegen die Sowjets aufrüstete. Das Kosovo ist heute ärmer als vor dem Krieg. Wer spricht noch davon? Das sind echte Arme – und wir haben sie sogar teilweise selbst verschuldet.

Mit Hartz IV kann man leben, man hat immerhin etwa 500 Mal so viel Geld wie das ärmste Siebentel der Kosovaren. Man nagt nicht am Hungertuche, kann sich aber auch keinen neuen VW Polo leisten. Macht Geld frei? Wie wirkt sich der lange Bezug von Hartz IV auf die Psyche aus? Vera Lengsfeld schreibt in ihrem Buch Neustart:

„Es ist richtig, dass Geld frei und unabhängig macht, aber eben nur selbst verdientes Geld. Geld, das man ohne Gegenleistung bekommt, macht unfrei: Die eigenen Fähigkeiten, sich selbst zu versorgen, verkümmern, und das erhöht die Abhängigkeit von fremden Leistungen. Am Ende ist man bereit, seine Freiheitsrechte aufzugeben, um weiter versorgt zu werden“ (Vera Lengsfeld, Neustart. München 2006, S. 199).

3 Jahre später, am heutigen Tage, scheint sich auch die Linkspartei auf derartige Einsichten zu besinnen. Roland Claus, Ostkoordinator (ein herrlicher Titel!) der Linksfraktion im Bundestag, legte gestern eine wissenschaftliche Studie unter dem Titel „Leitbild Ostdeutschland 2020“ vor. Wir zitieren Sätze aus der Süddeutschen Zeitung von heute (S. 5), in denen die Feststellungen Lengsfelds wie ein Echo wiederzuhallen scheinen:

Ostdeutschland sei von Transferleistungen abhängig. „Diese Transfers aber können die Fähigkeit zu einer eigenständigen und selbstbestimmten Gestaltung sozioökonomischer Entwicklung erheblich einschränken.“

Im Klartext kommen Lengsfeld und die Linkspartei überein: Wer lange von Transferzahlungen lebt, verlernt das Handwerk des Lebens. Er wird unfrei, weil er abhängig bleibt.

Eine mögliche Lösung scheint mir zu sein: Gesellschaftlich nützliche Arbeit als Lohnarbeit anbieten! Im Pflegebereich, im Kinderbetreuungsbereich, in der Nachbarschaftshilfe, in den Vereinen, bei der Graffiti-Entfernung usw. wartet jede Menge Arbeit! So habe ich händeringend nach mehr Personal für unseren letzten ADFC-Stand gesucht. Hätte ich gewusst, wie ich an Hartz- IV-Empfänger komme, so hätten wir den Stand rund um die Uhr besetzt halten können.

Diese vielen unerledigten Arbeiten sollten den nicht armen, aber unfreien Transferempfängern angeboten werden, und dafür sollten sie bezahlt werden. Sie hätten dann ein befriedigendes Gefühl: Ich kann was, ich kann mich selbst ernähren!

 Posted by at 13:47
Mai 182009
 

„Die Stimmung ist nicht explosiv in Wietstock … “ – “ … aber depressiv“. So ergänze ich den Satz. Die Tagesthemen berichten in herzzerreißenden Tönen über die Armut in Deutschland. Armut? Was ist Armut? Der Paritätische Gesamtverband legte heute seine Studie zur Armut in den Regionen vor. Im „Armutsatlas“ werden große Unterschiede in der Einkommensverteilung zwischen den Regionen Deutschlands nachgewiesen. Nichts weiter! Das mag beunruhigend sein für Volkswirtschaftler, es tut dem System nicht gut. Aber es ist kein Beweis für Armut. Der Nachweis, dass Armut eine Massenphänomen sei, gelingt an keiner Stelle. Die Zeit berichtet:

Der Studie zufolge gilt als arm, wer 60 Prozent oder weniger als das mittlere Einkommen verdient. Für eine allein lebende Person sind das 764 Euro, für ein Paar ohne Kinder 1376 Euro. Die Zahlen aus dem „Armutsatlas“ des Paritätischen Gesamtverbandes spiegeln den Stand von 2007 wider.

Das heißt, als arm gilt hierzulande bereits, wer über mehr Geld (und auch mehr Kaufkraft zu paritätischen Wechselkursen) verfügt als ein Durchschnittsverdiener in der Türkei oder ein Universitätsprofesor in Russland oder ein Arbeiter in Mexiko.

Hier haben sich die Maßstäbe grotesk verschoben! Das ist wirklich eine ganz üble Stimmungsmache, was hier mit saurem Mundwinkel als Armut verkauft wird, eine Verhöhnung der Menschen, die wirklich arm sind, und das sind nun einmal Milliarden von Menschen in Afrika und in Teilen Asiens und Südamerikas. Das Etikett „Du bist arm“ lähmt jede Initiative, vor allem, wenn man dann noch in niederschmetternd trübseligen Jammerarien über die ach so verlogenen Versprechungen von blühenden Landschaften herzzerreißend schluchzt!

Die Leute, die beruflich mit Armutsbekämpfung ihr Geld verdienen,  malen die Lage in schwärzesten Farben. Sie waren offenbar nie in Weißrussland, sie waren nie in Albanien oder in Ägypten. Ich sehe diese Armen in Deutschland einfach nicht. Wo seid ihr? Ich lebe doch im Mehringplatzquartier, nach dem Sozialatlas Berlins eine Gegend, wo die meisten Menschen arm sind. Aber – es gibt bei uns keine Armen. Alle haben zu essen, alle haben Kleidung, die Kinder aller können zur Schule gehen, alle haben ein Dach über dem Kopf. Alle haben Zugang zu medizinischer Grundversorgung.

Arm im eigentlichen Sinne kann nicht sein, wer zu essen hat, wer Kleidung hat, wer zur Schule gehen kann, wer ein Dach über dem Kopf hat. Wenn diese menschlichen Grundbedürfnisse abgedeckt sind, dann ist das Wort Armut ein Mißgriff.

Ich habe selbst als Student, als Alleinstehender von weit weniger Geld gelebt, als damals 60% eines Durchschnitteinkommens betrugen. Dennoch hatte ich mein Zimmer, ich hatte ein Fahrrad, ich konnte in der Mensa essen und mir selbst etwas kochen. Arm war ich nicht, obwohl ich damals nur 30-40% eines Durchschnittseinkommens zur Verfügung hatte.

Ich habe Arme bisher nur in Russland gesehen, bittere Not, wie es das Wort Armut ausdrückt,  gibt es in Deutschland nicht in nennenswertem Umfang.

 Posted by at 22:51