Juni 132012
 

Fleißig und eifrig stricken die deutschen und europäischen Massenmedien an den üblichen Halbwahrheiten in der Darstellung der europäischen Geschichte. Ein beliebiges Beispiel dafür ist die Darstellung der polnisch-russischen Beziehungen. Heute schreibt etwa Spiegel online über das Verhältnis zwischen Russland und Polen:

„Die Situation zwischen beiden Ländern ist seit Jahrhunderten belastet. Warschau hatte während der polnischen Teilung vom Ende des 18. Jahrhunderts bis zum Beginn des Ersten Weltkrieg zum Zarenreich gehört und war nach dem Zweiten Weltkrieg bis kurz nach dem Mauerfall 1989 Bestandteil des kommunistischen Sowjetblocks. Für die Russen hingegen sind die Polen undankbar, weil sie vergessen haben, dass es Russland war, das sie von Hitler befreite.

All dies ist den muskelbepackten Halbwüchsigen, die die russischen Fans brutal angreifen, möglicherweise unbekannt. Oder es ist ihnen egal.“

 http://www.spiegel.de/panorama/justiz/em-2012-polnische-hooligans-randalieren-in-warschau-gegen-russen-a-838504.html

Mein Kommentar: Die Sätze sind zweifellos nicht falsch, aber sie sind eben doch geprägt von Auslassungen und Unterschlagungen. So fehlt jede Darstellung der Jahre vom Beginn des Ersten Weltkrieges bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs. Aber genau diese Jahre sind es, die bis heute ganz entscheidend die Unterschiede in den Erinnerungskulturen der beiden Länder Polen und Russland prägen. Bei meinen Gesprächen mit Polen und mit Russen wird mir das immer wieder klar!

Ich schlage hiermit Ergänzungen zu den landläufigen Darstellungen, wie sie etwa der SPIEGEL bietet, vor. Es würde mich freuen zu erfahren, ob die Polen und die Russen mit der nachfolgenden, holzschnittartig vereinfachenden Darstellung und Deutung der Geschichte der polnisch-russischen Beziehungen in den Jahren 1918-1989 leben könnten – wenn nicht, um so besser. Dann freue ich mich auf Widerspruch!

So würde ich es nach meinen heutigen Kenntnissen ausdrücken:

„Die Situation zwischen beiden Ländern ist seit Jahrhunderten belastet. Warschau hatte während der polnischen Teilung vom Ende des 18. Jahrhunderts bis zum Beginn des Ersten Weltkrieg zum Zarenreich gehört“ (soweit der SPIEGEL). Ab hier würde ich ungefähr ergänzen:

Nachdem Polen 1795 als Staat zu existieren aufgehört hatte, wurde endlich am 03.11.1918 die Republik Polen proklamiert. Der russisch-polnische Krieg von April bis Oktober des Jahres 1920 ist einer der zahllosen europäischen Kriege unmittelbar nach dem Ende des Ersten Weltkrieges, die heute vergessen sind. Es gelang Polen dabei, sein Staatsgebiet weit über die Volkstumsgrenzen nach Osten in russisch bewohnte Gebiete zu erweitern. Das Verhältnis zwischen Russland und Polen blieb weiterhin gespannt.

Deutsches Reich und Sowjetunion schlossen am 23.08.1939 einen Nichtangriffspakt und überfielen wenige Tage später, im September 1939, nahezu zeitgleich Polen: zuerst, am 01.09.1939, überfiel Deutschland Polen von Westen her. Dann, am 17.09.1939, überfiel das kommunistische Russland Polen von Osten her. Deutsches Reich und Sowjetunion – also Deutschland und Russland – feiertern am 22.09.1939 ihren gemeinsamen Sieg über Polen auf einer großen Parade in Brest-Litowsk, schlossen am 28.09.1939 einen erneuten deutsch-sowjetischen Grenz- und Freundschaftsvertrag, hielten einander den Rücken für weitere Angriffskriege frei und pflegten eine Waffenbrüderschaft, die unverbrüchlich bis zum 21.06.1941 andauerte.

Das nationalsozialistische Deutschland und das nationalkommunistische Russland teilten also Polen im Jahr 1939 in zwei Hälften auf. Deutschland und Russland errichteten ab September 1939 auf polnischem Boden brutale Terrorherrschaften mit Massenmorden an Zivilisten, Ausplünderung der besetzten Gebiete und Vertreibungen von  ganzen Bevölkerungsteilen in andere Gebiete. Deutschland und Russland haben im 20. Jahrhundert den Polen mehrfach die Freiheit geraubt, Massenmorde an polnischen Bürgern begangen, den polnischen Staat zerstört und das Land ausgeplündert. Während die Terrorherrschaft des Deutschen Reiches über Polen im Mai 1945 gebrochen wurde, dauerte die sowjetrussisch gestützte Diktatur der Kommunisten über Polen weiter an. Sowjetrussland hat den Polen auch nach 1945 die Freiheit vorenthalten. Erst im Jahr 1989 gelang es den Polen, sich vom kommunistischen Joch, das Russland ihnen auferlegt hatte, zu befreien.

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Mai 112012
 

„Durch die politisch motivierten Gewalttaten wurden 2314 Personen verletzt (plus 18,4 Prozent). Von ihnen wurden 48,6 Prozent Opfer linker Gewalt, 37,7 Prozent Opfer rechter Gewalt. Bei den Gewaltdelikten überwiegen Körperverletzungen: Rechts motiviert waren 699 (Vorjahr: 672), links 870 (787).“

So lautet heute eine typische, tagesaktuelle Pressemeldung.

article106288993/Starker-Anstieg-von-politisch-motivierter-Gewalt.html

48,6 Prozent der politisch motivierten Gewalttaten kommen von links, 37,76 Prozent der politisch motivierten Gewalttaten kommen von rechts.

Oft wird daraufhin gesagt: „Klein Platz in unserem Bezirk für die Rechten! Rechte raus!“

Weniger oft heißt es: „Also kein Platz für die Linken in unserem Bezirk! Linke raus!“

Ich meine: Links und rechts haben durchaus noch ihre Aussagekraft. Das belegt ja schon der Ausdruck „linke Politik“, „Die Linkspartei“ usw.

Es wäre grundfalsch, wegen der in der Tat unleugbaren Fälle der linken Gewalt alle Linken unter einen Generalverdacht zu stellen! Solange die Linken zu Recht und Gesetz stehen, keine Straftaten begehen, nicht zu Straftaten auffordern und unseren Rechtsstaat anerkennen, ist nichts gegen sie persönlich einzuwenden. Im Gegenteil! Man sollte jede Gelegenheit nutzen, die politische Auseinandersetzung mit den Linken zu suchen. Fair, sachlich, entspannt, aber in der Sache klar und deutlich. Die grauenhaften, staatlich angeordneten Massenmorde der Kommunisten, Nationalkommunisten und Bolschewisten vieler europäischer Länder, begangen vor allem  in den Jahren 1917 bis 1953, dürfen dabei nicht verschwiegen, sondern müssen klar benannt, aufgearbeitet und erinnert werden. Hier stehen wir noch ganz am Anfang, denn sehr viele Tatsachen sind weithin unerforscht und unbekannt, insbesondere das, was in Ostpolen, in der Sowjetunion, Ukraine, Lettland, Litauen, Ungarn, Rumänien und Bulgarien in den Jahren 1917 bis 1953 geschah.

Ich schlage vor: Statt von „linker Gewalt“ sollte man lieber von linksextremistischer Gewalt oder von linksextremistischen Gewalttätern sprechen.

Eine Gesinnung ist kein Verbrechen!

Es wäre auch falsch, wegen der in der Tat unleugbaren Fälle der rechten Gewalt alle Rechten unter einen Generalverdacht zu stellen! Solange die Rechten zu Recht und Gesetz stehen, keine Straftaten begehen, nicht zu Straftaten auffordern und unseren demokratischen Rechtsstaat anerkennen, ist nichts gegen sie persönlich einzuwenden. Im Gegenteil! Man sollte jede Gelegenheit nutzen, die politische Auseinandersetzung mit den Rechten zu suchen. Fair, sachlich, entspannt, aber in der Sache klar und deutlich. Die grauenhaften, staatlich angeordneten Massenmorde der Faschisten, Nationalsozialisten und Nationalisten vieler europäischer Länder, begangen vor allem  in den Jahren 1919 bis 1945, dürfen dabei nicht verschwiegen, sondern müssen weiterhin klar benannt, weiterhin aufgearbeitet und weiterhin erinnert werden.
Ich schlage vor: Statt von „rechter Gewalt“ sollte man lieber von „rechtsextremistischer Gewalt“ oder von rechtsextremistisch motivierten Gewalttätern sprechen.

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März 172012
 

„Kuckt mal, wir Deutsche haben den unter deutschem staatlichem Befehl ermordeten Millionen Juden Europas in der Nähe des Bendlerblockes und der Wilhelmstraße ein stattliches Denkmal gesetzt, wollt ihr Russen nicht auch den unter russischem staatlichem Befehl ermordeten Juden Europas, den unter russischem staatlichem Befehl ermordeten europäischen Christen, Atheisten, Kommunisten, den unter russischem staatlichem Befehl ermordeten  Muslimen ein Denkmal setzen? – etwa in der Nähe der Lubianka?“ So frage ich manchmal.

„Wo denkst du hin? Die Stalinisten, das waren doch alles Verbrecher, Mörder, Räuber, Diebe und Banditen.  Das ist vorbei, damit sind wird durch. Wir brauchen endlich den Schlussstrich unter den Stalinismus. Es waren Kriminelle, nicht wir Russen. STELL DOCH NICHT SO VIELE FRAGEN!“

DU SOLLST NICHT WISSEN! Das Schicksal der Millionen und Millionen von Terroropfern (darunter auch sehr viele Deutsche), die ab 1917 in der Sowjetunion verschleppt, interniert, ermordet, erschossen und hingerichtet wurden, ist weiterhin fast vollständig ungeklärt. Selbst die Zahlen schwanken. Waren es nun 15 Millionen, oder 30 Millionen oder 50 Millionen? Wir wissen es nicht, und wir werden es vielleicht nie erfahren.

Heute wird gesagt: Das war alles Stalin. Er allein?

Es wird gesagt: alles eine Folge des deutschen Überfalls auf die friedliebende Sowjetunion! Wirklich?

Der verbrecherische Angriff der Hitleristen auf die Stalinisten, die ihrerseits vorher bereits mehrere Nachbarstaaten in verbrecherischen Angriffskriegen überfallen hatten, erfolgte 1941. Die großen Säuberungen des sogenannten „Stalinismus“  mit millionenfachen Morden unter dem Befehl der russischen Staatsorgane, riesige Umsiedlungen, Zwangskollektivierungen hingegen wurden zu „Friedenszeiten“ durchgeführt,  also  insbesondere in den Jahren 1937/38 und dann noch einmal in den frühen 50er Jahren.

War das nur STALIN? Hatte er nicht wenigstens eine Partei und einen Geheimdienst dabei? Hat er allein eigenhändig in „Friedenszeiten“ Millionen Menschen ermordet?

Verschleppung, Vertreibung, Versklavung – dieses Schicksal traf ab 1917 unter dem Nationalbolschewismus, dem gelobten „Kommunismus in einem Lande“, zahlreiche nationale Minderheiten, nicht nur die zugewanderten deutschen Emigranten, sondern auch die autochthonen Volksgruppen wie etwa die Ukrainer oder die „Wolgadeutschen.“

DU SOLLST NICHT FRAGEN!

In der DDR und den anderen Staaten des Kommunismus galten starke Frageverbote.

Loretta Walz und Annette Leo fragen heute trotzdem – danke! Sie zeichnen in ihrem Film „Im Schatten des Gulag – als Deutsche unter Stalin geboren“ das Schicksal der deutschen Emigranten nach, die in den 30er Jahren von den kommunistischen – oder besser den „stalinistischen“ –  Staatsorganen verschleppt, deren Familien zerstört, die verschickt und versklavt worden sind.

In der DDR war das Schicksal der verschleppten und vertriebenen Deutschen tabu. Das Wort Vertreibung der Deutschen durfte nicht verwendet werden. Noch heute zucken brave, tüchtige Menschen aus der früheren DDR peinlich berührt zusammen, wenn ich Namen wie Glogau oder Breslau in den Mund nehme, statt servil und korrekt Głogów und Wrocław zu sagen. Der deutsche Anteil in der Geschichte dieser Städte wird von sehr sehr vielen Deutschen – weniger als von Polen selbst – systematisch geleugnet.

„DU SOLLST NICHT ERINNERN!“

Keine Bange: Wenn ich Polnisch spreche, sage ich Wrocław wie die Polen, wenn ich Deutsch spreche, sage ich wie die Polen auch Breslau. Und wenn  ich feinfühlig erahne, dass meinen wackeren schuldzerfressenen Deutschen alles Deutsche furchtbar unangenehm und verhasst ist, switsche ich ins Englische oder Russische. Oder ich halte gleich die Klappe. Du sollst nicht reden! Alles paletti.

Dennoch gilt: Breslau war über Jahrhunderte hinweg eine überwiegend, obzwar nicht ausschließlich deutsch geprägte Stadt, das war nun einmal die Stadt, aus der beispielsweise die folgenden Nobelpreisträger stammen (Auszug aus der Wikpedia):

  • Theodor Mommsen (1902) – historyk, poeta oraz prawnik niemiecki
  • Philipp Lenard (1905) – fizyk, nagrodę otrzymał dzięki swej pracy nad promieniowaniem katodowym
  • Eduard Buchner (1907) – niemiecki profesor chemii. Prowadził badania z dziedziny związków cyklicznych (odkrycie pirazolu), nad alkoholową fermentacją drożdżową i procesami fermentacyjnymi
  • Paul Ehrlich (1908) – chemik i bakteriolog, wynalazł salwarsan – lekarstwo przeciwko kile stosowane przed wynalezieniem antybiotyków
  • Gerhart Hauptmann (1912) – dramaturg i powieściopisarz, był przedstawicielem nurtu naturalistycznego w teatrze
  • Fritz Haber (1918) – chemik niemiecki pochodzenia żydowskiego, nagrodę otrzymał za opracowanie metody syntezy amoniaku, umożliwiającej produkcję nawozów sztucznych
  • Friedrich Bergius (1931) – prace badawcze nad wysokociśnieniowym uwodornianiem węgla do węglowodorów ciekłych – benzyna syntetyczna (metoda Bergiusa), scukrzaniem drewna (hydroliza celulozy)
  • Otto Stern (1943) – fizyk, nagrodę otrzymał za swój wkład w rozwój metody wiązki molekularnej i odkrycia momentu magnetycznego protonu
  • Max Born (1954) – sformułował standardową obecnie interpretację kwadratu funkcji falowej (ψ*ψ) w równaniu Schrödingera jako gęstości prawdopodobieństwa znalezienia cząstki
  • Reinhard Selten (1994) – ekonomista niemiecki, Nagrodę Nobla otrzymał za osiągnięcia w dziedzinie teorii gier

Loretta Walz Videoproduktion

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März 012012
 

Mehrere Millionen Opfer des stalinistischen Terrors! Hä? Ja, warum habt ihr uns davon nichts gesagt?“

So oder so ähnlich mochte sich mancher Pole, mancher Russe, mancher Tscheche, mancher Lette wohl die Augen reiben, als ab 1991 die Archive wieder geöffnet wurden und die kommunistischen Redeverbote beseitigt waren.

Auf etwa 30 Millionen Getötete schätzt die aktuelle polnische Wikipedia die Opferzahlen des „stalinistischen“ Terrors – ohne die im Krieg getöteten Soldaten hinzuzurechnen, ohne die zivilen Opfer von Kriegshandlungen und kriegsähnlichen Handlungen dazuzurechnen.

„Was war schlimmer – unser Nationalsozialismus oder euer Stalinismus?!“ So fragte ich ab 1991 immer wieder Polen, Tschechen oder Russen.

Die vielen Antworten, die ich aus den ehemals kommunistischen Ländern erhielt, fasse ich so zusammen:
„Unser Stalinismus war selbstverständlich schlimmer als euer Hitlerismus! Erstens hat er weit höhere Terroropferzahlen hervorgebracht, zweitens richtete sich der kommunistische Terror unterschiedslos gegen alle im eigenen Land, drittens dauerte der Terror bei uns einige Jahrzehnte, bei euch dauerte er nur 12 Jahre.  Keine Bevölkerungsgruppe war bei uns einigermaßen geschützt. In Deutschland und den hitleristischen Ländern konnten sich vor dem Kriegsbeginn am 1. September 1939  außer den Juden, den oppositionellen Gruppen, den Zigeunern, den anderen rassisch Verfolgten, den Kommunisten, den Homosexuellen, den aktiv im Widerstand lebenden Christen und sonstigen Widerständlern die meisten anderen einigermaßen sicher fühlen, solange sie sich politisch nicht betätigten.

Anders in Russland und den anderen stalinistischen Ländern.  Hier konnte es auch vor dem Krieg bereits unterschiedslos nahezu alle treffen. Die Mordbefehle des kommunistischen Führers und seiner tausenden und abertausenden Helfershelfer konnten ab 1918 bis 1953 alle treffen. Wusstest du das nicht?“

Nein, das wusste ich nicht. Mir war immer erzählt worden, dass die größten Menschheitsverbrechen ausschließlich von deutschem Boden aus von den deutschen Faschisten begangen waren: nur die Deutschen und nur die deutschen Nationalsozialisten hatten die schlimmsten Menschheitsverbrechen begangen, das war bis etwa 1991 meine Meinung, so wurde es ja auch landauf landab verkündet.

Also: das absolute Böse in der Geschichte, das verkörperten die Deutschen und nur die Deutschen. Die Deutschen waren das absolute Unglück der Weltgeschichte. So wurde es erzählt.

„Niemand war sicher. So wurden auch nach dem 2. Weltkrieg von den Kommunisten in der sowjetischen Zone noch die Konzentrationslager Buchenwald und Oranienburg bis 1950 zusammen mit 8 anderen Speziallagern weiterbetrieben, um echte oder vermeintliche Gegner der Kommunisten wegzusperren und zu eliminieren – wusstest du das nicht?“

Nein, das wusste ich nicht. Nein, das war mir nicht erzählt worden.

Bis heute wissen es viele nicht. Es ist ihnen nicht erzählt worden, auch die Geschichte der Millionen anderen Terroropfer der kommunistischen Staaten Europas ist ihnen nicht erzählt worden.

Diese Erinnerungen kamen mir gestern wieder in den Sinn, als ich den Eintrag der polnischen Wikipedia zum Stichwort Stalinismus las.

Und Bert Brecht, Wyslawa Szymborska und Nazim Hikmet, haben sie etwas davon gewusst? Sie waren doch Unterstützer des Kommunismus?

So viele Berichte
so viele Fragen

Stalinizm – Wikipedia, wolna encyklopedia
Bilans stalinizmu[edytuj]

Terror, którego ofiary w latach 1929-1953 szacuje się na ok. 30 milionów ludzi[potrzebne źródło] w ZSRR i krajach satelickich.
Zniszczenie dziedzictwa kulturowego kilkunastu narodów w wyniku masowych przesiedleń i rusyfikacji.
Śmierć ok. 10 mln żołnierzy radzieckich podczas II wojny światowej. Tak duże straty były spowodowane w dużej części niekompetencją kadry dowódczej, co było związane z wielkimi czystkami w Armii Czerwonej przed wojną oraz rozkazami Stalina („ani kroku w tył“, Rozkaz Nr 270, itp.).
Doprowadzenie do zapaści ekonomicznej w wyniku planowania gospodarki przemysłowej bez uwzględnienia praw popytu i podaży.
Całkowite zablokowanie wymiany wolnej myśli i związana z tym atrofia kultury i twórczych badań naukowych.
Zniszczenie środowiska naturalnego na ogromnych obszarach spowodowane przez gwałtowny rozwój przemysłu i armii ZSRR.

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Feb. 272012
 

„Guten Tag, ich bin ihr Besuchsleiter. Hier auf diesem Gelände haben uns die Hitleristen gefangen gehalten“.

An meine erste Führung durch ein KZ erinnere ich mich gut. Es war Mitte der 70er Jahre. Zusammen mit einer Reisegruppe des Augsburger BDKJ besuchte ich Polen. Damals erwarb ich meine spärlichen Polnischkenntisse, die ich bis heute pflege.

Was der Überlebende des KZ Majdanek berichtet, war schwer erträglich. Die Schläge, die Quälereien, die unmenschliche Behandlung,

Aber „Hitleristen“? Darf man so einen Ausdruck verwenden? Damals hatte die DDR mit viel Aufwand es vermocht, den „Faschismus“ als Spätphase des Kapitalismus zu beschreiben. Jede Personalisierung wurde abgelehnt. Nur bei „Stalinismus“ drückte man ein Auge zu. Der XX. Parteitag der KPdSU fand es heraus: Nur Stalin und der Stalinismus hatte die Millionen und Abermillionen von Menschen umgebracht, alle anderen Kommunisten ab Lenin bis hin zu Ulbricht und Stoph waren folglich unschuldig.

Es ist spannend, an den verschiedenen Gedenkstätten des Grauens in Europa die Bezeichnungen zu lesen! Mal waren DIE DEUTSCHEN – les Allemands – die Urheber alles Bösen, dann wieder die Hitlerfaschisten, dann die Faschisten, dann die Nazideutschen, i nazisti tedeschi,  usw. usw. Immer waren die anderen die Bösen, fast immer waren die Deutschen und nur die Deutschen die Bösen. Und so ist es bis heute geblieben.

Das in den Medien entstehende Bild der Jahre 1917-1956 ist in hohem Maße verzerrt. So weiß beispielsweise kaum jemand, dass die Zahl der im inneritalienischen Bürgerkrieg Gefallenen in den Jahren 1943-1945 weit höher ist als die Zahl der von den deutschen Nazifaschisten getöteten Italiener. Der ebenfalls blutige, erbitterte  griechische Bürgerkrieg von 1946 bis etwa 1956, der Griechenland zu einem gespaltenen Land machte, ist fast völlig vergessen, und weithin unbekannt ist die innige Waffenbrüderschaft der deutschen Nazifaschisten und der ruhmreichen Sowjetarmee, die am 22.09.1939 in Brest-Litowsk in einer gemeinsamen, lächelnd-waffenstarrenden Triumphparade der Nationalsozialisten und der Kommunisten gipfelte (Video).

Aber seit jenen ersten Gesprächen mit einem ehemaligen Insassen des KZ Majdanek weiß ich, dass es schwierig ist, alle Schuld den Deutschen zu geben, zumal ja die Sowjetunion zeitgleich mit den Nazis ihre Nachbarn Polen, Lettland, Estland, Litauen, Finnland, Rumänien ebenfalls mit Angriffskriegen, Lagersystem, staatlich gedecktem Massenmord und blutiger Verfolgung quälte. In den genannten Ländern gab es häufig nur die Wahl zwischen Stalinismus und Hitlerismus. Ein drittes gab es oft nicht.

Ich weiß es genau von den Überlebenden und aus der Literatur: Freiwillige Nazis gab es unter allen Völkern Europas, also auch unter den Norwegern, Schweden, Finnen, Polen, den Russen, den Ukrainern, den Letten, Griechen, Tschechen, Italienern, Ungarn und Litauern. Aus vielen Ländern, unterworfenen und nicht besetzten, wurden Freiwilligenverbände gebildet, die Seit an Seit mit den deutschen Nazis kämpften, folterten und töteten. Von 1933- 1945 hielten sie zu Hitler. In diesem Sinne durfte man später international von Hitlerismus sprechen, und in der Tat war früher der Ausdruck Hitlerizm unter den ehemaligen polnischen KZ-Insassen durchaus gang und gäbe. In der Lagerhierarchie standen die Deutschen zwar oben, aber danach kamen gleich die unzähligen Handlanger und Verbündete, die HitleristenHitler’s willing executioners.  Die Kapos, die entscheidende Stütze des Lagersystems waren fast nie Deutsche, sondern Angehörige anderer Nationen.

Freiwillige und überzeugte Nazis gab es 1933-1945 überall, und selbstverständlich gab es damals und gibt es auch heute russische Nazis und russische Neonazis. Man sollte sich also über das Wiederaufleben der Nazis in den ostdeutschen Ländern (früher DDR) und Russland nicht wundern, zumal der Schuljugend in der Sowjetunion und der DDR das Blaue vom Himmel heruntergelogen wurde.

Freiwillige Kommunisten gab es ebenfalls überall, und zu Zeiten Stalins waren sie fast alle entschiedene Befürworter der Repression, des Gulags und der brutalen Ausmerzung der „fremdvölkischen“ Eliten, wie sie Russland etwa 1939 in Polen vollzog. Erst nach 1956 kam der Ausdruck Stalinismus in Mode.  Ein Bert Brecht, ein Nazim Hikmet hätten sich dagegen verwahrt, als Stalinisten bezeichnet zu werden. Sie waren Kommunisten und Marxisten, und sie unterstützten ohne Zweifel die Kommunistische Partei der Sowjetunion unter der Führung des großen, ruhmreichen Führers Stalin. Als Stalinisten würde ich Brecht und Hikmet dennoch nicht bezeichnen, obwohl sie die Sowjetunion bereisten und sich ein Bild von der „stalinistischen“ Repression machen konnten – hätten machen können.

Der Ausdruck Hitlerismus ist ebenso falsch oder richtig wie der Ausdruck Stalinismus.

Staunenswert aber, dass ausgerechnet diese beiden erklärten Kommunisten, Bert Brecht und Nazim Hikmet  bei der Gedenkfeier im Berliner Schauspielhaus vor wenigen Tagen mit ihren Versen als Kronzeugen des Kampfes gegen neonazistische Gewalt zitiert wurden!

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Jan. 192012
 

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The British, the British, the British are best,
I wouldn’t give tuppence for all of the rest

Derartig stolzgeschwellte Bocksgesänge sang ich gern selbst gelegentlich mit meinen britischen Kolleginnen und Kollegen mit, wenn es um lustiges Laienspiel ging. Diese Zeilen fielen mir wieder ein, als ich kürzlich  „The Kaiser’s Holocaust – Germany’s forgotten Genocide“ von David Olusoga und Casper W. Erichsen las. Kein lustiges Thema. Die Autoren stellen bereits im Titel die Einzigartigkeit des Holocaust in Frage. Denn wenn der deutsche Kaiser bereits in Deutsch-Südwest-Afrika einen Holocaust beging, wird dadurch unterstellt, es habe nicht nur einen von den Deutschen begangenen Holocaust gegeben. Die Deutschen wären erneut gebrandmarkt als das Volk des – diesmal doppelten – Holocaust. Soweit nichts Ungewöhnliches.

Gefröre einem nicht das Blut in den Adern, wäre man versucht zu singen:

The Germans, the Germans, the Germans are worst
I wouldn‘ give twoppence for all others‘ burst …

Dürfen die Autoren aber eigentlich die Einzigartigkeit des Holocaust in Frage stellen? Viele kluge und weniger kluge Argumente für und wider sind darüber gesagt und gedruckt worden.

Die Welt ist offenbar weiterhin einig, dass die Deutschen und nur die Deutschen die schlimmsten Menschheitsverbrechen begangen haben. Selbst die Deutschen fangen ja bereitwillig an dies zu glauben. Das geht so weit, dass man sagen kann: Selbst wenn es einen zweiten Holocaust gegeben haben sollte, hätten ihn denknotwendig immer noch die Deutschen und nur die Deutschen begangen. So bleibt alles in Ordnung. Das ist der Sinn des Buchtitels „The Kaiser’s Holocaust“.

Auf über 6 Millionen Tote schätzen Historiker die Zahl der in der Shoah (vulgärsprachlich Holocaust) von staatlichen Organen und deren willigen Helfershelfern ermordeten europäischen Juden. Staatliche Organe und Bürger fast aller europäischen Länder waren an diesem entsetzlichen Massenmord beteiligt. Historiker, die sich in die Archive und Zeitzeugenberichte hineinwagen, wissen es längst: Offenkundig war der Holocaust nicht die alleinige Schuld Deutschlands und der mit ihm verbündeten Staaten. Sowohl besetzte Länder als auch unbesetzte europäische Länder haben mit staatlichen Organen und mit Bürgern am Holocaust mitgewirkt.  So hat etwa der nicht von den Deutschen besetzte Teil Frankreichs, der Französische Staat (vulgärsprachlich „Vichy-Regime“ genannt), haben französische Polizisten und Gendarmen bereitwillig und ohne jeden Zwang Juden an den deutschen Staat zur Ermordung ausgeliefert.

6 Millionen – eine schreckliche Zahl, hinter der sich unbeschreibliches Elend und Grauen verbirgt!

Auf weit über 55 Millionen Tote schätzt der Historiker Norman Davies die Zahl der von staatlichen Organen und Institutionen Getöteten, die von 1917-1953  in der Sowjetunion und sowjetisch annektierten Ländern ums Leben kamen – wohlgemerkt ohne Kriegsopfer. Weit über 55 Millionen tatsächliche oder vermutliche, echte oder eingebildete Gegner der kommunistischen Diktatur verloren ihr Leben in systematischen oder willkürlichen Erschießungen, durch Hinrichtungskommandos, in Lagern, in Gefängnissen, wurden erschlagen, deportiert, vertrieben, in den Hungertod getrieben. Schrecklich.

„Ein Toter ist eine Tragödie – eine Million Tote sind nur Statistik“, so sagte Stalin einmal. Die staatlichen Organe der Sowjetunion haben von 1917 bis mindestens 1953 dementsprechend gehandelt. Hinter den Dutzenden und Dutzenden Millionen Ermordeter der kommunistischen Diktaturen in der Osthälfte Europas stecken Tragödien, zerbrochene Familien, zerstörte Existenzen, verwüstete Landstriche.

6 Millionen Ermordete! 55 Millionen Ermordete! Das sind atemberaubende Zahlen, die einem das Blut in den Adern gefrieren lassen. Leider muss man die ungefähren Opferzahlen zusammenrechnen, um eine Vorstellung von der Dimension der Verbrechen zu erhalten. Kein Zweifel kann daran bestehen, welches der beiden totalitären Regime mehr Ermordete durch brutale Repression auf dem Gewissen hat. Offenbar haben die kommunistischen linken Diktaturen durch Verfolgung und Repression insgesamt weit mehr Tote, weit mehr Ermordete in den eigenen zivilen Bevölkerungen verursacht als die nationalsozialistischen und faschistischen rechten europäischen Diktaturen.

Ob man nun den Holocaust oder die Shoah der europäischen Juden einzigartig nennt oder nicht, ist meines Erachtens zweitrangig. Man sollte sich nicht den Mund fusslig über Einzigartigkeit reden, sondern der Millionen Opfer aller systematischen Massenmorde, die sich gegen Völker, gegen Klassen, gegen echte oder eingebildete Feinde richteten, gedenken.

Jeder Mord ist in gewisser Weise einzigartig, ist das schlimmste Verbrechen. „Wer einen Menschen tötet, tötet die Menschheit“, sagen Talmud und Hadithe übereinstimmend.

Dass aber systematischer Massenmord sich geplant oder willkürlich gegen ganze Völker, gegen Religionen oder Menschengruppen, gegen Klassen oder Rassen richtete, ist leider in der Menschheitsgeschichte mehrfach vorgekommen. Es geschah in deutschem Namen in Deutsch-Südwestafrika, es geschah aber auch nicht minder brutal in belgischem Namen in Belgisch-Kongo, in französischem Namen in Algerien, in italienischem Namen in Libyen und Abessinien.

Das EU-Parlament sollte versuchen, auch den vergessenen Opfergruppen Gerechtigkeit im trauernden Gedenken widerfahren zu lassen. Dabei sollten Deutsche vor allem die Opfer der von Deutschen begangenen Verbrechen, Russen die Opfer der von Russen begangenen Verbrechen, Belgier die Opfer der von Belgiern begangenen Verbrechen, Europäer die Opfer der von Europäern begangenen Verbrechen betrauern. Nur aus der Trauer über die selbstbegangenen Verbrechen der eigenen Völker kann Versöhnung erwachsen.

Ganz anders sieht dies jedoch eine Gruppe von EU-Abgeordneten, – worüber heute die taz berichtet:

EU-Abgeordnete formulieren Appell: Der Holocaust ist einzigartig – taz.de

Quellenangaben:

David Olusoga und Casper W. Erichsen: The Kaiser’s Holocaust – Germany’s forgotten Genocide. Faber & Faber, London 2010

Frank Brendle: Der Holocaust ist einzigartig. taz online, 19.01.2012

Norman Davies: Categories of people killed in Soviet Russia and the Soviet Union 1917-1953 (excluding war losses, 1939-1945), in: Europe. A History. Pimlico, London, 1997,  S. 1328-1329

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Nov. 292011
 

Was wiegt ein Menschenleben? Alles! Was wiegen tausend, hunderttausend, eine Million Tote? Sie sind Statistik. Eines von Millionen Schicksalen greift heute dankenswerterweise Maxim Leo in der Berliner  Zeitung auf S. 3 heraus und erzählt es packend: Alex Glesels Eltern zogen als überzeugte Kommunisten 1931 aus Berlin nach Russland, um dort den Kommunismus mit aufzubauen. Im September 1937 holt ein sowjetisches Erschießungskommando seinen Vater aus der Wohnung. In einem Waldstück in der Nähe von Leningrad wird der Vater erschossen. Er ist einer von einer hohen zweistelligen Millionenzahl unschuldiger Menschen, die ab 1918 auf staatlichen Befehl innerhalb der Sowjetunion ermordet wurden. Maxim Leo schreibt:

In dem Waldstück, in dem Glesels Vater starb, wurden innerhalb einer Woche 43 000 Menschen von Erschießungskommandos ermordet und verscharrt. Das geht aus den Exekutionslisten des sowjetischen Geheimdienstes NKWD hervor, die später gefunden wurden. Insgesamt wurden neuesten Forschungen zufolge allein in den Jahren 1937 und 1938 in der Sowjetunion etwa drei Millionen unschuldige Menschen auf staatlichen Befehl hin ermordet. Zu den Terroropfern gehören auch etwa dreitausend Deutsche, darunter viele Kommunisten.

Die Mutter wird 1941 kurz nach dem Angriff Deutschlands auf die Sowjetunion vom Sohn getrennt. Erst 1948 wird er sie in Karaganda wiedersehen. Alex schuftet unter Tage.

1956 darf Alex Glesel nach Berlin ausreisen. Reden über das, was er erlebt hat, darf er nicht. DU SOLLST NICHT WISSEN!, ist die Devise. „Für die Deutschen ist er der Russe, der seltsame Typ, der nicht mit ihnen lachen kann.“

Ab 1956 etwa setzte eine Umkehr ein. Man einigt sich darauf, dass Stalin diese Millionen und Abermillionen Menschen umgebracht hat. Man spricht von Fehlern und dass man die Zukunft meistern müsse. Die Vokabel „Stalinismus“ wurde gefunden. Es waren nicht Ulbricht, Pieck und Wehner, die die Todeslisten ergänzten, sondern es war der „Stalinismus“.

Zeitgeschichte: Lebenslänglich | Gesellschaft – Berliner Zeitung
In dem Waldstück, in dem Glesels Vater starb, wurden innerhalb einer Woche 43 000 Menschen von Erschießungskommandos ermordet und verscharrt. Das geht aus den Exekutionslisten des sowjetischen Geheimdienstes NKWD hervor, die später gefunden wurden. Insgesamt wurden neuesten Forschungen zufolge allein in den Jahren 1937 und 1938 in der Sowjetunion etwa drei Millionen unschuldige Menschen auf staatlichen Befehl hin ermordet. Zu den Terroropfern gehören auch etwa dreitausend Deutsche, darunter viele Kommunisten.

Quelle: Maxim Leo: Lebenslänglich. Berliner Zeitung, 29.11.2011

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Das also ist der Püdelin Kern!

 Europäische Bürgerkriege 1914-????, Feig, Freiheit, Vergangenheitsbewältigung  Kommentare deaktiviert für Das also ist der Püdelin Kern!
Okt. 272011
 

Der israelisch-jüdisch Militärhistoriker Martin van Creveld hat mehrfach in der „Jungen Freiheit“ veröffentlicht. Sieh an! Unverzeihlich in den Augen der strammen GesinnungswächterInnen. Sie rufen zum Boykott, zum Ausschluss des jüdischen Wissenschaftlers auf. Alles wie gehabt. Militante deutsche Gruppen behaupten die Welt von unrechten Meinungen säubern zu müssen, feige deutsche Professoren und deutsche Universitätsgremien passen sich speichelleckerisch an. Geschehen in Rheinland-Pfalz im Jahr 2011. Würdelos wie gehabt.

Offener_Brief_211011.pdf (application/pdf-Objekt)

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Die Versiegelung der europäischen Geschichte

 Europäische Bürgerkriege 1914-????, Vergangenheitsunterschlagung  Kommentare deaktiviert für Die Versiegelung der europäischen Geschichte
Okt. 262011
 

Wieder und wieder stoße ich auf Grab- und Bodenplatten der europäischen Geschichte – Vorgänge, die verdrängt und vergessen werden, die aber machtvoll nach oben quellen. Die schrecklichen Bürgerkriege innerhalb vieler europäischer Länder gehören zu diesen furchtbaren Vergessenheiten. Wer weiß etwa in Italien, dass der italienische Bürgerkrieg in den Jahren 1943-1945 – „Italiener schießen auf Italiener“ – weit mehr Todesopfer im Bel paese gefordert hat, weit furchtbarer war als alle Kämpfe im Kontext des zwischenstaatlichen Krieges? Wer weiß etwa heute, dass die Massenmorde der Italiener in Addis Abbeba, der Hauptstadt des italienisch besetzten Abessinien, im Februar 1937 Tausende von unschuldigen Zivilisten das Leben kosteten? Kein Italiener ist für die staatlich gedeckten und angeordneten Massaker je zur Rechenschaft gezogen worden, es gibt meines Wissens über die Kriegs- und Kolonialgräuel der Italiener keinen einzigen Spielfilm. Keine Schulklasse reist mit einem Zug der Erinnerung nach Libyen oder ins kroatische Rab, um ehemalige italienische Konzentrationslager oder Stätten italienischer Massenmorde wie etwa Debrá Libanós zu besuchen. Die allermeisten italienischen Schüler hören nie etwas davon. Lieber bleibt man bei der Vorstellung Italiani – brava gente. „So etwas haben wir nicht getan, denn wir können es nicht getan haben. Denn wir sind gut.“ Und so bleiben die finstersten Kapitel des nationalen Epos versiegelt. Nur wenige Historiker wie etwa Angelo del Boca rütteln an diesen Überzeugungen.

Gleiche Situation in Griechenland, in Lettland, in der Ukraine, in Russland! Die Länder üben sich im Vergessen, Verschütten, Verdrängen. Und schuld an der Schuld, schuld an den Schulden sind immer die anderen. Das ist das große Thema etwa des griechischen Regisseurs Theo Angelopoulos. Über ihn schreibt heute Andreas Kilb auf S. 36 in der FAZ:

„Das Land, das sich im Bürgerkrieg gespalten hat, ist niemals eins geworden, es hat seine Zerrisssenheit nur verdrängt. Damit die Mächtigen bei ihren Silvesterfeiern unter sich bleiben konnten, wurde das Wahlvolk mit Geldgeschenken beschwichtigt. Und wie der tote Partisan, der am Ende des Films wieder im Schnee verbuddelt wird, blieb das finsterste Kapitel des nationalen Epos unter Verschluss.“

Quellenangaben:

Andreas Kilb: Die letzten Tage der besseren Gesellschaft. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26.10.2011,  S. 36
Paul Ginsborg: Salviamo l’Italia. Giulio Einaudi editore, Torino 2010, S. 71-72

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„Scheitert die EVG, scheitert Europa!“

 Europäische Bürgerkriege 1914-????, Europäische Union, Krieg und Frieden  Kommentare deaktiviert für „Scheitert die EVG, scheitert Europa!“
Okt. 252011
 

Riesige Hoffnungen knüpften sich 1955 an das gemeinsame Projekt der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG). Ein Europa, das durch wirtschaftliche Interessen begründet wurde, war nicht Sinn und Absicht der Gründerväter. Vielmehr wollten sie vor allem die Abfolge verheerender Kriege endgültig unterbechen, die etwa ab 1905 den gesamten europäischen Kontinent erschüttert hatten.

Von diesen zahllosen Kriegen und Bürgerkriegen weiß heute kaum mehr jemand etwas. Um nur ein Beispiel herauszugreifen: Fast niemand weiß, dass Griechenland, bis 1940 ein enger Verbündeter Italiens, nach dem kriegerischen Überfall  der Italiener auf ihr Land und der anschließenden Eroberung und Besatzung durch die Deutschen in einen mörderischen Bürgerkrieg hineingeriet, der erst 1949 beendet wurde: Grieche kämpfte damals gegen Grieche, faschistische Griechen, die mit den Italienern und Deutschen zusammenarbeiteten, kämpften gegen kommunistische Griechen, die von Moskau unterstützt wurden. Der Widerstand gegen die Besatzung war auch ein Bruderkampf zwischen Griechen, der sich jahrzehntelang fortsetzte in griechischer Obristen-Diktatur und rotem Terrorismus.

Aus jenen Jahren stammt auch das Muster der Geld-Umverteilungspolitik, von dem die griechische Volkswirtschaft sich offenbar bis heute nicht befreit hat. Woher das Geld kommt – ob nun aus Steuerverkürzung, Steuerhinterziehung, Subsidien, Wohltaten und Subventionen des griechischen Staates oder der Europäischen Union – ist zweitrangig. Stets geht es bei der Umverteilungspolitik darum, möglichst viel von dem durch den Staat verwalteten und verteilten Geld für sich, für die eigene Familie, für die eigene Sippe herauszuschlagen.

Die Europäischen Gemeinschaften, etwa die Montanunion EGKS oder EWG waren gedacht als Bollwerk gegen die jahrzehntelang aufflammenden Kriege und Bürgerkriege der europäischen Staaten. Eine starke wirtschaftliche Verflechtung der Wirtschaft, insbesondere der Schwerindustrie, würde weitere Kriege, als wirtschaftlich sinnlos, verhindern.

Neben diese wirtschaftliche Verflechtung sollte auch eine gemeinsame Verteidigungspolitik treten.  An diese „Europäische Verteidigungsgemeinschaft“ glaubte insbesondere Konrad Adenauer mit großer Leidenschaft. Immer wieder beschwor er seine Partei und auch die anderen Parteien, dem Projekt zuzustimmen. Mehrfach knüpfte er sein politisches Schicksal an das Gelingen der EVG. „Scheitert die EVG, scheitert Europa!“ Dass die französische Nationalversammlung die EVG bereits vor dem Entstehen zu Fall brachte, war für Adenauer die bitterste Enttäuschung, die größte Niederlage seines Politikerlebens, wie er selbst im Gespräch mit Günter Gaus einmal ohne Umschweife einräumte.

Es ist  unüberbietbar spannend  nachzulesen, wie sehr Adenauer damals an der militärischen Verflechtung Europas interessiert war. Er glaubte einige Jahre lang, dass nur eine gemeinsame europäische Streitmacht den Krieg dauerhaft aus Europa verbannen würde.

Zurück ins Jetzt! Navid Kermani hat gestern in der Süddeutschen Zeitung den Begriff der Freiheit, als des entscheidenden Tragewerkes der europäischen Einigung, herausgearbeitet. Weder die Wirtschafts- noch die Militärunion, so Kermani, machen den Sinn und Zweck der Europäischen Union aus. Vielmehr ist es die emphatische Berufung auf die zentralen Werte der Freiheit jedes einzelnen Menschen, der Brüderlichkeit unter den Menschen aller Herkünfte, der gleichen Rechte für alle Bürger der Europäischen Union, die dieses großartige Unternehmen zusammenhält.

Was würde Adenauer sagen, wenn er uns zusähe? Ich meine, er würde uns ermuntern und ermahnen: „Lasst euch nicht entmutigen! Besinnt euch auf das, was euch stark macht!  Haltet zusammen – aber seht die EU nicht vorrangig als Raum der Wirtschaft, sondern als Raum der Freiheit. Die Wirtschaft soll der Freiheit des Menschen dienen! Die Europäische Union stand und fiel nicht mit der EVG, wie ich damals annahm. Sie steht und fällt auch nicht mit den wirtschaftlichen Kennziffern. Sie ist aber auch keine Geld-Umverteilungsmaschinerie! Nichts ist alternativlos, solange ihr Sinn und Inhalt der Europäischen Union nicht aus den Augen verliert. Haltet an den Begriffen der Freiheit fest, kämpft für den Frieden. Haltet zusammen!“

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Okt. 122011
 

Für die außerordentliche schmerzhafte Gewissenserforschung, die unsere französischen Nachbarn seit etwa 3 Jahrzehnten betreiben, sei heute stellvertretend für viele andere das Zeugnis des Widerstandskämpfers und Historikers Jean-Louis Crémieux-Brilhac angeführt:

Vidéo Ina – Révélations sur la deuxième guerre mondiale , vidéo Révélations sur la deuxième guerre mondiale , vidéo Politique Politique internationale – Archives vidéos Politique Politique internationale : Ina.fr

Viele Forschungen, viele Bücher lassen kaum mehr etwas übrig von dem sinnstiftenden Heldenmythos, wonach die Franzosen ein einig Volk von Widerstandskämpfern gewesen seien. Nach dem Überfall durch die Deutschen trat die Zerklüftung der französischen Gesellschaft offen zutage, so erzählt es in diesem Fernsehgespräch Crémieux-Brilhac: Die Kommunisten lehnten den Kampf für den imperialistischen Staat ab, ein großer Teil der französischen Rechten sympathisierte mit den Deutschen und errichtete im unbesetzten Süden einen autoritär-reaktionären Staat, Pazifisten und Defätisten hielten den Krieg für sinnlos.

Waren die Franzosen ein von den Deutschen gewaltsam unterdrücktes Volk, das rebellisch gegen die fremden Besatzer aufbegehrte? Das Gegenteil ist richtig. Zu keinem Zeitpunkt umfasste die Résistance mehr als 2-3 % der Bevölkerung. Die überwältigende Mehrheit der Franzosen arrangierte sich, kooperierte sowohl mit dem deutschen Besatzungsregime wie auch mit dem im Süden verbleibenden État français des Marschalls Pétain. Dieser Französische Staat erließ aus freien Stücken ohne Aufforderung durch Deutschland im Jahr 1940 rassistische Gesetze, mit denen die Juden aus den öffentlichen Ämtern und aus dem öffentlichen Leben verdrängt wurden. Die französische Polizei lieferte in systematischer Weise und widerstandslos Juden an die Deutschen zum Abtransport in die Konzentrationslager aus. Die französische Verwaltung blieb von den Deutschen weitgehend unangetastet und kollaborierte in der Regel reibungslos mit den Besatzern. Wichtige Industriebetriebe wie etwa die Renault-Werke, die ihren Umsatz von 1940 bis 1944 verfünffachten, machten während des Krieges prächtige Geschäfte mit den Deutschen und mit anderen Ländern, insbesondere den Amerikanern.

Die quälende, nachholende Aufarbeitung dieser bereitwilligen Unterwerfung und In-Dienststellung der überwältigenden Mehrheit der Franzosen unter die nationalsozialistische Verbrechensmaschinerie hat viel Ringen und Kämpfen innerhalb der französischen Gesellschaft erfordert. Doch nur so kann die Résistance als das gewürdigt werden, was sie war: ein Akt der verzweifelten Auflehnung weniger Kämpferinnen und Kämpfer gegen die willfährige Mehrheit der Franzosen, ein Ausgreifen in die Idee der Freiheit und Würde, auf der ein Neubeginn nach 1945 möglich wurde.

Als Gründungsmythos der Vierten Republik war die legendenhaft überhöhte Erzählung der Résistance gleichwohl ein wichtiges Element! Man fühlt sich an Nietzsches Spruch erinnert: „Das hast du getan, sagt meine Erinnerung. Das kannst du nicht getan haben, sagt mein Gewissen. Erinnerung und Gewissen, Erinnerung und Selbstachtung kämpfen. Endlich gibt die Erinnerung nach.“ Diese Erkenntnis gilt nicht nur für einzelne Menschen, sondern auch für ganze Völker.

Es wäre ein Fehler, nur von der Résistance zu erzählen und den État français, die französischen Rassengesetze und überhaupt des ganze riesige Ausmaß der europäischen Zusammenarbeit mit dem deutschen Verbrechensregime zu verschweigen oder zu beschönigen.


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Okt. 102011
 

Wann begann für die Sowjetunion der 2. Weltkrieg? Dumme Frage, werdet ihr sagen – natürlich am 22. Juni 1941! Damals überfiel das Deutsche Reich aus heiterem Himmel die Grenzen zur stets friedliebenden Sowjetunion und brachte Massenmord, Vernichtung, Ausplünderung in das bis dahin wahrhaft menschenfreundliche kommunistische Reich.

So haben es Generationen von russischen und deutschen Schülern gelernt, so wird es auch heute noch sehr oft dargestellt. Ist das wirklich so, dass die Sowjetunion wider Willen in einen Weltkrieg hineingezogen wurde, mit dem sie bis zum 22.06.1941 nichts zu tun hatte?

Es nimmt mich schon nicht mehr wunder stets von neuem zu sehen, dass der Überfall der Sowjetunion auf Polen vom 17. 09.1939 und die anschließende Annexion Ostpolens im öffentlichen Bewusstsein unserer Länder (Deutschlands und Russlands) ebenso vergessen ist wie die sowjetrussischen Überfälle von 1939 auf die anderen Staaten im Ostseeraum, also auf die Staaten Litauen, Estland und Lettland, die von der friedliebenden Sowjetunion gewissermaßen verschluckt wurden, während das 1939 ebenfalls von der Sowjetunion angegriffene Finnland immerhin unter Abtretung eines Teilgebietes die staatliche Eigenständigkeit behielt. Wer kennt diese Tatsachen heute noch außer einigen wenigen Historikern – und den damals von der Sowjetunion friedlich verschluckten Völkern der Polen, Esten, Litauer und Letten?

Man ignoriert die außenpolitischen und militärischen Großtaten der Sowjetunion vor 1941 und lässt ansonsten Stalin weiterhin einen guten Mann sein. Völlig vergessen wird, dass die Sowjetunion ab 1939 sofort nach der Besetzung der genannten Länder einen unerbittlichen Terrorapparat mit Massenhinrichtungen (Stichwort Katyn), Arbeitslagern und grausamer Bekämpfung aller vermuteten oder echten Widerstandskämpfer und vermuteter oder echter Partisanen installierte.

Ein kürzlich erschienener Aufsatz von Irina Scherbakowa bringt mir einige dieser heute weithin vergessenen Tatsachen wieder ins Blickfeld. Die russische Historikerin berichtet darin auch von der heute längst vergessenen Русская освободительная армия РОА, der regulären „Russischen Befreiungsarmee“, die nach Angaben der russischen Wikipedia mit immerhin 350.000 Mann, also fast mit doppelter Stärke der heutigen Bundeswehr, Seit an Seit mit den deutschen Truppen gegen Stalin kämpfte. Waren dies alles Vaterlandsverräter? Die Befreiung Russlands von der Geißel des Stalinismus schien diesen Freiwilligen so wichtig, dass sie den Pakt mit dem Teufel Hitler eingingen.

Mein persönliches Zwischenergebnis: Europa leidet weiterhin an an einem höchst beunruhigenden Gedächtnisverlust. Man könnte es mit einem Ausdruck Jorge Sempruns auch „Doppelgedächtnis“ nennen, Teil-Amnesie, Phantom-Vergesslichkeit … wie auch immer: Mit derart einseitiger Historiographie wird bis zum heutigen Tage massive Geschichtspolitik betrieben. Daraus werden bis zum heutigen Tage Ansprüche gegenüber Deutschland begründet. Und diese Ansprüche leiten sich von der weithin geteilten Annahme her: Da Deutschland und nur Deutschland dem gesamten Kontinent einen Krieg aufgezwungen habe, müsse auch Deutschland und nur Deutschland die gesamten Kriegsfolgekosten tragen. Unterbewusst läuft dieser Film in einer Endlosschleife überall ab.

Auch die Griechen scheinen es aktuell – ebenso wie die Italiener selbst – vergessen zu haben, dass es Italien und nicht Deutschland war, das Griechenland am 28.10.1940 überfallen und in den Krieg gezogen hat. Und deshalb erinnern die heute gegen Deutschland demonstrierenden Griechen an den Plätzen gerne an Hitler, aber gar nicht an Mussolini.

Irina Scherbakowa: Vaters Wahrheit. Wie der Große Vaterländische Krieg das Leben der Russen bis heute prägt. In: Die ZEITGeschichte. Heft 2/2011: Hitlers Krieg im Osten, S. 26-33.

Zu diesem Thema des „geteilten Gedächtnisses“ erreicht mich auch soeben ein frisch erscheinender, höchst lesenswerter Band aus dem Wallstein Verlag:

Freiheit, ach Freiheit …

Vereintes Europa – geteiltes Gedächtnis

Freiheit, ach Freiheit ...

Herausgegeben von Zsuzsa Breier und Adolf Muschg

Wallstein Verlag Göttingen · Freiheit, ach Freiheit …

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März 212011
 

Eine sehr bedenkenswerte Stimme im aufgeregten Durcheinanderreden: Volker Kauder. Der CDU-Fraktionschef bezeichnete heute die Ereignisse in  Libyen als „typischen Bürgerkrieg“, der auch zur Spaltung des Landes führen könne. Wenn dem so wäre, würde ich daraus folgern: Durch die Militärintervention sind die westlichen Mächte USA, Frankreich, Italien und Großbritannien zu Parteien im Bürgerkrieg geworden.

Ich meine: Ob man das Ganze Bürgerkrieg oder Verteilungskampf oder Aufstand, Binnenfehde um Ressourcen oder sonstwie nennt, ist zweitrangig. Entscheidend ist: Hier kämpfen verschiedene Gruppierungen des Volkes mit Waffengewalt um die Macht im Lande. Libyen ist immerhin ein vergleichsweise reiches Land, es gibt sehr viel zu verteilen. Beide Seiten – sowohl die Gefolgsleute des Herrschers als auch die Aufständischen – beanspruchen für sich, die Freiheit des libyschen Volkes zu verteidigen. Dafür – so behaupten sie – nehmen sie die Waffen in die Hand.

Erstaunlich kurz ist das Gedächtnis der westlichen Kommentatoren, die der Bundesrepublik Deutschland Feigheit oder Prinzipienlosigkeit vorwerfen. Wenn diese Kommentatoren sich nur kurz darauf besännen, dass alle heute bestehenden arabischen Diktaturen ausdrücklich als „Freiheitskämpfe“ begannen?

Dies gilt auch für Libyen: Gegen die alten Herren, die jahrhundertelang regierenden Osmanen, erhob sich die Senussi-Bruderschaft im 19. Jahrhundert. Gegen die neuen Kolonialherren, die Italiener, erhoben sich die Libyer unter Führung der Bruderschaft ab 1912. Gegen König Idiris erhoben sich Freiheitskämpfer unter Oberst Muammar Al-Gaddafi im Jahr 1969:  Stets wurde „Freiheit von Sklaverei, Fremdherrschaft und Unterdrückung!“ als Ruf verwendet. Und stets wurde daraufhin eine neue despotische Herrschaft errichtet, die manchmal noch willkürlicher, noch grausamer herrschte als die vorige Regierung.

Kauder kritisiert militärisches Vorgehen gegen Libyen | STERN.DE

Die westlichen Mächte USA, Frankreich, Italien und Großbritannien haben sich – angelockt durch den Hilferuf der arabischen Brudervölker Libyens – in ein unbedachtes Wagnis mit nicht absehbarem Ausgang gestürzt. Unbedacht aus mancherlei Gründen: Das Bündnis hat kein echtes strategisches Ziel vorzuweisen. Unverzeihlich finde ich: Die Interventionsmächte haben sich des konkreten Beistandes der arabischen Nachbarstaaten für konkrete Maßnahmen nicht versichert, sie haben ohne echte Ortskenntnis und offensichtlich ohne Kenntnisse der internen Machtverhältnisse losgeschlagen.

Sie haben die Rolle der NATO offensichtlich nicht geklärt, sie haben keine Führungsstrukturen installiert. Wie soll man das nennen? Naiv? Idealistisch? Egoistisch?

Die Äußerungen etwa einer Catherine Ashton, der Außenbeauftragten der Europäischen Union, zeugen von bemerkenswerter Unbekanntheit mit dem gigantischen Reichtum, den die Herrscher der arabischen Staaten, darunter die Libyens, angehäuft haben. Ashton verlangt allen Ernstes mehr finanzielle Leistungen Europas für die Unterstützung der arabischen Volkswirtschaften. Wir zitieren: „I want Europe to contribute billions of Euros to develop the economies of Libya, Egypt and Tunisia“.  So schrieb Ashton gestern im International Herald Tribune, S. 7. Eigentlich kaum fassbar, dass die höchste Vertreterin der europäischen Außenpolitik nicht weiß, dass wir  Tag um Tag Millionen von harten Euro in die ohnehin gutgefüllten Kassen Libyens einzahlen!

Die nüchtern abwägende Stellungnahme Volker Kauders hebt sich wohltuend von den allzu gut gemeinten, in Wahrheit nur naiv zu nennenden, eher erratisch handelnden Interventionen der westlichen Mächte ab. Kauder und seine Fraktion verdienen Unterstützung.

 Posted by at 14:35