Der Gepard von St. Ottilien

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Mrz 092013
 

Zu meinen allerfrühesten Kindheitserinnerungen gehört ein ausgestopfter Gepard im Museum der Missionare von St. Ottilien, der während der Familienfreizeiten meine und meines Bruders Aufmerksamkeit fesselte und mir bis zum heutigen Tage in den Sinn kommt, wenn ich Dantes unsterbliche Verse

„una lonza leggiera e presta molto,
che di pel maculato era coverta“

 halblaut vor mich hin murmele.


Die schlanke schnelle Pardelkatze
bedeckt von getüpfeltem Fell!

Das schnellste aller Landtiere, der Gepard, stand gezähmt, scheuen, in sich gekehrten Blicks vor uns! Was nützte ihm nun seine Schnelligkeit! Wo war die Steppe, wo war die Weite, wo war das Flirren der erhitzten Luft über der Serengeti! Wo jenes unvergleichliche Gefühl, das den Gepard durchströmt, wenn er in 300 oder 400 Meter Entfernung ein Beutetier erahnt und sich dann, geduckt pirschend, immer wieder Witterung einsaugend, zwischendurch endlose Minuten verharrend, sich dem arglosen Tier nähert, das dann, viel zu spät, in einigen wilden Haken vergeblich seinem Schicksal zu entkommen versucht. Ein geheimes Einverständnis scheint zwischen Jäger und Beute zu herrschen, so als wollte das eine dem anderen noch einmal seine ganze Kraft, seine hakenschlagende Geschicklichkeit zeigen, ehe der erlösende Tatzenhieb erfolgt und das Tier, einige letzte Male zuckend, sich dem Biss in die Halsschlagader ergibt.

So schien der Gepard zu träumen. Dies war seine Vergangenheit. Das Tier vor uns schien sich zu schämen, stand stolz aufgerichtet, endlos witternd hinter einer Glasscheibe. Und wir, die Vorschulkinder, waren klüger, lernten die Geschwindigkeiten auswendig, die das schnellste Landtier der Erde zu erreichen vermag, wenn auch nur für wenige Hundert Meter! 112 km/h, das war die Spitzengeschwindigkeit, die das rasch atmende Tier mit weit geöffneten Nüstern für 700-800 Meter durchzuhalten vermochte. Alles entschied sich in diesen wenigen Hundert Metern. Und aufs Ganze gesehen musste der Gepard verlieren. Irgendwann, so dachten wir, würden die Gazellen und Antilopen eine Warnungskette errichten. Dann wäre es aus, irgendwann, in zehn oder 15 Jahren vielleicht. Was sind schon 800 Meter im Vergleich zu 10 oder 15 Jahren! Es gab doch immer jemanden, der langsamer lief und deshalb viel mehr Zeit hatte.

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Sep 062012
 

Ein steter Mittler zwischen Ost und West ist für mich immer wieder in meinem Leben mein Onkel Adolf Hampel, der am 7. September 1933 in Klein-Herrlitz bei Troppau geboren wurde.  Er war es, der mich 1959, wenige Monate nach seiner im byzantino-slawischem Ritus erteilten katholischen Priesterweihe als seinen ersten Täufling auf den Namen Johannes des Täufers taufte. Bis zum heutigen Tag sehe ich diesen Taufnamen als steten Aufruf zum Umdenken, als Aufruf zur Aussöhnung der Väter und Söhne, als Versuch der Wiedergewinnung der verlorenen Sprachen, wie es ja insbesondere aus der im Lukasevangelium erzählten Geschichte um den Vater des Johannes, den vorübergehend verstummten Priester Zacharias, hervorgeht.

Das Ideal des freiwillig gewählten Konsumverzichts, das Johannes am Jordan vorzuleben versuchte, hat sich mir bereits in frühesten Kindertagen eingeprägt. Ich meine in der Tat: Bequemlichkeit ist kein Argument – im Gegenteil, etwas mehr Unbequemlichkeit, mehr Treppensteigen, mehr Verzicht, mehr Strampelei tut Herz und Sinn und Kreislauf gut.  Vor allem aber sehe ich das zentrale Motiv der Johannesgestalt im Gebot des Um-Denkens, also des Ausbruchs aus eingeschliffenen Routinen des bloß Zweckdienlichen, des allzu leichtfertig wiederholten Immergleichen.

In seinen Lebenserinnerungen schildert Adolf Hampel auch eine anekdotische Begebenheit, an der ich selbst beteiligt war: eine nette kleine Verhaftung in der bosnischen Stadt Bihać. Es war am 28. August 1968. Der Einmarsch der befreundeten Panzer aus den verbündeten Staaten in Prag lag gerade eine Woche zurück. Eine kleine Reisegruppe – bestehend aus Onkel Adolf, meinem Vater, meinem Bruder und mir – war von der Insel Rab aufgebrochen, um dieses wichtige Zentrum der bosnischen Muslime zu besuchen. Doch erregten wir offenkundig Verdacht bei der jugoslawischen Polizei UDBA: Wieso sollten einige Deutsche sich ausgerechnet eine Woche nach dem Einmarsch der Panzer des Warschauer Pakts in Prag für eine Moschee in Bihać interessieren? Da stimmte doch etwas nicht!

Schatten der Weltgeschichte, deren Sinn sich mir nicht enträtselte! Im Gedächtnis geblieben ist mir vor allem ein Spucknapf, der in der Polizeistation in einer Ecke stand. „Im alten Österreich-Ungarn fand sich so etwas häufiger in den Amtsstuben“, erklärte mir mein Vater mit leiser Stimme.

Das Missverständnis klärte sich nach langen Stunden auf. Ein Anruf bei den Milizionären auf der Ferieninsel ergab, dass es sich bei uns wirklich um eine harmlose Reisegruppe handelte, die im Kloster der hl. Eufemia wohne und  die den Milizionären besonders oft durch falschparkende Autos auffalle, was andererseits zu durchaus erwünschten Bußgeldzahlungen führe.

Die bosnische Moschee habe ich damals nicht gesehen. Aber  vor wenigen Tagen begrüßte ich eine Gruppe offensichtlich südslawischer Reisender bei uns im Hof mit einem herzhaften Dobar dan! und fragte:

– Woher kommt ihr?

– Aus Bosnien!

-Aha! Das kenne ich gut. Ich war schon als Kind in Bihać, der Stadt mit der berühmten Moschee!

Wir plauderten noch ein wenig, und so gelang mir die vollkommene Aussöhnung mit dem weit zurückliegenden Abenteuer, zusammen mit meinem Onkel, meinem Vater und meinem Bruder von der jugoslawischen Geheimpolizei UDBA verhaftet worden zu sein.

Ad multos annos, o Adolphe!

Quelle:

Adolf Hampel: „Falsch parken kann auch nützlich sein“, in: Mein langer Weg nach Moskau. Ausgewählte Erinnerungen. Gerhard Hess Verlag, Bad Schussenried, 2012, S. 152-155

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„Ihr seid nicht froh!“ Das Märchen vom Rabenkönig (1)

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Jun 062011
 

Stolz belebte den armen Blogger gestern! Vor vielen Leuten trug er auf dem Umweltfestival am Brandenburger Tor das Märchen vom Rabenkönig vor, verzierte den Vortrag mit allerlei Liedern und Stücken und ermunterte zu guter Letzt die Volksmenge, einen deutschen Kanon vierstimmig zu singen!

Das ukrainische Volksmärchen „Der Rabenkönig“, das mir erstmals von der Berliner Märchenerzählerin Nina M. Korn erzählt worden ist, habe ich gestern neu umgeformt. So hub ich es gestern auf dem Umweltfestival an:

Es war einmal ein Bauer, der hatte drei Söhne. Tag um Tag gingen sie mit dem Ochsen hinaus aufs Feld um zu ackern und zu pflügen. Mit ihrer Arbeit schufen sie sich ihr Brot. Doch eines Abends verfinsterte sich die Sonne und es landete ein dunkler schwarzer Adler bei ihnen.

„O ihr Erdlinge, was plagt ihr euch? Der Rabenkönig schickt mich zu euch.  Ihr braucht nicht mehr zu ackern und zu pflügen. Der Rabenkönig schickt euch in dieser Dose neues Saatgut, das von selber wächst. Nehmt es an.“

Darauf erwiderte der Bauer: „Das kann ich nicht glauben. Tag um Tag, Jahr um Jahr plagen wir uns ab. Wir haben schwielige Hände. Nein, ich glaube nicht, dass wir ohne Arbeit satt werden können.“

Der Adler krächzte: „Oh ihr lächerlichen Seepferdchen! Schaut euch doch an! Ihr seid nicht froh! Wir machen euch froh! Der Rabenkönig sucht junge Männer für sein Gefolge. Einen von deinen Söhnen musst du mir geben im Tausch für das neue Saatgut. Das verlangt der Rabenkönig.“

„Nein, meine Söhne sind das wertvollste, was ich habe. Niemals geb ich sie her“, flehte der Bauer.

Der Adler legte seinen Kopf zurück, stieß drohend mit dem Schnabel in Richtung des Bauern und  schnarrte mit laut krächzender Stimme:  „Wenn du mir keinen Sohn gibst, dann muss ich deinen Ochsen mitnehmen. Das befiehlt der Rabenkönig.“

„Dann soll es so sein“, ergab sich der Bauer kleinlaut in sein Schicksal.

Ohne weitere Worte packte der Adler den Ochsen mit kräftigem Hieb seiner Klauen und erhob sich mit gewaltigem Flügelschlag …

(Fortsetzung folgt)

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Mai 312011
 

Kaum jemand weiß es, aber den klimaschützerischen Grünen müsste es wenigstens bekannt sein: Seit 1970 hat sich die durchschnittliche Wohnfläche, die jedem Bundesbürger zur Verfügung steht, verdoppelt. Und Gebäudeheizung verursacht etwa 35-40% der Treibhausgase. Wäre es da nicht eine gute Idee, die Menschen zum freiwilligen Verzicht auf Wohnraum aufzufordern?  Ebenso wie ich sie seit Jahren zum Umsteigen vom Auto auf das Fahrrad und den ÖPNV auffordere?

Nicht der Verkehr, sondern das Wohnen, Heizen und Kochen hinterlässt den größten CO2-Abdruck!

Am klimaschädlichsten sind ja zweifellos die um sich greifenden Einpersonenhaushalte. Die Versingelung der Berliner Gesellschaft schreitet voran, sie liegt jetzt bei 55% aller Haushalte. Selbst der Regierende Bürgermeister fordert, das Land solle neue Ein-Personen-Wohnungen für Studenten bauen und anbieten. Nun, früher wohnte man „zur Untermiete“. Ich selbst fing mein Studentendasein an der FU als Untermieter einer Witwe an, die ihre Zehlendorfer 4-Zimmer-Wohnung auch durch das Vermieten zweier Zimmer an Studenten finanzierte.

Der Klimaeffekt  der Untermieter ist minimal, weil die Grundheizung der Wohnung sowieso erfolgt.

Später merkte ich, dass ich für weniger Geld im Subventionsparadies West-Berlin eine 1-Zimmer-Wohnung mieten und bewohnen konnte. So zog ich in die Hornstraße in Kreuzberg – nur einen Steinwurf von meinem jetzigen Wohnort entfernt. Ich zahlte 56 DM kalt und schippte Kohlen in den Kachelofen. Die Außentoilette im Treppenhaus und das Fehlen einer Dusche störten mich nicht.

Meine Klimabilanz verschlechterte sich allerdings, denn nun trug ich über den Kachelofen zur Feinstaubbelastung der Luft und zur Freisetzung schädlichen Kohlendioxids viel mehr bei als vorher. Das dank der eigenen Mietwohnung eingesparte Geld kratzte ich zusammen und leistete mir einen 10 Jahre alten Ford Escort, den ich für 1000 DM bei einem Autohändler am Südstern kaufte. Eine Stelle als studentische Hilfskraft an der FU ermöglichte mir einen Lebensstil, von dem ich früher nur hätte träumen können – auch dank der Berlin-Zulage.

Ich war reich, denn ich hatte eine eigene Mietwohnung, ein Auto und jede Menge Spaß! Ich hatte damals mehr Geld in der Tasche als heute ein türkischer Arbeiter mit seinem gesetzlichen Mindestlohn!

Und heute? In manchen Bezirken der Stadt Berlin stehen riesige Flächen innerhalb der Wohnungen und Häuser leer, es gibt enorm viel ungenutzten Platz in den Wohnungen, den die Menschen teilen könnten. Das Geschrei über Mietsteigerungen und „Vertreibungen“ ist groß und grotesk, dabei stehen in Berlin sehr viele Zimmer leer. In den Plattenbausiedlungen etwa in Marzahn kümmern oftmals 30% aller Wohnungen leer vor sich hin! Ich finde: Da sollten die Leute rein, ehe weitere kostbare grüne Flächen durch 1-Zimmer-Appartments verbaut und verbraucht werden.

Dem Klimaschutz tut’s gut. Holt euch den Wohnraum zurück, Berlinerinnen und Berliner!

Bild: Sumpfe und Moore sind natürliche CO2-Senken! Hier ein Bild von einer Radttour aus dem Fläming.

Klimaschutz – Wowereit warnt vor zu starker Belastung von Mietern – Berlin Aktuell – Berliner Morgenpost – Berlin

 Posted by at 19:48

Überwiegt das Gute oder das Schlimme in deinem Leben?

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Apr 292011
 

Of course there is love as well as war, laughter as well as howling, joy as well as torture. But have these two sets of features, positive and negative, really balanced out in the account book of human history to date? The answer is surely no. On the contrary …

Freunde, was würdet ihr auf diese Frage Terry Eagletons antworten? Ich las diese Frage heute Vormittag. Bitte eine rationale Begründung eurer Antwort!

Am besten fangen wir bei uns selbst an. Jede möge sich fragen: Was überwiegt in meinem Leben? Das Böse oder das Gute?

Zitat:
Terry Eagleton: On Evil. Yale University Press, New Haven and London 2010, Seite 146

Bild: der hier schreibende, geigende Blogger im Hof

 Posted by at 22:51
Jul 092010
 

Etwa 900.- Euro soll die neuartige Bürgerarbeit den Arbeitenden einbringen. Das entspricht nach Kaufkraft und Höhe in etwa dem Lohn eines Arbeiters in der früheren DDR oder in einem der heutigen östlichen EU-Länder. Und es ist nach Kaufkraft und Höhe das 20fache des Betrages, der einer normalen Mutter in Sambia zur Verfügung steht. Das ist viel!

Das Beste daran ist: Die Menschen kommen heraus aus ihrer Strukturlosigkeit. Sie versacken nicht. Sie werden gegrüßt und gebraucht.

Mir fallen gleich eine ganze Menge Arbeiten ein, die jetzt unerledigt bleiben. Beispielsweise kenne ich Familien mit Demenzkranken, bei denen das Einkaufen oder simple Besorgungen schon ein riesiges Problem darstellen. Denn unsere schwer Demenzkranken (ca. 2 Millionen) müssen Minute um Minute betreut werden, 24 Stunden am Tag muss jemand um sie sein. Hier können die Bürgerarbeiter dringend benötigte Hilfe liefern.

Hier um die Ecke vor dem Anhalter Bahnhof findet das Frauenfußballturnier Discover Football statt. Bürgerarbeiterinnen können den Frauen aus Sambia unsere Stadt zeigen, können ihnen zujubeln, sie anfeuern, sie an der Hand nehmen und in ihre Häuser führen. Sie können gemeinsam Lieder singen.

Der Görlitzer Park oder der Viktoriapark in Kreuzberg werden immer wieder von Müll übersät. Hier können die Bürgerarbeiter schnell wieder Ordnung schaffen.

Viele Teilnehmerinnen der Integrationskurse finden keinerlei Möglichkeit, außerhalb des Kurses mit deutschen Frauen zu reden. Bürgerarbeiterinnen können mit ihnen reden. Können auf Kinder aufpassen, Kochrezepte austauschen.

Einige migrantische Familien hier haben 10 oder 12 Kinder, die Väter sind meist verschwunden. Hier können deutschsprachige Bürgerarbeiter Nachmittage organisieren, können die Kinder zu Stadtwanderungen einladen, ihnen zeigen, wie ein Berg oder ein Wald aussieht.

Werdet Schmiede des Glücks! Was in Bad Schmiedeberg gelungen ist, wird auch in Kreuzberg, Wedding, Augsburg oder Tutzing am Ammersee gelingen.

Die Bürgerarbeit ist ein Dienst am Menschen, an den Menschen, die unsere Gesellschaft bilden  – vor allem an den Menschen, die ungewollt in Arbeitslosigkeit geraten sind. Es wird ihnen besser gehen, wenn sie einen solchen Platz ergattern!

Bild: „Discover Football“ heute in Kreuzberg.

Statt Hartz IV: 34.000 Plätze für Bürgerarbeit | meta.tagesschau.de
09.07.2010 – 21:24 — Bigbyte

Anmerkungen eines Hartz4-Beziehers…

Ich bin aufgrund einer seit mehreren Jahren bestehenden Depression Bezieher von Hartz4.
Sollte dieses Vorhaben der Regierung wirklich umgesetzt werden, so kümmert mich der Verdienst von 900 Euro brutto rein garnicht. Ich hoffe, es gelingt mir dann, eine dieser Stellen zu „ergattern“.
Was nämlich nicht mit Geld aufzuwiegen ist, ist der Umstand, sich endlich wieder (zumindest teilweise) als gewolltes Mitglied dieser Gesellschaft zu fühlen.
Niemand, der sich nicht in der gleichen Situation befindet, kann auch nur im Entferntesten nachempfinden, was es heißt, sich wie das allerletzte Subjekt zu fühlen.
Ich wünsche jedem der Kommentatoren, die die wirkliche Situation von Hartz4-Empfängern bagatellisieren, dass er niemals in die Lage kommt, davon und damit leben zu müssen.
Auch hege ich keinerlei Neid auf Besserverdienende. Ich erkenne den Leistungsgedanken durchaus an, aber Leistungsbereitschaft reicht in diesem Land längst nicht mehr aus.
Und glauben Sie mir, ich habe in meinem Leben grundsätzlich niemals geplant, auf Ihre Kosten leben zu müssen.

 Posted by at 22:57
Mai 242010
 

… also am Flughafen Tempelhof, drehten wir wieder gemeinsam mit Hunderten anderen unsere Runden. Dieses Wiesenmeer ist ein großartiges Geschenk für uns alle! Wachsen lassen, Feldlerchen wiederkommen und brüten lassen, – diese Weite und Ungegliedertheit des Tempelhof-Geländes gleicht einen der wenigen Nachteile Berlins aus – nämlich das Fehlen eines echten Meeresstrandes. Tempelhof ist wie das Meer! (Dasselbe behaupten auch die Böhmen über ihre Heimat: Böhmen habe den einzigen Nachteil, nicht am Meer zu liegen …)

Neben poetischen Eingebungen galt es heute erneut, die Fitness für das Radrennen am Sonntag zu verbessern. Platzrunden, Gymnastik, isometrische Übungen, Späße und Plaudereien waren unser heutiges Rezept. Es gelang! Die Feldlerche, die uns von oben zusah, weiß es.

 Posted by at 22:38
Mai 192010
 

„Dieses Wetter macht depressiv.“ So klagen viele. Hierauf erwidere ich: Trag Sonne im Herzen. Bereits 30 Minuten Radfahren an frischer Luft führen zur Ausschüttung des Glückshormons Dopamin. Heute öffentliches Anti-Depressions-Training für RadfahrerInnen zum Abheben in die Sonne: Startbahn Tempelhof, Abflug 11.30 Uhr, Treffpunkt am Eingang Columbiadamm.

 „Zwischennutzungen auf noch nicht entwickelten Flächen sind seit
einigen Jahren charakteristisch für viele Orte Berlins. Im
Tempelhofer Park wird das Experiment unternommen, erstmalig und
stufenweise Pioniernutzungen gezielt in den Planungsprozess zu
integrieren. Damit geht Berlin in der Stadtplanung ganz neue
Wege.“ So schreibt unsere Senatsverwaltung für Stadtentwicklung.

Gute Sache! Ich selbst trainiere als veritabler Flugplatzpionier auf dem
Flugplatz regelmäßig für den Velothon, den ich für das ADFC-Team
gemeinsam mit dem FELT F 85-Rennrad  bestreiten werde.

 Posted by at 09:46
Mrz 162010
 

Noch einmal eine Stunde habe ich herumgebosselt an dem Vorschlag „Modellbezirk Radverkehr“. Den werde ich morgen im Fahr-Rat im Rathaus Kreuzberg vortragen dürfen. Ob es die Mitglieder des Rates zu überzeugen vermag? Zweifel sind angebracht! Zuviele Gewohnheiten werden hier durchbrochen. Darf man denn einfach neue Pfade betreten – auch wenn manches auf Ablehnung stößt? Ich glaube: ja! Man soll sogar!

Und so geht es los:

Friedrichshain-Kreuzberg – ein Bezirk steigt auf

Schaffen wir den Modellbezirk Radverkehr!

Vorschlag von Johannes Hampel für die Sitzung des bezirklichen Fahr-Rates Friedrichshain-Kreuzberg am 17.03.2010

1.       Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg erklärt sich durch Beschluss der BVV für die Zeit vom 01.09.2010 bis 31.08.2011 (Zeiten veränderbar) zum Modellbezirk Radverkehr.

2.       Alle Fachbereiche der Kommunalpolitik (namentlich Stadtplanung, Bildung, Sport, Wirtschaft, Ordnungsamt, Gesundheit, Soziales, Jugend, Familie, Schule, Bauen, Wohnen, Immobilienservice) verpflichten sich für die Laufzeit des Programms auf den Modellbezirk Radverkehr.

3.       Die Verantwortung für die Umsetzung des BVV-Beschlusses und die Koordination der Maßnahmen wird einer hierzu geschaffenen Funktion oder der Sprecherin des Fahr-Rates übertragen.

4.       Die Maßnahmen umfassen kostengünstige, leicht umsetzbare Maßnahmen. Der Bezirkshaushalt wird nicht zusätzlich belastet. Kostspielige zusätzliche Tiefbaumaßnahmen in der Radverkehrsplanung werden vermieden.

5.       Der  von der BVV 2006 in Auftrag gegebene frühere „Vertiefungsplan Radverkehr“ wird durch einen anschlussoffenen, periodisch fortzuschreibenden Radverkehrsentwicklungsplan 2011-2015 ersetzt, der neben dem üblichen topographischen Kartenwerk auch Zielvorgaben in Worten enthält.

6.       Der Modellbezirk Radverkehr wird durch ein Signet öffentlichkeitswirksam kommuniziert. Das Signet soll die charakteristische Umrisslinie des Doppelbezirks mit dem „Vorderrad“ Friedrichshain, dem „Hinterrad“ Kreuzberg und dem vorwärtsstrebenden „Kopf“ Stralauer Halbinsel aufgreifen. An allen Straßeneinfahrten in den Bezirk wird ein Schild angebracht, das auch das Signet zeigt:

Friedrichshain-Kreuzberg
Modellbezirk Radverkehr [Signet]

Oberstes Ziel des Programmjahres:
Gesamthafte Radverkehrsförderung als fachbereichsverklammernder Teil der Bezirkspolitik – aus einem Guss. Enge zeitliche Planung, terminiert, mit Evaluation am Schluss.

Hier das gesamte Dokument zum Nachlesen:

2010_03_17_fahrrat_modellbezirk_radverkehr_hampel.pdf

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Märkisches Viertel, musikalisch belebt

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Feb 282010
 

Gestern besuchten wir das Preisträgerkonzert von Jugend musiziert, Region Nord. Mit S-Bahn und Bus gelangten wir zum Fontanehaus Reinickendorf im bekannten Märkischen Viertel.

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Wuchtige Betonbauten und die kraftvoll  geschwungene Eisenskulptur prägen das Bild. Nachdem das Eis weggeschmolzen ist, bleiben Splitt und Staub liegen. Fauchende Winde treiben immer wieder kleine Fähnchen hoch.

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Im Konzertsaal des Fontanehauses ist reichlich Platz. 10.000 Menschen wohnen im Märkischen Viertel, der Eintritt in das Kulturzentrum ist frei, das Konzert steht allen offen. 50 Menschen haben sich versammelt: Die Künstler selbst, deren Eltern, Lehrer, Geschwister und Freunde.

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Ich lausche mit Freude, gespannt und zunehmend begeistert. Besonders beeindruckt mich der 6 Jahre alte Leo Nasseh Kateb: Er spielt das Violinkonzert A-dur von Anatoli Sergejewitsch Komarowski sicher, mit jener traumwandlerischen Freiheit von Lampenfieber, wie sie nur Kinder haben können. Mein Sohn springt hoch und überreicht ein Sträußchen mit Rosen.

Gegen Schluss reißen mich Marijn Seiffert (Altersgruppe IV) und Mengyin Wang (AG V) mit. Sie bieten Bartóks Rumänische Volkstänze für Violine und Klavier genießerisch, unbeeilt, mit Witz und Grazie. Mir fällt mein eigenes Jugend-musiziert-Erlebnis ein. Ich war damals ebenfalls Altersgruppe IV (15 Jahre), und auch ich durfte im Preisträgerkonzert auftreten – damals mit 2 Sätzen aus Bachs d-moll-Partita.

Nachher spreche ich als dreister Paparazzo die Künstlerinnen an und wir plaudern über Schule, Geige und das Leben.

Was mir gefällt: Alle diese Kinder und Jugendlichen machen etwas aus ihren Leben. Sie „haben etwas vor“  – etwas, das sie zusammenführt, etwas, das sie verbindet. Etwas, dem sie dienen, über hunderte von Stunden jedes Jahr. Dieser Dienst verändert, bildet. Dieser Dienst macht frei.

Jedes Kind, jeder Jugendliche – das möchte ich und wünsche ich mir – soll so eine Erfahrung machen können: im Sport, in der Musik, im Theater, in der Gemeinwesenarbeit, beim Gärtnern, beim Eishacken. „Irgend etwas kann jeder.“ Auch die arabischen Jungs aus Neukölln. Ich bin sicher: Wenn man sie anspricht, anleitet und führt, meinetwegen mit harter Hand, werden sie es schaffen.

Mit meinem Sohn unternehme ich dann eine „Bergwanderung“ auf den Schlittenhügel im Natur- und Freizeitpark Lübars. Eintritt frei. 10.000 Menschen leben im Märkischen Viertel, aber auch hier sind wir nahezu unter uns. Was machen die 10.000 Menschen im Märkischen Viertel jeden Tag?

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Der Himmel irrlichtert grün, irisierend, ehe dunkle Nacht einfällt.

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Brauchen wir eine Volksschule für Deutsche und Ausländer?

 Aus unserem Leben, Friedrichshain-Kreuzberg, Gute Grundschulen, Sezession  Kommentare deaktiviert für Brauchen wir eine Volksschule für Deutsche und Ausländer?
Feb 112010
 

„Das gab es damals nicht!“ So sprechen die Alten häufig. Wir belächeln sie dann. Doch auch ich sage es beim Rückblick auf meine Volksschulzeit: „Das gab es damals nicht!“ Was gab es nicht? „Dass die Eltern ihre Kinder vorwiegend mit dem Auto in die Grundschule, die damals Volkschule hieß, brachten.“ Und doch ist dies jetzt in meinem angeblichen Armutsviertel Kreuzberg der Fall. Oben seht ihr eine typische Szene auf unserem Weg zu unserer Ausländer-Grundschule: vor der näher gelegenen Deutschen-Schule setzen die guten deutschen Eltern ihre sechs- bis zehnjährigen Kinder aus dem Auto ab. Es ist eine besondere Schule – für besondere Kinder – die bildungsbewussten deutschen Kinder. Der Verkehr staut sich auf allen vier Spuren – aufgenommen an einem ganz normalen Schultag in einem allerdings unnormalen Winter.

Wir ziehen unseres Wegs weiter zur Ausländer-Schule. Auch hier kommen viele Kinder mit dem Auto. Allerdings sehe ich keinen Prius, keinen Renault Kangoo, die ökologischen Schlitten, wie sie die guten Deutschen bevorzugen, sondern mehr BMW, Daimler und Großraum-Vans. Die typischen Ausländer-Schlitten!

Es ist eine mich immer wieder verblüffende Tatsache, wie stark die deutschen und ausländischen Grundschüler in Kreuzberg bereits von Klasse 1 an voneinander separiert werden. Hier die deutschen, da die ausländischen! Die Eltern wollen es offenbar so. Und so erlebe ich denn Morgen um Morgen, wie in die Grundschulen meiner Nachbarschaft die Eltern ihre Kinder mit dem PKW aus anderen Stadtteilen heranbringen. Und zwar sowohl die Ausländer wie die Deutschen!

Wir selbst wollten damals bei der Einschulung in eine der drei in der Nachbarschaft gelegenen Grundschulen. Nachbarschaftliche Beziehungen, Freundschaften sollten wachsen und gepflegt werden. Umsonst. Wir wurden nicht genommen.  Die Deutschen hatten schon alle Plätze ergattert. So haben wir jeden Tag einen recht weiten Schulweg hin zur Ausländerschule und zurück, den wir teils mit dem Fahrrad, teils mit dem tiefergelegten Sportschlitten, teils auch einfach Fuß zurücklegen. Dort sind wir mit den anderen Ausländern zusammen.

Das ist übrigens unser neuer Sportschlitten (der vorige aus Holz gemachte ist uns vor 1 Woche aus dem Hausflur gestohlen worden):

Wir hatten die Aufstellung für die richtigen Startplätze ins Leben verpasst. Gut, dass mein Junge sowohl in die Deutschen- wie in die Ausländer-Schule passt. Er hat die doppelte Staatsbürgerschaft.

Hier sage ich nun klipp und klar: Ich finde das niederschmetternd, dass unsere Kinder vom Schuljahr 1 im Armenhaus der Republik, in Kreuzberg, schon so stark separiert werden. Und zwar mithilfe des Elterntaxis. Das gefällt mir nicht. Ich bin für die Volksschule! Ich bin für die demokratische Einheitsschule in fußläufiger Entfernung. Schon aus ökologischen Gründen. Das ist doch Wahnsinn, dass für kleine Kinder jedes Jahr hunderte von Euro für Benzin verfahren werden, nur damit sie nicht in die Grundschule an der Ecke gehen. Ich wünsche mir gemeinsames Lernen von Klasse 1 an!  Mindestens für vier Jahre, bitte bitte! Gerne auch länger! Was habt ihr Deutschen gegen uns Ausländer??? Ihr guten guten Deutschen!! Sagt es uns!

 Posted by at 00:08

Der Märchengeiger kam

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Feb 082010
 

Ein schönes Erlebnis war für mich gestern die Märchen-Erzählstunde in der Keramikwerkstatt bei Eva Trenz-Diakité. Noch 1 Stunde vorher wusste ich nicht genau, wie ich das Märchen „Der Kaiser und der Rossknecht“ erzählen sollte. Zu Beginn spielten Ira, Wanja und ich unseren alten Dauerbrenner „Der dreiköpfige Drache“. Dann war ich dran! Der Märchengeiger kam!

Das Motiv entnahm ich der alten spanischen Märchensammlung „El Conde Lucanor“ von 1335, über das ich aus dem Internet Kunde erhalten hatte. Doch kannte ich nur den Titel und ein Motiv. Eine Inhaltsangabe, geschweige denn ein Text lagen mir nicht vor.

Ich hatte mir also kaum mehr als folgendes zurechtgelegt:

Der Kaiser von Spanien ist krank. Das ganze Land leidet. Keiner kann helfen: kein Weiser, kein Arzt, kein Gaukler oder Spielmann. Ganz zuletzt kommt ein Rossknecht, der die rechten Worte trifft. Der Kaiser wird wieder gesund, der Rossknecht verwandelt sich in einen Prinzen und heiratet die Prinzessin.

Das alles kleidete ich in allerlei Einfälle und Melodien, die ich mit der Geige spielte. Während des Spielens überlegte ich mir schon die nächsten Erzählschritte. Die Kinder warfen immer wieder Fragen, Zwischenrufe und Einfälle ein – ich verflocht alles in ein buntes Ganzes.

Und so entfaltete sich das ganze bunte Märchenland … Nachher saßen wir noch bei guten Plaudereien, Gesprächen und einem Topf Borschtsch zusammen.

Danke an alle – insbesondere an Eva, Ira und Wanja! Und an alle großen und kleinen Zuhörerinnen und Zuhörer! Es war ein schönes Gemeinschaftswerk!

Auf dem Foto von links nach rechts: Eva Trenz-Diakité, der Märchengeiger, Irina Potapenko, Wanja Hampel

 Posted by at 17:43

Der Schlag ans Hoftor

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Jan 172010
 

Wenn jemand im Vorbeigehen ohne Grund an ein Hoftor schlägt, dann werden ihm vielleicht Leute aus dem Dorf entgegenkommen. Sie werden ihn warnen oder, selbst gebückt vor Angst, mit deutlichen Gebärden ihn dazu auffordern, sich an die Hauswände zu drücken. Sie werden stumm den Zeigefinger auf die Lippen legen. Ihr verstohlenes  Bedeuten und Zeigen, all dieses Nicken, dieses heimliche Raunen scheinen ihm zu sagen: Ach, hättest du doch nicht ans Hoftor geschlagen!

Aber warum sollten die Leute ihn mit allerlei Zeichen vor dem Richter und dem Polizisten warnen wollen? Werden Richter und Polizist, die gerade heute zufällig im Dorf ihren Amtsgeschäften nachgehen, den Schlag ans Hoftor überhaupt als strafwürdig einschätzen? Wollen die Leute aus dem Dorf den Mann einschüchtern oder warnen? Was für einen Grund sollten sie haben, ihm ihr Mitgefühl auszudrücken? Könnte es sein, dass sie den Mann, der ans Hoftor geschlagen hat, in die falsche Richtung lenken und ihn so dem Richter geradezu in die Arme treiben? All diese Fragen werden den Mann beschäftigen, während er den Weg weitergeht. Sie werden ihn nicht loslassen, sodass er zu zweifeln beginnt, ob er den Schlag ans Hoftor überhaupt ausgeführt hat. Ich habe es getan, sagt seine Erinnerung. Ich habe es nicht getan, sagt sein Gewissen. Und schließlich gibt die Erinnerung nach.

Zuletzt wird der Mann, der ans Hoftor geschlagen hat, selbst nicht mehr wissen, ob er es mit Absicht getan hat oder ob es ihm nur widerfahren ist. Einem solchen Mann wird es zuletzt vorkommen, als habe es nur so aus ihm herausgeschlagen. Und mit diesem Wissen durchquert er das Dorf, verlässt das Dorf und zieht weiter. Kein Richter und kein Polizist hat ihn gesehen. Er ist frei zu gehen, wohin er will.


 Posted by at 23:46