Sep. 022010
 

Der Neuköllner Bürgermeister Buschkowsky schafft es mit seinem geliebten Neukölln immer in die Medien. Sogar im neuen Sarrazin-Buch ist er ausführlich vertreten und sinngemäß auf den Seiten 300-304 zitiert. Jetzt, in der aktuellen zitty, fährt er obendrein uns Kreuzbergern an den Karren, indem er offen zur Übersiedlung in seine angestammte Heimat auffordert: „Wer in Kreuzberg unglücklich ist, der kann ja nach Neukölln umziehen!“ Das nennt man unlautere Menschenabwerbung! Strafbar ist es allerdings nicht. Oder ist es Wettbewerb?

Dennoch hier – im Geiste guter Nachbarschaft – der Hinweis auf ein gutes Interview heute mit ihm in der Morgenpost. Das sollte man lesen. Aber vergesst nicht: Wir in Kreuzberg sind doch nicht so weit von Euch in Neukölln und Neuköllner Zuständen entfernt.

Integrations-Debatte – Heinz Buschkowsky benennt Sarrazins Fehler – Berlin Aktuell – Berliner Morgenpost – Berlin
Morgenpost Online: Neukölln gilt ja inzwischen überall in Deutschland als das Exempel für missratene Integration. Haben Sie mit Ihren dauernden Warnungen daran Ihren Anteil?

Buschkowsky: Dass die Leute anhand von Neukölln über Probleme diskutieren, ist nichts als Feigheit. Man schützt damit den Ruf seiner Stadt, wenn man nicht über die eigenen Probleme spricht, sondern über die der anderen. Ohne Kameras haben wir bei der Vollversammlung des Deutschen Städtetages alle die gleichen Probleme. Sind die Mikros offen, funktioniert überall Multikulti ganz hervorragend, und man hatte gerade letzte Woche ein schönes multikulturelles Straßenfest. Nur die Menschen, die in solchen Stadtteilen leben, ärgern sich über das Abtauchen ihrer Politiker.

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Sep. 022010
 

Ich habe Sarrazins Buch ganz gelesen und empfehle allen Antirassistinnen und Antirassisten, zum Einstieg die Seiten 320-330 zu lesen.

Sarrazins Forderung nach Kindergartenpflicht, Workfare, höheren Sprachanforderungen und restriktiverer Zuweisung staatlicher Stütze finde ich gut.

„Vererbungslehre“, genetische Spekulationen usw. hingegen sollte man nicht ernst nehmen. Sie sind irreführend. Sie sind aber auch nicht wesentlich für Sarrazins Gedankengänge.  In seinen konkreten Vorschlägen zur Umgestaltung des Sozial- und Aufenhaltsrechts, zur besseren Bildung aller Kinder hat Sarrazin meist recht, wie ich finde.

Man nehme doch einmal die Abschnitte im Buch, die mit „Was tun“ betitelt sind. Zum Beispiel S. 326-330. Darüber, über diese konkreten Maßnahmen sollte man diskutieren, zum Beispiel mit Neuköllner Lehrern, Kreuzberger Sozialarbeitern, türkischen Vätern wie Kazim Erdogan und jungen Müttern wie Güner Balci. Sarrazin sollte mal mit Erdogan oder Balci diskutieren – da wär ich gern dabei!

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Aug. 302010
 

Er ist einer der intelligentesten Politiker, die Berlin je hatte. Seine Frageansätze sind brillant, seine Faktenkenntnis ist in einigen Feldern unübertroffen. Er ist zäh, sorgfältig und fleißig. Er argumentiert strategisch, aber er reagiert taktisch nicht immer optimal.

Aber er „verrennt sich“ allzu leicht, verprellt wohlgesonnene Zuhörer und Menschen, die ihm zu folgen versuchen. Ihm fehlt vielleicht das echte Du. Ich meine: Wir müssen den irrenden Menschen zurückholen in unsere Wertegemeinschaft!

Wenn er doch nur einmal zu uns in die Kreuzberger Fanny-Hensel-Schule käme und statt einer PowerPoint-Präsentation ein Märchen aus 1001 Nacht erzählte, die Herzen der durchweg muslimischen Kinder würden ihm zufliegen! Und sein Herz flöge ihnen, den Kindern zu, als flöge es nachhaus. Und wenn er dann noch ein Gedicht aus dem West-Östlichen Divan von Goethe vortrüge, flöge vor einem einzigen Wort der ganze unsägliche Wirrwarr der entstellenden Kommentare fort.

Er würde Empathie für die Muslime entwickeln können, die ihm leider offenbar noch fehlt.

Es gibt doch kaum etwas Schöneres, als diesen unseren so schmählich übersehenen, links liegen gelassenen „libanesischen“ Kindern, ich sage bewusst „unseren Kindern“, Freude und Zukunftshoffnung zu schenken! Ich weiß es, denn wir durften es immer wieder versuchen.

Ich glaube an diese Kinder.

Diese muslimischen Kinder sind der größte Schatz, der uns anvertraut ist! Wir stehen alle in der Verantwortung.

Aber ich bleibe dabei: Seine Fragenansätze sind spannend, er ist einer der intelligentesten Politiker, die Berlin in den letzten Jahren hatte.

Wer ist gemeint?

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Aug. 272010
 

Sarrazin treibt die Kaste der Berufspolitiker, der er selbst angehört, gehörig vor sich her.  Wenn jetzt bereits öffentlich erste vorsichtige Zustimmung von türkischen und arabischen Migranten aus unserem Bezirk zuteil wird, wird vollends offenbar, was Sarrazin bezweckt: eine schonungslose Selbstanklage, eine unerbittliche Analyse der kollektiven Fehlsteuerungen, für die nicht nur er und seine Partei, sondern alle Parteien Mitverantwortung tragen.

Noch einmal: Wenn Politiker Sarrazin jetzt in Grund und Boden rammen (ich muss es so nennen), begehen sie eine Art Sündenbockritual. Ein politischer Fehler ersten Ranges!

Furat Mohammad und Günay Imre aus Friedrichshain-Kreuzberg schreiben:

Strafanzeigen gegen Sarrazin? Nicht in unserem Namen! Denn wir sind nur so „dumm“, wie Ihr uns werden lasst. @ FREIE WÄHLER Berlin – FW Berlin
Alle bisherigen Parteien hofierten und hofieren bestimmte Zuwanderer-Gruppen, weil sie sich neue Wählerschichten davon versprachen und noch versprechen. Wir haben genug von diesen Versuchen der Vereinnahmung von Zuwanderern zu dem alleinigen Zweck des Machterhalts der Parteien. Denn mit der ach so fürsorglichen Vereinnahmung der Interessen z.B. der Russlanddeutschen durch die CDU und insbesondere der Türken durch Rot-Grün ist noch in jedem Falle die Verharmlosung der Integrationsprobleme der jeweils patronisierten Gruppen einhergegangen. Die Auseinandersetzung mit den Integrationsdefiziten der jeweils unter die Fittiche genommenen Minderheiten wurde in den jeweiligen Parteien nachgerade verboten. Die Strafanzeige gegen Sarrazin liegt genau in dieser machtpolitischen Parteien-Tradition.

Dass die harten, manchmal polemischen, aber offensichtlich immer ehrlichen Aussagen von Sarrazin zum Bildungsstand im Übrigen so viele Schlagzeilen wert sind, wirft eher ein beklemmendes Licht auf den Stand der weitgehend unterdrückten Debatte in Deutschland.

Leute wie Sarrazin durch Strafanzeigen mundtot machen zu wollen, schafft eine Atmosphäre der Angst vor der freien Meinungsäußerung, die durch Artikel 5 Absatz 1 des Grundgesetzes garantiert und von den Parteien und den Medien politisch sogar gefordert ist. Tatsächlich aber wird der Überbringer der schlechten Nachricht in den Medien und in der parteipolitischen Auseinandersetzung tendenziös dargestellt. Bei der übrigen Bevölkerung stellt sich dann der Eindruck ein, dass man eher den lästigen Mahner ausschalten möchte, statt die Lösung der Probleme anzugehen.

Mit Realitätsverweigerung und -ausblendung ist nichts erreicht.

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Aug. 242010
 

Naiv, unhistorisch, albern“ …  das sind nur einige der Aussagen, mit denen der Politiker Thilo Sarrazin die bisherige Integrationspolitik Deutschlands bezeichnet. Er stellt der politischen Klasse Deutschlands, der er selbst angehört oder vielmehr angehört hat, ein verheerend schlechtes Zeugnis aus. Hiermit hat er sicherlich in ein Wespennest gestochen, wie insbesondere die empörten Reaktionen vieler aufgeklärter Zeitgenossen belegen. Die Forderungen nach Parteiausschluss prasseln schon wieder einmal auf den angeblichen Islamfeind nieder. So etwa heute in der Berliner Zeitung auf S. 15.

„Islamfeind“? Das ist Unfug. Sarrazin schreibt im aktuellen SPIEGEL auf S. 139-140:

„Wenn ihr muslimischen Glaubens seid, o.k. Damit habt ihr dieselben Rechte und Pflichten wie heidnische, evangelische oder katholische Deutsche. Aber wir wollen keine nationalen Minderheiten. Wer Türke oder Araber bleiben will und dies auch für seine Kinder möchte, der ist in seinem Herkunftsland besser aufgehoben.“

Wir wollen keine nationalen Minderheiten„, damit meint Sarrazin sicherlich: Wir wollen, dass alle, die hier dauerhaft wohnen, sich als deutsche Staatsbürger begreifen – sicherlich mit französischer, libanesischer, vietnamesischer oder  türkischer Zuwanderungsgeschichte. Aber insgesamt als deutsche Staatsbürger erster Klasse, nicht als migrantische Bürger zweiter Klasse. Die Kinder der Zuwanderer sollen irgendwann – irgendwie zu Deutschen werden. Ich würde sagen: zu neuen Deutschen.

Selbstverständlich wird sich in diesem Prozess unser Bild von Deutschland ändern – wie es sich ja seit jeher immer wieder geändert hat.

Was ist daran böse? Was ist daran rechtsradikal?

Alle, die in Deutschland dauerhaft wohnen, sollen sich als deutsche Bürger erster Klasse fühlen. Zustimmung, Herr Sarrazin!

Und hier meldet sich eine erfahrungsgesättigte Stimme aus Berlin-Kreuzberg!

Ich meine: Die Aussagen und Analysen Thilo Sarrazins sollten vorurteilsfrei erörtert werden. Hierbei schreibe ich ihm schon mal als großes Verdienst zugute, dass er die Schuld für allfällige Missstände bei den Deutschen, insbesondere bei der deutschen Politik sucht. Das geht ja schon aus dem Titel seines Buches hervor: „Deutschland schafft sich ab“. Das ist – die zulässige Überspitzung abgerechnet – ein Eindruck, den mir beispielsweise chinesische, russische und französische Eltern ebenfalls erzählen, deren Kinder die deutschen staatlichen Grundschulen besuchen. Sie sind alle entsetzt, schlagen die Hände über dem Kopf zusammen: „Was lasst ihr da mit euch machen!“

Der deutsche Staat diente sich unseren Neubürgern im letzten Jahrzehnt recht demütig an – und er lässt sich heute ausnutzen und ausnehmen wie eine gebratene Weihnachtsgans – früher zum Nutzen der deutschen Industrie, dann zum Nutzen der deutschen Immobilienwirtschaft, heute eher zum Nutzen des deutschen Integrationsgewerbes. Nicht zum Nutzen der Zuwanderer, denn die sind unzufrieden wie eh und je.

Das ist mein Eindruck, den ich nun wirklich mit tausenderlei konkreten Erfahrungen belegen kann. Muss ich deutlicher werden?

Sarrazins Anklage richtet sich dabei nie gegen einzelne Personen, sondern gegen ein kompliziertes Wechselspiel von  falschen politischen Weichenstellungen, kulturell geprägten Grundhaltungen und bequemem Wegsehen. Das ist alles legitim.

Manches an seine Ausführungen vermag ich nicht zu teilen. Gut aber gefällt mir etwa folgende Aussage (heute in der BILD auf S. 10):

Thilo Sarrazin: Neues Buch – „Deutschland schafft sich ab“ – Politik – Bild.de
Ein Teil der Deutschen – auch der Elite – hat das Problem noch gar nicht verstanden. In deren Lebens-, Wohn- und Arbeitswelt kommen muslimische Migranten ja nur als Reinigungskräfte oder als fremdartige Kulisse beim gelegentlichen Besuch in Berlin-Kreuzberg vor.

Das ist wirklich ein Treffer! Ich stelle immer wieder verblüfft fest, wie wenig echten Kontakt die Schönredner aus Berlin-Stadtrand oder Berlin-Ost zu muslimischen Deutschen haben. Viele können nicht einmal unterscheiden, ob ihr Mitbürger Türkisch, Russisch, Polnisch oder Arabisch spricht.

So war es seit je eine bekannte Tatsache, dass kein einziger unserer Berliner Politiker seine eigenen Kinder in eine staatliche Kreuzberger Grundschule schickt. Wie sollen sich die Menschen ein Bild machen von einer Realität, vor der sie selbst zurückscheuen wie ein Pferd vor einem Hornissenschwarm? Wie sollen sie Entscheidungen treffen, wenn sie stets auf Berichte aus zweiter oder dritter Hand angewiesen sind?

Wie oft habe ich die guten Deutschen angefleht, aufgefordert und gebettelt: „Schickt eure Kinder zu uns in die Migrantenschule – kommt in unsere Araberschule! Besucht uns! Macht euch ein Bild! Weist uns doch nicht die kalte Schulter! Wenn euch die Integration so wichtig ist, zieht nach Neukölln, nach Kreuzberg, nach Wedding, kommt ins herrliche Multi-Kulti-Land! Wenigstens mal zu Besuch!“ Umsonst!

Daneben habe ich immer wieder versucht, Journalisten linker und weniger linker Zeitungen für unsere Kreuzberger Schulen zu interessieren. Einige kamen, hörten, knipsten, schrieben – erschienen ist bisher nichts. Nichts! Warum? Hatte ich nur Käse erzählt?

In folgendem Punkt stimme ich jedenfalls Sarrazin zu: Die bisher nicht geglückte Integration der muslimischen Zuwanderer ist wesentlich auf Versäumnisse und schwere Fehler der deutschen Gesellschaft und der deutschen Politik zurückzuführen. Wir Deutschstämmige tragen die Hauptverantwortung. „Wir haben uns an den Kindern versündigt“, wie es Armin Laschet so treffend formuliert hat.

Bin mal gespannt, was morgen in der BILD erscheint. Die Überschrift lautet dann:

Erziehung und Bildung scheitern in Deutschland nicht am Geld, sondern am Willen.“

Das ist eine Behauptung, die ich in ähnlicher Form bereits mehrfach in diesem Blog aufgestellt habe.

 Posted by at 16:27
Juli 082010
 

Noch lange nicht verzweifelt bin ich mit meinem immer wieder geäußerten Aufruf: „Du musst dein Verkehrsverhalten ändern. Der Ausbau der Infrastruktur für Fußgänger und Radfahrer ist nur die halbe Miete. Wir Radfahrer und Fußgänger müssen zu Vorbildern für Erwachsene, vor allem aber für Kinder, für andere, insbesondere für die Autofahrer werden. Denn ein großer Teil der Unfälle ist nachweisbar und eindeutig durch falsches, leicht vermeidbares Verhalten bedingt!“

Und zwar sind es einige wenige „Standardsituationen“ (wie die Fußballer sagen): Querverkehre, rechtsabbiegende Kraftfahrzeuge bei geradeausfahrendem Fahrradverkehr, falsche Benutzung von Geh- und Radwegen, Missachtung des Rotlichts, mangelnde Aufmerksamkeit. Ich krieg leider öffentlich fast keine Zustimmung für diese persönliche Botschaft. Unter der Hand wird mir allerdings versichert: „Sie haben ja recht, Herr Hampel! Aber sagen dürfen Sie es öffentlich nicht.“

„Sie haben ja recht, Herr Hampel! Aber sagen dürfen Sie es nicht.“ Das ist wirklich eine Standardsituation geworden, die ich immer wieder erlebe – im Umgang mit Verbänden, Parteien, Politikern, mit Amtsvertretern, mit Grüppchen und Klüngeln jedweder Art. Ausgenommen natürlich die verbissenen Ideologen, die es überall gibt, die allerdings überall die deutliche Minderheit sind. Dieses Grundmotiv zieht sich durch alle Bereiche hindurch: Schulpolitik, Verkehrspolitik, Haushaltspolitik, Sozialpolitik, „Integrations“-Politik. Es ist für mich das Leitmotiv geworden.

Selbstverständlich halte ich mich nicht an diese gutgemeinten Ratschläge. Selbstverständlich werde ich jederzeit für das kämpfen, was ich in der jeweiligen Lage als förderlich für das Gemeinwohl ansehe. Egal, ob es sich um das verzweifelte Migrantenelend, JüL, Hartz IV oder Verkehrssicherheit der Fahrradfahrer handelt.

Gut auch: Wir sind ein freies Land. Jeder darf seine Meinung sagen. Auch wenn sie im Querverkehr zum Mainstream steht. Auch wenn sie unbequem ist. Bequemlichkeit ist kein Argument.

Gute Sache aber:  Ab und zu bekomme ich doch Zustimmung. Es tut sich was – heute und hier! Der Mann des Tages heißt Friedemann Kunst, seines Zeichens oberster Verkehrsplaner der Stadt Berlin. Anlass: Der VCD hat eine Studie vorgelegt, wonach es mit der Verkehrssicherheit in Berlin besonders schlecht bestellt sei. Kunst weist die fundamentalen Anschuldigungen gegen die Verkehrsplanung in Berlin zurück: „Zu undifferenziert!“ Lest den ganzen Artikel (Berliner Morgenpost heute S. 13), lest vor allem die letzten Sätze (Fettdruck durch dieses Blog)!

Studie – Fußgänger und Radfahrer leben gefährlich in Berlin – Berlin Aktuell – Berliner Morgenpost
Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hält die VCD-Studie für nicht differenziert genug, die schlechte Platzierung Berlins damit unberechtigt. So habe der VCD nicht die Schwere der Unfallfolgen berücksichtigt. „In Berlin gibt es einen überdurchschnittlichen Rückgang an Schwerverletzten und Unfalltoten“, sagt Berlins oberster Verkehrsplaner Friedemann Kunst. Bei Unfällen mit Todesfolge habe die Hauptstadt den niedrigsten Wert aller deutschen Großstädte.

Doch auch Senatsplaner Kunst ist mit der Unfallentwicklung insgesamt nicht zufrieden. Diese sei auch Folge einer Änderung der Verkehrsströme, vor allem geprägt durch einen starken Anstieg des Fußgänger- und Fahrradverkehrs. Insbesondere Radfahrer seien häufig Opfer von Unfällen, etwa verursacht durch unachtsame Lkw-Fahrer beim Rechtsabbiegen. Ein weiteres Problem sei das oft falsche Verkehrsverhalten – bei Radfahrern das unerlaubte Fahren auf Gehwegen, bei Fußgänger das Überqueren der Fahrbahn trotz einer roten Ampel. „Wir müssen noch mehr tun, um das Verkehrsverhalten entsprechend zu ändern“, sagt Kunst.

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Wer ist schuld? Die Eltern? Die Jugendlichen? Die Schule?

 Sündenböcke, Tugend, Vorbildlichkeit  Kommentare deaktiviert für Wer ist schuld? Die Eltern? Die Jugendlichen? Die Schule?
Apr. 082010
 

BILD verwendet noch gute alte Wörter wie z.B. dumm und faul. Solche Wörter darf man ja heute nicht mehr in den Mund nehmen als Fachmann. Wir sind allenfalls „unmotiviert“, „überfordert“, „benachteiligt“, „verwöhnt“  oder – und das ist das Beste: „arm“.

Ich glaube dennoch, dass man heute von einer alimentierten, geförderten Dummheit und Faulheit sprechen kann und darf. Höflicher ausgedrückt: Bequemlichkeit und Aufgabenscheu.

Dennoch interessante Umfrage auf BILD: Wer ist schuld daran, dass Jugendliche so dumm und faul sind?

Nachhilfe-Offensive: Azubis zu dumm für die Ausbildung – Wirtschaft – Bild.de

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Jan. 312010
 

Die deutsche Gesellschaft zerfällt zusehends. Diesen Befund habe ich wieder und wieder in diesem Blog festgestellt, und in meinem persönlichen Leben mache ich immer wieder die bestürzende Entdeckung, dass die verschiedenen Umfelder, in denen ich mich bewege, keinen Kontakt zueinander haben. Das gilt vor allem für Kreuzberg. Die Deutschen, die Russen, die Türken, die Araber, die Linken, die Bürgerlichen  – diese Volksgruppen existieren unverbunden nebeneinander her. Es gibt fast keinen gemeinsamen Nenner, hat ihn nie gegeben. Nur in Familien wie etwa der meinen vermischen sie sich. Derselbe Befund gilt in den politischen Parteien: die Grünen, die am ehesten noch den Anspruch erheben könnten, hier eine Volkspartei zu sein, sorgen für ihre Klientel, die SPD ebenso, die Linke ebenso. Jeder sorgt für sich und seine Schäfchen.

Die Kreuzberger und die Berliner Gesellschaft ist hochgradig zersplittert. Kaum jemand sieht dies.

Ein hochinteressanter Bericht über Befindlichkeitsstudien des Sozialwissenschaftlers Heitmeyer leuchtet soeben auf meinem Bildschirm auf:

Wissenschaftler schlagen Systemalarm
„Menschen verlieren sukzessive die Kontrolle über das eigene Leben“, warnt Heitmeyer. Die Konsequenz: Sie suchen nach Sündenböcken. Je größer das Empfinden ist, in Zeiten sinkender Normalarbeitsverhältnisse und sprunghaft wachsender „Mal-rein/mal-raus-Arbeitslosigkeit“ zum Opfer der Verhältnisse zu werden, desto stärker scheint auch die Bereitschaft zu einer „gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit“ zu sein, die sich gegen „die Banker“ oder „Amerika“, aber auch generell gegen Ausländer oder Muslime richten kann. Ein Drittel der Befragten gab an, in Krisenzeiten könnten nicht länger die gleichen Rechte für alle Bürger gelten, gut 20 Prozent waren der Meinung, Minderheiten dürften keinen besonderen Schutz mehr erwarten.

Liest man diesen Zeitungsartikel genau, so hat erhält man geradezu ein Musterbeispiel dafür, wie Sozialwissenschaften durch geschickte Art der Fragestellungen und subtil gesteuerte Deutung das gewünschte Ergebnis erzielen können. Ein Beispiel dafür? Hier kommt es:

„Menschen verlieren sukzessive die Kontrolle über das eigene Leben“, warnt Heitmeyer.

Das wird man allerdings aus der Studie nie und nimmer folgern können! Denn die Studie kann gar nicht zu Aussagen über die tatsächlichen Verhältnisse gelangen. Keine Meinungsumfrage kann tatsächliche Verhältnisse abbilden. Sie kann nur Meinungen über die tatsächlichen Verhältnisse abbilden.

Eher gilt: Die Menschen haben das Gefühl, sukzessive die Kontrolle über das eigene Leben zu verlieren.Und dieses Gefühl ist – wie jedes Gefühl – weder widerlegbar noch rechtfertigbar. Es ist eben – ein Gefühl.

Letztlich dienen solche Studien dazu, politische Paradigmen zu stützen. Die Menschen werden im Gefühl bestärkt, sich als Opfer zu sehen. Daraus folgert dann die herrschende Umverteilungspolitik die Berechtigung, noch mehr Geld für eigene Zwecke zu vereinnahmen, um den zuvor bewusst geschürten erzeugten Anschein der Ungerechtigkeit zu lindern.

Den Menschen wird eingeredet, nichts an ihrem Schicksal ändern zu können und weitere Wohltaten für sich in Anspruch nehmen zu müssen. Ein verhängnisvoller Zirkel ist in Gang gesetzt: „Ihr seid Opfer!„, sagen die Sozialwissenschaftler und die Politik. „Wir kümmern uns um euch!“ greifen die Politiker den Ball auf. Siehe Opel-Affäre. Da der Opferstatus durch die ausgeteilten Geschenke  nie und nimmer zu beseitigen ist, werden immer neue Ausgleichmaßnahmen, Geld-Umverteilungsmaßnahmen benötigt. So wird zuletzt der Staatshaushalt gesprengt.

Perfektes Beispiel: das frühere West-Berlin und das heutige Berlin.  Schuldenstand heute: 60 Mrd Euro. Erzielt durch eine stillschweigende große Koalition der Umverteiler einschließlich der alten Berliner CDU. Bedarf an Sozialhilfe und kompensatorischer Sozialpolitik: stetig wachsend. Bewusstsein dafür, dass man Opfer ist: ständig wachsend. Zahl der Opfergruppen: stetig wachsend. Zahl derer, die sich nicht als Opfer fühlen: stark fallend.

Ich werde bald meine eigene Opfer-Minderheit aufmachen könne. Wie wäre es zum Beispiel mit: „Schweinefleischverzehrer“? Da wir in der muslimischen Kreuzberger Mehrheitsgesellschaft scheel angesehen werden, weil wir Schweinefleisch verzehren, haben wir doch Anspruch darauf, als Opfer der Verhältnisse anerkannt zu werden? Ich könnte aufschreien: „Mein nichtmuslimischer Sohn ist benachteiligt! Er ist eine ausgegrenzte Minderheit. Helft uns! Wir brauchen eine aktive Schutzpolitik für die Minderheit der schweinefleischessenden Kreuzberger Kinder. Geld her, Sozialhilfe her!“

Die Absurdität der ständig neue Minderheiten, neue Benachteiligtengruppen erfindenden kompensatorischen Sozialpolitik wird an diesem Beispiel deutlich, so hoffe ich.

Was wir vielmehr brauchen, ist ein Bewusstsein der Freiheit. „Es ist dein Leben! Mach daraus, was du willst.“

So sagte es der Imam, der Vater des deutschen Moslems Hamed Abdel-Samad. Der ägyptische Imam hat recht! Hört auf den ägyptischen Imam!

Zitat: Hamed Abdel-Samad: Mein Abschied vom Himmel. Aus dem Leben eines Muslims in Deutschland. Köln 2009, S. 165

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Wer war Antonescu? Wer war Horthy?

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Nov. 172009
 

Kaum ein Deutscher wird mit dem Namen Antonescu etwas anfangen können, den Herta Müller auf S. 299 ihrer „Atemschaukel“ nennt. Es war der faschistische Diktator Rumäniens, der den Vorläufer zu linksgerichteten Diktatoren wie etwa Ceausescu abgab. Man könnte sagen: „Alles vorbei, ziehen wir endlich einen Schluss-Strich! Fangen wir doch ganz von vorne an!“

Und doch sollten, ja müssen wir uns mit der Vergangenheit der faschistischen und der kommunistischen Diktaturen der neuen EU-Staaten befassen. In Ungarn, aber auch in den östlichen Bundesländern Deutschlands hat sich eine weit verzweigte totalitäre, rechtsradikale Ideologie gehalten. Während des Kommunismus war sie geächtet, wurde kriminalisiert. Da der Sozialismus  nach und nach jeden Kredit verspielt hatte, wurde es unter Jugendlichen schick, rechtsradikal und nationalistisch zu sein.

Der Sozialismus ging aber listigerweise in den Staaten des Ostblocks ein Bündnis mit dem nationalen Gedanken ein. Alles, was die Erinnerung an eigene Verstrickungen hätte aufrühren können, wurde totgeschwiegen. Die eigene Nation – ob nun Slowakei, Ungarn oder Rumänien – gewann unter dem Sozialismus die Unschuld zurück, indem man die dunklen Flecken verschwieg.

Die Welt, ja selbst die meisten Deutschen glauben bis zum heutigen Tage, nur die Deutschen hätten eine rassistische Vernichtungspolitik gegenüber dem Judentum betrieben. Die Shoah wird ausschließlich auf das Konto der Deutschen geschrieben. Die Deutschen akzeptieren dies willig und wissentlich – aus Unwissenheit. Und doch gab es in den Staaten Ungarn und Rumänien, im besetzten Teil Frankreichs, ja sogar im nicht besetzten Teil Frankreichs, in der Sowjetunion, in der gesamten arabischen Welt in den vierziger Jahren eine aktive, eine keinesfalls erzwungene, sondern aktiv betriebene Verfolgungs- und Entrechtungspolitik gegenüber den Juden und anderen ausgegrenzten Minderheiten, etwa den nationalen Minderheiten innerhalb der eigenen Staatsgrenzen. Diese mündete dann in vielen besetzten und nicht besetzten Ländern in eine aktive Zuarbeit, eine wissentliche Unterstützung der verbrecherischen Ausrottungspolitik der deutschen Nationalsozialisten. Kaum ein Land hat diese Vergangenheit bisher offen zu bewältigen gewagt. Es ist viel einfacher, viel bequemer, die alleinige Schuld an der Katastrophe des Holocaust den Deutschen und nur den Deutschen, am besten nur den Westdeutschen anzulasten!

Dem war nicht so. Darüber gilt es zu reden, sonst kommen die Gespenster der Vergangenheit wieder zurück.

Der ungarische Historiker Paul Lendvai schreibt heute in der Morgenpost:

Antisemitismus – In Ungarn müssen sich Juden wieder fürchten – Kultur – Berliner Morgenpost
In einem bemerkenswerten Aufsatz betont der bedeutende ungarische Schriftsteller Ivan Sandor die Gefahr der verspäteten Distanzierung der Rechten von den Rechtsradikalen: Statt der „verschönten Scheinvergangenheit“ müsse man deutlich aussprechen, dass vom Zusammenbruch der österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie und nach dem schrecklichen Zwischenspiel der kurzweiligen „Räterepublik“ 1919 mit rotem und anschließendem weißem Terror alle rechtsgerichteten ungarischen Regierungen den Weg zum verhängnisvollen Bündnis mit Hitler-Deutschland und damit auch zum ungarischen Holocaust geebnet haben.
Tragödie des Judentums ist Tragödie des Ungartums

Der ungarische Historiker György Ranki hat darauf hingewiesen, dass sich die Juden nirgendwo in Osteuropa mehr mit einer Nation identifiziert haben wie in Ungarn. Deshalb war die Tragödie des Judentums auch eine Tragödie des Ungartums.

Drei Judengesetze1938-1941 zerstörten die Existenz von Hunderttausenden Menschen, und nach dem Einmarsch der Deutschen am 19. März 1944 lief die „Endlösung“ auf Hochtouren. Unter Aufsicht Adolf Eichmanns und seiner Schergen hat die ungarische Polizei in knapp sieben Wochen 437.402 Juden in 147 Zügen nach Auschwitz deportiert. Insgesamt 564.000 ungarische Juden wurden, zum Teil auf den Straßen von Budapest, umgebracht. Heute leben schätzungsweise nur noch 80.000 bis 100.000 Juden in Ungarn, überwiegend in Budapest.

 Posted by at 13:02
Okt. 102009
 

„Höher als jede Wand wächst das Misstrauen.“ Mit diesen einfachen, wie ein Birkenbäumchen gerade gewachsenen Worten beschreibt Herta Müller in ihrem Roman Atemwende die klirrende Luft in einem Lager für die Deportierten. Die Worte fallen mir ein, als ich heute in der Süddeutschen Zeitung auf S. 10 lese, der tschechische Präsident Klaus wolle die Unterschrift unter den EU-Reformvertrag verweigern, wenn der rechtliche Fortbestand der Benesch-Dekrete nicht ausdrücklich bekräftigt werde.

 EU-Reformvertrag – Prager Sonderwünsche – Politik – sueddeutsche.de
Einem Bericht der polnischen Zeitung Rzeczpospolita zufolge will Klaus Garantien gegen mögliche deutsche Eigentumsansprüche im ehemaligen Sudetenland. Nach dem Zweiten Weltkrieg war auf Grundlage der sogenannten Benes-Dekrete die deutschsprachige Minderheit in der damaligen Tschechoslowakei ohne Entschädigung vertrieben und enteignet worden. Tschechien hält bis heute an den umstrittenen Benes-Dekreten fest und lehnt die Rückgabe von Eigentum ab.

Welches Urteil fällt Daniel Jonah Goldhagen über die Vertreibung der Deutschen und Ungarn aus Polen und der Tschechoslowakei nach dem 2. Weltkrieg? Es lohnt sich, seine Stellungnahme genau zu lesen! Sie findet sich auf den Seiten 222-223 seines Buches über Völkermord.  Er bezeichnet die Deportationen der Deutschen ausdrücklich als „verbrecherische eliminatorische Akte“, die auch durch das subjektive Gefühl, es sei hier Vergeltung geübt worden, nicht zu rechtfertigen  seien. „In der Hauptsache Polen aus den von ihrem Staat annektierten Teilen des deutschen Ostens und Tschechen führten eine gründliche und manchmal mörderische Vertreibung von rund zehn Millionen Deutschen durch, steckten Hunderttausende zeitweilig in Lager und brachten Zehntausende um. Der unbändige Hass auf die Volksdeutschen führte zu einem der seltenen Fälle, dass ein demokratischer Staat, die Tschechoslowakei, im eigenen Land eine umfassende tödliche Eliminierungspolitik durchführte.“

Durch die Benesch-Dekrete der Tschechoslowakei wurde in Friedenszeiten plötzlich ein Drittel der Bevölkerung des eigenen Staates aller Rechte verlustig erklärt. Ihnen wurde die Staatsangehörigkeit aberkannt, sie galten als vogelfrei, sie trugen das „N“ auf ihre Jacken genäht. Ihr gesamter Besitz fiel entschädigungslos dem Staat anheim. Die Deutschen und die Ungarn sowie auch diejenigen Juden, die als Deutsche gezählt wurden, verloren alle Eigentums- und Aufenthaltsrechte. Alle Verbrechen, die an ihnen nach dem Krieg begangen worden waren, wurden straffrei gestellt, für die zahlreichen Massaker und Morde ist kein Tscheche belangt worden.

Ich  meine: Die EU darf sich nicht darauf einlassen, derartige willkürliche, allen Grundsätzen der Menschenrechte zuwiderlaufende Dekrete anzuerkennen. Hier darf man sich nicht durch den Präsidenten Klaus unter Druck setzen lassen!

„Wir waren alle in keinem Krieg, aber für die Russen waren wir als Deutsche schuld an Hitlers Verbrechen.“  So schreibt Herta Müller über die gleichfalls deportierten Rumäniendeutschen.

So könnte man auch auch sagen: Der Krieg hatte Böhmen verschont, in ganz Böhmen fand während des 2. Weltkriegs keine Schlacht statt, aber nach dem Krieg waren alle Deutschen in der Tschechoslowakei an allem Bösen schuld, das die nationalsozialistischen Mörder weltweit verübt hatten. Auf diese Logik darf man sich nicht einlassen!

Es gilt, durch gemeinsame Erinnerung, durch gemeinsame Aufarbeitung der tschechisch-deutschen Geschichte die Mauern des Misstrauens zu überwinden. Ich habe schon mehrfach behauptet, die Zukunft der EU stehe auf tönernen Füßen, solange die gemeinsame Vergangenheit nicht einvernehmlich aufgeklärt wird. Das gilt für Slowaken und Ungarn, für Kroaten und Italiener, für Türken und Griechen, es gilt aber ebenso auch für Tschechen und Deutsche. Denn Geschichte ist nicht wie Zement, Geschichte ist nicht ein feiner Staubnebel, der alles umhüllt und zudeckt.

Alles, was geschehen ist, tragen wir mit uns.  Es ist eingeschrieben in die Gedächtnisse, es wartet darauf, erzählt zu werden. Wie es mit leuchtendem Mut und salzigen Augen Herta Müller getan hat.

Herta Müller: Atemschaukel. Roman. Carl Hanser Verlag, München 2009, hier: S. 38 und S. 44

Daniel Jonah Goldhagen: Schlimmer als Krieg. Wie Völkermord entsteht und wie er zu verhindern ist. Aus dem Englischen von Hainer Kober und Ingo Angres. Siedler Verlag, München 2009, hier: S. 222-223

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„Schäm dich, Thilo!“

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Okt. 022009
 

„Soso, Sie führen also volksverhetzende Literatur?“, fragte ich bohrend meine guten Bekannten, die Buchverkäuferinnen im Buchladen Anagramm am Mehringdamm. „Die nehme ich!“ Danach räumte ich ein Exemplar der Zeitschrift Lettre International, bezahlte pflichtgemäß 17 Euro und zog ab. Das Interview mit Thilo Sarrazin muss man ganz lesen, ehe man sich ein Urteil erlaubt. Mich stört vieles an Sarrazins Tonlage, an einer gewissen Kaltschnäuzigkeit, an seiner abkanzelnden Art. So ist er halt.

Was mich aber noch mehr stört, ist, dass jetzt eine wahre Meute von Journalisten, Politikern, Kollegen über ihn herfällt, ohne erkennbar auf das Thema einzugehen: eine in Berlin weitverbreitete Empfänger- und Anspruchsmentalität, die auf Dauer die Eigeninitiative, das selbstverantwortete Leben zu ersticken droht. Und ein bei weitem nicht gelöstes, ja vielleicht nicht einmal erkanntes Problem mit dauerhaft vom Sozialsystem abhängigen Nachbarschaften, Stadtvierteln, ja halben Stadtbezirken.

Worin Sarrazin recht hat, ist: Wir haben in Berlin geschlossene parallele Volksgruppen aus der Türkei und aus arabischen Ländern. Sie begreifen sich selbst vorrangig – teils aus eigenem Entschluss, teils wegen ablehnender Signale – als Angehörige dieser fest in Berlin etablierten ethnischen Gruppen, nicht als Bürger des Gemeinwesens Bundesrepublik Deutschland. Oder überlegen Sie einmal: wann haben Sie zum letzten Mal länger als fünf Minuten mit einem Migranten geredet? Wann zuletzt einen zu sich in die Wohnung eingeladen?

Einen Triumph darf schon einmal die Migranten-Lobby feiern:

Bundesbanker beleidigt Migranten: Ist Sarrazin ein Volksverhetzer? – taz.de
Die Türkische Gemeinde in Deutschland sieht sieht die Debatte über abfällige Äußerungen des Bundesbank-Vorstands Thilo Sarrazin zu Einwanderern in Berlin nun als beendet an. „Sarrazin hat sich entschuldigt und eingeräumt, dass seine Aussagen missverständlich waren“, sagte der TGD-Vorsitzende Kenan Kolat am Freitag in Berlin. „Der Fall ist damit für uns erledigt. Wir hoffen, dass Sarrazin in Zukunft keine Äußerungen dieser Art mehr macht.“

„Thilo, in die Ecke!“ Kolat sagt also irgendwie: Das Problem gibt es nicht, Sarrazin hat unrecht, lasst uns weitermachen wie bisher. Wir lernen daraus: Jeder, der ein bisschen Tacheles redet, redet fortan unter dem Damoklesschwert der Strafanzeige – oder schlimmer noch, des SPD-Parteiausschlusses, wie ihn Frau Högl MdB soeben gefordert hat.

Es wird schon beim ersten Lesen klar, dass Thilo Sarrazin sich im Ton vergriffen hat, dass er manche polemisch zugespitzte Äußerung haarscharf am Ziel vorbei setzt. Vieles an seinen Worten muss beleidigend klingen. Aber es entspringt dem Unmut eines Bürgers, der Einblick in Zahlenwerke und Berichte hat, die niemals das Licht der Öffentlichkeit erblickt haben, weil sie allzu niederschmetternde Befunde aufweisen würden.

Allerdings: Wenn man mit Mitarbeitern des Neuköllner Sozialamts oder mit Schulleitern aus Wedding spricht, wird man ganz Ähnliches hören können wie das, worüber alle Welt aus den gutgewärmten Redaktionen und zuverlässig bezahlten Funktionärseliten sich jetzt so maßlos, selbstgerecht und selbstgefällig ereifert.  Das Empörende ist, dass Thilo Sarrazin das ausspricht, was die Menschen vor Ort, die in den Sozialämtern, Schulämtern, Klassenkonferenzen schier verzweifeln, im stillen Kämmerlein denken. Selbstverständlich ohne es je laut auszusprechen.

Auf Thilo Sarrazin einzuprügeln, weil er sich so weit vorgewagt hat und sich derb im Ton verstiegen hat, wird diese Probleme nicht lösen. Im Gegenteil: Sie werden durch Verschweigen eher noch anwachsen.

Ich fordere also auf, das lange 5-seitige Interview mit Thilo Sarrazin ganz zu lesen, ehe man darüber den Stab bricht. Es ist beileibe keine Volksverhetzung, sondern eine wütende Anklage – und es enthält auch Vorschläge, wie man es besser machen kann.

Klasse statt Masse. Von der Hauptstadt der Transferleistungen zur Metropole der Eliten. Thilo Sarrazin im Gespäch. In: Lettre international. Nr. 86, Herbst 2009, S. 197-201

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Keine Dämonisierung der Publikumslieblinge!

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Juli 252009
 

Gutes Interview mit Henning Scherf! Ich glaube, er gibt sehr gute Ratschläge, die eigentlich für alle Parteien gelten: Gegen einen populären, an Platz 1 gesetzten Kandidaten, wie etwa Angela Merkel, kommt man nicht an, indem man ihn zu demontieren versucht. Das kann nicht klappen. Es würde und wird  auch gegen den Wirtschaftsminister nicht klappen. Egal was der Herr Franz vom Opel-Betriebsrat jetzt gerade wieder veranstaltet.

Die Wähler haben sich in der Kanzlerfrage längst entschieden. Continue reading »

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Sind wir Radfahrer alle Mörder? Oder: Kennt der Islam den Begriff der individuellen Verantwortung?

 Sündenböcke  Kommentare deaktiviert für Sind wir Radfahrer alle Mörder? Oder: Kennt der Islam den Begriff der individuellen Verantwortung?
Juli 122009
 

Mit zahlreichen Messerstichen ermordete vor wenigen Tagen ein offensichtlich geistesgestörter Mann eine wehrlose Frau. Es war an einem Ort, an dem zu diesem Zeitpunkt viele Menschen unterwegs waren. Der Täter fuhr ein rotes Fahrrad. Eine Überwachungskamera hielt den Mann fest, der auffällig gekleidet war und auch durch das rote Fahrrad leicht identifiziert werden könnte. Warum ist dies noch nicht geschehen? Wo bleibt die Gemeinschaft der Radfahrer? Warum hat sich der ADFC und der deutsche Bundesverkehrsminister nicht öffentlich entschuldigt? Das Opfer war eine Frau, der Täter war offensichtlich ein radfahrender Mann! Warum haben sich die Männer nicht entschuldigt? Diese ständige Kultur des Wegsehens Continue reading »

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